T 0794/03 22-03-2005
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Gleitlagerwerkstoff
Wickeder Westfalenstahl GmbH
Federal-Mogul Wiesbaden GmbH
Erweiterung des Schutzbereiches (ja, Hauptantrag)
Einschränkung durch Kategoriewechsel (ja, Hilfsantrag)
Erfinderische Tätigkeit (ja)
I. Die Beschwerdeführerin (Einsprechende II: Federal-Mogul Wiesbaden GmbH & Co. KG) hat gegen die am 26. Mai 2003 zur Post gegebene Zwischenentscheidung der Einspruchsabteilung über die Fassung, in der das Patent Nr: EP-B-0 681 114 mit Anmeldenummer 9 510 3802.5 in geändertem Umfang gemäß Hilfsantrag 2 den Erfordernissen des EPÜ genügt, am 22. Juli 2003 Beschwerde eingelegt. Die Beschwerdegebühr wurde am gleichen Tag entrichtet. Die Beschwerdebegründung ist am 26. September 2003 eingegangen.
II. Die Patentinhaberin (KS Gleitlager GmbH) hatte am 29. Juli 2003 ebenfalls gegen die Zwischenentscheidung der Einspruchsabteilung Beschwerde eingelegt. Die Beschwerdegebühr wurde am gleichen Tag bezahlt. Die Begründung ist am 26. September 2003 eingegangen. Die Patentinhaberin hat jedoch ihre Beschwerde in der mündlichen Verhandlung vom 22. März 2005 zurückgezogen.
III. Die Firma Wickeder Westfalenstahl GmbH (Einsprechende I) hat keine Beschwerde eingelegt.
IV. Mit den Einsprüchen war das gesamte Patent im Hinblick auf mangelnde Neuheit und/oder mangelnde erfinderische Tätigkeit angegriffen worden.
V. Von den von der Einspruchsabteilung berücksichtigten Entgegenhaltungen haben nur folgende im Beschwerdeverfahren eine wesentliche Rolle gespielt:
D4: DE-B-1 187 805
D6: "Aspekte zur Gleitlagerung von Nutzfahrzeug- Dieselmotoren" Sonderdruck aus MTZ - Motortechnische Zeitschrift- 79. Jahrgang- Nr. 9/77.
D7: 14 Seiten des Produktionsprogramms der Vereinigten deutschen Nickel-Werke AG.
D9: Auszug aus "Kupfer-Zink-Legierungen" ausgegeben vom Deutschen Kupfer Institut, 1966, Seiten 368, 369, 397, 450, 451.
D13: "Werkstoffe und Schichtaufbau bei Gleitlagern" Sonderdruck aus der ZfW Zeitschrift für Werkstofftechnik - Jahrgang 4 - Heft 7 - 1973.
VI. In Antwort auf die Ladung zur mündlichen Verhandlung hat die Einsprechende II noch eine vollständigere Version von D9 eingereicht, die hier als D91 bezeichnet wird und gegenüber D9 zusätzlich noch die Seiten 366 und 367 aus "Kupfer-Zink-Legierungen" enthält.
VII. Am 22. März 2005 fand eine mündliche Verhandlung statt, an der die Einsprechende I gemäß ihrem Schreiben vom 10. März 2005 nicht teilgenommen hat.
VIII. Im Laufe des Verfahrens hat sich die Patentinhaberin, nachdem sie mit Schreiben vom 19. März 2004 einen Hauptantrag und 9 Hilfsanträge eingereicht hatte, auf zwei Anträge eingeschränkt: Als Hauptantrag die Zurückweisung der Beschwerde und als Hilfsantrag die Aufrechterhaltung des Patents in einer weiter eingeschränkter Form, wie eingereicht während der mündlichen Verhandlung. Anspruch 1 gemäß Hilfsantrag entspricht dem im schriftlichen Verfahren eingereichten Anspruch 1 gemäß Hilfsantrag 9.
