T 0373/02 22-05-2003
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Thermoplastische Mehrschichtverbunde
01 EMS-CHEMIE AG
02 DAYCO-Europe S.r.l.
03 Fiat Auto Partecipazioni S.p.A.
Neuheit (ja)
Erfinderische Tätigkeit (nein)
I. Auf die europäische Patentanmeldung Nr. 92 102 809.8, wurde mit Wirkung vom 28. April 1999 das europäische Patent Nr. 0 509 211 erteilt. Anspruch 1 lautete wie folgt:
"Thermoplastischer Mehrschichtverbund, bestehend aus
a) mindestens einer Schicht aus einer Formmasse auf Basis von Polyamid;
b) mindestens einer Schicht aus einer Formmasse auf Basis von Polyester;
c) dazwischen einem Haftvermittler aus einer Formmasse, die eine Mischung aus Polyamid und Polyester enthält, wobei zumindest ein Teil des Polyamidanteils und des Polyesteranteils als Polyamid-Polyester- Blockcopolymere vorliegt und darüber hinaus der Haftvermittler als Schicht aufgebracht wird, dergestalt, daß eine gute Anbindung der einzelnen Schichten vorliegt."
II. Gegen die Erteilung wurde von der Einsprechenden 01 Einspruch eingelegt, mit dem Antrag, das Patent aufgrund von Artikel 100 a) EPÜ wegen mangelnder Neuheit und erfinderischen Tätigkeit im vollem Umfang zu widerrufen. Dem Einspruchsverfahren traten die vermeintlichen Patentverletzer (Beitretende 02 und 03), gegen die Klage wegen Patentverletzung erhoben worden war, nach Artikel 105 EPÜ bei. Auch die Beitretenden machten geltend, der patentierte Gegenstand sei nicht neu und beruhe nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit.
Von den in erster Instanz berücksichtigten Dokumenten sind die folgenden für die vorliegende Entscheidung von Bedeutung:
D1: DE-A-1 645 514
D1a:P.A. Koch, "Bikomponentenfasern", Chemiefasern/Textilindustrie, Juni 1979, Seite 431 und 432
D5: EP-A-0 287 839
D6: EP-B-0 186 154
D14: T.P. Russel, "X-ray and neutron reflectivity for the investigation of polymers", Materials Science Reports, July 1990, 5(1), Seite 240
D19: US-A-3 266 527
III. Mit der am 15. Februar 2002 zur Post gegebenen Entscheidung der Einspruchsabteilung wurde das Patent wegen mangelnder erfinderischer Tätigkeit widerrufen.
Der Entscheidung lag die erteilte Fassung als Hauptantrag und fünf Hilfsanträge zu Grunde.
Die Entscheidung kann wie folgt zusammengefaßt werden:
a) Alle Anträge seien im Hinblick auf die Artikel 123 (2) und (3) und 84 EPÜ zulässig.
b) Die Gegenstände von Anspruch 1 des Hauptantrags und der Hilfsanträge seien neu.
c) Als nächstliegender Stand der Technik für Anspruch 1 des Hauptantrags wurden Mehrschichtverbunde aus Polyamid und Polyester angesehen, wie sie aus D5 oder D6 bekannt seien. Der beanspruchte Gegenstand unterscheide sich von diesem Stand der Technik dadurch, daß als Zwischenschicht eine Mischung aus Polyester, Polyamid sowie Polyesteramid-Blockcopolymer vorhanden sei. Ziel des Streitpatents sei gewesen, einen Formkörper mit Mehrschichtstruktur und verbesserter Haftung bereitzustellen. Die Beispiele der Streitpatentschrift belegten, daß die Verwendung dieser Zwischenschicht zu einer verbesserten Haftung der Schichten führe. Obwohl der Gegenstand des Anspruchs 1 gemäß Hauptantrag gegenüber dem Stand der Technik als nicht naheliegend angesehen wurde, war die Einspruchsabteilung der Auffassung, daß im Anspruch 1 eine Angabe der Mindestmenge an Copolymer in den Klebeschichten fehle. Diese Menge müsse vorhanden sein, um die Aufgabe der Erfindung zu lösen, wie durch Vergleichsversuche der Einsprechenden 01 belegt sei. Demgemäß umfasse der Anspruch auch Ausführungsformen, die das Problem nicht lösten, so daß der Hauptantrag nicht im beanspruchten Umfang erfinderisch sei.
d) Die Hilfsanträge A bis E wurden ebenfalls als nicht erfinderisch angesehen, wobei von D19 als nächstliegendem Stand der Technik ausgegangen wurde.
e) Der von der Einsprechenden 01 verspätet vorgebrachte Einwand nach Artikel 100 c) EPÜ sei prima facie nicht relevant und wurde deshalb nicht zugelassen.
IV. Am 15. April 2002 legte die Patentinhaberin (Beschwerdeführerin) unter gleichzeitiger Entrichtung der vorgeschriebenen Gebühr gegen die Entscheidung der Einspruchsabteilung Beschwerde ein, die am 18. Juni 2002 begründet wurde. Mit der Beschwerdebegründung wurden Versuchsergebnisse vorgelegt. Mit Schreiben vom 7. Mai 2003 legte die Beschwerdeführerin weitere Versuchsergebnisse vor und reichte vier Hilfsanträge an Stelle der vorherigen Hilfsanträge ein.
Anspruch 1 des Hilfsantrages I unterscheidet sich von Anspruch 1 des Hauptantrages dadurch, daß die Formmasse c) durch das Merkmal "die sowohl mit der Komponente a) als auch mit der Komponente b) verträglich ist" und die Menge des Polyamid-Polyester-Blockcopolymeren durch das Merkmal "in einer die haftvermittelnde Wirkung erhöhenden, d. h. eine stärkere Kohäsion ergebenden Menge" weiter spezifiziert wurden.
Anspruch 1 von Hilfsantrag II lautete wie folgt:
"Verwendung eines thermoplastischen Mehrschichtverbunds, bestehend aus
a) mindestens einer Schicht aus einer Formmasse auf Basis von Polyamid;
b) mindestens einer Schicht aus einer Formmasse auf Basis von Polyester;
c) dazwischen einem Haftvermittler aus einer Formmasse, die sowohl mit der Komponente a) als auch mit der Komponente b) verträglich ist und die eine Mischung aus Polyamid und Polyester enthält, wobei zumindest ein Teil des Polyamidanteils und des Polyesteranteils als Polyamid-Polyester-Blockcopolymere in einer die haftvermittelnde Wirkung erhöhenden, d. h. eine stärkere Kohäsion ergebenden Menge vorliegt, und darüber hinaus der Haftvermittler als Schicht aufgebracht wird, dergestalt, daß eine gute Anbindung der einzelnen Schichten vorliegt, als Mehrschichtrohr in der Kfz- Industrie".
