J 0011/92 (Prioritätserklärung (Berichtigung)) 12-01-1994
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Prioritätserklärung
Berichtigung von Mängeln/Auslassungen
Berichtigung nach der Veröffentlichung
Interesse der Öffentlichkeit
I. Der Anmelder/Beschwerdeführer reichte am 30. August 1990 die europäische Patentanmeldung Nr. 90 309 493.6 ein und beanspruchte die Priorität der britischen Patentanmeldungen (i) GB-A- 8 919 945.9 und (ii) GB-A-8 919 946.7, beide vom 4. September 1989, sowie (iii) GB-A-9 010 265.8 und (iv) GB-A-9 010 299.7, beide vom 8. Mai 1990.
II. Am 25. Januar 1991 beantragte der Anmelder nach Regel 88 EPÜ eine Berichtigung des Erteilungsantrags, Formblatt 1001, durch Hinzufügung einer fünften Priorität, nämlich die der britischen Anmeldung GB-A-9 006 728.1 vom 26. März 1990, die in dem Antrag versehentlich weggelassen worden sei. Er erklärte, daß die erste beanspruchte Priorität (i) den allgemeinen Umfang sowie 7 Beispiele und die dritte (iii) weitere 24 Beispiele offenbare. Zwischen diesen beiden Anmeldungen habe er auch die britische Anmeldung Nr. 9 006 728.1 eingereicht, in der 21 der 24 Beispiele der Anmeldung iii offenbart worden seien. Daher sei die britische Anmeldung GB-A-9 006 728.1 die erste, in der der Gegenstand der 21 Beispiele offenbart worden sei, und die Anmeldung iii die zweite; letztere biete daher keine Grundlage für einen Prioritätsanspruch in bezug auf den gemeinsamen Gegenstand.
Des weiteren beantragte der Anmelder, daß bei der Veröffentlichung der Anmeldung im Europäischen Patentblatt auf den Berichtigungsantrag hingewiesen werde. Er räumte ein, daß er diesen Antrag nach dem in Regel 48 (1) EPÜ definierten Abschluß der technischen Vorbereitungen für die Veröffentlichung der Anmeldung nach Artikel 93 stelle, brachte aber vor, daß es hier nach der Rechtsprechung der Juristischen Beschwerdekammer einen Ermessensspielraum gebe, sofern die Vorbereitungen für die Veröffentlichung noch nicht zu weit fortgeschritten seien, wovon er ausgehe, da ihm das geplante Veröffentlichungsdatum noch nicht mitgeteilt worden sei. Außerdem verweise er auf die Sache J 14/82, in der die Kammer geprüft habe, unter welchen Umständen einem Antrag auf Berichtigung stattgegeben werden könne, selbst wenn kein entsprechender Hinweis veröffentlicht worden sei. In jener Sache sei entschieden worden, daß die Interessen Dritter auch dann ausreichend geschützt seien, wenn eine zweite Anmeldung veröffentlicht werde, in der die Prioritäten beansprucht würden, die in der ersten Anmeldung mit Hilfe des Berichtigungsantrags beansprucht werden sollten. Aus diesem Grund habe er am 4. März 1991 vorsorglich noch eine zweite Anmeldung eingereicht, nämlich die internationale Anmeldung Nr. PCT/GB91/00331, in der die Priorität der britischen Anmeldung Nr. 9 006 728.1 vom 26. März 1990 (Gegenstand des Berichtigungsantrags) beansprucht und das EPA als Bestimmungsamt angegeben worden sei. Diese Anmeldung solle Ende September 1991 nach Artikel 21 (2) a) PCT veröffentlicht werden. Sollte dem Antrag auf Berichtigung stattgegeben werden, so wolle er die internationale Anmeldung nicht weiterverfolgen.
Des weiteren machte der Anmelder geltend, daß die Zulassung der Berichtigung auch für Dritte von Vorteil wäre, da geklärt würde, für welchen Gegenstand welcher Prioritätstag gelte.
III. Am 13. März 1991 wurde die Anmeldung ohne Hinweis auf den Berichtigungsantrag im Europäischen Patentblatt veröffentlicht. Die internationale Anmeldung wurde am 3. Oktober 1991 unter der Nr. WO 9114692 veröffentlicht.