Anspruch 1 nach Hauptantrag lautet:
Gleitlagerbuchse, hergestellt aus einem Gleitlagerverbundwerkstoff, wobei eine Schicht bestehend aus einer Kupfer-Zink-Knetlegierung in einer Dicke von 0,1 bis 1,5 mm mit einer Stützschicht aus Stahl oder rostfreiem Stahl unlösbar verbunden ist, und die Kupfer-Zink-Knetlegierung zusammengesetzt ist aus
28 bis 32 Gew.% Zink
0,7 bis 1,3 Gew.% Silizium
66 bis 70 Gew.% Kupfer.
Anspruch 1 nach Hilfsantrag lautet:
Verwendung eines Gleitlagerverbundwerkstoffs für die Herstellung von Lagerbuchsen, wobei eine Schicht bestehend aus einer Kupfer-Zink-Knetlegierung in einer Dicke von 0,1 bis 1,5 mm mit einer Stützschicht aus Stahl oder rostfreiem Stahl unlösbar verbunden ist, und die Kupfer-Zink-Knetlegierung zusammengesetzt ist aus
28 bis 32 Gew.% Zink
0,7 bis 1,3 Gew.% Silizium
66 bis 70 Gew.% Kupfer.
IX. Die Argumente der Einsprechende II zur Stützung ihres Antrags auf Widerruf des Patents lassen sich wie folgt zusammenfassen:
Anspruch 1 nach dem Hauptantrag verstöße gegen Artikel 123 (3) EPÜ da ein Verbundwerkstoff einerseits und eine Gleitlagerbuchse andererseits unterschiedliche Gegenstände darstellen, die unterschiedliche Erfindungen betreffen. Weiterhin beziehe die Formulierung des Patentanspruchs 1 den Gleitlagerverbundwerkstoff in die Herstellung der Gleitlagerbuchse ein und schütze somit einen Gegenstand, der nach einem bestimmten Verfahren hergestellt sein solle. Da jedoch die weiteren Verfahrensschritte fehlten, handele es sich nicht um ein Verfahrensprodukt, sondern um einen Gegenstand, der tatsächlich unabhängig von dem Herstellungsverfahren Schutz genießen solle.
Ein Zwischenprodukt und ein Endprodukt seien unterschiedliche Gegenstände.
Anspruch 1 gemäß Hauptantrag verstöße auch gegen Artikel 123 (2) EPÜ, da der Begriff "Gleitlagerbuchse" in der ursprünglich eingereichten Fassung nicht offenbart würde.
Anspruch 1 verstöße außerdem gegen Artikel 84 EPÜ, da wenn man zum Beispiel von der Untergrenze von 28 Gew.% Zink ausgehe, man unter Berücksichtigung der oberen Grenzwerte von Silizium und Kupfer nur maximal 99,3 Gew.% erreiche. Es stelle sich daher die Frage, welche Bestandteile die fehlenden 0,7 Gew.% ausmachen sollen.
Der Gegenstand gemäß Anspruch 1 sei auch nicht erfinderisch. Es führe ein direkter Weg von D6 unter Berücksichtigung von D91 zu dem Gegenstand des Anspruchs 1.
D6 offenbare insbesondere gerollte Kolbenbolzenlagerbuchsen aus einem Mehrschichtwerkstoff mit einer Stahlstützschicht wobei die Dicke der Lagermetallschicht aus Kupferlegierung etwa 0,2 bis 0,5 mm betrage. D91 führe den Fachmann, der eine Kupferlegierung suche, die höhere Belastungen besser ertrage, direkt zu einem Sondermessing vom Typ SoMs68, der der beanspruchten Legierung entspreche.
D7, D4 bewiesen zusätzlich, daß schon härtere Kupfer- Zink-Legierungen auf Stahl aufplattiert wurden. Ein Vorurteil kann auch nicht geltend gemacht werden, da die Entwicklung in Richtung immer härterer und belastbarerer Legierungen und Lagern nicht unberücksichtigt gelassen werden könne.
