Erfindung: Atemhilfe für Neugeborene
Die Erfindung von Lungensurfactants durch den schwedischen Laborarzt Tore Curstedt am Karolinska-Institut in Stockholm eröffnete völlig neue Möglichkeiten, das Leben von Frühgeborenen zu retten, die unter dem Atemnotsyndrom Frühgeborener (Respiratory Distress Syndrome, RDS) leiden. Die Lungenkrankheit war über mehrere Jahrzehnte hinweg die Haupttodesursache bei Neugeborenen.
Curstedts Behandlungsmethode wurde 1989 in
einer Testphase vorgestellt. Dabei wird über einen in die Luftröhre
eingeführten Schlauch (tracheale Intubation) eine Schutzschicht in die Lunge
des Neugeborenen eingebracht. Diese Schicht besteht aus einer natürlich
vorkommenden schlüpfrigen Substanz, dem sogenannten "Surfactant", die
aus Schweinelungen gewonnen wird. So wird verhindert, dass die Luftbläschen in
der Lunge, die Alveolen, kollabieren. Inzwischen ist Curstedts Erfindung eine
Standardbehandlung bei Neugeborenen, die etwa drei bis zehn Wochen zu früh auf
die Welt kommen und an RDS leiden. Die Behandlungsergebnisse wurden durch die
Erfindung entscheidend verbessert, und bis heute wurde die Behandlung bei mehr
als 3 Millionen Neugeborenen durchgeführt.
Curstedt und seinem Miterfinder Bengt Robertson (1935-2008) gelang der Durchbruch, indem sie die natürlichen Eigenschaften von Surfactants zur Erhaltung der Oberflächenspannung im Lungengewebe nutzten. Dies erforderte auch einen neuen Ansatz für die Herstellung der Substanz mit dem chemischen Namen "Poractant alfa" in großen Mengen, denn das aus einer Schweinelunge gewonnene Surfactant reichte nur für die Behandlung von zwei Neugeborenen. Dank translationaler Forschungsbemühungen erhielten die Forscher Unterstützung vom italienischen Pharmaunternehmen Chiesi Farmaceutici, das das Medikament unter dem Namen Curosurf auf den Markt brachte. Der Name ist eine Kombination aus Curstedt, Robertson und Surfactant.
Gesellschaftlicher Nutzen
Noch in den 1950er- und 1960er-Jahren betrug die Säuglingssterblichkeit bei RDS 90 %; sie war damit die häufigste Todesursache bei Neugeborenen. Das jüngste Kind des US-Präsidenten John F. Kennedy und der First Lady Jacqueline Kennedy kam als Frühgeburt zur Welt und starb nur zwei Tage später an RDS. Daraufhin stieg das Interesse, die Krankheit zu heilen.
Etwa eines von acht Kindern in den USA und eines von vierzehn Kindern in Europa kommen aktuell laut National Center for Health bzw. EFCNI zu früh auf die Welt. Dank Curstedts Erfindung und der breiten Verfügbarkeit anderer Surfactantbehandlungen konnten die Überlebenschancen jedoch stark verbessert werden. So lag die Sterblichkeitsrate 2015 in den Industrieländern unter 5 %.
Noch nie konnten Lungenschäden bei Frühgeborenen so gut behandelt werden. Klinische Studien haben ergeben, dass sich durch die Surfactantbehandlung die Sterblichkeit bei Säuglingen mit RDS um rund 30 % und das Auftreten pulmonaler Air-Leaks um rund 50 % senken lässt.
Wirtschaftlicher Nutzen
Curosurf wurde 1992 in Europa und 1999 von der amerikanischen FDA in den USA zugelassen. Seitdem sind über 3 Millionen Neugeborene mit Lungenkrankheiten damit behandelt worden. Das Medikament ist nun in 80 Ländern erhältlich. Inzwischen wird Curosurf routinemäßig als Vorsorgemaßnahme Säuglingen verabreicht, die vor der 30. Schwangerschaftswoche (also mindestens 10 Wochen zu früh) zur Welt kommen und intubiert werden müssen. Das Medikament war ein riesiger Markterfolg. Chiesi verzeichnete 2014 einen Umsatz von 175 Mio. EUR aus dem Verkauf von Curosurf. Das Produkt, das in über 80 Ländern der Welt erhältlich ist, hat somit einen globalen Marktanteil von 73 %.
Mit einem Gesamtumsatz von 1,34 Mrd. EUR im Jahr 2014 und jährlichen Investitionen von 237 Mio. EUR in Forschung und Entwicklung ist das Familienunternehmen Chiesi Farmaceutici einer der großen europäischen Konzerne im Bereich Arzneimittelentwicklung. In einer aktuellen Studie hatten Frühgeborene mit RDS, die mit Curosurf behandelt wurden, eine um 20 % höhere Überlebenschance gegenüber Behandlungen mit den beiden wichtigsten konkurrierenden Surfactants. Unabhängige Analysten von MarketsandMarkets schätzen den US-amerikanischen Markt für die Behandlung von Frühgeborenen (Ausrüstung, Medikamente, Rezepturen) auf einen Wert von 13,04 Mrd. EUR im Jahr 2015. In einer weiteren Studie von Mordor Intelligence, die nur den europäischen Markt für die Ausrüstung zur Behandlung von Neugeborenen untersucht, wird bei einer jährlichen Wachstumsrate von 8,33 % ein Wert von 1,51 Mrd. EUR (1,79 Mrd. USD) bis zum Jahr 2019 prognostiziert.