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Künstliche Intelligenz

Letzte Aktualisierung: 2.05.2022

Künstliche Intelligenz (KI) bezeichnet die Fähigkeit von Computern und Maschinen, intellektuelle Aufgaben wahrzunehmen, die normalerweise mit Menschen in Verbindung gebracht werden, zum Beispiel Lernen, logisches Denken oder die Erarbeitung von Problemlösungen. Zentrale KI-Technologien wie beispielsweise neuronale Netze, Deep Learning und regelbasierte Systeme sind zwar bereits seit Langem bekannt, aber in den letzten zehn Jahren gab es hier so enorme Entwicklungsfortschritte, dass KI nun mitten in unserem Leben angekommen ist. KI ist heute nicht mehr wegzudenken und wird noch auf Jahre hinaus zu immer weiteren technologischen und gesellschaftlichen Umwälzungen führen.

Im September 2020 nahmen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter aus allen Bereichen des Amts an unserem ersten virtuellen Tech Day teil. Diese Konferenz bot nicht nur Gelegenheit, führenden Intellektuellen und Fachleuten wie dem Trendforscher Jarno Duursma zuzuhören, sondern auch eigenes Know-how und Wissen weiterzugeben. Das Thema KI beflügelte die Fantasie der Teilnehmer in den Diskussionen rund um die Herausforderungen und Chancen, die mit den neuen digitalen Technologien verbunden sind.

Die Rolle von Patenten in einer KI-getriebenen Welt

Diese Konferenz bot allen Teilnehmerinnen und Teilnehmern - ob Entscheidungsträger, Investor, Erfinder, kleine und mittelständische Unternehmen (KMU), Wissenschaftler oder IP-Experte - eine Plattform zum Austausch von Fachwissen sowohl im Bereich der KI als auch der geistigen Eigentumsrechte. Auch die jüngsten KI-Initiativen auf der Ebene der europäischen Institutionen wurden hier thematisiert. Komplette Aufzeichnung der Konferenz oder Highlights ansehen.

Die aktuellen strategischen Projekte zwischen dem EPA und seinen wichtigsten Partnerämtern wurden beleuchtet, ebenso wie die rechtlichen Aspekte und KI-basierte Tools, die sich potenziell auf deren Arbeit auswirken. Yann Ménière, Chefökonom des EPA, stellte die Hauptergebnisse der kürzlich vom EPA durchgeführten Studie mit dem Titel "Patente und die Vierte Industrielle Revolution (4IR)" vor. Ein weiterer Schwerpunkt der Konferenz lag auf KMU und ihrer bedeutenden Rolle bei der Förderung einer vielfältigen europäischen Innovationslandschaft im Bereich der KI.

Die Veranstaltung knüpfte an den Erfolg der ersten öffentlichen KI-Konferenz des EPA im Mai 2018 an.

KI verändert unsere Welt
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AI changing our world

Die rasante Verbreitung von KI in den letzten Jahren ist auf mehrere Faktoren zurückzuführen, die miteinander zusammenhängen: Immer größere Rechenleistung, die Entwicklung leistungsfähiger Computerarchitekturen speziell für KI-Anwendungen, die Verfügbarkeit großer Datenmengen (die zum Trainieren von KI-Modellen ganz entscheidend sind) und bessere KI-Modelle und -Methoden (insbesondere bei der Kern-KI, wie z.B. neuronale Netze und Deep Learning).

Aufgaben, die Menschen mühelos und intuitiv ausführen können, wie beispielsweise das Erkennen eines Gesichts auf einem Bild, haben die automatisierte Datenverarbeitung von jeher vor große Herausforderungen gestellt. Aber inzwischen hat uns die KI auf diesen Gebieten eingeholt oder übertrifft uns gar.

