Erfindungen: das "Dänische Konzept", IntegralBlade und TetraSpar
Seit den 1970er-Jahren spielt Henrik Stiesdal eine ganz entscheidende Rolle beim Aufbau der modernen Windenergieindustrie. Seine wegweisenden Innovationen haben die Branche vorangetrieben, und sein Fokus auf "grüne Energie" hat den Stellenwert der Windenergie als bedeutende erneuerbare Energiequelle der Zukunft enorm erhöht. Zudem hat er dazu beigetragen, dass in diesem Bereich Tausende neuer Arbeitsplätze entstanden sind.
Der 1979 von
Stiesdal entwickelte dreiblättrige Auftriebsläufer sorgte für kräftigen Aufwind
in der Windenergiebranche. Diese dann auch als das "Dänische Konzept"
bezeichnete Neuerung war bahnbrechend und wurde zum Branchenstandard, der mehr
als ein Jahrzehnt lang Maßstäbe setzte.
Nachdem er
gesehen hatte, welche Probleme die Hersteller mit den mehrteiligen Turbinenblättern
hatten, legte der Erfinder rund zwanzig Jahre später noch einmal nach, und zwar
mit dem patentierten IntegralBlade®-Verfahren, bei dem das gesamte Blatt aus einem
Guss hergestellt wird.
Mitte der 2010er-Jahre erkannte Stiesdal dann, dass es der
Offshorewindbranche an einem kostengünstigen, praktischen und gut umsetzbaren
Konzept fehlte. Seine Antwort darauf war TetraSpar. Er geht davon aus, dass die
Produktionskosten für die Windenergie damit drastisch gesenkt werden.
Gesellschaftlicher Nutzen
Auch die Windenergie
liefert ihren Beitrag zur Umstellung der Energiegewinnung auf Methoden ohne
Kohlenstoffemissionen. Im Einklag mit der Erneuerbare-Energien-Richtlinie der
Europäischen Union soll bis zum Jahr 2020 ein Anteil von 20 % des
Endenergieverbrauchs aus erneuerbaren Energien gedeckt werden. Dieser Übergang
zu ökologischeren Energien geht einher mit Innovationen im Bereich der Windkraftanlagen.
Viele davon haben wir Henrik Stiesdal zu verdanken, der schon immer an die
Windkraft geglaubt hat.
2017 wurden in Stiesdals
Heimatland Dänemark mehr als 43 % des gesamten Strombedarfs von der
Windkraft gedeckt, rund 15 % davon aus Offshoreanlagen. In Europa werden
derzeit etwa 1,5 % des gesamten Stromverbrauchs von Offshorewindparks
geliefert. Aber der Anteil, den die Offshoreanlagen am Prozentsatz der insgesamt
durch Windkraft produzierten Energie haben - 2017 waren das in der EU ungefähr
11,6 % - steigt kontinuierlich.
Wirtschaftlicher Nutzen
Seit 1988 war Stiesdal Technischer Leiter bei Bonus Energy A/S,
2000 wurde er dort Technischer Geschäftsführer (CTO). Bis das Unternehmen 2004
von Siemens Wind Power aufgekauft wurde, war sein Umsatz im Laufe von 15 Jahren
- bei einer durchschnittlichen jährlichen Wachstumsrate (CAGR) von rund
23 % - von 10 Mio. EUR auf 336 Mio. EUR geklettert.
Als Chief Technology
Officer bei Siemens Wind Power gehörte Stiesdal von 2004 bis 2014 dem
Führungsteam an, das erleben durfte, wie der Jahresumsatz des Geschäftsbereichs
von 350 Mio. auf 5,5 Mrd. EUR stieg. Nach einem
Bericht des Magazins Wind Power Monthly
aus dem Jahr 2017 rangiert das Unternehmen auf Platz 2 in der Liste der
weltweit größten Windturbinenhersteller. Ein Jahr nachdem er 2014 bei Siemens ausgestiegen
war, gründete der Erfinder sein eigenes Unternehmen, die Stiesdal A/S.
Experten bei MarketsandMarkets bezifferten den
globalen Windenergiemarkt 2016 auf 19,5 Mrd. EUR. Bis 2022 rechnen sie mit
einem durchschnittlichen jährlichen Wachstum (CAGR) von 15 - 32 %.
Laut dem europäischen Branchenverband WindEurope produzierten Offshorewindparks
in Europa 2017 genügend Energie, um den Bedarf von rund 14,5 Millionen
Haushalten zu decken.
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Henrik Stiesdal
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Henrik Stiesdal
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Henrik Stiesdal
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Henrik Stiesdal
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Henrik Stiesdal
Funktionsweise
Stiesdals patentierter
dreiblättriger Rotor ("das Dänische Konzept") trat an die Stelle der
früher eingesetzten zweiblättrigen Version. Die Idee, den Rotor vor dem
Turbinenturm anzuordnen und eine Einrichtung zur automatischen Umschaltung der Umdrehungsgeschwindigkeit
des Rotors (bei schwachem Wind langsamer und und bei starkem Wind schneller) zu
integrieren, führte zu einem zuverlässigen Funktionsprinzip, das für eineinhalb
Jahrzehnte die führende Technologie war.
