Erfindung: Glutenersatz aus Mais
Die italienischen Wissenschaftler Virna Lucia Cerne und Ombretta Polenghi mit ihrem Team bei Dr. Schär SPA in Italien sind Vorreiter bei der Entwicklung glutenfreier Backwaren. Dank ihrer Arbeit lässt sich ein vielseitiges und schmackhaftes Sortiment an Pasta und Backwaren herstellen, mit dem Menschen mit Glutenunverträglichkeit den Einschränkungen bei ihrer Ernährung gerecht werden können. Das Alleinstellungsmerkmal der Nahrungsmittelprodukte des Unternehmens ist die Qualität des Teigs, der für die Herstellung verwendet wird.
Im
Zeitalter sozialer Medien und Stardiäten gilt es fast schon als chic, sich glutenfrei zu ernähren.
Gesundheitsbewusste Esser schwören reihenweise auf den Verzicht von Proteinen
in Weizen und anderen Getreidesorten; auf Veranstaltungen werden alle möglichen
glutenfreien Produkte angepriesen. Für etwa 1 % der Weltbevölkerung ist
der Verzicht auf Gluten jedoch keine Frage des Lebensstils, sondern dient der
Vermeidung von quälenden Begleiterscheinungen der Zöliakie.
Allerdings ist es schwierig, eine echte Alternative zu Weizenteig zu finden, da seine chemischen Eigenschaften, sein Geschmack und seine Textur einzigartig sind. Mit einer Ersetzung ist es oft nicht getan. Also ließen Cerne und Polenghi 2013 eine Methode patentieren, mit der glutenähnliche Proteine, sogenannte Zeine, aus Mais extrahiert und in Rezepturen verarbeitet werden. Mais ist weit verbreitet und günstiger als andere alternative Getreidesorten. Das Resultat ist ein Ersatzprotein, das den Geschmack und die Textur von Weizenprodukten bietet, aber kostengünstiger ist, sodass die Produkte für mehr Menschen erschwinglich sind.
Gesellschaftlicher Nutzen
Zöliakie ist eine Autoimmunerkrankung, bei der Gluten die feinen Zotten im Dünndarm schädigt. Da eine der Hauptaufgaben des Dünndarms darin besteht, Nährstoffe aus der Nahrung ins Blut aufzunehmen, leiden Zöliakiepatienten häufig unter chronischer Müdigkeit, Vitaminmangel und Blutarmut. Für die Betroffenen ist eine streng glutenfreie Ernährung bisher die einzig wirksame Behandlungsmethode. Der Verzicht auf Gluten ist allerdings nicht immer leicht oder erfreulich. Für Menschen, die trotz Einschränkungen bei der Ernährung gerne gut essen, ist die Extraktionsmethode von Cerne und Polenghi ein Geschenk des Himmels - ein leckeres noch dazu.
Schätzungen zufolge leidet etwa 1 % der Weltbevölkerung unter Zöliakie. Die Verbreitung unter Erwachsenen ist in Europa je nach Land unterschiedlich. Den geringsten Anteil hat Deutschland mit 0,3 % (240 000), den höchsten Finnland: Hier sind es rund 2,4 % (120 000). Geschätzt 3 Millionen Amerikaner, also etwa einer von 133, zeigen Symptome der Krankheit. Mit zunehmendem Bewusstsein werden wohl auch die Zahlen nach oben gehen, denn bislang wurde die Krankheit häufig unter- und fehldiagnostiziert.
Daneben gibt es auch immer mehr Menschen mit einer sogenannten Glutenunverträglichkeit oder -sensitivität. Sie klagen beim Verzehr von Getreideprodukten über ähnliche Symptome, die unterschiedlich schwer sein können. Schätzungen zufolge kommt Glutenunverträglichkeit sechsmal häufiger vor als echte Zöliakie.
Wirtschaftlicher Nutzen
2015 hatte der Markt für glutenfreie Ernährung einen Wert von etwa 4,27 Mrd. EUR. Wer sich glutenfrei ernährte, gab sein Geld jedoch nicht nur für alternative Brote und Pasta aus: Reisende buchten glutenfreie Urlaube, und Apps für Gesundheitsbewusste führten die Hungrigen in glutenfreie Restaurants oder präsentierten ihnen die neuesten leckeren Rezepte.
Glutenfreie Seife? Kein Problem. Glutenfreies Hundefutter? Auch das gibt es. Scheinbar jeden Tag werden neue Produkte kreiert. Der Umsatz bei glutenfreien Produkten wird daher bis 2020 auf voraussichtlich 7 Mrd. EUR ansteigen. Währenddessen arbeitet das Team im Dr. Schär R&D Centre in Triest, Italien, an neuen Zutaten und Prozessen - von Anbautechniken bis hin zu Sensortechnologien. So möchte das Unternehmen, das mehr als 1 070 Mitarbeiter beschäftigt, seine Marktposition - etwa 35-40 % des europäischen Markts glutenfreier Produkte - verteidigen und seinen Jahresumsatz von derzeit 320 Mio. EUR weiter steigern.