Erfindung: Verbesserte Magnetresonanztomografie (MRT)
Die Magnetresonanztomografie (MRT) ist eines der weltweit am häufigsten eingesetzten Verfahren in der medizinischen Diagnostik. Der Schlüssel zum Erfolg war eine revolutionäre Aufnahmemethode, die als "Fast Low Angle Shot" (FLASH) bezeichnet wird. 1985 von dem deutschen Physikochemiker Jens Frahm fertiggestellt, beschleunigte FLASH die Erzeugung von MRT-Bildern um den Faktor 100. Damit konnte die Aufnahmezeit von einem halben Tag auf wenige Minuten reduziert werden, und so wurde das Verfahren schnell zum klinischen Standard. Mit FLASH 2 legte der Erfinder noch einmal nach. Dieses Verfahren liefert die ersten bewegten MRT-Bilder in Echtzeit mit bis zu 100 Einzelaufnahmen pro Sekunde.
Bevor Frahms bahnbrechende
Erfindung ins Spiel kam, war die MRT als diagnostisches Verfahren noch untauglich.
Als 1977 erstmals ein MRT an einem Menschen gemacht wurde, dauerte es vier
Stunden und 45 Minuten, bis ein dreidimensionales Bild erzeugt war - viel
zu lange für die medizinische Praxis.
Was die
Geschwindigkeit in den frühen 1980er-Jahren so drastisch erhöhte, war ein
geniales Verfahren, das Jens Frahm am Max-Planck-Institut für biophysikalische
Chemie in Göttingen entwickelte: FLASH bringt die Atome, die sich mit dem
Magnetfeld ausrichten, in einen flacheren Winkel und macht es damit möglich, ultrakurze
Signalimpulse in schneller Abfolge abzugeben, wodurch man schnellere Messungen
erhält. Damit können die MRT-Scanner sämtliche für ein dreidimensionales Bild
erforderlichen Aufnahmen innerhalb von wenigen Minuten machen, für
zweidimensionale Aufnahmen dauert es nur Sekunden.
Der Rest ist
Geschichte: Führende Hersteller übernahmen die patentierte Technologie
innerhalb von Monaten nach ihrer Veröffentlichung, und die Anzahl im Einsatz
befindlicher MRT-Geräte stieg weltweit rasant an.
"Die
Bildgebungsmethode, die wir damals entwickelten, ist seither die Grundlage für
alle medizinischen Magnetresonanzanwendungen auf der Welt", berichtet der
Erfinder. 2010 stellte Frahm dann die Weiterentwicklung vor: FLASH 2 kombiniert
das Prinzip der FLASH-Technik mit moderner computerbasierter
Bildrekonstruktion, und erreicht auf diese Art Aufnahmegeschwindigkeiten von
bis zu 100 Einzelbildern pro Sekunde. Damit gelingt in der MRT-Technologie
der Schritt von der Fotografie zur Videografie.
Gesellschaftlicher Nutzen
Nachdem MRT-Geräte
dank der FLASH-Technologie so viel schneller geworden waren, wurden sie schnell
zum neuen Standard in der medizinischen Bildgebung. Sie lieferten
dreidimensionale Bilder in hoher Auflösung von sensiblen Körperregionen wie dem
Gehirn, dem Herzen oder dem Abdomen - und das ganz ohne schädliche
Strahlung wie beim Röntgen.
Heute werden
weltweit jedes Jahr mehr als 100 Millionen MRTs angefertigt, und bei allen
kommt das FLASH-Verfahren zum Einsatz. Das sind drei MRTs pro Sekunde! Bei der
globalen Bewertung von Gesundheitssystemen gilt die Verfügbarkeit von
MRT-Untersuchungen als bedeutender Indikator für die Qualität der Versorgung. Weltweit
sind heute 36 000 MRT-Geräte im Einsatz. Allein in Deutschland hat sich
die Anzahl der MRT-Untersuchungen in der ambulanten Gesundheitsversorgung fast
verdreifacht: Waren es im Jahr 2000 noch 38 Untersuchungen, die auf 1 000
Einwohner kamen, so war diese Zahl bis 2014 auf 108 geklettert.
Patienten werden
künftig auch von FLASH 2 profitieren, das sich derzeit in Deutschland,
Großbritannien und den USA in der klinischen Erprobung befindet. Es liefert
erstmals dreidimensionale Videos von schlagenden Herzen, sich bewegenden
Gelenken und komplexen Prozessen wie dem Schluck- oder dem Sprechvorgang.
"Wir können jetzt physiologische Vorgänge sichtbar machen, die wir nie
zuvor gesehen haben", erklärt Frahm. FLASH 2 hat bereits 50 Doktorarbeiten
mit vielen neuen diagnostischen Erkenntnissen hervorgebracht.