Anspruch 1 des Hilfsantrages III unterscheidet sich von Anspruch 1 des Hilfsantrages II durch folgende Spezifizierung der Polyamid-Polyester-Blockcopolymeren: "die nach dem Stand der Technik durch Umsetzen der Formmasse auf Basis von Polyamid mit der Formmasse auf Basis von Polyester in der Schmelze ohne Katalysator oder in Gegenwart einer wirksamen Menge eines Phosphits oder von Verbindungen von Zinn, Titan, Zirkonium, Mangan, Zink oder Antimon als Katalysator erhältlich sind".
Anspruch 1 des Hilfsantrages IV unterscheidet sich von Anspruch 1 des Hilfsantrages II durch folgende Spezifizierung der Polyamid-Polyester-Blockcopolymeren: "die durch Schmelzemischen eines Amino-Endgruppen enthaltenden Polyamids, eines Carboxylendgruppen enthaltenden Polyesters und einer Verbindung des dreiwertigen Phosphors, insbesondere Triphenylphosphit erhältlich sind".
V. Mit ihrer Erwiderung auf der Beschwerdebegründung vom 24. Oktober 2002 erhob die Einsprechende 01 (Beschwerdegegnerin 01) einen Einwand wegen mangelnder Offenbarung nach Artikel 100 b) EPÜ, beanstandete die Klarheit der erteilten Fassung und legte Versuchsergebnisse vor.
VI. In einem Bescheid der Beschwerdekammer zur Vorbereitung der anberaumten mündlichen Verhandlung wurden die zu diskutierenden Punkte, insbesondere die erfinderische Tätigkeit angesprochen.
VII. Mit Schreiben vom 28. März 2003 und 23. April 2003 reichte die Beschwerdegegnerin 01 die folgenden Dokumente ein:
D43: US-A-3 686 069
D44: US-A 3 493 544
D45: N. G. Gaylord, "Compatibilizing agents: structure and function in polyblends", J. Macromol. Sci.-Chem., 1989, A26(8), Seiten 1211 bis 1229.
VIII. Die Beitretende 03 nahm mit Schreiben vom 15. Mai 2003 ihren Einspruch zurück. Die Beitretende 02 (Beschwerdegegnerin 02), informierte die Kammer mit Schreiben vom 19. Mai 2003, daß sie an der anberaumten mündlichen Verhandlung nicht teilnehmen werde.
IX. Die mündliche Verhandlung fand am 22. Mai 2003 in Abwesenheit der Beschwerdegegnerin 02 statt (Regel 71 (2) EPÜ).
X. Die Argumente der Beschwerdeführerin können wie folgt zusammengefaßt werden:
a) Der Einwand der mangelnden Offenbarung nach Artikel 100 b) EPÜ sei verspätet und erstmals im Beschwerdeverfahren erhoben worden. Sie stimme der Einführung dieses Einspruchsgrundes in das Beschwerdeverfahren nicht zu.
b) Die verspätet eingereichten Dokumente D43, D44 und D45 seien prima facie nicht relevant und sollten deshalb nicht im Beschwerdeverfahren zugelassen werden.
c) Die Klarheit der erteilten Anspruchsfassung könne nicht angegriffen werden, da Artikel 84 EPÜ kein Einspruchsgrund sei.
d) Die beanspruchten Gegenstände seien gegenüber den verspätet vorgelegten Dokumente neu, da aus diesen nicht sämtliche beanspruchten Merkmale ableitbar seien.
e) D5 oder D6 seien geeignete Ausgangspunkte für die Diskussion der erfinderischen Tätigkeit. Die demgegenüber zugrunde liegende technische Aufgabe sei es, einen lösungsmittel- und temperaturbeständigen Verbund zwischen Polyester und Polyamid zu schaffen, der unempfindlich gegenüber Scherbeanspruchung sei und gute mechanische Eigenschaften besitze, insbesondere eine starke Kohäsion an den Phasengrenzflächen aufweise. Die Lösung dieser Aufgabe bestehe darin, daß bei dem Haftvermittler zumindest ein Teil des Polyamidanteils und des Polyesteranteils als Polyamid-Polyester-Blockcopolymer vorliege. Die Beispiele der Streitpatentschrift zeigten, daß dieses Merkmal zu einer überraschenden Verbesserung der haftvermittelnden Wirkung führe.
f) Die Versuche der Beschwerdegegnerin 01 vom 27. Juni 2001 seien widersprüchlich, fehlerhaft und könnten nicht bestätigt werden.
g) Die mit der Beschwerdebegründung eingereichten Versuche bewiesen, daß Blockcopolymere mit den erwünschten Eigenschaften für Mehrschichtverbunde hergestellt werden könnten. Das von der Beschwerdegegnerin in ihren Versuchen verwendete Produkt sei kein Blockcopolymer, wie durch eigene Untersuchungen gezeigt sei, so daß die Versuche der Beschwerdegegnerin 01 keine Aussagekraft hätten. Diese könnten deshalb nicht belegen, daß die beanspruchte Lehre nicht über den gesamten Umfang der Ansprüche erfinderisch sei.
h) Es sei auch nicht notwendig, daß die Ansprüche eine numerische Angabe für die Mindestmenge an Blockcopolymeren enthielten. Es lasse sich zum einen nicht vorhersagen, wie viel Blockcopolymer bei der Reaktion eines Polyamids mit einem Polyester gebildet werde, und es gebe keine Analysenmethode, um in einem Gemisch aus Polyamid und Polyester den Anteil an Blockcopolymer verläßlich zu bestimmen. Die Angabe einer Mindestmenge an Blockcopolymer sei auch nicht erforderlich, weil sie durch das funktionelle Merkmal "gute Anbindung der einzelnen Schichten" bestimmbar sei.
i) Die Lösung der Aufgabe könne vom Stand der Technik nicht in naheliegender Weise abgeleitet werden. Das von der Beschwerdegegnerin als nächstliegender Stand der Technik zitierte Dokument D19 könne mit dem Dokument D45 nicht kombiniert werden, weil diese Dokumente unterschiedliche und nicht kompatible Technologien beträfen. Der beanspruchte Gegenstand sei daher erfinderisch.
