Der wichtigste Beitrag des EPA ist seine hohe
Patentqualität, mit der sichergestellt wird, dass Patente nur auf Technologien
erteilt werden, die neu und erfinderisch sind. Damit wird gewährleistet, dass
Normen (oder jeder andere Technologiebereich) nicht durch unzureichende Patente
belastet werden. Die Qualität des EPA wird durch die jährliche Umfrage zur Patentqualität
von Intellectual Asset Management (IAM) bestätigt, in der das EPA wiederholt
den ersten Platz belegt hat.
Eine hohe Patentqualität hängt von hoher Qualität bei der
Recherche ab, für die ein effizienter, recherchierbarer Zugang zu möglichst
umfangreichem Stand der Technik erforderlich ist. In vielen IKT-Bereichen haben
sich Normendokumente als hoch relevanter Stand der Technik erwiesen,
insbesondere in Bezug auf Technologien, die in Diskussionen zur
Normenentwicklung offenbart wurden. In Schlüsselbereichen der Technik werden
Normendokumente in rund zwei Dritteln der EPA-Recherchenberichte angeführt.
Normen als Stand der Technik
Patente werden für Erfindungen auf allen Gebieten der
Technik erteilt, sofern sie neu sind, auf einer erfinderischen Tätigkeit
beruhen und gewerblich anwendbar sind (Art. 52
EPÜ). Eine Erfindung gilt als neu, wenn sie nicht zum Stand der Technik gehört,
der alles umfasst, was vor dem Anmeldetag der europäischen Patentanmeldung der
Öffentlichkeit durch schriftliche oder mündliche Beschreibung, durch Benutzung
oder in sonstiger Weise zugänglich gemacht worden ist.
Normendokumente gelten in der Regel als Stand der Technik,
sofern sie nicht einer klar definierten und respektierten
Geheimhaltungsverpflichtung unterliegen. Um als neu zu gelten, müssen
Patentanmeldungen zu diesen Technologien eingereicht werden, bevor die
entsprechende Technologie im Rahmen der Normenentwicklung offenbart wird.
Außerdem gilt eine Erfindung als auf einer erfinderischen
Tätigkeit beruhend, wenn sie sich für den Fachmann nicht in naheliegender Weise
aus dem Stand der Technik ergibt (Art. 56
EPÜ). Zuvor offenbarte Normendokumente
können auch zur Feststellung dessen verwendet werden, was für den Fachmann als
"naheliegend" gilt.
Nähere Informationen über die Verwendung von
Normendokumenten im Patentprüfungsverfahren finden sich in den Richtlinien
für die Prüfung im EPA (EPA-RL G-IV,
7.6).
Die Patentprüfer im EPA können auf umfassende
Literatursammlungen aus Normungsorganisationen zugreifen, wie u. a.:
- Europäisches Institut
für Telekommunikationsnormen (ETSI)
- 3rd Generation Partnership Project (3GPP)
- Internettechnik-Arbeitsgruppe
(IETF)
- Internationale
Fernmeldeunion (ITU)
- Institute of Electrical and Electronics Engineers Standards
Association (IEEE-SA)
- Digital Video Broadcasting Project (DVB)
- Open Mobile
Alliance (OMA)
- oneM2M -
Normen für M2M und das Internet der Dinge
- Internationale
Elektrotechnische Kommission (IEC)
- Japanische Rundfunk-Standardisierungsorganisation ARIB (Association of Radio Industries and Business)
Neben den von den Normungsorganisationen herausgegebenen endgültigen Standards enthalten die Datenbanken des EPA auch die im Rahmen des Normungsprozesses vorgelegten technischen Offenbarungen. Diese werden in der Regel vor der Festlegung des endgültigen Standards veröffentlicht und sind somit für den Patenterteilungsprozess äußerst relevant.
Das Amt verfolgt kontinuierlich die Entwicklungen, um
zusätzliche Sammlungen von Normungsorganisationen zu identifizieren.
Ein entscheidender Beitrag zur Gewährleistung der
Kompatibilität zwischen Patent- und Normungssystemen ist die allgemeine
Verpflichtung der Beteiligten an der Normenentwicklung, geistige Eigentumsrechte
anzugeben, die für die Umsetzung der Norm relevant sein könnten (sogenannte
standardessenzielle Patente oder SEPs) und Lizenzen für diese geistigen
Eigentumsrechte nach dem FRAND-Prinzip ("fair, vernünftig und nicht
diskriminierend") anzubieten.
Zahl der standardessenziellen Patente, die bei den
wichtigsten Normungsorganisationen angegeben wurden
Quelle: www.iplytics.com
Quelle: www.iplytics.com (zum Vergrößern klicken)
Ein weiterer wichtiger Beitrag des EPA ist der
leichte Zugang zu Patentdokumenten. Das EPA besitzt mit über 130 Millionen
Patentdokumenten aus über 100 Rechtskreisen die größte Sammlung von
Patentinformation weltweit. Diese sind in der kostenlosen öffentlichen
Datenbank des EPA (Espacenet) enthalten und online nach Erfinder, Anmelder,
Schlagwörtern und den 260 000 Codes der Gemeinsamen Patentklassifikation
(CPC) recherchierbar.
Das heißt, neben den bei Normungsorganisationen angegebenen
standardessenziellen Patenten können diejenigen, die Normen umsetzen, und die
gesamte Öffentlichkeit einschlägige Patente finden, und zwar unabhängig davon,
ob sie als solche angegeben worden sind.
Durch seine einzigartige Sammlung ist das EPA auch in der
Lage, umfassende "Patentfamilien" zusammenzustellen; dazu werden
weltweit eingereichte Patentanmeldungen für ein und dieselbe Erfindung
gesammelt und Rechtsstandsinformationen aus über 50 Patentämtern
zusammengetragen, mit deren Hilfe Sie feststellen können, ob diese Patente noch
in Kraft sind.
Zur Verbesserung der Transparenz in Bezug auf
standardessenzielle Patente findet sich in der IPR-Datenbank
des Europäischen Instituts für Telekommunikationsnormen (ETSI) ein Link zu den
Online-Patentinformationsdiensten des EPA.
Dadurch ist es möglich, von der ETSI-Datenbank aus direkt
auf ein Patentdokument in Espacenet
zuzugreifen und dessen Inhalt und Umfang zu sichten. Ferner lädt die
ETSI-Datenbank automatisch Patentfamilieninformationen
(Angaben zur geografischen Erstreckung einer Anmeldung) und INPADOC-Rechtsstandsdaten
mithilfe der Open Patent Services (OPS)
des EPA herunter, sodass es möglich ist, den Rechtsstand eines jeden
Patentfamilienmitglieds in der IPR-Datenbank des ETSI selbst zu ermitteln.
Das EPA verfolgt die Entwicklungen der Vierten Industriellen Revolution sowohl in Europa als auch international mit großer Aufmerksamkeit. Bis 2023 wird das Internet der Dinge schätzungsweise rund 29 Milliarden Geräte in komplexen Systemen miteinander vernetzen, wobei neue Normen für die essenzielle Konnektivität und Interoperabilität in fast allen Industriezweigen sorgen werden.
Vertreter des EPA besuchen Schlüsselkonferenzen zu Normen
und Patenten weltweit und verfolgen die Entwicklungen in anderen, damit
verwandten Patentierungsfragen. Ferner ist das EPA als Beobachter in den
IPR-Ausschüssen von Normungsorganisationen wie ETSI, ITU und IEEE-SA vertreten.
Das EPA arbeitet kontinuierlich mit weiteren
potenziellen Normungsorganisationen zusammen, um seinen Ansatz zu optimieren.