D 0015/95 (Beschwerdefähigkeit Entsch. in Disziplinarangelegenheiten) 09-06-1997
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I. Mit Schreiben vom 24. Februar 1995 wendete sich der Beschwerdeführer an den Disziplinarrat des Instituts der beim Europäischen Patentamt zugelassenen Vertreter und machte geltend, daß er entgegen seinem ausdrücklichen Wunsch nicht auf der Vorschlagsliste für die Wahl der Mitglieder der Beschwerdekammer in Disziplinarangelegenheiten aufgenommen worden sei. Offenbar habe Herr ..., ohne ihn zu fragen, einen anderen deutschen Vertreter auf diese Liste gesetzt. Hierauf entschied der Disziplinarrat am ..., daß das Disziplinarverfahren eingestellt wird, da der Beschwerdeführer lediglich Vermutungen und Mutmaßungen geäußert habe, jedoch keinen Verstoß gegen die maßgeblichen beruflichen Regeln seitens eines Vertreters vor dem EPA schlüssig vorgetragen habe.
II. Mit Schreiben vom 18. September 1995 legte der Beschwerdeführer gegen die Entscheidung des Disziplinarrats Beschwerde ein, die er mit weiteren Schreiben vom 11. Oktober 1995, 11. und 25. Februar 1996 sowie 10. und 20. Februar 1997 begründete.
III. Zur Begründung seiner Beschwerde trug der Beschwerdeführer im wesentlichen vor, die Feststellung des Disziplinarrates, er - der Beschwerdeführer - habe lediglich Vermutungen und Mutmaßungen geäußert, sei nicht nur falsch sondern zugleich diskriminierend gegenüber Dritten, die Kopie der Entscheidung erhalten hätten. Er habe ausdrücklich dem Generalsekretariat des epi erklärt, daß er weiterhin für die Beschwerdekammer in Disziplinarangelegenheiten zur Verfügung stehe und diese Erklärung zu keinem Zeitpunkt zurückgenommen. Daß er gegen seinen Willen von der Vorschlagsliste gestrichen und an seiner Stelle ein anderer zugelassener Vertreter benannt worden sei, müsse als eine unzulässige Diskriminierung seiner Person angesehen werden. Zur Frage der Statthaftigkeit der Beschwerde sei er der Auffassung, daß durch die Richtlinien des epi für die Berufsausübung die Vorschriften in Disziplinarangelegenheiten von zugelassenen Vertretern auf die Fälle ausgedehnt worden seien, in denen sich völlig gleichartigen Parteien, nämlich nur zugelassene Vertreter, gegenüber stünden. Es widerspräche jeder Rechtssystematik, hier nicht auch dem jeweiligen Anzeigenerstatter ein Beschwerderecht einzuräumen. Der Disziplinarrat habe ihn mit seinem Verdikt fälschlich zum eigentlich Betroffenen gemacht, und so müßte der übergeordnete Artikel 107 EPÜ anwendbar sein. lm übrigen ergebe es sich aus den über Artikel 125 EPÜ anwendbaren Rechtsgrundsätzen der Bundesrepublik Deutschland, wonach keine Partei ohne rechtliches Gehör und ohne Rechtsmittel einer willkürlichen Verurteilung ausgeliefert sein dürfe.
IV. Der Beschwerdeführer hat folgende Anträge gestellt,
die Angelegenheit an den Disziplinarrat mit der Auflage zurückzuweisen, Ermittlungen gemäß Artikel 6 (2) der ergänzenden Verfahrensordnung des Disziplinarrats durchzuführen (Hauptantrag);
die Angelegenheit an den Disziplinarrat mit der Auflage zurückzuweisen, Ermittlungen bezüglich des Verhaltens von Herrn ... durchzuführen (Hilfsantrag 1);
die Angelegenheit an den Disziplinarrat mit der Auflage zurückzuweisen, Herrn ... unter Fristsetzung zur Stellungnahme auf das Schreiben des Beschwerdeführers vom 24. Februar 1995 aufzufordern (Hilfsantrag 2);
die Entscheidung des Disziplinarrates aufzuheben und Ermittlungen durchzuführen (Hilfsantrag 3).
V. Die Kammer hat dem Präsidenten des Europäischen Patentamtes und der Präsidentin des Instituts der beim Europäischen Patentamt zugelassenen Vertreter Gelegenheit zur Stellungnahme gegeben. Auf eine entsprechende Anfrage der Beschwerdekammer hat sich die Präsidentin des epi mit Schreiben vom 5. Februar 1996 geäußert, auf dessen Inhalt verwiesen wird.
1. Wie die Kammer bereits ausführlich in ihrer Mitteilung vom 4. Januar 1996 ausgeführt hat, ist das Verfahren gemäß den Vorschriften in Disziplinarangelegenheiten von zugelassenen Vertretern in der Weise ausgestaltet, daß die das auf Grund einer Anzeige eingeleitete Verfahren abschließende Entscheidung eine Entscheidung im Rechtssinn nur gegenüber dem betroffenen zugelassenen Vertreter, dem Präsidenten des epi und dem Präsidenten des EPA ist, d. h. auch nur dieser Personenkreis sie mit der Beschwerde anfechten kann. Zur Vermeidung von Wiederholungen wird auf die genannte Mitteilung (dort unter 2.) verwiesen, insbesondere aber auf Artikel 8 (2) der Vorschriften in Disziplinarangelegenheiten von zugelassenen Vertretern, der im Gegensatz zu dem hier nicht anwendbaren Artikel 107 EPÜ das Beschwerderecht auf den oben genannten Personenkreis beschränkt.
