D 0012/82 (Prüfungsanweisungen) 24-02-1983
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1. Die von der Prüfungskommission für die europäische Eignungsprüfung gem. Art.12(1) der "Vorschriften über die europäische Eignungsprüfung für die beim EPA zugelassenen Vertreter" (VEP) erlassenen allgemeinen Anweisungen zur Bewertung der Arbeiten der Bewerber und das vorgesehene vorgesehene Benotungssystem gewährleisten die Einheitlichkeit der Bewertung im Sinne der VEP.
2. Aus dem Recht auf Akteneinsicht kann nicht die Forderung nach einer höheren Durchsichtigkeit der Bewertungsvorgänge abgeleitet werden, als sich durch die Kenntnisnahme der Bewertungsanweisungen und deren Anwendung bei der Bewertung der Prüfungsarbeiten ergibt
3. Das Bewertungssystem ist - wie jedes neu geschaffene System - einer Verbesserung fähig. Dabei könnten auch die Einheitlichkeit in der Bewertung und ihre Durchsichtigkeit erhöht werden. Dem erfolglosen Bewerber könnten dadurch auch bessere Aufschlüsse darüber geboten werden, weswegen er den Anforderungen nicht entsprochen hat. Allerdings hat er hierauf keinen Anspruch, zumal die Prüfung nicht der Schulung dient und daher solchen Wünschen schon aus Kostengründen nur begrenzt Rechnung getragen werden kann.
Anweisungen zur Einheitlichkeit der Bewertung
Akteneinsicht
Akteninhalt
Transparenz
I. Die Beschwerde richtet sich gegen die Entscheidung der Prüfungskommission für die europäische Eignungsprüfung beim Europäischen Patentamt vom 12. Oktober 1982, mit der festgestellt wurde, daß der Beschwerdeführer die dritte europäische Eignungsprüfung von 1982 nicht bestanden hat. Die Entscheidung wurde am 12. Oktober 1982 gem. Regel 78 EPÜ mit eingeschriebenem Brief an den Beschwerdeführer abgesandt. Die Beschwerde mit kurzer Begründung ging am 4. November 1982 beim EPA ein.
Der Beschwerdeführer trug schriftlich und mündlich in der Verhandlung vom 24. Februar 1983 vor, die Prüfungskommission habe "bei der Beurteilung der Arbeiten nicht sichergestellt, daß die Bewertung der Arbeiten sämtlicher Bewerber nach gleichem Maßstab erfolgte"; bei der Prüfungsarbeit A seien beispielsweise unter dem Bewertungsgesichtspunkt "Schutzumfang" 22 Punkte, bei der Arbeit B unter "Ansprüche" 20 Punkte erreichbar. Der Bewerber könne bei der Bewertung erheblich hinter diesen möglichen Punktzahlen zurückbleiben, ohne zu erfahren, inwiefern er den Erwartungen nicht entsprochen habe. Bei der Arbeit C (Fertigung einer Einspruchsschrift) seien beispielsweise für Formalitäten 5 Punkte und für rechtliche Aspekte 35 Punkte erreichbar. Gerade bei solchen Fragen sei es möglich, die Mängel in der erbrachten Prüfungsleistung näher zu kennzeichnen. Das angewandte Bewertungssystem gewährleiste somit nicht die Gleichmäßigkeit der Bewertung. Dieses System vermittle auch nicht die Durchsichtigkeit des Bewertungsvorganges, die notwendig sei, wenn das den erfolglosen Bewerbern von der Beschwerdekammer zuerkannte Recht auf Akteneinsicht einen Sinn haben solle. Außerdem könne der erfolglose Bewerber mangels Aussagekraft der Bewertungsbogen keine Hinweise darüber erhalten, was er bei einer Wiederholung besser machen könne.
II. Der Beschwerdeführer beantragte, die angefochtene Entscheidung aufzuheben und die Sache mit der Auflage an die Prüfungskommission zurückzuverweisen, aufgrund von konkreten Richtlinien alle Arbeiten erneut zu überprüfen.