Viele KI-Modelle und -Methoden sind anwendungsunabhängig - das heißt, sie können problemlos in allen Technologiebereichen eingesetzt werden. Diese "Out-the-Box"-Eigenschaft ermöglicht es der KI in Kombination mit Big Data, Cloud Computing, 5G oder dem Internet der Dinge (IoT), technische Probleme in nahezu allen Bereichen zu lösen.

KI in 4IR

Die Produktion riesiger Datenmengen ist ein wesentliches Merkmal der Vierten Industriellen Revolution  (4IR). Ermöglicht wird sie durch die oben genannten Technologien. Die Entwicklung leistungsfähiger Diagnosesysteme ist der Schlüssel, um aus diesen Daten Werte zu generieren. Werkzeuge wie maschinelles Lernen und neuronale Netze können dazu eingesetzt werden, Objekte (wie zum Beispiel Gesichter) zu erkennen, Sprachen zu lernen, ganz neue Entwürfe zu erstellen oder Muster zu erkennen, die von Menschen bisher nicht erfasst werden konnten. Sie interpretieren solche Muster so, dass sie sowohl für Maschinen als auch für Menschen einen Sinn ergeben. Damit ermöglichen sie maschinelle Vorhersagen, Diagnose, Modellierung, Risikoanalyse und die Automatisierung komplexer Aufgaben unter menschlicher Aufsicht. 

KI wird mittlerweile in praktisch allen Bereichen der Wissenschaft und der Industrie eingesetzt, und wir fangen gerade erst an, die Auswirkungen zu spüren:

  • Informatik im Gesundheitswesen und Bioinformatik: Die Untersuchung klinischer Proben und die Entscheidungsfindung funktionieren genauso gut oder sogar besser, als wenn sie von einem Menschen durchgeführt werden. KI wird eine immer größere Rolle bei der Erkennung von Proteinstrukturen, der Erkennung von Wechselwirkungen von Arzneimitteln und der Analyse von DNA- und RNA-Sequenzen spielen.
  • Kraftfahrzeugindustrie: Die Technologie für autonomes Fahren erfordert die Verarbeitung riesiger Mengen von V2V-Daten (V2V = vehicle to vehicle - Fahrzeug zu Fahrzeug) und V2X-Daten (V2X = vehicle to everything - Fahrzeug zu allem) in Echtzeit.
  • Industrielle Produktion: Mithilfe automatisierter vorausschauender Instandhaltung, Datenanalyse, Prozessgestaltung und Fehlererkennung werden Fabriken effizienter arbeiten und konstant qualitativ hochwertige Produkte produzieren können.

Zunahme KI-bezogener Patente

Eine in jüngerer Zeit vom EPA durchgeführte Studie zeigt, dass die Zahl internationaler Patentfamilien im Bereich zentraler KI-Technologien, die für smarte vernetzte Objekte angewendet werden, seit 2010 um durchschnittlich 54,6 % jährlich gewachsen ist, wenn auch die absoluten Zahlen bislang noch relativ niedrig sind.

Weltweites Wachstum internationaler Patentfamilien in wichtigen KI-Technologien, 2008-2018

Quelle: EPA (2020). Patente und die Vierte Industrielle Revolution: Globale Technologietrends als Treiber datengesteuerter Wirtschaft, Dezember 2020

Hinweis: Die Grafik zeigt die Zahl internationaler Patentfamilien (IPF) in zentralen KI-Technologien, die sich auf intelligente vernetzte Objekte beziehen. Jeder IPF liegt eine Erfindung zugrunde, für die Patentanmeldungen bei mehreren nationalen Patentämtern oder mindestens einem regionalen oder internationalen Patentamt eingereicht und veröffentlicht wurden. IPF sind ein verlässlicher Indikator für globale erfinderische Tätigkeit, denn sie gewährleisten eine gewisse Patentqualität, da sie nur Erfindungen repräsentieren, die die Erfinder für wertvoll genug halten, um internationalen Schutz zu beantragen.  