2. Der Hintergrund für diese Regelung ist darin zu sehen, daß das Disziplinarrecht im Unterschied zum Zivil-, Straf- oder Verwaltungsrecht von besonderer rechtlicher Natur ist, weil es ein unterschiedliches Ziel verfolgt. Das zu seiner Durchsetzung ausgestaltete Verfahren dient dazu, die Verletzung ausschließlich beruflicher Verhaltensregeln zu sanktionieren, unabhängig davon welche zivil-, straf- oder verwaltungsrechtliche Konsequenzen der jeweilige Verstoß nach sich zieht. Die Disziplinargewalt wird von den professionellen Instanzen wahrgenommen, wobei durchaus das Recht zur Einleitung eines Disziplinarverfahrens nicht nur auf ein Mitglied der jeweiligen Berufsgruppe beschränkt sein, sondern jedem Dritten zustehen kann (vgl. Artikel 6 (1) der Vorschriften in Disziplinarangelegenheiten von zugelassenen Vertretern).
3. Aus der oben dargestellten Struktur des Beschwerdeverfahrens mag es folgen, daß grundsätzlich nur demjenigen, gegen den eine Anzeige erstattet wurde, ein Beschwerderecht zusteht, nicht aber dem Anzeigeerstatter (als Beispiel aus einem der Mitgliedstaaten des EPÜ sei das französische Recht genannt: Artikel 119 des Erlasses vom 9. Juni 1972). Der Hinweis des Beschwerdeführers auf Ziffer 5 b) der Richtlinien des epi für die Berufsausübung kann ein solches Recht nicht begründen. Diese Bestimmung sieht zunächst die Möglichkeit einer persönlichen Aussprache zwischen den beteiligten Mitgliedern vor, und für den Fall, daß diese zu keinem Ergebnis führt, den Formalweg über das Disziplinarverfahren. Die Kontrolle der Beschwerdeinstanz ist darauf beschränkt, ob die Rechte des "Beschuldigten", d. h. im Sinne der Vorschriften in Disziplinarangelegenheiten von zugelassenen Vertretern "des betroffenen zugelassenen Vertreters" gewahrt worden sind. Dies ergibt sich zwingend aus dem Zusammenspiel der genannten Vorschriften mit den Richtlinien des epi für die Berufsausübung, die der Auslegung der beruflichen Regeln der zugelassenen Vertreter dienen, aber keinesfalls diese Vorschriften abändern oder erweitern. Ob es angemessen wäre - zumindest für den Fall der Ziffer 5 b) der Richtlinien - ein Beschwerderecht gegen die Entscheidung des Disziplinarrates beiden beteiligten zugelassenen Vertretern einzuräumen, ist eine Frage künftiger gesetzlicher Regelung und von dieser Kammer nicht zu entscheiden.
4. Der Beschwerdeführer beruft sich zur Begründung seines Beschwerderechts weiterhin auf Artikel 125 EPÜ, auf den Artikel 25 der Vorschriften in Disziplinarangelegenheiten von zugelassenen Vertretern verweist. Artikel 125 EPÜ ermöglicht die Berücksichtigung von in den Vertragsstaaten allgemein anerkannten Grundsätzen in den Fällen, in denen das EPÜ keine Regelung über das Verfahren enthält. Vorliegend läßt sich jedoch auf Grund der oben dargelegten Auslegung des für die zugelassenen Vertreter geltenden Disziplinarrechts eine entsprechende Gesetzeslücke nicht feststellen. Das gesamte Disziplinarverfahren ist, wie voraufgehend festgestellt, in der Weise strukturiert, daß ausschließlich dem "Betroffenen" ein Beschwerderecht zusteht. Und dies verstößt deshalb nicht gegen fundamentale Rechtsgrundsätze, wie offenbar der Beschwerdeführer annimmt, weil ihm unbenommen bleibt, seine Interessen gegenüber dem "betroffenen zugelassenen Vertreter", sofern sie nicht rein disziplinarischer Natur sind, auf nationaler Ebene, z. B. in einem Zivil- oder Strafverfahren, zu verfolgen. Es kann daher keine Rede davon sein, daß der Beschwerdeführer durch den Ausschluß eines Beschwerderechts im Disziplinarverfahren "ohne Rechtsmittel einer willkürlichen Verurteilung ausgesetzt" ist. Abgesehen davon, daß die Entscheidung des Disziplinarrates, einer Anzeige keine Folge zu geben, keine "Verurteilung" des Anzeigeerstatters ist, stellt das maßgebliche nationale Recht, hier also das der Bundesrepublik Deutschland, mehrere rechtliche Möglichkeiten zur Verfügung, gegen ein gegebenenfalls unrechtmäßiges Handeln desjenigen, gegen den ein Disziplinarverfahren eingestellt worden ist, vorzugehen.
5. Aus den genannten Gründen folgt, daß die Beschwerde nicht statthaft und daher zurückzuweisen ist.
ENTSCHEIDUNGSFORMEL
Aus diesen Gründen wird entschieden:
Die Beschwerde wird zurückgewiesen.