T 0478/03 09-10-2006
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Kontaktloses elektronisches Modul
I. Die Beschwerde richtet sich gegen die Entscheidung der Prüfungsabteilung, die europäische Patentanmeldung Nr. 95 116 421.9 zurückzuweisen.
II. In zwei Bescheiden und in der Ladung zur mündlichen Verhandlung erhob die Prüfungsabteilung den Einwand, dass die Patentansprüche 1 und 7 nicht durch eine einzige erfinderische Idee miteinander verbunden seien. Die Anmelderin wurde aufgefordert mitzuteilen, welche Erfindung dem weiteren Verfahren zugrunde gelegt werden solle.
III. Die Anmelderin verteidigte in ihren Erwiderungen auf die Bescheide ihre gegenteilige Auffassung und hielt an den Patentansprüchen fest.
IV. Aus der Niederschrift über die mündliche Verhandlung vor der Prüfungsabteilung geht hervor, dass die Neuheit des in der mündlichen Verhandlung überreichten Patentanspruchs 7 erörtert wurde. Ausführungen zur Einheitlichkeit der Erfindung oder zur Neuheit und erfinderischen Tätigkeit des Gegenstands des Patentanspruchs 1 sind der Niederschrift nicht zu entnehmen.
V. Die Prüfungsabteilung begründete die angefochtene Entscheidung ausschließlich damit, dass das elektronische Modul gemäß dem unabhängigen Patentanspruch 7 nicht neu im Sinne von Artikel 54 (1) EPÜ sei.
VI. Die Beschwerdeführerin reichte mit der Beschwerdebegründung neue Patentansprüche 1 und 7 ein.
VII. In Erwiderung auf eine Mitteilung der Kammer mit der Ladung zu einer mündlichen Verhandlung reichte die Beschwerdeführerin mit Schreiben vom 30. August 2006 neue Patentansprüche 1 bis 7 ein und erklärte, die ursprünglich eingereichten Patentansprüche 7 bis 15, die die Ausgestaltung der Spule aus dem selbsttragenden Metallband ("lead frame") beträfen, nicht weiterzuverfolgen. Die geänderten Patentansprüche entsprächen den ursprünglichen Patentansprüchen 1 bis 6 und 16; zudem sei im Patentanspruch 1 das Merkmal "... ist, einen Querschnitt vorgegebener Dicke und Breite aufweist ..." gestrichen worden.
VIII. Der vorliegende Patentanspruch 1 hat folgenden Wortlaut:
"Elektronisches Modul (31) für den Einbau in einen Datenträger (1) mit einem auf einem Träger des Moduls angeordneten integrierten Schaltkreis (4), der leitend mit der Spule (22) für den berührungslosen Datenaustausch des Datenträgers (1) mit einem externen Gerät verbunden ist, dadurch gekennzeichnet, daß die Spule (22) drahtgewickelt und selbsttragend ist und daß die Spule (22) den Träger für den integrierten Schaltkreis (4) bildet."
Die Patentansprüche 2 bis 7 sind vom Patentanspruch 1 abhängig.
IX. Nach Rückfrage des Berichterstatters präzisierte die Beschwerdeführerin mit Schreiben vom 6. September 2006 ihre Anträge. Daraufhin wurde der anberaumte Termin zur mündlichen Verhandlung aufgehoben.
X. Die Beschwerdeführerin beantragt:
1) ein Patent auf der Grundlage der gültigen Unterlagen zu erteilen,
2) hilfsweise die Sache zur weiteren Entscheidung an die Prüfungsabteilung zurückzuverweisen,
3) falls den Anträgen zu 1) und 2) nicht stattgegeben wird, die mündliche Verhandlung durchzuführen.
1. Die Beschwerde ist zulässig.
2. Der vorliegende Patentanspruch 1 betrifft ein elektronisches Modul mit einer drahtgewickelten, selbsttragenden Spule. Die Prüfungsabteilung hat in der Begründung der angefochtenen Entscheidung nur zur Neuheit des Gegenstands des früheren Patentanspruchs 7 Stellung genommen. Dieser betraf ein elektronisches Modul, dessen Spule aus einem selbsttragenden Metallband hergestellt ist.
3. Die Prüfungsabteilung hatte in Bescheiden den Einwand erhoben, diese beiden Gegenstände beträfen uneinheitliche Erfindungen (siehe Punkte II bis IV supra). Das kann als Indiz gesehen werden, dass die von der Beschwerdeführerin vorgenommenen Änderungen eine erhebliche Änderung des der angefochtenen Entscheidung zugrunde liegenden Sachverhalts bedeuten.