Wirtschaftlicher Nutzen
Frahms Erfindungen
führten zu Schlüsselpatenten für das FLASH-Verfahren. Sie wurden 1987 in den
USA und 1989 in Europa erteilt. Diese Patente brachten aber zunächst keine
Einnahmen ein, da drei der größten Hersteller die Technologie nutzten, ohne
eine Lizenz dafür zu erwerben. Bis 1993 hatte die Max-Planck-Gesellschaft fast 1,5 Millionen
EUR in einen sieben Jahre andauernden und auf sämtlichen Kontinenten geführten
Rechtsstreit investiert, aus dem sie schließlich erfolgreich hervorging.
Heute ist FLASH für
die Max-Planck-Gesellschaft der gewinnträchtigste Wert in ihrem IP-Portfolio.
Die Lizenzeinnahmen, die ihr das Patent bis heute beschert hat, gibt sie mit 150 Millionen
EUR an. Die Lizenzgebühren aus den Patenten für FLASH und FLASH 2 gehen
direkt wieder in die Forschung zurück, denn sie werden zur Finanzierung einer
gemeinnützigen Organisation verwendet, die 1993 ganz gezielt für Frahms
Forschungsaktivitäten am Max-Planck-Institut für biophysikalische Chemie in
Göttingen gegründet wurde.
2016 bezifferten Experten
von MarketsandMarkets den globalen Markt für MRT-Systeme auf 4,7 Mrd. EUR.
Laut ihrer Prognose wird er bei einer durchschnittlichen jährlichen
Wachstumsrate von 5,1 % bis 2021 einen Umsatz von 6 Mrd. EUR erreicht
haben.
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Jens Frahm
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Schnellere MRT in Echtzeit, Jens Frahm
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Schnellere MRT in Echtzeit, Jens Frahm
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Jens Frahm
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Jens Frahm
Funktionsweise
Überall im Körper
ist Wasser zu finden (beispielsweise im Gewebe, in Organen und im Fett), und
die MRT-Technik macht sich die Eigenschaften der Wasserstoffatomkerne zunutze. Der
Patient wird in der MRT-Röhre einem starken magnetischen Feld ausgesetzt, und
die Wasserstoffatome in den Wassermolekülen, die sich im Körper befinden,
richten sich mit dem Feld aus. Diese Atome werden dann mithilfe von
Radiofrequenzimpulsen aus ihrer Ausrichtung abgelenkt.
Nach jedem Impuls
kehren die Wasserstoffatome in ihre ausgerichtete Lage im Magnetfeld zurück und
senden dabei Radiowellen aus, die vom MRT-Scanner aufgezeichnet und mittels
einer mathematischen Transformation in Bilder umgewandelt werden. Bei den
ersten MRT-Geräten waren hierzu mehr als 200 einzelne Datenaufzeichnungen erforderlich
- d. h. der Patient musste ebenso viele Male dem magnetischen Feld
ausgesetzt werden - um einen vollständigen Querschnitt vom Körper des Patienten
zu erhalten. Bei dieser langwierigen Prozedur war außerdem zwischen den
einzelnen Radioimpulsen eine Wartezeit von mehreren Sekunden nötig, damit die
Kerne in ihre Ausgangslage zurückkehren konnten.
Bei Frahms FLASH-Methode wird für jede der vielen
Einzelmessungen nur ein kleiner Teil des MRT-Signals genutzt, wodurch sich die
Aufnahmezeit drastisch verkürzt. Bei diesem Konzept müssen auch keine langen
Wartezeiten zwischen den Impulsen mehr eingehalten werden. Dadurch, dass die
Atome von den Impulsen nun in einem Winkel von nur fünf bis fünfzehn anstatt 90 °
abgelenkt werden, bevor sie in ihre magnetische Ausrichtung zurückkehren, kann
nun alle 2 bis 10 Millisekunden gemessen werden.
Mit Frahms "Fast Low Angle Shot" werden Schnittbilder in
etwa einer Sekunde fertiggestellt, wodurch sich die Messzeiten für die
Erstellung dreidimensionaler Bilder von mindestens einem halben Tag auf wenige
Minuten verkürzte.
Zur Erstellung der weltweit ersten bewegten
MRT-Bilder setzt FLASH 2 einen Kunstgriff ein: Da die Unterschiede
zwischen den Einzelbildern nur minimal sind, wird bei dieser Methode nur eine
kleine Anzahl von Bildern aufgenommen, nämlich etwa 5 bis 15 anstatt 200. Um
trotzdem durchgehend bewegte Bilder zu erhalten, werden die Lücken mithilfe von
Rekonstruktionsalgorithmen gefüllt.
