Erfindung: Verbessertes Verfahren zur Herstellung von Mikrochips
Den Erfindungen des niederländischen Ingenieurs Eric Loopstra und des russischen Physikers Vadim Banine im Bereich der Lithografie mit extrem ultravioletter Strahlung ("extreme ultraviolet lithography" (EUVL)) ist es zu verdanken, dass die nächste Generation von Mikroprozessoren in Europa hergestellt wird. Die von ihnen entwickelte Technologie, die von dem Chiphersteller ASML in den Niederlanden patentiert und auf den Markt gebracht wurde, setzt Hochenergielaser ein, um Präzision im Nanobereich zu erzielen und auf diese Weise kleinere, schnellere und leistungsfähigere Halbleiter zu produzieren.
Die Rechenleistung
von Mikroprozessoren hängt davon ab, wie viele Transistoren auf einen einzelnen
Chip gepackt werden können. Seit den 1960er-Jahren hat sich diese Zahl im
Schnitt alle zwei Jahre verdoppelt. Waren es damals Tausende von Transistoren, so
passen mittlerweile Milliarden davon auf einen Chip. Diese Entwicklung
entspricht dem von Gordon Moore, Mitbegründer der Intel Corporation, aufgestellten
mooreschen Gesetz.
In den letzten
Jahren hat man sich in der Mikrochipindustrie hier jedoch einem Plateau genähert.
Die Wellenlänge des Laserlichts, das dazu benutzt wird, präzise Transistorstrukturen
auf Silikonchips zu ätzen, ist an seiner physikalischen Grenze angelangt - damit
wäre dann auch das Ende des mooreschen Gesetzes eingeläutet. Und die Einnahmen der
globalen Mikrochipindustrie drohten um 15 % zurückzugehen.
Hier kommen Banine
und Loopstra beim Lithografiesystemanbieter ASML ins Spiel. Über einen Zeitraum
von 20 Jahren hinweg setzten diese beiden ihre jeweiligen Talente als
Physiker und als Systemarchitekt dazu ein, die Grenze bei der Wellenlänge zu
durchbrechen. Ihre patentierten Erfindungen im Bereich der EUVL verringern die Wellenlänge
der Strahlung um den Faktor 14 auf nur 13,5 Nanometer, Welten unterhalb
der einst unüberwindbar scheinenden "Schallmauer" von 193 Nanometern. Globale Chiphersteller beginnen nun damit,
die EUVL-Technologie für die Massenproduktion einzusetzen.
Gesellschaftlicher Nutzen
Immer kleinere
und leistungsfähigere Mikrochips sind der Schlüssel zu neuen Anwendungen,
beispielsweise in der Kommunikationstechnik, im Gesundheitsbereich oder im
Verkehrswesen. EUVL ist die Technik, die Chips der nächsten Generation mit
einer Präzision im Bereich von sieben bis fünf Nanometern erst möglich macht. Zur
Verdeutlichung dieser Dimension: Fünf Nanometer entsprechen etwa der doppelten
Dicke eines DNA-Strangs, und ein menschliches Haar ist 20 000-mal so dick
wie fünf Nanometer.
In Zukunft kann
man eine Speicherkapazität von 256 Gigabyte auf einem Chip in der Größe
eines menschlichen Fingernagels unterbringen. Das führt uns nicht nur zu
Smartphones und Tablet-PCs der nächsten Generation - auch immer kleineren und
leistungsfähigeren medizinischen Implantaten, tragbarer Elektronik ("wearable
electronics") und "lab-on-a-chip"-Anwendungen steht damit nichts
mehr im Wege.
Die
fortschrittliche EUVL-Plattform von ASML hat dazu beigetragen, Europas Position
in der Technologie zu stärken. Die Region um die niederländische Stadt
Eindhoven, wo ASML ansässig ist, gilt als "Brainport-Region". Die Schaffung
von Synergien zwischen Unternehmen und Thinktanks wie der Technischen
Universität Eindhoven (TU/e) brachte ihr 2011 den Titel "intelligenteste Region
der Welt" des Intelligent Community
Forums ein.
Wirtschaftlicher Nutzen
ASML bietet die
patentgeschützten Erfindungen seines Teams nun im Rahmen eines Gesamtprodukts
an, dem EUVL-System NXE:3400B. Vier der weltweit größten Halbleiterhersteller -
Samsung, TSMC, Intel und GLOBALFOUNDRIES - werden die EUVL-Technologie von ASML
in den nächsten zwei Jahren einführen. Jedes dieser Unternehmen soll von ASML
ein EUVL-System zum Preis von 93 Mio. EUR erworben haben.
