Erfindung: Genetisch veränderte Moskitos zur Bekämpfung von Dengue-Fieber
Denguefieber ist eine äußerst schmerzhafte und teilweise tödlich verlaufende Viruserkrankung, mit der sich Jahr für Jahr Millionen von Menschen infizieren. Das Virus wird durch eine Stechmückenart übertragen, die sich nur schwer bekämpfen lässt. Zumindest bis jetzt. Denn nun hat der britische Wissenschaftler Luke Alphey eine Möglichkeit gefunden, die Stechmückenpopulationen durch Genmanipulation zu dezimieren. Dabei wird die DNS der Mücken durch ein zusätzliches Gen so verändert, dass die Larve gar nicht erst geschlechtsreif wird.
Seit mehr als zehn Jahren befasst sich Luke Alphey mit der Sterile-Insekten-Technik (SIT), einer altbekannten Methode, die den natürlichen Fortpflanzungsinstinkt der Stechmücken nutzt, um sie durch sterile Individuen auszurotten. Im Rahmen der Forschungen mit seinem Kollegen Dean Thomas an der University of Oxford und in ihrem späteren Spin-off-Unternehmen Oxitec Limited haben die beiden Wissenschaftler eine Methode entwickelt, mit der männliche Stechmücken der Spezies Aedes aegypti gentechnisch "sterilisiert" werden können: Ihre Nachkommen sterben, bevor sie die Geschlechtsreife erreichen.
Durch wiederholtes Freisetzen solcher transgener Stechmücken wird die Population deutlich reduziert, sodass weniger Mücken stechen und das Risiko, an Denguefieber zu erkranken, sinkt. Diese geniale Technologie kann die Mückenzahl um mehr als 90 % verringern und ermöglicht – sehr viel besser als bisherige Methoden – eine praktikable Mückenkontrolle ohne giftige Pestizide.
Gesellschaftlicher Nutzen
Nach Malaria ist
Denguefieber weltweit die zweithäufigste von Mücken übertragene Krankheit. Die
Weltgesundheitsorganisation (WHO) schätzt, dass sich jedes Jahr zwischen 50 und
100 Millionen Menschen mit dem Virus infizieren und rund 25 000 daran
sterben. Noch schwerwiegender ist, dass die Neuinfektionen zunehmen. Die Zahl
der Länder, in denen Dengue-Epidemien aufgetreten sind, hat sich seit den
1970er-Jahren verzehnfacht. Denguefieber ist damit die sich am schnellsten
ausbreitende mückenbedingte Krankheit der Welt.
Eines der größten Probleme
der Gesundheitsbehörden liegt darin, dass Denguefieber bisher nicht heilbar ist
und die Bevölkerung nicht vor einer Ansteckung geschützt werden kann. Ein
wirksamer Impfstoff konnte bisher nicht entwickelt werden, da Dengue über vier
verschiedene Virus-Serotypen übertragen werden kann. Wer einmal mit einem
Virenstamm infiziert wurde, läuft sogar Gefahr, bei einer späteren Ansteckung
mit einem anderen Virenstamm noch schwerer zu erkranken.
Wirtschaftlicher Nutzen
Der WHO zufolge besteht für
bis zu 40 % der Weltbevölkerung, also rund 2,5 Milliarden Menschen,
die Gefahr einer Ansteckung mit dem Denguefieber. Die jährliche wirtschaftliche
Belastung durch diese Krankheit wird allein für den amerikanischen Kontinent
auf rund 1,72 Mrd. EUR (2,1 Mrd. USD) geschätzt.
Unterstützt wird Oxitec
durch den britischen Forschungsrat für Biotechnologie und Biologische Forschung
(BBSRC), den größten Förderer nicht-medizinischer Bioforschung in
Großbritannien, sowie die Bill & Melinda Gates Foundation. Im
Juni 2014 wurde eine Investitionsrunde in Höhe von 7,7 Mio. EUR
(6,1 Mio. GBP) abgeschlossen, und die Technologie steht nun kurz vor
der Vermarktung.
Für den wohl bisher größten
Feldversuch mit sterilisierten Stechmücken hat das Florida Keys Mosquito Control Department (FKMCD) bei der US-amerikanischen
Nahrungs- und Arzneimittelbehörde FDA die Genehmigung für eine Testfreisetzung
ab 2015 beantragt.
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Luke Alphey
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Luke Alphey
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Luke Alphey
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Luke Alphey
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Luke Alphey
Funktionsweise
In die Eier der Stechmücken werden geringste Mengen genetisch veränderter DNS injiziert. Die Larven nehmen sie in ihre Zellstruktur auf, wo sie anschließend in die Genome kopiert wird. Der Großteil der Larven wird diese Fremd-DNS zwar abstoßen, doch reicht es zur Gründung einer neuen, sterilen Kolonie aus, wenn nur eins von tausend Eiern die DNS aufnimmt.
Nachdem die DNS in jede Zelle kopiert wurde, wird die Produktion eines Proteins namens tTAV ausgelöst, das die Zellentwicklung negativ beeinflusst.
In Gefangenschaft werden die Stechmücken mit dem Antibiotikum Tetracyclin gefüttert, damit das Protein tTAV vorübergehend unwirksam wird. Daher können sich die Tiere normal entwickeln und fortpflanzen.
In der Natur hingegen führt das Fehlen von Tetracyclin zur Produktion von tTAV, das die normalen Zellprozesse hemmt, sodass die für das Überleben der Zellen bei den Stechmücken verantwortlichen Gene deaktiviert werden.
Die Erfinder
Luke Alphey war, zusammen mit Dean Thomas, der erste Wissenschaftler, der genetisch veränderte Insekten auf diese Weise eingesetzt hat. Das erste Patent für transgene Stechmücken wurde im November 1999 von Isis Innovation Limited (dem Vermarktungsunternehmen der University of Oxford) beantragt, wobei Alphey und Thomas als Erfinder genannt waren. Ähnliche Patente haben sie auch in anderen Ländern angemeldet, u. a. in den USA, Mexiko und China. Alphey ist zudem in sechs weiteren Patenten auf Technologien mit genmanipulierten Stechmücken als Erfinder genannt.
Alphey hat ursprünglich als wissenschaftlicher Direktor bei Oxitec gearbeitet, er war Mitbegründer der Firma und ist nun Aufsichtsratsmitglied. Alphey erhielt einen Doktortitel der Universität von Dundee und forschte daraufhin am Imperial College London und der Universität von Dundee. 1997 wurde er wissenschaftlicher Mitarbeiter am MRC und später Genetiker bei der zoologischen Abteilung der Universität von Oxford, wo er momentan Gastprofessor ist. Er arbeitet am Pirbright Institute und treibt dort die Forschung zur genetischen Kontrolle von Insektenplagen voran.
Wussten Sie das?
Die Spezies Aedes
aegypti besitzt mehrere Eigenschaften, die eine Kontrolle erschweren, und ist
ein nahezu perfekter Vektor für die Übertragung von Denguefieber, Gelbfieber
und Chikungunyafieber. Im Gegensatz zu anderen Stechmückenarten legt sie ihre
Eier bevorzugt in kleinsten Pfützen ab, beispielsweise in alten Autoreifen oder
Dachrinnen. Auch das Schlafen unter Moskitonetzen bietet keinen Schutz: Anders
als die Spezies Anopheles, die
überwiegend nachtaktiv ist und Malaria überträgt, ist Aedes aegypti bei Tag aktiv und hat im Laufe der Zeit eine Vorliebe
für menschliches Blut entwickelt.