IV. Mit Entscheidung vom 22. Januar 1992 wies die Eingangsstelle den Antrag auf Berichtigung mit der Begründung zurück, daß nach der Rechtsprechung der Juristischen Beschwerdekammer eine Berichtigung nur zugelassen werden könne, wenn sie so rechtzeitig beantragt werde, daß ein entsprechender Hinweis in die veröffentlichte Anmeldung aufgenommen werden könne. Andernfalls sei es aus Gründen der allgemeinen Rechtssicherheit nicht im Interesse der Öffentlichkeit, Änderungen von Prioritätserklärungen zuzulassen. Eine Unrichtigkeit könne zwar unter bestimmten Umständen auch noch nach Abschluß der technischen Vorbereitungen für die Veröffentlichung berichtigt werden, aber nur, wenn es noch technisch möglich sei, einen entsprechenden Hinweis aufzunehmen. In der vorliegenden Sache sei der Antrag 6 1/2 Wochen vor der Veröffentlichung gestellt worden. Zu diesem Zeitpunkt sei es nicht mehr möglich gewesen, in den Veröffentlichungsprozeß einzugreifen. Die Entscheidung J 14/82 helfe dem Anmelder nicht, weil der Fall anders gelagert gewesen sei. Der Anmelder habe damals die Veröffentlichung eines Hinweises rechtzeitig (6 Monate vorher) beantragt, das Amt die Veröffentlichung aber versäumt; damit habe die Schuld beim Amt gelegen.
V. Am 18. März 1992 legte der Anmelder gegen diese Entscheidung Beschwerde ein und entrichtete die entsprechende Gebühr. Die schriftliche Beschwerdebegründung reichte er am 24. März 1992 ein. Er beantragte eine mündliche Verhandlung für den Fall, daß die Kammer die angefochtene Entscheidung aufrechterhalten wollte.
VI. In der Beschwerdebegründung führte der Anmelder sinngemäß folgendes aus: In der Entscheidung J 14/82 habe die Juristische Beschwerdekammer einem Antrag auf Berichtigung nach Regel 88 EPÜ durch Hinzufügung von drei Prioritätstagen, die im ursprünglichen Erteilungsantrag versehentlich weggelassen worden waren, stattgegeben, obwohl die Anmeldung in ihrer veröffentlichten Fassung keinen Hinweis auf diesen Berichtigungsantrag enthalten habe. In älteren Entscheidungen, z. B. J 4/82, sei festgestellt worden, daß dem Antrag bei Veröffentlichung eines solchen Hinweises stattgegeben werden könne. In der Entscheidung J 14/82 habe die Kammer geprüft, ob das Interesse der Öffentlichkeit durch die Zulassung der Berichtigung verletzt würde, und sei zu dem Schluß gekommen, daß dies nicht der Fall sei, weil der Beschwerdeführer vorsorglich eine weitere europäische Patentanmeldung eingereicht habe, in der die drei weggelassenen Prioritätstage beansprucht worden seien. Somit seien Dritte durch die Veröffentlichung der zweiten europäischen Patentanmeldung über den vollen Umfang des europäischen Schutzbegehrens unterrichtet gewesen. Der Beschwerdeführer machte geltend, daß der vorliegende Fall ähnlich gelagert sei, weil er eine weitere Patentanmeldung eingereicht habe, nämlich die PCT-Anmeldung, in der u. a. das EPA als Bestimmungsamt angegeben und der weggelassene Prioritätstag beansprucht worden sei.
Der Beschwerdeführer brachte vor, die Eingangsstelle habe die Entscheidung J 14/82 falsch ausgelegt, als sie die Auffassung vertreten habe, diese Entscheidung sei durch das Versäumnis des EPA, den rechtzeitig beantragten Hinweis zu veröffentlichen, wesentlich beeinflußt worden. Seiner Ansicht nach sei es bei der Entscheidung um die Schlüsselfrage gegangen, ob das Interesse der Öffentlichkeit verletzt würde, wenn von der früheren Rechtsprechung abgewichen und die Berichtigung zugelassen würde, obwohl kein entsprechender Hinweis veröffentlicht worden sei. Die Kammer habe in jenem Fall entschieden, daß dies nicht der Fall wäre, weil die Öffentlichkeit durch die Veröffentlichung der zweiten europäischen Patentanmeldung ausreichend unterrichtet worden sei. Dasselbe gelte für den vorliegenden Fall.