XI. Von den Beschwerdegegnerinnen hat sich nur die Beschwerdegegnerin 01 im Beschwerdeverfahren zur Sache geäußert. Ihre Argumentation kann im wesentlichen wie folgt zusammengefaßt werden:
a) In den Ansprüchen sei die Formulierung "..., die eine Mischung aus Polyamid und Polyester enthält, wobei zumindest ein Teil des Polyamidanteils und des Polyestersanteils als Polyamid-Polyester-Blockcopolymere vorliegt..." nicht klar (Fettdruck hinzugefügt).
b) Die Offenbarung des Streitpatents sei im Hinblick auf das Blockcopolymer unvollständig, da nach den vorgelegten Untersuchungsergebnissen bei Blockcopolymer-Anteilen von unter 20. Gew.% in der Haftvermittlermischung keine Verbundhaftung festzustellen sei.
c) Die Hilfsanträge seien aufgrund der Artikel 123 (2) und 84 EPÜ zu beanstanden.
d) Die eingereichten Druckschriften D43, D44 und D45 seien hoch relevant für Neuheit und erfinderische Tätigkeit. Die beanspruchten Gegenstände seien im Hinblick auf D1, D43 und D45 nicht neu.
e) Die Versuche der Beschwerdegegnerin vom 27. Juni 2001 mit dem Produkt Grilamid EA20HV1 belegten, daß der beanspruchte technische Effekt nicht über den gesamten Umfang des Anspruchs auftrete, und daß der Anspruch deshalb Ausführungsformen umfasse, die die Aufgabe nicht lösten.
f) Bei der erfinderischen Tätigkeit sei auch zu beachten, daß nirgendwo im Streitpatent die Zusammensetzung der Haftvermittler-Formmasse c) im Hinblick auf die benachbarten spezifischen Polyamid- und Polyester-Schichten definiert sei. Es sei aber bekannt, daß die meisten Polymere nicht oder nur sehr schlecht miteinander verträglich seien, und daß die Mischung der Zwischenschicht aus exakt denselben Kunststoffen bestehen müsse, welche beidseitig direkt an diese Zwischenschicht angrenzten. Somit umfaßten die Ansprüche der Streitpatentschrift viele Varianten, welche die gestellte Aufgabe nicht lösten.
g) Die mit der Beschwerdebegründung vorgelegten Lösungsviskositätsmessungen ließen keine Aussage bezüglich der Menge an Blockcopolymer zu. Die gleichfalls vorgelegten Handhaftungstests hätten keine Aussagekraft, weil sie nicht quantifiziert seien. Der Anteil des Blockcopolymeren sei z. B. durch NMR-Analysen quantifizierbar.
h) Im Hinblick auf den Stand der Technik, insbesondere auf die Kombination von D19 mit D45 seien die beanspruchten Gegenstände nicht erfinderisch.
XII. Die Beschwerdeführerin beantragt, die angegriffene Entscheidung aufzuheben und das Patent in der erteilten Fassung, hilfsweise auf der Grundlage eines der Hilfsanträge I bis IV, eingereicht mit Schreiben vom 7. Mai 2003, aufrechtzuerhalten.
XIII. Die Beschwerdegegnerinnen 01 und 02 beantragen die Zurückweisung der Beschwerde.
1. Die Beschwerde ist zulässig.
Verspätete Dokumente
2. Die verspätet eingereichten Dokumente D43, D44 und D45 wurden berücksichtigt, weil sie für die vorliegende Entscheidung prima facie relevant sind, wie im nachstehenden noch näher ausgeführt wird.
Klarheit
3. Da fehlende Klarheit nach Artikel 84 EPÜ kein Einspruchsgrund ist, können nach der Rechtsprechung der Beschwerdekammern nur dann Einwände nach Artikel 84 EPÜ geprüft werden, wenn sie sich auf Änderungen beziehen, die im Einspruchsverfahren vorgenommen wurden (siehe z. B. T 301/87, ABl. EPA 1990, 335). Der von der Beschwerdegegnerin 01 erhobene Einwand mangelnder Klarheit betrifft jedoch die bereits im erteilten Anspruch 1 enthaltene Formulierung "..., die eine Mischung aus Polyamid und Polyester enthält, wobei zumindest ein Teil des Polyamidanteils und des Polyestersanteils als Polyamid-Polyester-Blockcopolymere vorliegt..." und ist deshalb nicht zulässig.
Vollständigkeit der Offenbarung
4. Die Beschwerdegegnerin 01 hat den Einspruchsgrund der mangelnden Offenbarung nach Artikel 100 b) EPÜ zum ersten Mal im Beschwerdeverfahren vorgebracht. Da dieser Einspruchsgrund nicht ursprünglich genannt, und von der Einspruchsabteilung auch nicht als Einspruchsgrund in das Verfahren eingeführt wurde, kann er im Beschwerdeverfahren nur mit Einverständnis der Patentinhaberin zugelassen werden (siehe G 10/91, ABl. EPA 1993, 420). Nachdem die Patentinhaberin (Beschwerdeführerin) im vorliegenden Fall ihr Einverständnis verweigert hat, ist der Frage der Vollständigkeit der Offenbarung daher nicht nachzugehen.
Hauptantrag
Neuheit
5. Die Beschwerdegegnerin 01 war der Auffassung, daß der Gegenstand des Anspruchs 1 gegenüber D1, D43 und D45 nicht neu sei.
5.1. D1 betrifft ein Verfahren zur Herstellung von Blockcopolymeren aus Polyamiden und Polyestern sowie ein Verfahren zur Herstellung von zusammengesetzten oder konjugierten Fäden unter Anwendung dieser Blockcopolymeren, wobei das Blockcopolymer mit mindestens einem weiteren Polymer im geschmolzenen Zustand konjugiert versponnen wird (Seite 25, Absatz 3, Ansprüche 1, 25 bis 27). Für die Herstellung der konjugierten Fäden werden in einer Liste als Polymere unter anderen Polyester und Polyamid genannt (Seite 25, Absatz 3). Als Beispiele für schon bekannte polyamidhaltige, konjugierte Fäden sind vier Kombinationen von Bestandteilen beschrieben, unter anderen eine vierte Kombination, die aus einem Homopolyamid und einem Polyester besteht. Es war weiterhin bekannt, daß aus dieser letzten Kombination konjugierte Fäden des Seit-an-Seit-Typs versponnen werden können. Diese Fäden weisen jedoch den Nachteil auf, daß ein Abschälen der beiden Ausgangsbestandteile stattfindet (Seite 27, Absatz 3).