Beim
IntegralBlade-Verfahren des Erfinders wird das Rotorblatt hergestellt, indem
man glasfaserverstärktes Epoxidharz im Vakuum in eine Form gießt. Diese
Rotorblätter sind die größten Komponenten aus Glasfasern, die es auf der Welt
gibt. Sie sind bis zu 75 Metern lang und haben eine Oberfläche von bis zu 18 600
m2. Das ist fast so groß wie zweieinhalb Fußballplätze.
Stiesdals jüngste
Erfindung nennt sich TetraSpar. Dabei handelt es sich um eine in industrieller
Fertigung produzierbare Plattform für eine Offshorewindkraftanlage, die mit der
bereits darauf montierten Turbine zu ihrem Einsatzort auf See geschleppt werden
kann. Sie basiert auf einer ganz simplen Konstruktion in Form eines Tetraeders,
die die Vorzüge der bereits existierenden schwimmenden Windräder mit denen der
fest verankerten Varianten kombiniert. Somit ist der Bereich der Wassertiefe,
in dem die Anlagen aufgestellt werden können, viel größer, und reicht von etwas
über 10 bis 1000 Meter und mehr. Zudem, so ist Stiesdal überzeugt,
werden die Produktionskosten für die Windenergie auf diese Weise im Vergleich
zu anderen Konzepten um bis zu 75 % gesenkt.
Der Erfinder
Die Kraft des
Windes hat Stiesdal schon immer fasziniert. Er erinnert sich an Küstenausflüge,
die er als Kind zusammen mit seinem Vater bei kräftigen Stürmen unternahm. Diese
frühen Erinnerungen prägten wohl seinen gesamten Werdegang, über den Bau einer
effizienten Windturbine für das Bauernhaus seiner Familie in den 1970er-Jahren
bis hin zu seiner akademischen Ausrichtung und seiner späteren Tätigkeit in der
Windenergieindustrie.
Stiesdal entwickelte seine erste gewerbsmäßig
vertriebene Windturbine im Jahr 1978. Im Laufe der Jahre stellte er großen
Unternehmen in der Windenergiebranche sein Know-how zur Verfügung. In diesem
Zusammenhang ist auch seine Tätigkeit als Projektleiter R&D bei Vestas zu
nennen, in einer Zeit, als das Unternehmen auf dem Weg zum größten Windenergieanlagenhersteller
der Welt war. Außerdem war er in Schlüsselpositionen bei Bonus Energy tätig, bevor
er 2015 sein eigenes Unternehmen gründete.
Heute ist Stiesdal als Professor an der Technischen Universität Dänemark
sowie an der Universität Maine tätig. In 94 erteilten europäischen Patenten für
Windturbinenkonzepte und Akkusysteme ist
er als Erfinder genannt, und er wurde unter anderem mit German Renewables Award
(2014) und dem Danish Wind Turbine Award (2015) ausgezeichnet.
Nach wie vor betreibt er mit Begeisterung Forschung auf seinem Gebiet. Im
Laufe des Jahres 2018 soll sein TetraSpar-Konzept in Norwegen erprobt werden.
Außerdem arbeitet er weiter an der Optimierung seines Wärmeakkus. Wenn dies
erfolgreich verläuft, möchte er ein Konzept zur Energiespeicherung für
Verbundnetze entwickeln, mit dem sich erneuerbare Energien viel länger - über
Tage und Wochen - speichern lassen als mit den bislang üblichen Akkus.
Wussten Sie das?
Wind mag unsichtbar und
unberechenbar sein, aber die Wissenschaft kommt ihm langsam auf die Schliche. Die
Technische Universität Dänemark arbeitet an einem
Projekt mit dem Titel New European Wind Atlas (NEWA), um die Bewertung
potenzieller Standorte für Windkraftanlagen zu erleichtern. Ziel des Projekts
ist es, einen europaweiten Key Performance Indicator bereitzustellen, also eine
Kennzahl, mit deren Hilfe sich die Unwägbarkeiten bei der Standortplanung von
Windkraftanlagen reduzieren lassen.
Auf der Grundlage
hochpräziser und belastbarer Daten soll eine Art
"Unsicherheitslandkarte" den Entscheidern in der Wirtschaft das
Wissen über die vor Ort herrschenden Bedingungen vermitteln, bevor darüber
entschieden wird, ob ein Windpark errichtet werden soll.
Das Projekt wird den
Planern modernste Modellierungsmethoden, Verfahrensweisen und weitere
Informationen zur Verfügung stellen, mit deren Hilfe sich die Windverhältnisse
bei der Planung von Windparks mit einer sehr geringen Restunsicherheit
bestimmen lassen. Damit sollen letztendlich auch die Kosten des durch Windparks
erzeugten Stroms gesenkt werden.