X. Die Argumente der Patentinhaberin lassen sich wie folgt zusammenfassen:
Es ergebe sich aus dem Gesamtzusammenhang aber auch aus dem Abschnitt [0002] der Patentschrift, daß Lagerbuchsen zum Gegenstand der Erfindung gehören. Auch der erteilte Anspruch sei auf einen "Gleitlagerverbundwerkstoff, insbesondere für die Herstellung von Lagerbuchsen,... " gerichtet gewesen.
Eine Gleitlagerbuchse sei ein auf eine Buchsenform gebrachter Gleitlagerverbundwerkstoff und nicht irgendein nicht näher spezifiziertes Produkt. Es liege daher weder eine Schutzbereichserweiterung noch eine Gegenstandserweiterung vor.
Jeder Fachmann wisse, daß in Legierungen immer ein kleiner Anteil an Verunreinigungen vorhanden ist, so daß der von der Einsprechenden vorgebrachte Klarheitseinwand ihm keine Probleme bereiten würde. Die erfinderische Tätigkeit sei anzuerkennen, da mit der Erfindung ein über Jahrzehnte bestehendes Vorurteil überwunden wurde. Alle im Stand der Technik vorhandenen Dokumente, in denen die Benutzung der im Anspruch vorkommenden Legierung als Lager angesprochen wird, erwähnten die Benutzung der Legierung als solche und nicht in einem Verbundwerkstoff in Kombination mit einem Stahlrücken.
In Kombination mit einem Stahlrücken werden andere Legierungen erwähnt, wie Zinnbronzen, Bleizinnbronzen. Dies ist zum Beispiel der Fall in D13, wo aber für Sondermessinge keine Kombination mit Stahlrücken erwähnt wird. Es wird nur der Einsatz von Sondermessingen als Monometall beschrieben. Aus der D9, der D10 und der D7 sei das auch zu erkennen. Auch in D4 wird eine Kupfer-Mangan-Legierung auf einen Stahlrücken aufgetragen und nicht eine Legierung wie beansprucht.
1. Die Beschwerde der Einsprechenden II erfüllt die Erfordernisse der Artikel 106 bis 108 und der Regeln 1 und 64 EPÜ und ist daher zulässig.
2. Anspruch 1 gemäß Hauptantrag wurde im Laufe des Einspruchsverfahrens eingereicht, so daß sich die Frage der Zulässigkeit der Änderungen gemäß Artikel 123 (3) EPÜ stellt.
2.1 Anspruch 1 wie erteilt betrifft einen Stoffanspruch bzw. einen Gleitlagerverbundwerkstoff, vorzugsweise für die Herstellung von Lagerbuchsen, wobei eine Schicht bestehend aus einer Kupfer-Zink-Knetlegierung in einer Dicke von 0,1 bis 1,5 mm mit einer Stützschicht aus Stahl oder rostfreiem Stahl unlösbar verbunden ist.
2.2 Anspruch 1 wie erteilt wurde im Anspruch 1 gemäß Hauptantrag insofern abgeändert, daß die Zusammensetzung des Stoffes so präzisiert wurde, daß er jetzt die genaue Zusammensetzung gemäß erteiltem Anspruch 3 haben soll. Diese Änderung der Stoffzusammensetzung stellt eine eindeutige Einschränkung des Schutzumfangs dar und ist somit als solche nach Artikel 123 (3) EPÜ zulässig.
2.3 Eine weitere Änderung betrifft das beanspruchte Produkt. Es wird im Anspruch 1 gemäß Hauptantrag nun nicht mehr direkt der Gleitlagerverbundwerkstoff als solcher, sondern eine aus dem Verbundwerkstoff hergestellte Gleitlagerbuchse, beansprucht. Es ist demnach zu untersuchen, ob diese Änderung eine Erweiterung des Schutzumfangs darstellt.