Der Erfinder
Schon als Student
der Physik an der Georg-August-Universität Göttingen in Deutschland begann Jens
Frahm damit, chemische und physikalische Forschung zu verbinden - ein Weg,
den er bis heute weiterverfolgt. Für seine 1977 erstellte Doktorarbeit in der
physikalischen Chemie beschäftigte er sich mit den medizinischen
Einsatzmöglichkeiten eines damals ganz neuen Konzepts, der sogenannten Kernresonanzspektroskopie
(NMR), also der Technologie, die die Grundlage für MRT ist.
Als Direktor der NMR Forschungs GmbH am Max-Planck-Institut für biophysikalische
Chemie in Göttingen leitet Frahm heute sein eigenes MRT-Forschungslabor. In
dieser Position ist er seit 1993 tätig. Ein aktuelles - vielleicht etwas
überraschendes - Projekt befasst sich mit der Frage der Tonentstehung bei
Blechblasinstrumenten wie beispielsweise dem Horn. Auch hierbei setzen die
Forscher FLASH 2 ein. Aufgrund der hierbei neu gewonnenen Erkenntnisse
werden bereits Lehrbücher für den Musikunterricht umgeschrieben, denn MRT-Filme
haben gezeigt, dass die menschliche Zunge bei der Tonentstehung in diesen
Instrumenten eine aktive Rolle spielt. Bislang war man immer davon ausgegangen,
dass der Ton hier durch Lippenvibration erzeugt wird. In diesem Zusammenhang
ist es vielleicht noch erwähnenswert, dass Frahm leidenschaftlich gerne
Klarinette spielt und darin einst am Staatstheater Oldenburg unterrichtet wurde.
Frahm gilt als Institution auf seinem Gebiet. Er ist äußerst produktiv und
hat mehr als 470 wissenschaftliche Publikationen verfasst, unter anderem
Aufsätze, in denen er die Grundlagen von FLASH und FLASH 2 detailliert
darlegt. Er hat einen h-Index von 87 und ist in vier erteilten europäischen
Patenten als Erfinder genannt.
Frahm wurde mit zahlreichen Preisen ausgezeichnet, unter anderem mit der
Goldmedaille der Internationalen Gesellschaft für Magnetresonanz in der Medizin
(1991), dem Europäischen Preis für MRT der Deutschen Röntgengesellschaft (1989)
sowie der Jacob-Henle-Medaille (2016). 2016 wurde Frahm in die Hall of Fame der
deutschen Forschung aufgenommen - eine Ehre, die bislang nur 20
Wissenschaftlern zuteil wurde.
"Ich habe mein ganzes Leben lang an der MRT-Technologie gearbeitet.
Für mich als Physiker ist dies eine faszinierende Art, etwas Nützliches zu tun,
etwas wirklich Sinnvolles, das Millionen von Menschen zugute kommt",
erklärt Frahm.
Wussten Sie das?
Dass einige der heute
gebräuchlichsten Verfahren in der medizinischen Diagnostik ihre Entstehung eigentlich
Weltraumprogrammen zu verdanken haben, ist wenig bekannt. Sowohl die
Computertomografie als auch die Magnetresonanztomografie
(MRT) gehen auf digitale Bildverarbeitungstechnologien zurück, die von der NASA
zur Untersuchung der Mondoberfläche in Vorbereitung auf die Mondlandung im
Rahmen des Apollo-Programms entwickelt und weiter ausgebaut wurden.
Diese aus der
Weltraumforschung stammenden Technologien wurden später erfolgreich für
terrestrische Zwecke eingesetzt, dank eben solcher Spin-off-Innovationen wie
dem FLASH-Bildgebungsverfahren von Frahm. Die Auswirkungen solcher Erfindungen,
die "nicht von dieser Welt" sind, reichen weit über das Gebiet der
Medizin hinaus. So hat die Europäische Weltraumorganisation (ESA) beispielsweise
organische Membrane auf die Erde zurückgebracht, die für die Wiederaufbereitung
von Wasser eingesetzt werden, oder ferngesteuerte Notfallroboter und Bildanalyse-Software,
die bei der Reparatur von Windkraftanlagen zum Einsatz kommen. Sogar das Duschen
ist infolge von Studien zur Wassereinsparung im Weltall auch hier auf der Erde ressourcenschonender
geworden. In Schweden hat Mehrdad Mahdjoubi eine neue Technologie für
Duschanlagen entwickelt, bei der pro Duschvorgang nur fünf Liter Wasser
verbraucht werden. Dabei wird das Wasser ständig gefiltert und ist damit sogar
noch sauberer als das Wasser, das frisch aus dem Hahn kommt.
Weltraumtechnologien auf
die Erde zu bringen, ist außerdem "Big Business". Laut ESA schafft
der Technologietransfer von Innovationen im All jedes Jahr 1 500 Arbeitsplätze
und Einnahmen von 80 Millionen EUR. Das ist etwa 15 bis 20-mal soviel wie
die Mitgliedstaaten der ESA in die Weltraumprogramme investieren.