1. Die Beschwerde entspricht den Artikeln 106 bis 108 sowie der Regel 64 EPÜ und ist somit zulässig.
2. Der Beschwerdeführer hat eine europäische Patentanmeldung eingereicht, in der er die Prioritäten von vier britischen Patentanmeldungen beansprucht hat, die am 4. September 1989 und am 8. Mai 1990 eingereicht worden waren, hat es aber versäumt, die Priorität einer fünften britischen Patentanmeldung vom 26. März 1990 zu beanspruchen. Er beantragt die Berichtigung der Prioritätserklärung durch Hinzufügung des weggelassenen Prioritätstags, obwohl die europäische Patentanmeldung ohne Hinweis auf den Berichtigungsantrag veröffentlicht wurde.
2.1 Nach Regel 88 Satz 1 EPÜ können "Unrichtigkeiten in den beim Europäischen Patentamt eingereichten Unterlagen ... auf Antrag berichtigt werden". Gemäß der Rechtsprechung der Juristischen Beschwerdekammer in bezug auf die Berichtigung von Mängeln nach Regel 88 EPÜ in Prioritätserklärungen, die sich seit 1980 herausgebildet hat und in der Entscheidung J 6/91 (vom 1. Dezember 1992, ABl. EPA 1994, 349) zusammengefaßt ist, kann eine Unrichtigkeit eine unrichtige Angabe sein oder, wie im vorliegenden Fall, sich aus einer Auslassung ergeben (vgl. J 8/80, ABl. EPA 1980, 293; J 3/82, ABl. EPA 1983, 171; J 4/82, ABl. EPA 1982, 385; J 14/82, ABl. EPA 1983, 121; J 6/91, ABl. EPA 1994, 349, Nr. 3 (2) der Entscheidungsgründe sowie die unveröffentlichten Entscheidungen J 11/89 vom 26. Oktober 1989 und J 9/91 vom 1. Dezember 1992).
2.2 Die Juristische Beschwerdekammer hat festgestellt, daß sich das Europäische Patentamt zum Schutz gegen einen Mißbrauch der Regel 88 EPÜ zunächst davon überzeugen muß, daß eine Unrichtigkeit vorliegt, worin diese besteht und wie die Berichtigung aussehen sollte, bevor es einem Antrag auf Berichtigung stattgeben kann (vgl. J 8/80, ABl. EPA 1980, 293, 296, Nr. 5 der Entscheidungsgründe; J 4/80, ABl. EPA 1980, 351, 353, Nr. 3 der Entscheidungsgründe; J 4/82, ABl. EPA 1982, 385, 389, Nr. 6 der Entscheidungsgründe).
Im vorliegenden Fall sind diese Bedingungen erfüllt. Der Anmelder hat bei der Erstellung der europäischen Patentanmeldung die britische Patentanmeldung Nr. 9 006 728.1 vom 26. März 1990 übersehen und es daher versäumt, die Prioritätserklärung diesbezüglich zu vervollständigen. Die Kammer ist überzeugt, daß der Anmelder die Absicht hatte, auch die Priorität der fünften britischen Patentanmeldung zu beanspruchen und daß die beim EPA eingereichte Unterlage, d. h. die Anmeldung, nicht die wirkliche Absicht des Anmelders wiedergab (vgl. J 6/91, Nr. 3 (1) der Entscheidungsgründe). Wie die Kammer in der Entscheidung J 9/91 (Nr. 5 der Entscheidungsgründe) festgestellt hat, ist grundsätzlich davon auszugehen, daß die Auslassung einer Prioritätserklärung, zu der der Anmelder in einem bestimmten Fall berechtigt ist, ein Mangel ist, der nach Regel 88 Satz 1 EPÜ berichtigt werden kann. In der Regel ist es in solchen Fällen nicht notwendig, vom Antragsteller besondere Beweismittel (eidesstattliche Versicherungen oder ähnliches) dafür zu verlangen, daß eine Unrichtigkeit vorliegt.