KI war in den letzten zehn Jahren eine der wichtigsten Triebkräfte für den massiven Anstieg von Patentanmeldungen im Zusammenhang mit smarten vernetzten Objekten. Zwischen 2010 und 2018 ist das globale Anmeldeaufkommen im Bereich von 4IR-bezogenen Technologien im Durchschnitt um jährlich fast 20 % gewachsen. Das ist fünfmal schneller als das durchschnittliche Wachstum in allen Technologiefeldern insgesamt. Dabei spielt die KI eine besonders große Rolle in den sehr dynamisch wachsenden Bereichen des Datenmanagements (von der Produktion von Daten bis hin zur Ausführungsrückmeldung) und Benutzerschnittstellen (beispielsweise Sprach- und Gesichtserkennung), aber auch in fast allen 4IR-Anwendungsbereichen (wie z.B. smarte Konsumgüter, smarte Gesundheit, smarte Fabriken, smarte Landwirtschaft oder selbstfahrende Fahrzeuge) ist sie stark vertreten.

KI und Patentierbarkeit
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AI and patentability

Das EPA hat auf den Vormarsch von KI bei Patentanmeldungen reagiert, indem es seinen Ansatz zur Patentierbarkeit von Erfindungen, die KI nutzen, weiter ausgefeilt hat.

KI gilt als Teilbereich der Informatik. Erfindungen, die KI nutzen, fallen daher unter die "computerimplementierten Erfindungen". Die Richtlinien für die Prüfung beim Europäischen Patentamt, F-IV, 3.9 definieren den Begriff "computerimplementierte Erfindung" als eine Erfindung, die Computer, Computernetze oder andere programmierbare Vorrichtungen umfasst, wobei mindestens ein Merkmal durch ein Programm realisiert wird.

Die Patentämter in verschiedenen Regionen der Welt gehen unterschiedlich mit computerimplementierten Erfindungen um. Artikel 52 (2) (c) des Europäischen Patentübereinkommens (EPÜ) schließt Computerprogramme "als solche" vom Patentschutz aus. Jedoch sind Erfindungen, die Software nutzen, nicht von der Patentierbarkeit ausgeschlossen, solange sie einen technischen Charakter haben.

Im Laufe der Jahre hat die Rechtsprechung der Beschwerdekammern die Wirkungen von Artikel 52 EPÜ geklärt und einen belastbaren und vorhersehbaren Rahmen für die Patentierbarkeit von computerimplementierten Erfindungen abgesteckt. Er gilt auch für Erfindungen, die sich auf KI beziehen. Dieser Rahmen spiegelt sich in den Prüfungsrichtlinien des EPA wider.

Um nach dem EPÜ patentierbar zu sein, dürfen computerimplementierte Erfindungen, wie alle anderen Erfindungen auch, nicht von der Patentierbarkeit ausgenommen sein (Artikel 52 (2) und (3) EPÜ), und sie müssen die für die Patentierbarkeit geltenden Voraussetzungen erfüllen, d. h. sie müssen neu sein, auf einer erfinderischen Tätigkeit beruhen und gewerblich anwendbar sein (Artikel 52 (1) EPÜ). Bei der Beurteilung der Frage, ob diese Voraussetzungen erfüllt sind, ist unter anderem der technische Charakter der Erfindung entscheidend.

Derselbe Ansatz gilt auch für computerimplementierte Erfindungen, die sich auf KI beziehen (siehe insbesondere Richtlinien für die Prüfung beim Europäischen Patentamt, G-II, 3.3.1 "Künstliche Intelligenz und maschinelles Lernen").