Die Beschwerdegegnerin 01 hat unter Hinweis auf D1a ausgeführt, daß Seit-an-Seit Typ Fäden als Mehrschichtverbunde bezeichnet werden können, da sie aus getrennten Schichten aufgebaut seien. Im Hinblick auf Seite 27, letzter Absatz und Seite 28, erster Absatz hat sie ausgeführt, daß die aus der vierten Kombination bekannten Fäden gemäß D1 so geändert wurden, daß die erhaltenen Fäden als Zwischenschicht zwangsläufig ein Polyamid-Polyester-Blockcopolymer enthielten und deshalb auch für den Gegenstand des vorliegenden Anspruchs 1 neuheitsschädlich seien.
5.2. Nach Ansicht der Kammer ergibt sich jedoch der beanspruchte Gegenstand nicht zweifelsfrei aus D1. Eine Polyesterschicht kombiniert mit einer Polyamidschicht wird in D1 nur bei der Diskussion des Standes der Technik erwähnt (Seite 26, vierte Kombination und Seite 27, Absatz 3). In D1 wird danach ausgeführt, daß das Herstellungsverfahren für die konjugierten Fäden gemäß der Erfindung und die dabei erhaltenen konjugierten Fäden frei seien von den Nachteilen der verschiedenen bekannten Fäden, unter anderem den Qualitätsnachteilen der vierten Kombination und auch Vorteile zeigten, die auf die Anwendung des eingesetzten Blockpolyesteramids zurückzuführen seien (Seite 27, Absatz 3 bis Seite 28, Absatz 1).
Es geht jedoch aus D1 nicht unmittelbar und eindeutig hervor, daß die bekannte vierte Kombination des Seit-an- Seit Typs tatsächlich so geändert wurde, daß sie zusätzlich zu den Polyamid- und Polyester-Schichten, eine Polyamid-Polyester-Blockcopolymer enthaltende separate Zwischenschicht aufweist. D1 erwähnt nur generell, daß die Fäden gemäß der Erfindung die Nachteile der verschiedenen bekannten Fäden nicht aufweisen, ohne irgendwelche Angaben bezüglich einer eventuellen Modifikation der vierten Kombination zu machen. Ein konjugierter Faden aus Polyester, Polyamid und Blockcopolymer vom Seit-an-Seit Typs wird demgemäß in D1 nicht beschrieben.
In diesem Zusammenhang ist auch zu beachten, daß D1 verschiedene Möglichkeiten für die Herstellung von konjugierten Fäden erläutert. So kann die Art der Konjugierung vom Kern-und-Schicht Typ oder vom Seit-an- Seit Typ sein (Seite 29, erster Absatz). Obwohl ein Blockcopolymer immer vorhanden sein muß, können ein oder mehrere Polymere mit dem Blockcopolymer versponnen werden (Ansprüche 26 und 27). So kann als ein Bestandteil des konjugierten Fadens ein Gemisch aus einem Blockpolyesteramid mit einem Polyamid oder mit einem anderen Polymeren verwendet werden (Seite 29, dritter Absatz). Diese Arten der Fadenherstellung führen aber jedenfalls nicht zwangsläufig zu einer separaten Zwischenschicht im beanspruchten Sinne, sondern lassen spezifische Ausführungsarten zu, die nicht unter den Anspruch 1 fallen. Die Möglichkeit, daß der beanspruchte Gegenstand nach D1 herstellbar ist, wenn bestimmte Auswahlkriterien erfüllt sind, reicht für die neuheitsschädliche Offenbarung des beanspruchten Produktes jedenfalls nicht aus, da die Kriterien für die Wahl der verschiedenen Möglichkeiten nicht aus D1 ersichtlich sind, sondern erst aus der Kenntnis der Erfindung folgen.
Es ist somit festzustellen daß die beanspruchten Mehrschichtverbunde sich aus D1 nicht direkt und unmittelbar ableiten lassen.
5.3. D43 offenbart Mehrschichtverbunde, bei denen eine Polyamidschicht und eine Polyethylenterephthalatschicht mittels einer dazwischen liegenden Schicht aus einer gleichförmigen Mischung aus Polyamid und Polyethylenterephthalat miteinander thermoplastisch verbunden sind (Spalte 1, Zusammenfassung; Spalte 2, Zeilen 68 bis 72). Die Beschwerdegegnerin 01 war der Auffassung, daß in der Mischung neben Polyamid und Polyethylenterephthalat auch Polyamid-Polyester-Blockcopolymer vorliege, da bei dem Erhitzen der Mischung zum Verbinden der Schichten zwangsläufig eine Bildung des Blockpolymeren durch Reaktion der einzelnen Polymeren stattfinde. Diese Tatsache sei im Dokument D44, das auch in D43 erwähnt ist, beschrieben. Infolgedessen enthalte der Mehrschichtverbund gemäß D43 auch eine Mischung aus Polyamid, Polyester und Polyamid-Polyester-Blockcopolymer als Zwischenschicht. Diese Auffassung kann die Kammer jedoch nicht teilen.
Nach D43 ist die zwischen den beiden Polymerschichten eingesetzte Mischung eine heterogene Mischung, die wenigstens zwei unterschiedliche Phasen aufweist, wobei im Gegensatz zu den homogenen Mischungen des Standes der Technik keine chemische Wechselwirkung zwischen den Phasen stattfinden soll (Spalte 3, Zeilen 66 bis 70). Bei der Herstellung des Mehrschichtverbunds gemäß D43 wird besonders darauf geachtet, daß die Zeit, während der die Polymerbestandteile erhitzt oder verschmolzen werden, so kurz wie möglich gehalten wird, so daß keine chemische Wechselwirkung zwischen den beiden Bestandteilen der Mischung stattfinden kann (Spalte 4, Zeilen 25 bis 46). So wird die Bildung der Blockcopolymeren, wie sie in dem erwähnten Dokument D44 beschrieben ist, in dem Mehrschichtverbund gemäß D43 ausdrücklich vermieden. Infolgedessen ist in D43 weder explizit noch implizit ein Mehrschichtverbund beschrieben, bei dem die Zwischenschicht ein Blockcopolymer enthält.