1. Die Beschwerde entspricht den Vorschriften des Artikels 23(2) der "Vorschriften über die europäische Eignungsprüfung der beim Europäischen Patentamt zugelassenen Vertreter" (ABl. EPA 1978, 101; nachfolgend: VEP) und ist daher zulässig.
2. Der Beschwerdeführer beanstandet, daß das Bewertungssystem nicht Artikel 12(1) VEP entspreche. Dort wird verlangt, daß die von der Prüfungskommission gegebenen Anweisungen sicherstellen, daß die Arbeiten der Bewerber einheitlich bewertet werden. Die von der Prüfungskommission gegebenen Anweisungen bestehen einmal in allgemeinen "Anweisungen an die Prüfungsausschüsse für die Bewertung der Arbeiten". Hierbei handelt es sich um Bewertungsgrundsätze, um Erläuterungen über die Bedeutung der Noten nach der von 1-7 reichenden Bewertungsskala und um Anweisungen für die Notenvergabe. Für jede Prüfungsarbeit ergeben sich diese Noten aus Bewertungspunkten, und zwar in der Weise, daß für bestimmte Bereiche erreichter Punktsummen jeweils eine bestimmte Note vergeben wird. Außerdem gibt es bestimmte Bewertungsschemata auf den Bewertungsbogen. Dabei ist die für die Arbeit insgesamt erreichbare Punktzahl in der Weise untergliedert, daß für bestimmte Bewertungsgesichtspunkte bestimmte Teilbeträge an Punkten erreichbar sind. Bei der Arbeit D II (Einzelfragen) ist für die Bearbeitung jeder Frage jeweils eine bestimmte Punktzahl erreichbar.
3. Die Beschwerdekammer ist zu der Auffassung gelangt, daß dieses System die Einheitlichkeit der Bewertung sowohl innerhalb eines jeden Prüfungsausschusses wie auch unter den einzelnen Prüfungsausschüssen in ausreichender Weise gewährleistet. Dies folgt aus einer Überprüfung des Systems als solchem wie auch aus seiner Anwendung auf die einzelnen Bewerber. Die Einheitlichkeit im Sinne des Artikels 12(1) VEP ist auch dann gewahrt, wenn die Bewertungsuntergliederungen noch gewisse Spielräume lassen. Einheitlichkeit bedeutet nicht absolute Ergebnisgleichheit im Sinne eines Automatismus. Einen solchen kann es nicht geben, weil die einzelne Prüfungsarbeit nicht nur, etwa wie die Lösung einer Rechenaufgabe, die numerativ erfaßbare und objektiv als falsch oder richtig wertbare Lösungen bringt, sondern auch in einer gewissen individuellen Weise den Anforderungen entsprechen oder nicht entsprechen kann. Somit verlangt Einheitlichkeit sogar gewisse Bewertungsspielräume für den einzelnen Prüfer, weil die individuelle Leistung mit einem zu stark gegliederten und damit starren Schema im Einzelfall nicht gerecht bewertet werden kann. Einheitlichkeit im Sinne des Artikels 12(1) VEP kann daher nicht bedeuten, daß eine individuelle Beurteilung der Einzelarbeit ganz verdrängt wird, sondern verlangt, daß diese innerhalb bestimmter Grenzen möglich bleibt. Da der Prüfer den Namen des Bewerbers nicht kennt, sondern eine mit einer Kennummer versehene anonyme Arbeit bewertet, ist dabei gewährleistet, daß die individuelle Beurteilung der Leistung ohne Ansehen der Person erfolgt.
4. Dem Beschwerdeführer kann nicht darin zugestimmt werden, daß das zugestandene Recht auf Akteneinsicht auch ein Recht auf völlige Durchsichtigkeit der Beurteilungsvorgänge beinhaltet. Die Akteneinsicht soll und muß lediglich erkennbar machen, ob und wie die Anweisungen i.S.v. Artikel 12(1) VEP, zu denen auch die Bewertungsschemata auf den Bewertungsbogen gehören, auf die Prüfungsarbeiten des jeweiligen Bewerbers angewendet wurden. Er soll erkennen können ob die einzelnen Punktbewertungen, die Notenbildung, die Notenabgleichung und die Gesamtbewertung in sich schlüssig sind. Dies ist - entgegen der Auffassung des Beschwerdeführers - bei der dritten europäischen Eignungsprüfung von 1982 hinsichtlich der Bewertungsanweisungen und des Bewertungsschemas der Fall. Auch ihre Anwendung auf die Prüfungsarbeiten des Beschwerdeführers läßt keine Unstimmigkeiten erkennen, was auch vom Beschwerdeführer selbst nicht behauptet wird.