4. Der Einwand mangelnder Einheitlichkeit der Erfindung (Artikel 82 EPÜ) wurde aber ausweislich der Niederschrift in der mündlichen Verhandlung nicht behandelt und ist in der Begründung der angefochtenen Entscheidung nicht angesprochen. Dieses Vorgehen der Prüfungsabteilung lässt auf jeden Fall nicht den Schluss zu, dass ihre Bedenken bezüglich der Einheitlichkeit der Erfindung beim Treffen der Entscheidung noch bestanden. Wäre die Prüfungsabteilung von diesem Einwand überzeugt gewesen, hätte sie eine nachfolgende Prüfung einer weiteren Erfindung durch Aufrechterhaltung der Forderung zur Einschränkung auf eine Erfindung oder durch Begründung dieses (gegebenenfalls zusätzlichen) Einwandes in der angefochtenen Entscheidung verhindern können. Beim vorliegenden Sachverhalt steht diese Frage für die Kammer nicht zur Entscheidung an. Die Kammer sieht aber von sich aus trotz der auf die andere Ausführung der Spule als Träger für den Schaltkreis gerichteten Ansprüche keinen Anlass davon auszugehen, dass mit den vorgenommenen Änderungen gegen das Prinzip verstoßen würde, nur eine Erfindung in jeder Anmeldung auf Erfüllung des Erfordernisses der Patentierbarkeit und sonstiger Erfordernisse des EPÜ zu prüfen (G 2/92, ABl. EPA, 1993, 591, Punkt 2).
5. Die in Bescheiden des Prüfungsverfahrens im Zusammenhang mit Artikel 82 EPÜ angeführten Argumente betreffend die fehlende Neuheit der gemeinsamen Idee, die den verschiedenen Erfindungen zugrunde liege ("selbsttragende Spule"), und die Begründung in der angefochtenen Entscheidung, warum das elektronische Modul gemäß dem unabhängigen Patentanspruch 7 nicht neu sei, lassen keinen Schluss auf die Auffassung der Prüfungsabteilung zur Neuheit und erfinderischen Tätigkeit des Gegenstands des vorliegenden Patentanspruchs 1 zu. Insofern ist auch die vorläufige Auffassung der Prüfungsabteilung zu Merkmalen des vorliegenden Patentanspruchs 1 nicht aktenkundig.
6. Trotz wesentlicher Änderungen der Patentansprüche im Beschwerdeverfahren ist die Beschreibung unverändert.
7. Aus dem Vorstehenden ergibt sich, dass eine weitergehende Prüfung der Anmeldung auf Patentierungserfordernisse durchzuführen ist. Eine derartige Prüfung ist grundsätzlich Aufgabe der Prüfungsabteilung. Denn das Verfahren vor den Beschwerdekammern ist auch in Ex-parte-Angelegenheiten primär auf die Überprüfung der angefochtenen Entscheidung abgestellt (siehe G 10/93, ABl. EPA, 1995, 172; Punkte 3 bis 5).
8. Die Beschwerdeführerin hat im vorliegenden Fall durch die Reihenfolge ihrer Anträge zum Ausdruck gebracht, dass sie einer Zurückverweisung der Sache an die Prüfungsabteilung zur weiteren Entscheidung den Vorzug vor einer mündlichen Verhandlung vor der Kammer (mit dem Risiko eines Instanzverlustes) gibt. Die Kammer kann keine besonderen Gründe erkennen, warum sie selbst das Vorliegen der Patentierungsvoraussetzungen prüfen sollte, und übt ihr Ermessen nach Artikel 111 (1) EPÜ dahingehend aus, dem Hauptantrag der Beschwerdeführerin nicht stattzugeben und die Sache zur weiteren Entscheidung gemäß dem ersten Hilfsantrag der Beschwerdeführerin an die Prüfungsabteilung zurückzuverweisen. Die Durchführung der mündlichen Verhandlung hat sich bei dieser Sachlage erübrigt. Denn der Antrag 3) ist wegen der gemäß Hauptantrag (Tätigwerden der Kammer) und erstem Hilfsantrag (Zurückverweisung) angestrebten Alternativen so auszulegen, dass eine mündliche Verhandlung nur für den Fall beantragt ist, dass keinem der Anträge "zu 1) und 2)" stattgegeben werden kann.
ENTSCHEIDUNGSFORMEL
Aus diesen Gründen wird entschieden:
1. Die angefochtene Entscheidung wird aufgehoben.
2. Die Angelegenheit wird an die erste Instanz zur weiteren Entscheidung zurückverwiesen.