5.4. Das Dokument D45 betrifft die Verwendung von Kompatibilisierungsmitteln in Polymermischungen. Die beschriebenen Kompatibilisierungsmittel sind Blockcopolymere, die Segmente mit chemischen Strukturen oder Löslichkeiteigenschaften besitzen, die den Eigenschaften der Polymeren, die vermischt werden sollen, ähnlich sind (Seite 1211, Zusammenfassung, erster Satz). D45 erwähnt auch die Verwendung von solchen Blockcopolymeren als Zwischenklebeschicht in Laminaten, die durch Extrusion oder Coextrusion hergestellt werden (Seite 1211, vorletzter Satz des Abstracts; Seite 1228, letzter Satz). Die in-situ Bildung eines Kompatibilisierungsmittels (Blockcopolymer) an der Grenzfläche zwischen zwei nicht-kompatiblen Polymeren führt zu einer Klebeverbindung zwischen den Schichten eines durch Extrusion erhaltenen Laminats (Seite 1217, letzte Absatz). Diese letzte Ausführungsform wird jedoch nicht für Polyester- und Polyamid-Schichten mit separater Zwischenschicht offenbart. Das Dokument beschreibt allerdings, daß ein Polyethylenterephthalat-Polyamid-Blockcopolymer (PET-b-nylon 66. Blockcopolymer) durch eine Ester-Amid- Wechselwirkungsreaktion in situ gebildet wird und in einem PET- Nylon Polyblend als Kompatibilisierungsmittel wirkt (Seite 1218, Zeile 1 bis 3, unterhalb der chemischen Formeln). Die Bildung des Blockcopolymeren ist auf der ersten Hälfte von Seite 1219 erläutert. Es handelt sich hier um eine Mischung (Blend) von Polymeren, nicht jedoch um einen Mehrschichtverbund, bei dem die Polymeren als getrennte Schichten vorliegen.
5.5. Zusammenfassend ist somit festzustellen, daß der Gegenstand des Anspruchs 1 und infolgedessen auch derjenige der abhängigen Ansprüche 2 bis 7 neu ist (Artikel 54 EPÜ).
Nächstliegender Stand der Technik
6. Die Einspruchsabteilung wie auch die Beschwerdeführerin sahen D5 oder D6 als nächstliegenden Stand der Technik an. Die Beschwerdegegnerin 01 war in der mündlichen Verhandlung der Auffassung, daß D19 als nächstliegender Stand der Technik anzusehen sei.
6.1. D6 beschreibt ein Neun-Schichten-Külbel mit einem Wandteil aus zwei Außenschichten und mindestens einer Mittelschicht aus mindestens einem thermoplastischen Harz (8) (Harz A), zwei Zwischenschichten aus einem thermoplastischen Gas- Schrankenharz (10) (Harz C), die jeweils zwischen der Mittelschicht und jeder Außenschicht angeordnet sind, und vier Klebstoffschichten eines thermoplastischen Klebstoffharzes (9) (Harz B), die jeweils zwischen jeder Außenschicht und jeder Zwischenschicht oder zwischen jeder Zwischenschicht und der Mittelschicht angeordnet sind (Anspruch 1, Spalte 3, Zeilen 11 bis 16, Figur 5). Das Harz A ist ein Polyester, Polyolefin, Polycarbonat, Polyvinylchlorid, Polystyrol oder ein modifiziertes Polystyrol (Spalte 2, Zeilen 36 bis 40; Spalte 4, Zeilen 10 bis 14). Bevorzugt wird als Harz A ein Polyester eingesetzt (Spalte 4, Zeilen 13 und 14). Als Harz C können MX-Nylon, ein Ethylen/Vinyl Acetat-Copolymer, ein Acrylnitril Copolymer oder Polyvinylidenchlorid eingesetzt werden, wobei MX-Nylon bevorzugt wird (Spalte 4, Zeilen 49 bis 53). Nach Anspruch 5 von D6 ist das Harz A ein thermoplastischer Polyester und das Harz C ein m-Xylylen- Gruppen enthaltendes Polyamidharz. Zwischen den Polyesterschichten (8) (Harz A) und den Polyamidschichten (10) (Harz C) wird eine Haftvermittlerschicht (9) (Harz B) bestehend aus modifizierten Polyolefinharzen, Olefin/Vinylester-Copolymerharzen, Copolyamidharzen, Copolyesterharzen oder Polyurethanharzen oder deren Mischungen, eingebracht (Anspruch 3, Spalte 4, Zeilen 42 bis 48). Das Beispiel beschreibt einen Külbel, bei dem Polyethylenterephthalatschichten mit Poly(m-xylylene-adipamid)- Schichten durch eine haftvermittelnde Schicht aus modifiziertem Polyethylen oder modifiziertem Polypropylen verbunden worden sind (Spalte 5, Zeile 58 bis Spalte 6, Zeile 10). Somit beschreibt D6 in einer bevorzugten Ausführungsform Mehrschichtverbunde, bei denen wie im strittigen Patent Polyesterschichten und Polyamidschichten durch eine haftvermittelnde Schicht verbunden sind.
6.2. In D5 werden thermoplastische Mehrschichtverbunde mit wenigstens einer ersten und einer zweiten Schicht beschrieben, wobei die erste Schicht eine Mischung aus einem oder mehreren amorphen Polyamiden mit einem Tg größer als 120 °C, die von einem oder mehreren aliphatischen Diaminen und einer oder mehreren aromatischen Dicarbonsäuren abgeleitet sind, und einem oder mehreren semikristallinen aliphatischen Polyamiden enthält, und wobei die zweite Schicht eine oder mehrere thermoplastische Strukturharze aufweist (Anspruch 1). Als thermoplastisches Strukturharz ist unter anderem Polyethylenterephthalat erwähnt (Anspruch 7). Zwischen der ersten und der zweiten Schicht kann eine Klebeschicht vorgesehen sein (Seite 4, Zeilen 5 bis 8). Nur im Beispiel 5 wird eine Mischung von Polyamiden und Polyethylenterephthalat coextrudiert, ohne daß allerdings eine separate Klebezwischenschicht vorgesehen ist.
6.3. D19 beschreibt ein Rohr, das eine Polyamidkernschicht (11), eine darüber konzentrisch angeordnete undurchlässige Schicht (12) aus Polyethylenterephthalat, eine darüber konzentrisch angeordnete, flexible Verstärkungswickelschicht (13) und einen flexiblen rohrförmigen Schutzmantel (14) aufweist (Anspruch 6). Obwohl ein haftvermittelndes Material zwischen den verschiedenen Schichten des Rohrs gemäß D19 allgemein vorgesehen ist (Anspruch 5; Spalte 5, Zeilen 45 bis 49), wird jedoch keine haftvermittelnde Schicht zwischen den Polyester- und Polyamid-Schichten explizit offenbart. Das Mehrschichtrohr findet wie im strittigen Patent Verwendung in der Kfz- Industrie, wo es in Kühlanlagen eingesetzt wird (Figuren 1 und 2; Spalte 1, Zeilen 11 bis 13; Spalte 2, Zeilen 49 bis 54).