KI basiert auf Rechenmodellen und mathematischen Algorithmen, die an sich abstrakter Art sind. Wo KI jedoch die Sphäre des Abstrakten verlässt und zur Lösung einer technischen Aufgabe in einem technischen Gebiet eingesetzt wird, können Patente dennoch erteilt werden. So leistet beispielsweise der Einsatz eines neuronalen Netzes in einem Gerät zur Herzfrequenzüberwachung, das der Erkennung von Herzrhythmusstörungen dient, einen technischen Beitrag. Die Klassifizierung von digitalen Bildern, Videos, Audio- und Sprachsignalen auf der Grundlage von Low-level-Merkmalen (z. B. Kanten oder Pixelattributen für Bilder) ist eine weitere typische technische Anwendungsform von KI. Weitere Beispiele sind in den Prüfungsrichtlinien des EPA aufgeführt, G-II, 3.3 "Mathematische Methoden".

Eine Erfindung kann außerdem auch dann eine technische Lösung für eine technische Aufgabe zur Verfügung stellen, wenn die Erfindung auf eine konkrete technische Umsetzung von KI gerichtet ist, d. h. eine solche, die durch technische Überlegungen zur internen Funktionsweise des Computers bestimmt ist (z. B. eine konkrete technische Umsetzung neuronaler Netze mithilfe von Grafikprozessoren (GPUs)).

So ermöglicht das EPÜ es dem EPA, in vielen technischen Gebieten Patente für Erfindungen zu erteilen, in denen KI für eine technische Anwendung zum Einsatz kommt. Zu diesen Gebieten gehören unter anderem Medizingeräte, Automobiltechnik, Luft- und Raumfahrt, industrielle Steuerung, additive Fertigung, Kommunikations-/Medientechnik einschließlich Spracherkennung und Videokompression, sowie die Bereiche Computer, Prozessoren oder Computernetzwerke selbst.

Das EPA sucht ferner beim Thema der Patentierung von KI stets auch den Kontakt zu seinen externen Stakeholdern. So boten kürzlich zwei Veranstaltungen - Künstliche Intelligenz aus der Sicht der Patentpraxis und Künstliche Intelligenz aus der Sicht der Patentprüfung EPA-Experten, EPA-Nutzerinnen und Fachleuten der nationalen Patentämter die Gelegenheit zum Ideenaustausch anhand von KI-Fallbeispielen in verschiedensten Technologiefeldern.

Razik Menidjel, Chief Operating Officer Operations
Razik Menidjel, Chief Operating Officer Operations

"Patentanmeldungen, in denen KI angewendet wird, werden in einer ganzen Reihe technischer Gebiete immer mehr zum Normalfall. Das Europäische Patentamt hat die Entwicklungen im Bereich 4IR und neu aufkommende Technologien einschließlich der KI genau beobachtet und seine Prüfungspraxis entsprechend angepasst. Besonders freue ich mich über die überarbeiteten Prüfungsrichtlinien, deren präzise Methodik zu Rechtssicherheit und Vorhersehbarkeit führt, nicht nur bei den KI-Anmeldungen, sondern ganz allgemein bei computerimplementierten Erfindungen. Dies ist Teil unserer Verpflichtung zur Qualität, die ein Eckpfeiler des Strategieplans 2023 des EPA ist."

Erfindereigenschaft bei KI-Erfindungen
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Inventorship of AI inventions

Die beeindruckenden Entwicklungen im Bereich der KI haben zu Vorstößen geführt, wonach eine KI ebenso wie ein Mensch Erfindungen machen kann und daher als Erfinder anerkannt werden sollte.

Vom Standpunkt der Erfindereigenschaft aus betrachtet lassen sich drei Kategorien von KI-Erfindungen unterscheiden:

  1. menschliche Erfindungen, bei denen die KI zur Überprüfung des Ergebnisses angewendet wird,
  2. Erfindungen, bei denen ein Mensch eine Aufgabe identifiziert und KI zur Lösungsfindung einsetzt,
  3. mittels KI gemachte Erfindungen, bei denen die KI eine Aufgabe identifiziert und ohne menschliches Zutun eine Lösung vorschlägt.