2.3 Gemäß der Rechtsprechung der Juristischen Beschwerdekammer (J 7/90, ABl. EPA 1993, 133, 138, Nr. 2.2 der Entscheidungsgründe; J 6/91, Nr. 5.3 der Entscheidungsgründe) zwingt Regel 88 Satz 1 EPÜ das EPA keineswegs dazu, Berichtigungen von Fehlern jedweder Art zu jeder Zeit zuzulassen, sondern ermächtigt das EPA vielmehr, bestimmte Arten von Berichtigungen nach eigenem Ermessen zuzulassen ("können" - "may" - "peuvent"). Oberstes Prinzip bei der Ausübung des Ermessens ist eine gerechte Abgrenzung zwischen den Interessen der auf optimalen Schutz bedachten Anmelder und dem Rechtssicherheitsbedürfnis der Allgemeinheit (vgl. R. Singer, Europäisches Patentübereinkommen, 1989, Artikel 123, Nr. 21).
Bei der Abwägung der Interessen Dritter gegen die des Anmelders ist die Kammer unter den besonderen Umständen des vorliegenden Falles zu der Überzeugung gelangt, daß die Interessen Dritter durch eine antragsgemäße Berichtigung der Prioritätserklärung nicht verletzt werden.
2.3.1 Die Juristische Beschwerdekammer hat die Ergänzung einer Prioritätserklärung durch eine weggelassene Priorität sogar noch nach der Veröffentlichung der europäischen Patentanmeldung in Fällen zugelassen, in denen die Berichtigung so rechtzeitig beantragt wurde, daß ein entsprechender Hinweis in die veröffentlichte Anmeldung hätte aufgenommen werden können (vgl. J 4/82, ABl. EPA 1982, 385; J 14/82, ABl. EPA 1983, 121). In der angefochtenen Entscheidung der Eingangsstelle wurde zu Recht festgestellt, daß diese Bedingungen im vorliegenden Fall nicht erfüllt sind. Der Berichtigungsantrag wurde nach dem in Regel 48 (1) EPÜ definierten Abschluß der technischen Vorbereitungen für die Veröffentlichung der Anmeldung nach Artikel 93 EPÜ gestellt (ungefähr 6 1/2 Wochen vor der Veröffentlichung).
2.3.2 Es stellt sich jedoch die Frage, ob es im vorliegenden Fall besondere Umstände gibt, die eine Ausnahme von der Regel zulassen würden, daß der Antrag auf Berichtigung so rechtzeitig gestellt werden muß, daß ein entsprechender Hinweis in die Veröffentlichung aufgenommen werden kann.
In der Entscheidung J 14/82 (ABl. EPA 1983, 121) hat die Kammer die folgenden zwei Aspekte als besondere Umstände angesehen, die für die Berichtigung durch Hinzufügung einer weggelassenen (späteren) Priorität nach der Veröffentlichung der europäischen Patentanmeldung ohne Hinweis für die Öffentlichkeit relevant sind:
a) Der Anmelder, der die Berichtigung relativ kurz nach Einreichung der Anmeldung beantragt hat, hat alles getan, was ihm möglich war; aus diesem Grund hätte das EPA die Anmeldung nicht ohne einen entsprechenden Hinweis für die Öffentlichkeit veröffentlichen dürfen (Nr. 7 der Entscheidungsgründe).
b) Die Öffentlichkeit war durch die zweite europäische Patentanmeldung, die rund 15 Wochen nach der ersten europäischen Anmeldung veröffentlicht worden war und in der die versehentlich weggelassenen Prioritäten für denselben Gegenstand beansprucht worden waren, über den vollen Umfang des europäischen Schutzbegehrens unterrichtet worden (Nr. 8 der Entscheidungsgründe).
In der Entscheidung J 3/82 (ABl. EPA 1983, 171) wurde die Entscheidung der ersten Instanz aufgehoben, weil die Eingangsstelle fälschlicherweise der Auffassung gewesen war, daß dem Antrag auf Berichtigung der Prioritätserklärung nicht stattgegeben werden könne, und es daher abgelehnt hatte, den notwendigen Hinweis für die Öffentlichkeit zu veröffentlichen, daß ein Antrag auf Berichtigung gestellt worden war.