2.4 Die Kammer ist der Auffassung, daß die Formulierung "Gleitlagerbuchse hergestellt aus einem bestimmten Verbundwerkstoff" einer Art "Product-by-process" Beanspruchung gleichkommt. Demgemäß wird eine Gleitlagerbuchse beansprucht, die die gleichen Merkmale hat wie die, die mittels eines Herstellungsverfahrens hergestellt wird, in dem der bestimmte Verbundwerkstoff verwendet wird. Um den genauen Schutzumfang des geänderten Anspruchs festzulegen, ist daher zu bestimmen, welche Merkmale ein solches Verfahren dem Endprodukt verleiht. Dabei ist zu berücksichtigen, welches Herstellungsverfahren im Anspruch definiert wird und welche Merkmale dieses Verfahren dem Endprodukt verleiht. Die vorliegende Anspruchsformulierung definiert nur, daß der dort definierte Verbundwerkstoff im Verfahren benutzt wird. Da das Herstellungsverfahren im Anspruch nicht weiter definiert ist, erlaubt die Anspruchsformulierung keinen Schluß bezüglich des genauen Herstellungsablaufs und insbesondere läßt der Wortlaut zu, daß Herstellungsschritte ausgeführt werden, die einen direkten Einfluß auf die Eigenschaften des Verbundwerkstoffes haben, insbesondere auch solche Verfahrensschritte, die zu einer derartigen Änderung der Schichtdicke der Legierung führen, daß diese außerhalb des beanspruchten Bereichs zu liegen kommt.
2.5 Bei einer solchen Änderung der Schichtdicke, zum Beispiel, wäre dann am Endprodukt auch nicht mehr erkennbar, ob es tatsächlich unter Verwendung eines beanspruchten Verbundwerkstoffes hergestellt wurde, und die Merkmale des Endprodukts wären tatsächlich so, daß es auch unter Verwendung eines anderen Ausgangsproduktes hergestellt werden könnte.
2.6 Nach Auffassung der Kammer liegt somit eindeutig eine Erweiterung des Schutzbereichs vor, da nun dieser sich auch auf Gleitlagerbuchsen erstreckt, die nicht mehr zwangsläufig aus dem beanspruchten Verbundwerkstoff hergestellt wurden. Da die Anspruchsformulierung das Herstellungsverfahren nicht weiter definiert, stellt Anspruch 1 gemäß Hauptantrag eine Vielzahl von Gleitlagerbuchsen unter Schutz, die sehr unterschiedliche Merkmale haben können und nicht mehr zwangsläufig unter Verwendung des beanspruchten Verbundwerkstoffes hergestellt sein müssen.
2.7 Der Anspruch 1 gemäß Hauptantrag verstößt daher gegen Artikel 123 (3) EPÜ.
3. Anspruch 1 gemäß Hilfsantrag wurde während der mündlichen Verhandlung eingereicht und muß somit auch den Erfordernissen des Artikels 123 (2)und (3) EPÜ genügen.
3.1 Die Merkmale des verwendeten Verbundwerkstoffes wurden eindeutig in den ursprünglichen Ansprüchen 1 und 3 offenbart. Die Verwendung dieses Verbundwerkstoffes zur Herstellung von Lagerbuchsen wurde auch in dem ursprünglichen Anspruch 1 offenbart, wo angegeben war: "Gleitlagerwerkstoff .... vorzugsweise für die Herstellung von Lagerbuchsen ...", so daß die Erfordernisse des Artikels 123 (2) EPÜ erfüllt sind.