Bei den beiden erstgenannten Kategorien setzen menschliche Erfinder KI als Werkzeug zur Erweiterung ihrer eigenen Fähigkeiten ein. Hinsichtlich der dritten Kategorie (mittels KI gemachte Erfindungen) ist sich die Wissenschaft offenbar darin einig, dass KI, die unabhängig von menschlicher Weisung, Anleitung und Kontrolle Erfindungen hervorbringen kann, noch auf unbestimmte Zeit Science Fiction bleibt.

Es herrscht allgemein Einigkeit darüber, dass der Erfinder ein Mensch ist - nämlich die Person, die die Erfindung durch ihre eigene schöpferische Tätigkeit geschaffen hat. Dies wurde durch eine vom EPA beauftragte akademische Studie über die Erfindereigenschaft im Zusammenhang mit KI und durch Gespräche mit den EPÜ-Vertragsstaaten bestätigt.

Darüber hinaus verlangt auch das EPÜ, dass der in der Anmeldung genannte Erfinder ein Mensch ist und nicht etwa eine Maschine. An die Erfindernennung sind eine Reihe von Rechtsfolgen geknüpft, insbesondere um sicherzustellen, dass es sich bei dem genannten Erfinder um den rechtmäßigen Erfinder handelt und er von den damit verbundenen Rechten profitieren kann. Um diese wahrnehmen zu können, muss der Erfinder eine Rechtspersönlichkeit besitzen, die KI-Systeme oder Maschinen nicht haben (siehe Artikel 60 und 62 EPÜ).

Die Rechtsauffassung, dass nur Menschen die Erfindereigenschaft besitzen können, wurde infrage gestellt, als bei verschiedenen Patentämtern auf der ganzen Welt zwei Anmeldungen eingereicht wurden, in denen als Erfinder ein KI-System (DABUS) angegeben war. 2019 wies das EPA diese Anmeldungen (EP 18275163 und EP 18275174) mit der Begründung zurück, dass der Erfinder nach dem EPÜ eine natürliche Person sein muss. Der Anmelder legte in beiden Fällen Beschwerde ein; diese Beschwerden wurden von der Juristischen Beschwerdekammer in der mündlichen Verhandlung am 21. Dezember 2021 zurückgewiesen (J 8/20 und J 9/20). Die Juristische Beschwerdekammer bestätigte, dass der Erfinder gemäß dem EPÜ eine Person mit Rechtsfähigkeit sein muss und dass in einer Erklärung darüber, wie der Anmelder das Recht auf das europäische Patent erlangt hat, der Rechtsnachfolger des Erfinders genannt werden muss. Am 20. Dezember 2021 reichte der Anmelder die Teilanmeldung EP 21216024 ein, die derzeit geprüft wird.

Entsprechende Anmeldungen wurden bei vielen Patentämtern weltweit eingereicht, darunter beim Amt für geistiges Eigentum des Vereinigten Königreichs (UKIPO), beim US-Patent- und Markenamt (USPTO), beim Deutschen Patent- und Markenamt (DPMA), beim Australischen Patentamt (IP Australia), beim Amt für geistiges Eigentum von Neuseeland (IPONZ) und beim Koreanischen Amt für geistiges Eigentum (KIPO). Alle diese Patentämter haben argumentiert, dass als Erfinder ein Mensch genannt sein muss. Die Entscheidung des UKIPO wurde vom britischen High Court und vom britischen Court of Appeal bestätigt; eine Beschwerde vor dem britischen Supreme Court ist anhängig. Die Entscheidung des USPTO wurde vom US District Court for the Eastern District of Virginia und vom US Court of Appeals for the Federal Circuit bestätigt. Die Entscheidung des IP Australia wurde im April 2022 vom Federal Court of Australia bestätigt. Das deutsche Bundespatentgericht bestätigte in einer Entscheidung zu einer der DABUS-Anmeldungen, dass der Erfinder ein Mensch sein muss. Diese Entscheidung wird derzeit vom deutschen Bundesgerichtshof überprüft, und die Beschwerde gegen die andere Entscheidung des DPMA ist anhängig.  

