Erfindungen: Ultraschnelle Laser
Für die Chirurgie, für die Präzisionsfertigung in der Industrie und auch für die wissenschaftliche Forschung war es ein Quantensprung, als die Wissenschaftlerin, Erfinderin und Professorin Ursula Keller aus der Schweiz entdeckte, wie man kontinuierliches Laserlicht in ultraschnelle Laserpulse verwandeln kann. Mit Lichtpulsen mit einer Dauer von weniger als einer Trillionstel Sekunde haben Kellers Innovationen der Wissenschaftscommunity, der Industrie und der Medizin zu einem Instrument von nie dagewesener Präzision verholfen.
Sowohl in der wissenschaftlichen
Forschung als auch in der industriellen Mikrobearbeitung und natürlich auch bei
kritischen medizinischen Eingriffen sind immer genauere Instrumente und Werkzeuge
gefragt. Aber weder den Wissenschaftlern noch den Fabrikanten und auch nicht den
Medizinern war es bislang gelungen, das präziseste Instrument überhaupt,
nämlich das Licht selbst, zu bezwingen.
Kellers "sättigbarer Halbleiter-Absorberspiegel", kurz "SESAM" (für "semiconductor saturable absorber mirror"), den sie 1992 in ihrer Zeit bei AT&T Bell Laboratories erfand, stellte ein praktisches Verfahren zur Verfügung, um extrem kurze, hochenergetische Laserlichtpulse im Bereich von Pikosekunden (10-12 Sekunden) bis Femtosekunden (10-15 Sekunden) zu erzeugen und diese in einer Sekunde bis zu mehrere Milliarden Male zu wiederholen.
Der Einsatz ultraschneller Femtolasertechnologie in der Augenchirurgie erlaubt die Ausführung winziger Schnitte ohne Verletzungsrisiko für das umliegende Gewebe. Auf ähnliche Weise lässt sich auch Krebsgewebe entfernen, ohne gesunde Nachbarzellen zu beschädigen. Auch in der Kfz-Branche und der Elektronik sind zahlreiche Materialbe- und -verarbeitungmöglichkeiten, die durch die Technologie eröffnet wurden, heute nicht mehr wegzudenken.
Als Physikprofessorin an der Eidgenössischen Technischen Hochschule (ETH) Zürich hat Keller des SESAM-Konzept noch weiterentwickelt und verfeinert. Dabei hat sie es auch erweitert und für andere Arten von Lasern nutzbar gemacht. Außerdem hat sie hochgenaue wissenschaftliche Messgeräte entwickelt, mit denen sich die Wunder des Universums bis hinunter auf die Quantenebene erforschen lassen.
Gesellschaftlicher Nutzen
Fast alle kommerziell erhältlichen ultraschnellen Lasersysteme sind heute mit SESAM ausgestattet. Dank dieser technischen Wunderwerke lassen sich extrem kleine und dünne Materialscheiben abtragen (10 bis 100 Nanometer pro Laserpuls), und zwar nicht mittels Wärme, wie dies bei anderen Laserarten der Fall ist, sondern mittels eines Vorgangs, den man auch "kalte Ablation" nennt. In medizinischen Anwendungen, insbesondere in der Chirurgie, liefern Lasergeräte mit SESAM exakt die Menge an Energie, die für eine hochgenaue Schnittführung benötigt wird, ohne dabei umliegendes Gewebe zu verletzen.
Da hierbei das umgebende Material auch nicht erhitzt wird, werden diese Laser auch eingesetzt, um feine Details auf Glas, Kunststoff oder Silizium aufzubringen - Werkstoffe, die unter dem Einfluss hoher Temperaturen bersten oder brüchig werden würden. Diese Laser sind hilfreich bei der Herstellung von elektronischen Hightechgeräten wie beispielsweise Touchscreens für Smartphones oder Flachbildschirme und Flachbildfernseher, bei der mit hoher Genauigkeit Strukturen in gehärtetes Glas geätzt oder geschnitten werden müssen.