3.2 Der erteilte Anspruch 1 war ein sogenannter Stoffanspruch, der auf einen Gleitlagerverbundwerkstoff gerichtet war. Wie es die Große Beschwerdekammer in der Entscheidung G 2/88 (ABl. EPA 1990, 093) bestätigt hat, ist als ein dem EPÜ zugrundeliegendes Prinzip anerkannt, daß ein Patent, in dem ein Gegenstand per se beansprucht wird, für diesen Gegenstand absoluten Schutz gewährt; d. h. unabhängig davon, wo und in welchem Zusammenhang er in Betracht zu ziehen ist, also für jede bekannte oder unbekannte Verwendung dieses Gegenstandes. Die Große Beschwerdekammer hat in der oben genannten Entscheidung weiter festgehalten: "Wird ein europäisches Patent im Einspruchsverfahren im Wege eines Kategoriewechsels einfach nur dadurch geändert, daß ein Anspruch für einen Gegenstand per se (z. B. einen Stoff oder ein Stoffgemisch) in einen Anspruch für eine Tätigkeit umgewandelt wird, die sich auf die Verwendung dieses Gegenstandes bezieht, so erweitert diese Änderung den Schutzbereich des Patents nicht und ist daher zulässig."
Im vorliegenden Fall ist ein Kategoriewechsel vorgenommen worden, indem nun nicht mehr ein Gleitlagerverbundwerkstoff beansprucht wird, sondern die spezifische Verwendung des Gleitlagerverbundwerkstoffes (in einer gegenüber der erteilten eingeschränkten Form) für die Herstellung von Lagerbuchsen, so daß seitens der Kammer keine Bedenken bezüglich Artikel 123 (3) EPÜ bestehen.
4. Da die Einsprechende II die einzige Beschwerdeführerin ist, ist die Patentinhaberin nur von Rechts wegen im Sinne von Artikel 107 Satz 2 EPÜ am Beschwerdeverfahren beteiligt.
Es ist daher auch zu untersuchen ob Anspruch 1 gemäß Hilfsantrag dem Verschlechterungsverbot gemäß G 9/92 (ABl. EPA 1994, 875) und G 1/99 (ABl. EPA 2001, 381) genügt. In G 9/92 wurde festgehalten, daß Änderungen, die der Patentinhaber als Beteiligter nach Artikel 107 Satz 2 EPÜ vorschlägt, von der Beschwerdekammer abgelehnt werden können, wenn sie weder sachdienlich noch erforderlich sind.
In G 1/99 wurde genauer geklärt, welche Möglichkeiten dem Patentinhaber gegeben sind, um einen im Beschwerdeverfahren vom Einsprechenden/Beschwerdeführer oder von der Kammer erhobenen Einwand auszuräumen, wenn andernfalls das in geändertem Umfang aufrecherhaltene Patent als unmittelbare Folge einer unzulässigen Änderung, die die Einspruchsabteilung in ihrer Zwischenentscheidung für gewährbar erachtet hatte, widerrufen werden müßte. Die Große Beschwerdekammer hat beschlossen, daß zur Beseitigung des Mangels, der Patentinhaber/Beschwerdegegner die Möglichkeit haben kann, in erster Linie eine Änderung zu beantragen, durch die ein oder mehrere Merkmale aufgenommen werden, die den Schutzbereich des Patents in der aufrechterhaltenen Fassung einschränken.
Im vorliegenden Fall sind Änderungen eindeutig erforderlich, da ansonsten als unmittelbare Folge der Tatsache, daß Anspruch 1 gemäß Hauptantrag nach Auffassung der Kammer gegen Artikel 123 (3) EPÜ verstößt, das in geändertem Umfang von der Einspruchsabteilung für aufrechterhaltbar erachtete Patent widerrufen werden müßte.
Wie aus Punkt 3.2 schon hervorgeht, ist der Schutzbereich des Anspruchs 1 gemäß Hilfsantrag gegenüber dem Schutzbereich der erteilten Ansprüche eindeutig eingeschränkt.
Wie oben unter Punkt 2.4 erläutert, erstreckt sich der Schutzbereich des Anspruchs 1 gemäß Hauptantrag auf jede Art Gleitlagerbuchse, die die gleichen Merkmale besitzt, wie Gleitlagerbuchsen, die als Ergebnis eines beliebigen Herstellungsverfahrens zu betrachten sind, bei welchem der dort spezifisch definierte Gleitlagerverbundwerkstoff verwendet wird.