ASML ist schon
heute der weltweit größte Anbieter von Lithografiesystemen. Sein Anteil am globalen
Marktumsatz wird 2018 voraussichtlich bei mehr als 85 % liegen. Das im
Jahr 1984 gegründete börsennotierte Unternehmen beschäftigte 2017 weltweit 19 200
Mitarbeiter und wies einen Umsatz von 9 Mrd. EUR sowie Gewinne von mehr
als 2 Mrd. EUR aus.
Dank der
unersättlichen Nachfrage nach Mikrochips boomt die Halbleiterindustrie weltweit.
Nach Angaben ihres Branchenverbands lag der globale Umsatz 2017 bei mehr als 334 Mrd.
EUR und übertraf damit eine Wachstumsrate von 20 % im Vergleich zum
Vorjahr. Experten bei MarketsandMarkets gehen davon aus, dass der Markt für Fotolithografiesysteme
bis 2020 einen Umsatz von 6,5 Mrd EUR erreicht, wobei das größte Wachstum
auf EUVL-Systeme entfällt.
-
Vadim Banine (links) und Erik Loopstra
-
Erik Loopstra
-
Erik Loopstra
-
-
Erik Loopstra (links) und Vadim Banine
-
Vadim Banine (links) und Erik Loopstra
Funktionsweise
Das
Herstellungsverfahren, mit dem moderne Mikrochips gefertigt werden, ist die Fotolithografie.
Hierbei werden Laser eingesetzt, um winzige Strukturen für Transistoren und
Schalter in Silizium-Wafer zu ätzen. Das Präzisionsniveau ist jedoch durch die in
herkömmlichen Verfahren zum Einsatz kommende Wellenlänge begrenzt. Bis vor
Kurzem lag die kürzest mögliche Wellenlänge bei 193 Nanometern.
Banine und
Loopstra griffen zu einem erfinderischen Trick, um die Grenze bei der
Wellenlänge zu durchbrechen. Sie wandten ein EUVL-Verfahren an. Anstatt das
Laserlicht direkt für das Ätzen des Siliziums einzusetzen, wird in der EUVL-Technologie
ein Hochleistungslaser auf winzige Zinntröpfchen gerichtet. Unter der Hitze des
Lasers schmelzen die Metalltropfen zu strahlendem Plasma. Bei extrem hohen
Temperaturen sendet das Plasma Licht im "extrem ultravioletten" Spektrum
mit einer Wellenlänge von nur 13,5 Nanometern aus. Das ist 14-mal kleiner
als der Wert, der bis dahin als kürzest mögliche Wellenlänge galt. Die auf
diese Art erhaltene Wellenlänge ist ideal, um ultrafeine Strukturen in Silizium
zu ätzen.
Um dies zu
erreichen, ließen die Erfinder das Licht durch Reflektoren fallen - ultraglatte
Spiegel mit makellos ebener Oberfläche. Hierfür entwickelte das deutsche
Optikunternehmen ZEISS, mit dem ASML zusammenarbeitet, ein ganz neues Material.
Außerdem setzten Banine und Loopstra eine Vakuumkammer ein, um den EUVL-Vorgang
vor Verunreinigung zu schützen.
Um jedoch eine
geometrische Chipstruktur auf einen Silizium-Wafer zu projizieren, mussten Loopstra
und Banine auch eine Methode entwickeln, mit deren Hilfe sie verhindern
konnten, dass kontaminierende Partikel auf die Maske - das ist der Entwurf für
die Chipstruktur - im Lithografiesystem gelangen. Zwar sind solche
verunreinigenden Materialpartikel 1 000-mal dünner als ein menschliches
Haar, dennoch mussten sie ausgeschaltet werden - schließlich kann ein einziger
Staubpartikel einen Mikrochip unbrauchbar machen. Inspiriert durch die
japanischen Katanas (japanisches Langschwert) entschlossen sie sich dazu, eine
dünne, geschichtete Membran zum Schutz der Maske zu entwerfen.
In den
Fertigungsanlagen wird die patentierte Technologie nicht zur Herstellung der
kompletten Chips eingesetzt, sondern nur für die Schichten, bei denen höchste
Detailtreue und Präzision am meisten gefragt sind. Diese werden dann zusammen
mit den sogenannten Belichtungsschichten auf die fertigen Halbleiter
aufgebracht. Davon gibt es pro Chip etwa 100 Stück, und diese werden mithilfe anderer
Lithografieverfahren hergestellt.
Die Erfinder
Seit Erik
Loopstra 1991 zu ASML kam, spielte er stets eine wichtige Rolle, wenn es darum
ging, neue EUVL-Lösungen auf den Markt zu bringen. Mehr als 1 000 Fachleute
des Unternehmens waren an diesem Prozess beteiligt. Mit den Worten "Innovation
ist ein Prozent Inspiration und neunundneunzig Prozent Transpiration",
zitiert Loopstra Thomas Edison. "Niemand würde so viel Zeit und Geld
investieren, wenn er nicht daran glauben würde, dass es sich am Ende lohnt."
