Erfindung: Erhaltung von Transplantationsorganen
Hunderttausende Menschen auf der ganzen Welt warten auf lebensrettende Spenderorgane. Aber viele Organe schaffen es gar nicht erst bis zum Empfänger, da die Zeit, während derer die Organe außerhalb des Körpers am Leben gehalten werden können, begrenzt ist. Das von dem amerikanischen Herzchirurgen Waleed Hassanein entwickelte Organ Care System (OCS) bringt hier eine wesentliche Verbesserung: Es kann die Organfunktion länger aufrechterhalten und erhöht damit den Prozentsatz erfolgreich verpflanzter Organe.
OCS wird seit 2007 in Kliniken eingesetzt und tritt
an die Stelle eines jahrzehntelang verwendeten Verfahrens, der sogenannten
"kalten Ischämie". Bei der kalten Ischämie wird ein Spenderorgan nach
der Entnahme mit einer kühlen, sterilisierten Lösung gespült, um es von Blut zu
reinigen, bevor es dann in Eis verpackt wird. So kann das Absterben des Organs
um einige Stunden verzögert werden. In Hassaneins System wird das Organ
außerhalb des menschlichen Körpers am Leben erhalten, indem die Vitalfunktionen
aufrechterhalten werden.
Hassanein begann Anfang der 1990er-Jahre als junger Arzt an der Universität Georgetown, an diesem Meilenstein zu arbeiten. Frustriert durch die Erfahrung, hilflos miterleben zu müssen, wie Organe, die Leben hätten retten können, während der Kaltlagerung abstarben, fing er an, damit zu experimentieren, Organe in einem warmen Umfeld, umgeben von nährstoffreichem Blut, zu lagern. Auf der Grundlage der dabei gewonnenen Erkenntnisse entwickelte er OCS. Dieses System hält die Organe nicht nur am Leben, ohne dass ein Funktionsverlust eintritt, sondern ermöglicht es auch, sie während der Lagerung auf Schädigungen zu überprüfen. Und es rückt sogar die Vision, Infektionen außerhalb des Körpers behandeln zu können, in greifbare Nähe. Ursprünglich zur Lagerung menschlicher Herzen entwickelt, steht OCS mittlerweile auch für Lungen und Lebern zur Verfügung und wurde bereits in mehr als 800 Transplantationen erfolgreich eingesetzt.
Gesellschaftlicher Nutzen
Die Erfindung könnte die Chancen auf ein Spenderorgan für Patienten signifikant erhöhen. Nach Angaben der US-Organisation "United Network for Organ Sharing" erweitert sich die Warteliste für Spenderorgane allein in den USA alle 10 Minuten um einen neuen Namen. Jeden Tag sterben 22 Menschen, während sie auf ein Transplantat warten. In den Ländern der EU, zusammen mit Island, Norwegen und der Türkei, standen 2013 insgesamt 86 000 Patienten auf den Wartelisten für Organe. Experten gehen davon aus, dass weltweit 60 bis 65 Prozent aller Spenderherzen aufgrund der Einschränkungen der Kaltlagerung nicht zum Einsatz kommen.
OCS erweitert die Zahl verfügbarer Organe in dreifacher Weise: Erstens verlängert das System die Zeitspanne, die ein Organ auf dem Weg zum Empfänger überleben kann. Bei der Kaltlagerung beträgt diese Spanne für ein Herz etwa vier Stunden. Mittels OCS gelagerte Herzen konnten in einigen Fällen noch nach 11 Stunden erfolgreich eingepflanzt werden. Zweitens ermöglicht OCS es den Ärzten, den Gesundheitszustand der Spenderorgane außerhalb des Körpers zu überwachen und zu beurteilen, was bei der kalten Ischämie nicht möglich ist. Und drittens können dank OCS auch Spenderorgane von Menschen verwendet werden, deren Herzen bereits aufgehört haben, zu schlagen. Dadurch erhöht sich die Zahl der verfügbaren Organe beispielsweise in Großbritannien um 25 Prozent.
Wirtschaftlicher Nutzen
Mit dem großflächigen Einsatz von OCS könnte die Lagerungskette lebender Organe auf dem Weg vom Spender über die Kliniken zum Empfänger besser vernetzt werden. Die OCS-Technologieplattform, bestehend aus OCS-Systemen für Lungen, für Herzen und für Lebern, hat in der EU bereits die CE-Kennzeichnung erhalten und ist in Australien und Kanada zugelassen. Das Verfahren für die Zulassung durch die FDA in den USA läuft noch. Ein erster Schritt in diese Richtung ist die offizielle Empfehlung für den klinischen Einsatz des OCS-Systems für Herzen, die das britische National Institute for Health and Care Excellence (NICE) 2016 ausgesprochen hat.
Um seine patentierten Erfindungen auf den Markt zu bringen, gründete Hassanein 1998 das in Massachusetts ansässige Unternehmen TransMedics. Das Unternehmen hat bereits rund 280 Mio. EUR an Risikokapital und privatem Beteiligungskapital enthalten und beschäftigt 70 Mitarbeiter.
Hassans Systeme zur Organkonservierung, die dabei sind, den seit Jahrzehnten bestehenden Standard der Kaltlagerung zu ersetzen, haben das Potenzial, den Markt für Organkonservierungssysteme neu zu beleben. Dieser wird von Experten bei Transparency Market Research derzeit auf 56,7 Mio. EUR beziffert. In den nächsten Jahren wird eine Steigerung um das Dreifache erwartet, bis 2019 wird er nach diesen Schätzungen einen Wert von 189 Mio. EUR überschritten haben.