Bisher wurden die DABUS-Anmeldungen nur in Südafrika angenommen, das allerdings ein Patentregistrierungssystem hat.

In diesem Online-Seminar der Europäischen Patentakademie werden die Hintergründe und die Begründung der Entscheidungen des EPA ausführlich erläutert.

KI in den Tools des EPA
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AI in EPO tools

2019 hat das EPA ein spezielles Data-Science-Team ins Leben gerufen, das sich mit dem Einsatz von Technologien der künstlichen Intelligenz und des maschinellen Lernens zur Steigerung der Effizienz und Qualität im Patenterteilungsverfahren beschäftigt. Das Kernteam besteht aus sechs  Data Scientists, die von Patentprüfern der GD 1 unterstützt werden, die das nötige technische Wissen und Geschäftsverständnis mitbringen. Das Team konzentriert sich auf drei Projekte im Bereich der Kern-KI-Technologien - natürliche Sprachverarbeitung, Computer Vision und maschinelle Übersetzung - und wendet diese auf die Klassifikation, die Recherche und die maschinelle Übersetzung im Patenterteilungsverfahren an.

Die KI des EPA nutzt modernste Deep-Learning-Netzwerkarchitekturen und passt sie an die Herausforderungen des Patentwesens an. Die Sprachmodelle des EPA werden anhand von Millionen von Dokumenten trainiert, die in den EPA-Datenbanken des Stands der Technik gespeichert sind. Sie sind präzise auf die komplexen Gegebenheiten des Patentwesens wie beispielsweise Fachsprache und Syntax abgestimmt. Die KI im EPA wird heute durch überwachtes maschinelles Lernen vorangetrieben und greift dabei auf die Vorarbeit zurück, die unsere hochqualifizierten Prüferinnen und Prüfer geleistet haben.

Das Data-Science-Team arbeitet mit Abteilungen im gesamten EPA zusammen, um den Wissensaustausch zu KI-bezogenen Themen zu fördern. In diesem Zusammenhang finden auch Webseminare statt, die sich an Anfänger im Bereich der künstlichen Intelligenz richten, aber ebenso gibt es Schulungen auf Expertenniveau zu technischen Themen wie dem Sprachmodell. Dieses wurde auch von vielen Teams beim ersten Coding-Wettbewerb "CodeChallenge" des EPA verwendet.

 

Alexander Klenner-Bajaja, Leitung des Data-Science-Teams
Alexander Klenner-Bajaja, Leitung des Data-Science-Teams

"Wir möchten so viele Menschen wie möglich mitnehmen auf die Reise des EPA mit der künstlichen Intelligenz, auch unsere Kolleginnen und Kollegen von Business Information Technology (BIT) sowie aus allen anderen Bereichen der Organisation. Dafür nutzen wir Konzepte wie "Open Innovation" (offene Innovation), die wir ja bereits bei unserer ersten internen CodeChallenge mit Erfolg umgesetzt haben."

 

Der sechswöchige Coding-Wettbewerb lief von September bis November 2020. 68 Teilnehmende aus dem gesamten EPA waren dabei. Dieser Wettbewerb bot den Fachleuten des EPA die Gelegenheit, KI zur Lösung einer realen Aufgabe einzusetzen, die da lautete: Wie kann man die Patentklassifizierung für Technologien zur Eindämmung des Klimawandels automatisieren?

Rodolphe d'Inca, Patentprüfer, Gewinner unserer CodeChallenge
Rodolphe d'Inca, Patentprüfer, Gewinner unserer CodeChallenge

“Hype hin oder her - aber KI ist wirklich eine ganz große Sache, und ich kann nur jedem raten, diese Technologie in Zukunft wirklich im Auge zu behalten."