6.4. Obwohl D19 auch einen Mehrschichtverbund mit einer Polyesterschicht und einer Polyamidschicht beschreibt, steht hier das Problem der Undurchlässigkeit der Schichten für hochdurchlässige Flüssigkeiten, nicht jedoch die Haftung zwischen den beiden Schichten im Vordergrund. In D5 kann zwar eine Haftschicht zwischen Polyamiden und verschiedenen thermoplastischen Harzschichten generell vorgesehen sein, ohne daß auf die spezielle Haftungsproblematik zwischen Polyamid- und Polyesterschichten eingegangen wird. Hingegen ist in D6 direkt das Delaminierungsproblem angesprochen, wenn Polyamid- und Polyesterschichten miteinander verbunden werden sollen, was in D6 durch eine spezifische Haftschicht gelöst wird.
6.5. Nach ständiger Rechtsprechung der Beschwerdekammern kommt es bei der Wahl des nächstliegenden Standes der Technik zunächst darauf an, ob das Dokument auf den gleichen Zweck bzw. dieselbe Wirkung gerichtet ist wie die zu beurteilende Erfindung (Rechtsprechung der Beschwerdekammern des EPA, 4. Auflage 2001, I.D.3.2). Aus der vorstehende Analyse ergibt sich, daß das Dokument D6 expressis verbis die Problematik der schlechten Haftung von Polyamid- und Polyesterschichten beschreibt und deshalb einen geeigneteren Ausgangspunkt für die Beurteilung der erfinderischen Tätigkeit des beanspruchten Mehrschichtverbunds darstellt als D5 oder D19.
Daher wird D6 als nächstliegender Stand der Technik angesehen.
Aufgabe und Lösung
7. Das angegriffene Patent betrifft thermoplastische Mehrschichtverbunde, die mindestens aus einer Schicht aus einer Formmasse auf Basis von Polyamid, einer Schicht aus einer Formmasse auf Basis von Polyester und dazwischen einer Haftvermittlerschicht, bestehen. Das strittige Patent befaßt sich mit dem Problem der Haftung zwischen den Polyamid- und Polyesterschichten.
7.1. In D6 wird ausgeführt, daß MX-Nylon eine schlechte Affinität zu thermoplastischen Polyesterharzen aufweist, daß die Haftung zu thermoplastischen Polyesterschichten unbefriedigend ist und eine Delaminierung der beiden Schichten stattfindet (Spalte 2, Zeilen 4 bis 8).
Zur Lösung dieses Problems wird der Einsatz von haftvermittelnden Schichten erwähnt. Diese bewirken eine starke Haftung zwischen den Schichten aus Harz A und den Schichten aus Harz C und verhindern eine Delaminierung der Schichten bei längeren Benutzungszeiten des Külbels, ohne dessen Gasbarriereeigenschaften, Transparenz und mechanische Festigkeit zu verschlechtern (Spalte 5, Zeilen 45 bis 53). Die Delaminierungsfestigkeit zwischen den Polyethylenterephthalatschichten und Poly(m-xylene- adipamid)-Schichten des Beispiels beträgt 300 bis 500 g/inch bzw. 200 bis 400 g/inch, wenn als Haftvermittler modifiziertes Polyäthylen bzw. modifiziertes Polypropylen eingesetzt wird (Spalte 6, Zeilen 55 bis 62).
7.2. Gemäß der Streitpatentschrift geben jedoch die bekannten Haftvermittler im System Polyester/Polyamid keinen kraftschlüssigen Verbund. Der Kraftschluß geht beim Erwärmen oder bei Einwirkung von Lösemitteln verloren. Zudem versagen derartige Verbunde bei Scherbelastung (Seite 2, Zeilen 35 bis 39).
7.2.1. Die Beispiele der Patentschrift zeigen, daß durch Einsatz der vorgeschlagenen Haftvermittlerschicht die Polyamidschichten A und die Polyesterschichten B an der Grenzfläche nicht trennbar sind, und zwar sowohl bei Raumtemperatur und bei 160 °C, als auch nach Lagerung in einem Toluol/Hexan Gemisch (Beispiele 12 bis 18, Tabelle 2, Seite 7).
7.2.2. In Übereinstimmung mit dem Streitpatent kann somit die Aufgabe der vorliegenden Erfindung darin gesehen werden, einen lösemittel- und temperaturbeständigen Verbund zwischen Polyester und Polyamid zu schaffen, der unempfindlich gegenüber Scherbeanspruchung ist und gute mechanische Eigenschaften, insbesondere eine starke Kohäsion an den Phasengrenzenflächen aufweist (Seite 2, Zeilen 40 bis 43).
7.3. Die Einspruchsabteilung war jedoch auf Grund des Versuchsberichtes der Beschwerdegegnerin vom 27. Juni 2001 der Auffassung, daß die Aufgabe nicht im beanspruchten Umfang gelöst werde.
7.3.1. Bei diesen Versuchen wurde einerseits das Streitpatent nachgearbeitet (Versuche 1 bis 5), wobei für die in-situ Bildung des Blockcopolymeren unterschiedliche Anteile des Katalysators (TPP) verwendet wurden (Seite 2, Tabelle 1). Andererseits wurde in der Klebeschicht ein separat hergestelltes Polyester-Polyamid-Blockcopolymer in bestimmten Mengen eingesetzt (Grilamid EA 20 HV 1; Versuche 6 bis 9), das nach der EP-B-0 837 088 erhalten wurde, sowie Vergleichsversuche 10 bis 12 ohne Blockcopolymer durchgeführt (Tabelle 1, Seite 2; Tabelle 3, Seite 6). Die Haftungstests zeigen, daß gemäß den Versuchen 1 bis 5 keine Haftung zwischen den Schichten erreicht werden konnte, während bei Einsatz des separat hergestellten Copolymeren erst bei einem Gewichtanteil von 20% eine befriedigende Verbundhaftung beobachtet wird (Tabelle 4, Seite 8).