Auch in der Automobilindustrie finden sich ultraschnelle Laser in vielen Anwendungen, seit die SESAM-Technologie vor zwei Jahrzehnten anfing, die Märkte zu erobern. Mit ultraschnellen Lasern lassen sich raffinierte kleine Vertiefungen "bohren", um Reibung zu vermindern und die Haltbarkeit kleiner, rotierender Teile zu verlängern. Darüber hinaus treten sie zunehmend an die Stelle konventioneller Standardverfahren in der Mikrobearbeitung, beispielsweise zur Optimierung des Spritzbildes der Kraftstoffdüsen bei der Direkteinspritzung. So erhält man eine einfache, aber hochpräzise Konstruktion, mit deren Hilfe die Kraftstoffeffizienz um 10 Prozent oder mehr gesteigert werden kann, ohne dass die Leistung dadurch beeinträchtigt wird.
Auch für den Einsatz mit kostengünstigen Laserlichtquellen hat Keller ihre SESAM-Technologie angepasst, und so wird sie auch für Anwendungen wie Laserdisplays, Telekommunikation und medizinische Bildgebungsverfahren interessant. Eine neuere Anpassung von SESAM nennt sich MIXSEL. Dieses System ist einfacher herzustellen und erweitert die Bandbreite der Einsatzmöglichkeiten, so dass SESAM auch in die Unterhaltungselektronik, beispielsweise in Spielkonsolen, oder in Laserführungssysteme (LIDAR) in selbstfahrenden Fahrzeugen Einzug halten kann.
Wirtschaftlicher Nutzen
Der globale Markt für ultraschnelle Laser wurde 2017 auf 2,17 Mrd. EUR beziffert. Das entspricht einem Anteil von rund einem Fünftel am Gesamtmarkt für Lasersysteme. Bis 2023 wird ein Wachstum auf 8,3 Mrd. EUR erwartet. Als einer der größten Wachstumstreiber gilt die Automobilbranche, wo es neue Anwendungen für die ultraschnellen Laser gibt, sowohl in der Mikrobearbeitung von Turbinenwellen für Turbolader als auch von Einspritzdüsen für die Direkteinspritzung. Beim weltweiten Markt für Lasergeräte, die in der Augenheilkunde eingesetzt werden - einschließlich ultraschneller Laser (Femtosekundenlaser) - geht man von einem Wachstum auf rund 1 Mrd. EUR bis 2021 aus, ausgehend von einem Umsatz von etwa 784 Mio. EUR im Jahr 2016. Im Hinblick auf Einnahmen und Wachstum wird das Segment der Femtosekundenlaser den Erwartungen zufolge wohl den Gesamtmarkt dominieren.
Wichtige Akteure im Segment der ultraschnellen Lasern sind beispielsweise das in Frankreich ansässige Unternehmen Amplitude Systèmes, das US-Unternehmen Coherent Inc., die deutsche Firma Trumpf, Ekspla in Litauen oder Fianium in England. Außerdem ist hier noch Lumentum zu nennen, die Muttergesellschaft von Time-Bandwidth Products, einer Ausgründung der ETH Zürich, die Keller 1995 gegründet hat.
Keller hat auch noch ein weiteres Start-up-Unternehmen gegründet: GigaTera, das später in Time-Bandwidth Products aufging. Einige von Kellers Studenten haben eigene Spin-offs oder Start-ups gegründet, darunter z. B. High-Q (das mittlerweile zu MKS gehört), Onefive (das 2017 von NKT Photonics aufgekauft wurde) und auch Amplitude Systèmes. Genaue Zahlen anzugeben ist schwierig, aber die genannten wirtschaftlichen Aktivitäten dürften Schätzungen zufolge sicherlich bereits einen Wert von mehr als 100 Mio. EUR überstiegen haben, und die meisten High-End-Jobs im Bereich der Lasertechnologie sind in Europa entstanden.