 

KI und internationale Zusammenarbeit
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AI and international cooperation

Bei den fünf größten IP-Ämtern der Welt gehen 80 % aller Patente weltweit ein. Zusammen nennt man sie die IP5 - das EPA, das JPO, das KIPO, die CNIPA und das USPTO. Bei einer Vielzahl verschiedener Projekte arbeiten sie zusammen, um das globale Patentsystem weiter zu verbessern und zu harmonisieren. Seit 2018 suchen sie gemeinsame Ansätze, um auf die Herausforderungen neuer Technologien adequat reagieren zu können. 2019 beschlossen die IP5-Ämter, ihre Zusammenarbeit im Bereich der neu entstehenden Technologien (NET) und der künstlichen Intelligenz (KI) weiter auszubauen und richteten zu diesem Zweck eine spezielle Taskforce zur Koordinierung ihrer Initiativen ein.

Diese neue, interdisziplinäre IP5-Taskforce, in der sämtliche IP5-Partnerämter und die WIPO vertreten sind, beschäftigt sich mit den rechtlichen, technischen und strategischen Aspekten im Zusammenhang mit neuen Technologien und KI, mit ihren Auswirkungen auf das Patentsystem und die operativen Tätigkeiten in den fünf Ämtern. Ziel ist es, herauszufinden, welche Bereiche am meisten von gemeinsamen Vorgehensweisen der IP5 profitieren können, angefangen vom Einsatz von KI-Tools und -Systemen zur Unterstützung der Patentprüfer und Verbesserungen im Patenterteilungsverfahren bis hin zur Anwendung der Patentierbarkeitsvoraussetzungen auf Erfindungen im Bereich der KI und der Handhabung von Anmeldungen für von Maschinen gemachte Erfindungen.

Christoph Ernst, Vizepräsident Generaldirektion Rechtsfragen und internationale Angelegenheiten
Christoph Ernst, Vizepräsident Generaldirektion Rechtsfragen und internationale Angelegenheiten

“Diese Taskforce ist die erste gemeinsame Reaktion der IP5 auf die sich verändernde globale Patentlandschaft und die sich weiterentwickelnden Bedürfnisse der Nutzer in diesem Bereich. Neu aufkommende Technologien und KI berühren fast alle Aspekte des täglichen Lebens. Sie stellen die traditionellen Modelle der Generierung und Nutzung von Wissen und der Entscheidungsfindung infrage. Dies bringt erhebliche Herausforderungen für den IP-Bereich mit sich. Mithilfe der Taskforce können wir zeigen, dass wir als die führenden Patentämter der Welt agil genug sind, um auf diese Veränderungen zu reagieren.”

Im Januar 2020 kam die Taskforce in Berlin erstmals zusammen. Dabei ging es um die Sondierung möglicher Themen für die Zusammenarbeit, beispielsweise Wege zur Förderung der Rechtssicherheit, die Erstellung klarer Leitlinien für die Anwendung der einschlägigen Gesetze und Vorschriften oder die Unterstützung der Nutzer beim Schutz ihrer NET/KI-bezogenen Innovationen weltweit. Diskutiert wurde auch das Potenzial, das sich aus der Anwendung von NET und KI für die Betriebsabläufe in den Ämtern und für die Dienste für Nutzer ergibt.

Wenn es um Zukunftstechnologien geht, die sich schnell weiterentwickeln, stehen die fünf größten IP-Ämter der Welt vor ähnlichen Herausforderungen - und ähnlichen Chancen. Von einer engeren Zusammenarbeit profitieren die Ämter und die Nutzer gleichermaßen.

Bis Juni 2021 will die Taskforce eine umfassende Roadmap entwickeln, die die Richtung der IP5-Ämter beim Umgang mit NET und KI vorgeben wird. Auf dieser Grundlage werden dann konkrete Projekte der IP5-Arbeitsgruppen und Empfehlungen für strategische Entwicklungen erarbeitet.