Erfindung: Papierbasierte Mikrochips
Die portugiesischen Wissenschaftler Elvira Fortunato und Rodrigo Martins haben gemeinsam mit ihrem Team an der Neuen Universität Lissabon papierbasierte Transistoren erfunden, mit denen im Vergleich zu Siliziumchips Kosten und Energie eingespart werden können. Im Alltag kann diese Erfindung bei Biosensoren, intelligenten Verpackungen, vernetzten Versandetiketten und animierten Werbeplakaten angewandt werden.
Das digitale Zeitalter lässt immer weniger Raum für Papier und Druckerzeugnisse. Von Zeitungen und Büchern bis hin zu Werbeplakaten und Visitenkarten – Silizium ersetzt Zellstoff mit atemberaubender Geschwindigkeit. Und doch hat Papier noch nicht ausgedient. Ein raffinierter, papierbasierter Transistor, der von Elvira Fortunato und ihrem Team entwickelt wurde, soll der digitalen Technologie unzählige neue Anwendungen ermöglichen. Wenngleich die derzeitige Technologie wohl kaum ganz auf den Siliziumchip verzichten wird, könnte der papierbasierte Transistor die ideale Lösung für Anwendungen sein, bei denen der Einsatz von Silizium untragbar teuer und unwirtschaftlich wäre. Dazu gehören beispielsweise die Kennzeichnung mittels Radio Frequency Identification (RFID) im Versand- und Bestandsmanagement oder sich selbst aktualisierende Flugtickets, Visitenkarten und Lebensmitteletiketten.
Gesellschaftlicher Nutzen
Konventionelle Transistoren bestehen aus Silizium von Halbleiterqualität. Dessen Herstellung ist unwirtschaftlich und hat erhebliche Auswirkungen auf die Umwelt. Der Herstellungsprozess ist deshalb so unwirtschaftlich, weil bei der Reinigung bis zu 80 % des in der Natur vorkommenden metallurgischen Siliziums verloren gehen. Die hohen Umwelteinflüsse ergeben sich aus der Verwendung von Treibhausgasen wie Schwefelhexafluorid, dem pro Molekül stärksten Treibhausgas. Eine einzige Tonne davon hat die gleichen Auswirkungen wie 25 000 Tonnen CO2.
Ein Umstieg auf papierbasierte Transistoren würde die Umweltbelastung durch Silizium mildern und den europäischen Zellstoffmarkt ankurbeln, der für 30 % der weltweiten Produktion verantwortlich ist. Durch die Erfindung kostengünstiger Papierchips kann auch vermehrt die Kennzeichnung mittels RFID zum Einsatz kommen, beispielsweise auf Lebensmittelverpackungen in Supermarktregalen oder auf Versandcontainern. So wird verhindert, dass verdorbene Lebensmittel in den Handel kommen und Gegenstände beim Versand verloren gehen. Diese Möglichkeiten konnten bisher wegen der hohen Kosten von RFID-Chips auf Siliziumbasis nicht genutzt werden.
Wirtschaftlicher Nutzen
Im Jahr 2008 sicherte sich das portugiesische Augmented-Reality-Unternehmen YDreams den Namen Paper-e® als Warenzeichen für Fortunatos Papiertransistoren in 14 Ländern. YDreams wurde im Jahr 2000 als Spin-off-Unternehmen der Neuen Universität Lissabon gegründet. Das Unternehmen mit Hauptsitz in Lissabon sowie Niederlassungen in Austin, USA, und Rio de Janeiro, Brasilien, beschäftigt weltweit 120 Mitarbeiter. Zurzeit stellt das Unternehmen Prototypen von Produkten mit Papierchip-Technologie her, wie ein Flugticket, das sich selbst aktualisiert. Außerdem bereitet YDreams mit offizieller Förderung den Markteintritt vor: Fortunato erhält für ihre Forschung im Bereich anorganischer Oxide in der Elektronik vom Europäischen Forschungsrat eine Förderung in Höhe von 2,5 Mio. EUR. Eine so hohe Summe hat noch nie zuvor ein portugiesischer Wissenschaftler erhalten.
Der in naher Zukunft vielversprechendste Bereich für zellstoffbasierte Transistoren ist der Markt für intelligente elektronische Verpackungen. Laut einer Studie von IDTechEx wird die weltweite Nachfrage auf diesem Gebiet rasant ansteigen: von 26 Mio. EUR (30 Mio. USD) im Jahr 2012 auf 1,51 Mrd. EUR (1,7 Mrd. USD) im Jahr 2022.
Papierbasierte Einweg-Mikroelektronik hat aber auch das Potenzial, auf dem lukrativen weltweiten Markt für Transistoren einen neuen Bereich zu eröffnen. Im Jahr 2014 schätzte Research and Markets den Wert des gemeinsamen Marktes von Bipolartransistoren mit isolierter Gate-Elektrode (insulated-gate bipolar transistor, IGBT) und Metall-Oxid-Halbleiter-Feldeffekttransistoren (metal-oxide-semiconductor field-effect transistor, MOSFET) auf 4,21 Mrd. EUR (4,785 Mrd. USD). Bei einer jährlichen Wachstumsrate von 11,7 % wird der Markt voraussichtlich auf mehr als 10,56 Mrd. EUR (12 Mrd. USD) im Jahr 2021 anwachsen.