In der Entscheidung J 11/89 (vom 26. Oktober 1989, unveröffentlicht) ließ die Kammer eine Berichtigung zu, weil die Eingangsstelle zwar in der Akte vermerkt hatte, daß im Erteilungsantrag die Priorität einer zweiten Anmeldung nicht formell beansprucht worden war, den Vertreter des Anmelders aber nicht über diesen Mangel unterrichtet hatte (s. Nr. 5 und 6 der Entscheidungsgründe).
2.3.3 Im vorliegenden Fall sind die Handlungen und Verpflichtungen des EPA nicht strittig. Da die entsprechende Prioritätsunterlage dem Anmeldeformblatt nicht beigefügt war, konnte die Eingangsstelle nicht wissen, daß die Prioritätserklärung unvollständig war. Der Berichtigungsantrag wurde gestellt, als die technischen Vorbereitungen für die Veröffentlichung der Anmeldung in einem Stadium waren, in dem "keine Bemerkungen mehr hinzugefügt werden konnten" (interner Vermerk vom 13. Februar 1991).
Die Eingangsstelle hat aber die vorstehend zusammengefaßte einschlägige Rechtsprechung falsch ausgelegt, vor allem die Entscheidung J 14/82. Sie hat die Auffassung vertreten, daß die Kammer die Berichtigung nur deshalb zugelassen habe, "weil der Antrag rechtzeitig gestellt worden war und das Verschulden beim Amt lag, weil es keinen Hinweis veröffentlicht hatte" (Nr. 3 der Gründe für die angefochtene Entscheidung). Man muß jedoch berücksichtigen, daß eine Berichtigung nach Regel 88 Satz 1 EPÜ im Ermessen der zuständigen Stellen liegt und daß die Interessen der auf optimalen Schutz bedachten Anmelder gerecht gegen das Rechtssicherheitsbedürfnis der Allgemeinheit abzugrenzen sind (s. Nr. 2.3). Die Kammer befolgte in der Sache J 14/82 diesen Grundsatz und stellte fest: "Unter diesen besonderen Umständen kann die Kammer entscheiden, daß das Interesse der Öffentlichkeit nicht verletzt wird, wenn der vorliegenden Beschwerde stattgegeben wird." (Nr. 8 der Entscheidungsgründe). Entscheidend für diese rechtliche Beurteilung war eindeutig, daß Dritte durch die zweite europäische Patentanmeldung, die der Anmelder vorsorglich eingereicht hatte, über den vollen Umfang des europäischen Schutzbegehrens unterrichtet waren. Die Frage, ob das Amt richtig gehandelt hat, ist im Hinblick auf den Schutz des Interesses der Öffentlichkeit bedeutungslos.
2.3.4 Im vorliegenden Fall hat der Beschwerdeführer, wie dies auch in J 14/82 der Fall gewesen war, rechtzeitig vorsorglich eine zweite Anmeldung eingereicht, in der er die Priorität der weggelassenen britischen Anmeldung beansprucht hat. Durch diese "Hilfsanmeldung" sind Dritte über den vollen Umfang des europäischen Schutzbegehrens unterrichtet worden. Die Tatsache, daß der Beschwerdeführer den PCT-Weg für internationale Anmeldungen gewählt hat, macht hier keinen Unterschied. Das EPA wurde als Bestimmungsamt angegeben. Damit gilt die internationale Anmeldung als europäische Patentanmeldung (Art. 150 (3) EPÜ), und die Veröffentlichung der internationalen Anmeldung tritt an die Stelle der Veröffentlichung der europäischen Patentanmeldung nach Artikel 93 EPÜ (Art. 158 (1) EPÜ).
Die PCT-Anmeldung wurde wesentlich (rund 29 Wochen) später als die europäische Anmeldung veröffentlicht. In dieser Zeit war die Öffentlichkeit nicht über den vollen Schutzumfang unterrichtet (in der Sache J 14/82 waren es nur rund 15 Wochen). Diese Unsicherheit ist allerdings hinnehmbar, weil sie für das Prioritätsjahr nach Artikel 87 (1) EPÜ normal ist.