Nun wird in Anspruch 1 gemäß Hilfsantrag, durch einen Kategoriewechsel, nur noch die Verwendung des gleichen Gleitlagerverbundwerkstoffs für die Herstellung von Lagerbuchsen beansprucht. In anderen Worten der Schutzbereich erstreckt sich nicht mehr auf Gleitlagerbuchsen, die z. B. möglicherweise auch unter Verwendung eines anderen Stoffes hergestellt werden, sondern nur noch auf die Verwendung des spezifischen Verbundstoffes für die Herstellung von Lagerbuchsen.
Nach Auffassung der Kammer ist dies eine eindeutige Einschränkung des Schutzbereiches gegenüber dem Schutzbereich des von der Einspruchabteilung für gewährbar erachteten Anspruchs 1. Da die Patentinhaberin dadurch schlechter gestellt ist, als mit der von der Einspruchsabteilung für gewährbar erachteten Fassung von Anspruch 1, hat sich die Lage der Beschwerdeführerin nicht verschlechtert. Die in der G 9/92 und der G 1/99 gestellten Erfordernisse sind daher erfüllt.
5. Der von der Beschwerdeführerin erhobene Klarheitseinwand ist nach Auffassung der Kammer nicht gerechtfertigt. Die Beschwerdeführerin meinte, daß Anspruch 1 gegen Artikel 84 EPÜ verstöße, da wenn man zum Beispiel von der Untergrenze von 28 Gew.% Zink ausgehe, man unter Berücksichtigung der oberen Grenzwerte von Silizium und Kupfer nur maximal 99,3 Gew.% erreiche. Es stelle sich daher die Frage, welche Bestandteile die fehlenden 0,7 Gew.% ausmachen sollen. Die Kammer kann dieser Auffassung nicht folgen, da jeder Fachmann auf diesem Gebiet der Metallurgie weiß, daß in Legierungen immer einen geringen Bestandteil an Verunreinigungen vorhanden ist. 0,7 Gew.% ist auch die Größenordnung von solchen Bestandteilen, so daß der Fachmann in keiner Weise die Mengenangaben im Anspruch als ungenaue Definition betrachten würde.
6. Die Verwendung gemäß Anspruch 1 ist neu, da keines der zitierten Dokumente eine Verwendung eines Gleitlagerverbundwerkstoffs für die Herstellung von Lagerbuchsen offenbart, wobei der Verbundwerkstoff aus einer Stützschicht aus Stahl oder rostfreiem Stahl besteht, die unlösbar mit einer Schicht aus einer Kupfer-Zink-Knetlegierung, die aus 28 bis 32 Gew.% Zink, 0,7 bis 1,3 Gew.% Silizium und 66 bis 70 Gew.% Kupfer zusammengesetzt ist und eine Dicke von 0,1 bis 1,5 mm besitzt, verbunden ist.
Die Neuheit wurde von der Beschwerdeführerin auch nicht in Frage gestellt.
7. Bezüglich der erfinderischen Tätigkeit führt die Beschwerdeführerin aus, daß die D6 eine Kolbenbolzenlagerbuchse offenbare, die aus einem Gleitlagerverbundwerkstoff hergestellt worden sei, der aus einer Stützschicht aus Stahl bestehe, die unlösbar mit einer Schicht aus einer Kupferlegierung, die eine Dicke von 0,2 bis 0,5 mm - also im Bereich von 0,1 bis 1,5 mm - besitze, verbunden sei. Die Beschwerdeführerin führt weiter aus, daß die D91 dann einen Fachmann, der eine Kupferlegierung suche, die höheren Belastungen noch besser standhalten kann, zwangsläufig zu der beanspruchten Legierung führe.
Dieser Argumentationslinie kann sich die Kammer nicht anschließen.