5. Wenn der Beschwerdeführer feststellt daß das Recht auf Akteneinsicht dann vereitelt würde, wenn die Prüfer die ihnen zur Verfügung gestellten Kopien der Prüfungsarbeiten (sog. Prüferkopien) ohne jedwede Anmerkung (also optisch makellos) zurückgäben, so ist dies nur bedingt richtig. Der Rückgabe solcher Kopien bedarf es deswegen nicht, weil nunmehr ein Bewertungssystem mit Bewertungsbogen geschaffen ist und dabei die Bewertung auf diesem Bogen erfolgt. Bei Anwendung eines solchen Systems ist nur zu verlangen, daß der Prüfer das Ergebnis seiner Meinungsbildung im Bewertungsbogen niederlegt und über das dort vorgesehene Schema hinaus dann weitere Aufschlüsse gibt, wenn nach den Umständen des Einzelfalles solche von den Mitprüfern oder vom Prüfungsausschuß erwartet werden können oder wenn solche Aufschlüsse notwendig erscheinen, um dem Bewerber und ggf. der Beschwerdekammer eine Überprüfung der Vorgänge im Rahmen der hier aufgezeigten Grenzen zu ermöglichen.
6. Der Kritik des Beschwerdeführers am Bewertungssystem kann die Kammer nur insoweit zustimmen, als ihr Verbesserungen des Systems möglich und auch wünschenswert erscheinen. Dies gilt beispielsweise, wenn (wie im Sachverhalt als Vortrag des Beschwerdeführers dargelegt) große Punktzahlen global ohne Kommentar vergeben bzw. versagt werden oder wenn (wie bei der Arbeit D-II) auch bei starker Abweichung der vergebenen von der erzielbaren Punktzahl in der Spalte "Bemerkungen" jede Bemerkung unterbleibt. Es wäre auch wünschenswert, wenn eine höhere Durchsichtigkeit dem erfolglosen Bewerber mehr Hinweise geben würde, wo und weswegen er den Anforderungen nicht entsprochen hat. Hierauf besteht aber kein Anspruch des Bewerbers. Daher kann er auch solche Wünsche nicht mit Hilfe der Beschwerdekammer durchsetzen. Solchen Wünschen sind allein schon aus Kostengründen Grenzen gesetzt. Dabei ist zubedenken, daß die Kosten der Prüfung erheblich höher sind als die Einnahmen aus Prüfungsgebühren. Die europäische Eignungsprüfung dient dem Qualifikationsnachweis und nicht der Qualifikationsvermittlung, also nicht der Schulung, wenn auch jede erfolglose Prüfung immer eine gewisse Schulung vermitteln kann. Es kann daher von der Beschwerdekammer nicht beanstandet werden, wenn die Prüfungskommission das Prüfungssystem kostenbewußt vornehmlich auf die Erbringung des Qualifikationsnachweises ausrichtet, solange sie dabei nicht die VEP und übergeordnetes Recht verletzt (zur Überprüfungskompetenz der Beschwerdekammer siehe auch deren Entscheidungen D 01/81 vom 4. Februar 1982 in ABl. EPA 1982, 258 und D 05/82 vom 15. Dezember 1982, ABl. EPA 1983,
175).
ENTSCHEIDUNGSFORMEL
Aus diesen Gründen wird wie folgt entschieden:
Die Beschwerde gegen die Entscheidung der Prüfungskommission für die europäische Eignungsprüfung beim Europäischen Patentamt vom 12. Oktober 1982 wird zurückgewiesen.