7.3.2. Die Versuche 6 bis 9 der Beschwerdegegnerin, die unter Verwendung eines Blockcopolymeren gemäß der nachveröffentlichten EP-B-0 837 088 (auch die korrespondierende A-Schrift ist nachveröffentlicht) erhalten wurden, haben als Vergleichsversuche nur wenig Aussagekraft, weil diese Produkte zum Prioritätszeitpunkt nicht verfügbar waren. Die übrigen Ergebnisse der Beschwerdegegnerin stehen in einem auffallenden Gegensatz zu den Versuchsergebnissen der Beschwerdeführerin in der Streitpatentschrift und denjenigen ihres ergänzenden Versuchsberichtes vom 20. Juni 2002. Bei dem letztgenannten Versuchsbericht wurden nach den Angaben der Beschwerdegegnerin das Polyamid, der Polyester und die Reaktionsbedingungen so ausgewählt, daß die Bildung eines Blockcopolymers nicht bevorzugt ist. Trotzdem zeigen die Ergebnisse der Haftungsbewertung bei Dreischichtrohren mit Schichten aus Polyamid (PA12) und Polyester (PBT) in Abhängigkeit des hergestellten Haftvermittlers, daß diese Schichten nicht durch Werkzeuge trennbar sind (Tabelle 3, Seite 6). Diese gute Haftung wird auch dann bestätigt, wenn die Tests nach der amerikanischen Norm SAE J 2260 durchgeführt werden (Tabelle 4, Seite 7), die auch in den Tests der Beschwerdegegnerin verwendet wurde.
7.4. Diese sich widersprechenden Ergebnisse der beiden Parteien konnten nicht restlos aufgeklärt werden, obwohl nach Ansicht der Parteien die Auswahl der Ausgangsmaterialen für die Bildung der Blockcopolymeren, insbesondere der Anteil der Endgruppen sowie das Molekulargewicht hier eine wichtige Rolle spielen könnten.
7.5. Nach der Rechtsprechung der Beschwerdekammern trägt in solchen Fällen die Einsprechende die Beweislast (T 219/83, ABl. EPA 1986, 328). Führen Versuche der Parteien zu widersprüchlichen Ergebnissen, deren Ursache nicht aufgeklärt werden kann, ist im Zweifelsfalle zugunsten der Patentinhaberin zu entscheiden (Rechtsprechung der Beschwerdekammern des Europäischen Patentamts, 4. Auflage 2001, VI.J.6.1).
7.6. Die Beschwerdekammer ist deshalb der Auffassung, daß die oben definierte Aufgabe tatsächlich als gelöst anzusehen ist.
Naheliegen
8. Es bleibt die Frage zu untersuchen, ob der beanspruchte Gegenstand auf Grund der herangezogenen Dokumente naheliegt.
8.1. Von den Mehrschichtverbunden nach D6 unterscheiden sich die beanspruchten Mehrschichtverbunde durch einen Haftvermittler aus einer Formmasse, die eine Mischung aus Polyamid und Polyester enthält, wobei zumindest ein Teil des Polyamidanteils und des Polyesteranteils als Polyamid- Polyester-Blockcopolymere vorliegt (Anspruch 1).
8.2. D45 beschreibt die Verwendung von Blockcopolymeren als Kompatibilisierungsmittel in Polymermischungen. Um eine gute Verträglichkeit zu bewirken, besitzen die Blockcopolymeren Segmente mit chemischen Strukturen oder Löslichkeitsparametern, die mit denjenigen der zu vermischenden Polymeren ähnlich sind (Zusammenfassung auf Seite 1211, Seite 1228). Als explizites Beispiel wird ein Polyethylenterephthalat-Nylon-66-Blockcopolymer als Kompatibilisierungsmittel für eine Mischung von Polyethylenterephthalat und Nylon genannt (Seite 1218, vorletzter Absatz, Seite 1219, Reaktionsschema (12)). Gemäß D45 sind jedoch solche Blockcopolymeren nicht nur in Mischungen (Polyblends) einsetzbar, sondern sie können auch als Zwischenklebeschichten in Laminaten verwendet werden, um die Haftung zwischen nicht-verträglichen Polymerschichten zu fördern (Zusammenfassung, Seite 1211, vorletzter Satz; Seite 1217, letzter Absatz; Seite 1228, erster Absatz, letzter Satz).
D45 lehrt deshalb den Fachmann, daß die Haftung zwischen Polyamid- und Polyesterschichten verbessert werden kann, wenn als Haftvermittler ein Blockcopolymer, das Polyamid und Polyester-Segmente aufweist, eingesetzt wird.
8.3. Weiterhin ist aus D14 der verträglich machende Effekt von Blockcopolymeren bei unverträglichen Polymeren bekannt. So wird nach D14 die Haftung zwischen zwei nicht-mischbaren Polymeren verbessert, wenn ein Blockcopolymer verwendet wird, bei dem der eine Block mit dem einen Polymer und der andere Block mit dem zweiten Polymer der Mischung verträglich ist. Hierbei dienen die Copolymeren als Kupplungsmittel, um an der Grenzfläche zwischen den beiden Homopolymeren die Haftung zu verbessern (Abschnitt 4.7, erster Absatz). Dies steht im Einklang mit der Lehre von D45, nach der die Blockcopolymeren sowohl die Verträglichkeit von Mischungen als auch die Haftung von Schichten verbessern. Obwohl in D14 keine separaten Schichten sondern Mischungen von Polymeren angesprochen sind, hätte der Fachmann hieraus einen Hinweis auf die Eignung von Blockcopolymeren als haftvermittelnde Komponente auch für Laminate ableiten können.
8.4. Es liegt auch auf der Hand, daß eine starke Kohäsion zwischen den Polyamid- und Polyester-Schichten eine Voraussetzung dafür ist, um eine gute Temperatur- und Lösemittel-Beständigkeit des Mehrschichtverbunds zu erreichen, weil ohne gute Kohäsion oder Haftung die weiteren erwünschten Eigenschaften nicht auftreten können.
Infolgedessen hätte der Fachmann, dem sich die Aufgabe stellte, einen lösemittel- und temperaturbeständigen Verbund zwischen Polyester und Polyamid zu schaffen, der gute mechanische Eigenschaften, insbesondere eine starke Kohäsion an den Phasengrenzflächen besitzt, in erster Linie nach einem Mittel gesucht, das eine starke Haftung zwischen den beiden Schichten gewährleistet. Aus der Lehre von D45 und D14 erhielt er aber schon die Anregung, daß ein Blockcopolymer, das Segmente der beiden Polymerkomponenten der benachbarten Schichten enthält, ein erfolgversprechendes Material ist, um die Haftung zu verbessern. Der Fachmann hätte deshalb in naheliegender Weise Polyamid-Polyester-Blockcopolymere eingesetzt, um die oben genannten Aufgabe zu lösen.