Sein innovativer
Ehrgeiz wurde größer, und damit wuchs auch seine Abteilung. Als der aus Lillestrøm in Norwegen stammende Loopstra vor mehr
als 25 Jahren bei ASML anfing, bestand das Entwicklungsteam aus gerade einmal
100 Leuten. Heute ist die Zahl der Mitarbeiter in diesem Bereich auf 2 000
angewachsen. Loopstra arbeitet mittlerweile auch beim ASML-Zulieferer ZEISS in
Deutschland an optischen EUV-Systemen der nächsten Generation.
Loopstras Arbeit führte
zur Erteilung von 65 europäischen Patenten und brachte ihm 2012 den
Martin-van-den-Brink-Preis der Niederländischen Gesellschaft für Feinwerktechnik
(Dutch Society for Precision Engineering) ein. In seiner Freizeit zieht sich
der Erfinder in seine Werkstatt zurück, wo er sich beim Schreinern von
Holzmöbeln von der Arbeit mit Hochleistungslasern erholt.
Vadim Banine wurde
in der russischen Hauptstadt Moskau geboren, wo er 1988 am Moskauer Institut für
Physik und Technologie seinen Studienabschluss in Physik machte. Nach
zweijähriger Forschungstätigkeit als Postdoc am Labor für Wärme- und Stoffübertragung
an der TU/e, wo er seine Promotion erlangt hatte, fing er 1996 bei ASML an.
Seither hat er mit wissenschaftlichen Erkenntnissen zu den bahnbrechenden
Entwicklungen in der EUVL-Technologie beigetragen.
Heute ist er in der Forschung ebenso zu Hause wie in der Welt der
Unternehmensführung. 2010 wurde er Forschungsvorstand bei ASML, 2013 wurde er als
Professor für Physik und EUV-Lithografie an die Abteilung für Angewandte Physik
der TU/e berufen. Banine ist als
Erfinder oder Miterfinder in 45 erteilten europäischen Patenten genannt und ist
Autor von über 50 wissenschaftlichen Publikationen.
"Die Patente
haben mir Freiheit gebracht. Sie haben dafür gesorgt, dass ich mich
hundertprozentig auf meine Arbeit konzentrieren konnte und mir um nichts
anderes Gedanken machen musste. Das ist wirklich großartig", findet Banine.
Im Rahmen von Kooperationen mit einer Reihe unterschiedlicher Partner aus
Industrie und Forschung beteiligt er sich heute mit ASML daran, die optischen
Elemente und Plasmasysteme, die im Zentrum der EUVL-Technologie stehen, zu
testen.
Wussten Sie das?
Erfinder patentierter
Innovationen im Zusammenhang mit Mikroprozessoren waren beim Europäischen
Erfinderpreis von der ersten Stunde an erfolgreich. Loopstra und Banine sind
die jüngsten Beispiele einer ganzen Reihe von Finalisten und Gewinnern. Das
fing schon beim allerersten Europäischen Erfinderpreis 2006 an, bei dem der legendäre
Mikroprozessor 4004 seinem Erfinder Federico Faggin den Preis in der Kategorie
"Lebenswerk" einbrachte. Im selben Jahr wurden auch Stephen P.A. Fodor und sein Team für ihre Mikrochips zur DNA-Analyse ausgezeichnet. Sie erhielten den
Preis in der Kategorie "Kleine und mittlere Unternehmen".
2015 ging der Preis in
der Kategorie "Lebenswerk" an den analytischen Chemiker
und Nanowissenschaftler Andreas Manz aus
der Schweiz, der die gesamte Ausrüstung eines Chemielabors so
weit miniaturisierte, dass sie auf einem Wafer von der Größe eines Mikrochips Platz
fand. Ein Jahr zuvor brachte ein mit einem Mikroprozessor bestückter USB-Stick,
der die DNA eines Patienten innerhalb von Minuten entschlüsseln kann, dem
britischen Wissenschaftler Christofer Toumazou den Preis in der
Kategorie "Forschung" ein.
Weitere Finalisten, die neue Maßstäbe in der Mikroprozessor-Technologie
setzten, waren beispielsweise die britische Ingenieurin Sophie Wilson mit ihrem ultraeffizienten ARM-Prozessor
für mobile Endgeräte (2013, Kategorie "Lebenswerk"), oder die
portugiesischen Erfinder Elvira Fortunato und Rodrigo Martins, die papierbasierte Mikrochips entwickelten
(2016, Kategorie "Forschung").