Das EPG ist ein neues internationales gemeinsames Gericht seiner Mitgliedstaaten. Es wird vereinfachte, schnellere und effizientere gerichtliche Verfahren mit Entscheidungen hoher Qualität bieten, die von international besetzten Spruchkörpern aus rechtlich und technisch qualifizierten Richtern getroffen werden. Außerdem wird mit dem EPG-Übereinkommen das materielle Patentrecht in Bezug auf Umfang und Beschränkung der Rechte aus einem Patent sowie die bei Verletzungsfällen verfügbaren Rechtsbehelfe harmonisiert.
Das EPG wurde durch einen internationalen Vertrag errichtet: das EPG-Übereinkommen vom 19. Februar 2013. Es wird die ausschließliche Zuständigkeit für die Regelung von Streitigkeiten sowohl über klassische europäische Patente als auch über Einheitspatente besitzen. Bei der ausschließlichen Zuständigkeit gibt es allerdings Ausnahmen im Zusammenhang mit europäischen Patenten: während einer Übergangszeit von sieben Jahren können Klagen weiterhin bei nationalen Gerichten erhoben werden, und Inhaber europäischer Patente können die ausschließliche Zuständigkeit des EPG ausschließen (Opt-out); diese Übergangszeit kann um bis zu weitere sieben Jahre verlängert werden. Ein Opt-out gilt für die gesamte Laufzeit des betreffenden europäischen Patents. Entscheidungen des EPG sind auf dem gesamten Hoheitsgebiet der Mitgliedstaaten wirksam, die das EPG-Übereinkommen zum Zeitpunkt des Erlasses der Entscheidung ratifiziert haben (Vertragsmitgliedstaaten). Das EPG wird nicht für nationale Patente zuständig sein.
Das EPG umfasst ein dezentrales Gericht erster Instanz bestehend aus einer Zentralkammer sowie Lokal- und Regionalkammern in den Vertragsmitgliedstaaten; ein gemeinsames Berufungsgericht ist in Luxemburg angesiedelt. Am Sitz des Berufungsgerichts wird eine Kanzlei eingerichtet. Das Schulungszentrum für Richter befindet sich in Budapest; das Mediations- und Schiedszentrum für Patentsachen hat seine Sitze in Lissabon und Ljubljana.
Die Spruchkörper des EPG tagen in einer multinationalen Zusammensetzung und bestehen aus rechtlich und technisch qualifizierten Richtern. Das Verfahren ist so ausgestaltet, dass innerhalb eines Jahres nach Klageerhebung mit einem erstinstanzlichen Urteil zu rechnen ist.
In der Regel hat das EPG die ausschließliche Zuständigkeit für zivilrechtliche Verfahren im Zusammenhang mit europäischen Patenten, Einheitspatenten, ergänzenden Schutzzertifikaten zu durch solche Patente geschützten Erzeugnissen und europäischen Patentanmeldungen. Nach Artikel 32 des EPG-Übereinkommens besitzt das EPG die ausschließliche Zuständigkeit namentlich für
Das EPG wird auch als Verwaltungsgericht fungieren: es besitzt die ausschließliche Zuständigkeit für Klagen gegen Entscheidungen, die das EPA in Ausübung der in der EU-Verordnung Nr. 1257/2012 zum einheitlichen Patentsystem genannten Aufgaben getroffen hat.
Das EPG-Übereinkommen sieht zudem vor, dass für Klagen im Zusammenhang mit Patenten und ergänzenden Schutzzertifikaten, die nicht in die ausschließliche Zuständigkeit des Gerichts fallen, weiterhin die nationalen Gerichte der Vertragsmitgliedstaaten zuständig sind.
Für eine Übergangszeit von sieben Jahren, die um bis zu weitere sieben Jahre verlängert werden kann, gibt es bei Streitigkeiten über klassische europäische Patente die folgende Option:
Es wird nachdrücklich darauf hingewiesen, dass die Option der Ausnahmeregelung (Opt-out) bzw. der Klageerhebung vor einem nationalen Gericht während der Übergangszeit nicht für Einheitspatente zur Verfügung steht.
Das EPG-Übereinkommen tritt am ersten Tag des vierten Monats nach Hinterlegung der 13. Ratifikations- oder Beitrittsurkunde in Kraft, darunter die Urkunden der drei Mitgliedstaaten, in denen es 2012 die meisten gültigen europäischen Patente gab, nämlich Deutschland, Frankreich und Italien.
Im Oktober 2015 unterzeichneten Vertreter der Mitgliedstaaten ein Protokoll zur vorläufigen Anwendung des EPG-Übereinkommens. Das Protokoll ermöglicht es, dass die institutionellen, organisatorischen und finanziellen Bestimmungen des EPG-Übereinkommens bereits vor Inkrafttreten des Übereinkommens angewendet werden. So können wichtige Entscheidungen zur praktischen Einrichtung des Gerichts - beispielsweise die Einstellung von Richtern - vor Inkrafttreten des EPG-Übereinkommens getroffen werden, sodass das EPG vom ersten Tag an tätig werden kann. In der Phase der vorläufigen Anwendung ist auch die vorzeitige Eintragung von Anträgen auf Inanspruchnahme der Ausnahmeregelung bezüglich der Zuständigkeit des EPG möglich.