8.5. Diese Bewertung der erfinderischen Tätigkeit, die das Ergebnis der Einspruchsabteilung bestätigt, führt ohne weiteres zu einem Naheliegen des beanspruchten Gegenstandes auf Grund des Standes der Technik, ohne daß aufgeklärt werden müßte, ob die Aufgabe im vollen Umfang der Ansprüche gelöst worden ist.
8.6. Zusammenfassend ergibt sich, daß die Lösung des technischen Problems in naheliegender Weise aus dem Stand der Technik ableitbar ist. Daher beruht der Gegenstand des Anspruchs 1 des Hauptantrags nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit in Sinne von Artikel 56 EPÜ.
Hilfsantrag I
9. Anspruch 1 des Hilfsantrages I unterscheidet sich von Anspruch 1 des Hauptantrags dadurch, daß die Formmasse c) durch das Merkmal "die sowohl mit der Komponente a) als auch mit der Komponente b) verträglich ist" und die Menge des Polyamid-Polyester-Blockcopolymers durch das Merkmal "in einer die haftvermittelnde Wirkung erhöhenden, d. h. eine stärkere Kohäsion ergebenden Menge" weiter spezifiziert wurden.
9.1. Diese Änderungen wurden von der Beschwerdeführerin, insbesondere im Hinblick auf den Einwand in der angegriffenen Entscheidung eingeführt, daß die dem Patent zugrundeliegende technische Aufgabe nicht im vollen Umfang der Ansprüche gelöst sei. Im Hinblick auf den Stand der Technik tragen jedoch diese Merkmale nicht weiter zur erfinderischen Tätigkeit bei. Daß die Formmasse c) sowohl mit der Komponenten a) als auch mit der Komponenten b) verträglich sein muß, einspricht genau der Lehre der Dokumente D45 und D14 (s. o. Punkte 8.2 und 8.3). Außerdem würde der Fachmann selbstverständlich die Menge der haftvermittelnden Verbindung so auswählen, daß sie die haftvermittelnde Wirkung erhöht und infolgedessen zu einer stärkeren Kohäsion führt.
9.2. Es ist somit festzustellen, daß die Begründung der mangelnden erfinderischen Tätigkeit des Gegenstandes gemäß Hauptantrag in gleicher Weise auch für den Hilfsantrag I gilt (Artikel 56 EPÜ).
Hilfsantrag II
10. Der Gegenstand des Anspruchs 1 gemäß Hilfsantrag II betrifft die Verwendung des Mehrschichtverbunds, wie in Hilfsantrag I beansprucht, als Mehrschichtrohr in der Kfz- Industrie.
10.1. Da der Mehrschichtverbund als solcher aus den obengenannten Gründen nicht als erfinderisch angesehen wird, stellt sich die Frage, ob die Verwendung dieses Mehrschichtverbunds als Rohr in der Kfz-Industrie für den Fachmann aus dem Stand der Technik naheliegend ist.
Gemäß dem strittigen Patent war die Verwendung von Verbunden mit Polyamid- und Polyester-Schichten als Mehrschichtrohre aus dem Stand der Technik bekannt. So wird die Coextrusion von PA 12 (Polyamid) und Polybutylenterephthalat zu einem Zweischichtrohr im Stand der Technik beschrieben (Streitpatent, Seite 2, Zeilen 22 bis 25). Auch das Dokument D19 beschreibt ein Mehrschichtrohr mit einer Polyamid- und einer Polyethylenterephthalatschicht, das in der Kfz- Industrie, nämlich in Kühlanlagen, eingesetzt wird (s. o. Punkt 6.3).
Von diesem Stand der Technik unterscheidet sich der Gegenstand des Anspruchs 1 von Hilfsantrag II nur dadurch, daß das Mehrschichtrohr aus einem Mehrschichtverbund besteht, das zwischen den Polyester- und Polyamid-Schichten eine besondere, wie im Anspruch 1 definierte Haftvermittlerschicht enthält.
10.2. In Abwesenheit einer haftvermittelnden Schicht muß davon ausgegangen werden, daß bei der Verwendung solcher Mehrschichtrohre die Haftung zwischen den Polyester- und Polyamidschichten verbesserungsbedürftig ist. Wie schon vorstehend ausgeführt wurde (s. o. Punkt 7.3), zeigen die Beispiele der Patentschrift eine Verbesserung der Haftung in Anwesenheit des Blockcopolymeren. Infolgedessen kann die technische Aufgabe darin gesehen werden, für die Verwendung eines Mehrschichtverbunds als Rohr für die Kfz-Industrie einen lösemittel- und temperaturbeständigen Verbund zwischen Polyester und Polyamid zu schaffen, der gute mechanische Eigenschaften, insbesondere eine starke Kohäsion an den Phasengrenzflächen besitzt.
10.3. Da die Lösung dieser Aufgabe in gleicher Weise wie beim Haupt- und Hilfsantrag I in der Anwesenheit eines Polyester- Polyamid-Blockcopolymeren als Haftvermittler besteht, und ein solcher Haftvermittler aus D14 oder D45 nahegelegt ist, beruht der Gegenstand des Anspruchs 1 von Hilfsantrags II aus den gleichen Gründen wie der Hauptantrag (s. o. Punkte 8.2 bis 8.4) und der Hilfsantrag I (s. o. Punkt 9) nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit (Artikel 56 EPÜ).
Hilfsanträge III und IV.
11. Der Anspruch 1 der Hilfsanträge III und IV unterscheidet sich von Anspruch 1 des Hilfsantrags II nur durch die Angabe, daß die Blockcopolymeren des Haftvermittlers durch besondere Herstellungsverfahren erhältlich sind. Diese Ansprüche enthalten somit eine sogenannte "product-by-process" Definition der Blockcopolymeren.
11.1. Es wurde jedoch weder behauptet noch belegt, daß die in den Ansprüchen spezifizierten Herstellungsverfahren andere Blockcopolymere liefern, als die im Hilfsantrag II ohne Angabe des Herstellungsverfahren definierten Blockcopolymeren. Es muß deshalb davon ausgegangen werden, daß die Angabe des Herstellungsverfahren, im Vergleich zum Hilfsantrag II, keine substantielle Änderung des beanspruchten Gegenstandes zu Folge hat und damit auch nichts zur erfinderischen Tätigkeit beiträgt.
11.2. Der Gegenstand der Hilfsanträge III und IV beruht deshalb aus den gleichen Gründen wie der Gegenstand von Hilfsantrag II nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit (Artikel 56 EPÜ).
ENTSCHEIDUNGSFORMEL
Aus diesen Gründen wird entschieden:
Die Beschwerde wird zurückgewiesen