Zusätzlich ist zu bemerken, daß die Öffentlichkeit im vorliegenden Fall über den vollen Umfang des europäischen Schutzbegehrens in bezug auf den Gegenstand unterrichtet war, weil die 28 in der versehentlich weggelassenen Prioritätsanmeldung offenbarten Beispiele in der ersten Prioritätsanmeldung Nr. GB-A-8 919 945.9 (7 Beispiele) und der dritten Prioritätsanmeldung Nr. GB-A- 9 010 265.8 (21 Beispiele) enthalten sind.
Schließlich hat die Kammer berücksichtigt, daß der Anmelder nach der Entdeckung der Unrichtigkeit unverzüglich tätig geworden ist und daß sich das Patenterteilungsverfahren einschließlich der Veröffentlichung der Anmeldung nach 18 Monaten in keiner Weise verzögert hat.
Bei Abwägung aller Umstände muß hier das Interesse des Anmelders daran, daß er die Priorität der Anmeldung GB-A-9 006 728.1 vom 26. März 1990 beanspruchen kann, Vorrang haben vor dem Interesse der Öffentlichkeit an der Unterrichtung über den zusätzlichen Prioritätsanspruch.
2.4 Aus diesen Gründen wird die beantragte Berichtigung der Prioritätserklärung zugelassen. Die Kammer stellt allerdings fest, daß die beglaubigte Abschrift der fehlenden Prioritätsunterlage nicht vor Ablauf des 16. Monats nach dem Prioritätstag eingereicht worden ist (vgl. Regel 38 (3) EPÜ). Nach Regel 41 (1) Satz 1 EPÜ muß die Eingangsstelle dem Anmelder das Fehlen einer Prioritätsunterlage mitteilen und ihn auffordern, diesen Mangel innerhalb einer von ihr zu bestimmenden Frist zu beseitigen. Die Rechtsfolge nach Artikel 91 (3) EPÜ, d. h. der Verlust des Prioritätsrechts, tritt nur dann ein, wenn der Anmelder von dieser Möglichkeit keinen Gebrauch macht (vgl. J 1/80, ABl. EPA 1980, 289, Nr. 3 der Entscheidungsgründe).
Im vorliegenden Fall konnte der Anmelder die Prioritätsunterlage nicht rechtzeitig einreichen, und die Eingangsstelle konnte keine Mitteilung nach Regel 41 (1) EPÜ zustellen, weil die Unvollständigkeit der Prioritätserklärung erst nach Ablauf der Frist von 16 Monaten für die Einreichung der Prioritätsunterlagen festgestellt wurde. Danach hat die Eingangsstelle den Anmelder nicht zur Einreichung der fehlenden Prioritätsunterlage aufgefordert, weil sie offenbar der Auffassung war, daß eine Berichtigung der Prioritätserklärung aus anderen Gründen nicht möglich sei. Infolgedessen ist der Prioritätsanspruch in bezug auf die fünfte Anmeldung nicht erloschen, weil die Eingangsstelle keine Mitteilung nach Regel 41 (1) EPÜ erlassen hat.
Die Kammer ist im Rahmen der Zuständigkeit der Eingangsstelle tätig geworden (vgl. Art. 111 (1) Satz 2 EPÜ) und hat die in Regel 41 (1) EPÜ vorgesehene Mitteilung erlassen. Der Beschwerdeführer hat die fehlende Prioritätsunterlage innerhalb der von der Kammer festgesetzten Frist eingereicht und damit sein Prioritätsrecht gewahrt.
Daher ist dem Berichtigungsantrag stattzugeben.
ENTSCHEIDUNGSFORMEL
Aus diesen Gründen wird entschieden:
1. Die Entscheidung der Eingangsstelle vom 22. Januar 1992 wird aufgehoben.
2. Es wird angeordnet, den am 30. August 1990 eingereichten Erteilungsantrag zur europäischen Patentanmeldung Nr. 90 309 493.6 durch Hinzufügung des Prioritätstags der britischen Patentanmeldung Nr. GB-A-9 006 728.1 vom 26. März 1990 auf Seite 2 zu berichtigen.