Erfindung: Behandlung von Lupus durch Ausschalten von T-Zellen
Für Patienten, die an der Autoimmunerkrankung "systemischer Lupus erythematodes (SLE)" leiden, besteht die Hoffnung, schon bald von einer viel besseren Behandlungsmethode profitieren zu können. Die von der französischen Immunologin Sylviane Muller und ihrem Team am Centre national de la recherche scientifique (nationales Zentrum für wissenschaftliche Forschung) in Paris erfundene Medikation ist die erste Behandlung für diese Krankheit, die nicht nur die Symptome lindert, sondern auch ihr Fortschreiten eindämmt.
Lupus ist eine
unheilbare Krankheit, bei der das Immunsystem - dessen Aufgabe darin besteht,
den Körper gegen Bedrohungen von außen zu verteidigen - sich nach innen wendet
und gesundes Gewebe angreift und ganz normale Abläufe unterbindet. Bisher
wurden bei der Behandlung Steroide und Immunsuppressiva eingesetzt. Erstere
haben bei langzeitigem Gebrauch erhebliche Nebenwirkungen, letztere hemmen das
gesamte Immunsystem und machen den Körper somit anfällig für Infektionen.
Mullers neue Medikation, die unter dem Namen Lupuzor vermarktet wird und
voraussichtlich 2018 auf den Markt kommt, unterdrückt nur die Aktivität
sogenannter "T-Zellen", die mit dem Lupus in Zusammenhang stehen.
Gesunde Abwehrmechanismen hingegen bleiben dabei intakt. Der Durchbruch gelang
Muller und ihrem Team bereits in den frühen 2000er-Jahren, als sie die Wirkung
synthetischer Peptide auf Immunreaktionen untersuchten. Ein Peptid (eine kurze
Kette von Aminosäuren), das als P140 bekannt ist, zeigte vielversprechende
Eigenschaften: Es wirkte nicht als Immunhemmer, sondern als Immunmodulator,
d. h. es veränderte die Immunreaktion des Körpers, und zwar so, dass der
Lupus gestoppt wurde. Weitere Untersuchungen zeigten, dass das Peptid den der
Krankheit zugrunde liegenden Vorgang der Zellautophagie (abgeleitet von einem
griechischen Wort, das "Selbstverzehr" bedeutet) abstellt.
Gesellschaftlicher Nutzen
Weltweit leiden etwa 5 Millionen Menschen an SLE. 90 Prozent davon sind Frauen. Die Prävalenz der systemischen Form der Erkrankung liegt zwischen 40 und 70 pro 100 000 Menschen weltweit. Der lateinische Name "Lupus" bedeutet "Wolf", da bestimmte Symptome an Wolfsbisse erinnern und bei den Betroffenen Hautrötungen zu beobachten sind. Andere Symptome wie Erschöpfung, Gelenkschmerzen und Haarausfall hindern viele Patienten daran, ein normales Leben zu führen. Auch wenn 80 bis 90 Prozent der Patienten, bei denen SLE diagnostiziert wird, genauso lange leben wie Menschen, die die Krankheit nicht haben, so kann SLE den Körper durch Organversagen oder größere Infektionen doch so sehr belasten, dass die Lebenserwartung gesenkt wird.
Wird SLE nicht behandelt, so kann die Krankheit Muskeln, Knochen, Blut (Anämie), Herz, Lunge und Nieren in Mitleidenschaft ziehen. Schätzungen zufolge werden dennoch mehr als 60 Prozent aller Lupus-Patienten nicht adäquat behandelt. Das liegt daran, dass Lupus extrem schwer zu diagnostizieren ist, da die Symptome von Patient zu Patient so unterschiedlich sind, und dass es bislang keine allgemeingültigen Behandlungsmethoden für diese Krankheit gab. Mullers Erfindung bringt hier eine deutliche Verbesserung. Wenn man bereits in größeren Zusammenhängen denkt, so könnte der Mechanismus, der hinter ihrer Erfindung steht, durchaus das Potenzial zum vorteilhaften Einsatz auch in Arzneimitteln für andere Krankheiten haben - sowohl Autoimmun- als auch sonstige Erkrankungen.
Wirtschaftlicher Nutzen
Muller hat zwei Unternehmen mitgegründet, die auf ihren Entdeckungen basieren: Neosystem (heute Polypeptide France) im Jahr 1986 und ImmuPharma im Jahr 2002. Die Erfinderin führt die erfolgreiche Überführung der patentierten Erfindung in ein zukunftsweisendes pharmazeutisches Unternehmen auf die enge Zusammenarbeit mit dem Forscher und derzeitigen Präsidenten von ImmuPharma Robert Zimmer zurück. Zimmer, der ImmuPharma bereits mitgründete, promovierte in Straßburg in Medizin, erwarb einen weiteren Doktortitel an der Universität Aix-Marseille und war in Unternehmen wie Roche in der Pharmaentwicklung tätig.
ImmuPharma vermarktet Lupuzor (das auch unter den Bezeichnungen Rigerimod, IPP-201101 und P140 bekannt ist). Die Markteinführung in den USA und fünf EU-Ländern ist für 2018 vorgesehen. Dank Mullers Durchbruch verspricht dieses Medikament, ein Blockbuster für die Behandlung von SLE zu werden. Basierend auf den Einnahmen, die mit den Lupus-Medikamenten erzielt werden, die aktuell auf dem Markt sind, gehen vorsichtige Schätzungen ImmuPharmas davon aus, dass der jährlich zu erwartende Umsatz mit Lupuzor bei mehr als 940 Millionen EURO liegen könnte. Dabei wird erwartet, dass der US-Markt, wo derzeit ein Verfahren zur beschleunigten Zulassung durch die FDA läuft, 80 Prozent zum Umsatz beitragen wird. Die jüngsten Branchenprognosen von GlobalData gehen davon aus, dass der Umsatz mit Medikamenten zur Behandlung von SLE und Lupusnephritis (LN) - einer in Folge von SLE auftretenden Nierenentzündung - auf den sieben größten Pharmamärkten der Welt bis zum Jahr 2025 auf drei Milliarden Euro steigen wird.