D6 betrifft Gleitlager für Dieselmotoren. In Abschnitt 4. auf Seite 3 wird zunächst erwähnt, daß bei modernen Fahrzeug-Dieselmotoren dünnwandige Gleitlager aus Mehrschichtwerkstoffen verwendet werden. Es wird dann erwähnt, daß bei Pleuellagern im allgemeinen das Verhältnis von Wanddicke zum Durchmesser zwischen 0,02 und 0,03 angesetzt wird, und daß die Schichtdicke des Lagermetalls etwa zwischen 0,2 und 0,5 mm liegt. Im gleichen Abschnitt wird noch das Herstellungsverfahren angesprochen. Es wird dabei erklärt, daß das Aufgießen und das Walzplattieren benutzt werden, um die Schichten miteinander zu verbinden. Es wird in diesem Zusammenhang immer wieder von Lagerschalen gesprochen und nicht von Lagerbuchsen, was durchaus auch Sinn macht, da die Pleuellager von Dieselmotoren aus Schalen bestehen und nicht aus Buchsen. In Abschnitt 7 werden die Legierungen erwähnt, die für die Lagermetallschicht verwendet werden, nämlich Guß- Bleibronze (ca. 77% Cu, 22% Pb, 1% Sn) oder eine Aluminiumlegierung (ca.93% Al, 6% Sn, 1% Cu).
Erst in Abschnitt 10 auf Seite 6, wo die Kolbenbolzenlagerung angesprochen wird, wird auf Buchsen aus Mehrschichtwerkstoff hingewiesen. Es wird hier darauf hingewiesen, daß bei solchen Buchsen eine Blei- Zinnbronze (80% Cu, 10% Sn und 10%Pb) als Metallauflage verwendet wird.
Im Zusammenhang mit der Kolbenbolzenlagerung ist keine Schichtdicke für die Metallauflage explizit offenbart. Nach Auffassung der Kammer ist es auch weder aus D6 direkt entnehmbar noch zwangsläufig so, daß für die Kolbenbolzenlagerung und für die Pleuellagerung die gleiche Metallschichtdicken verwendet werden, da zum einen für die Kolbenbolzenlagerung Buchsen und für die Pleuellagerung Schalen verwendet werden, zum zweiten die Art der Belastungen sehr unterschiedlich sind, und zum dritten die D6 unterschiedliche Lagermetalle für die zwei Lager vorschlägt.
Es braucht jedoch nicht näher hierauf eingegangen zu werden, da selbst wenn man davon ausginge, daß für die Kolbenbolzenlagerbuchsen und für die Pleuellagerschalen die gleiche Lagermetallschichtdicke verwendet würde, die Verwendung gemäß Anspruch 1 trotzdem erfinderisch ist.
Geht man davon aus, daß bei der Kolbenbolzenbuchse das Lagermetall auch in einer Schichtdicke zwischen 0,2 und 0,5 mm vorhanden ist, so bleibt als Unterschied die verwendete Kupfer-Zinklegierung CuZn31Si.
Diese Kupfer-Zinklegierung ist härter als die Blei- Zinnbronze (80% Cu, 10% Sn und 10%Pb), die in D6 für die Kolbenbolzenbuchse eingesetzt wird, so daß die Kolbenbolzenbuchse mit der Kupfer-Zinklegierung in der Lage sein wird höhere Belastungen zu ertragen.
Geht man also von der Kolbenbolzenbuchse gemäß D6 aus, so kann das objektive Problem darin gesehen werden, die Buchse gemäß D6 so zu verbessern, daß sie in der Lage ist höhere Belastungen zu ertragen.
Nach Auffassung der Kammer kann die D91 den Fachmann zu der Lösung dieser Aufgabe nach Anspruch 1 nicht heranführen. Auf Seite 367 lehrt diese Schrift zwar, daß die Legierung SoMs58A12 (CuZn40A12) eine erhöhte Belastbarkeit und einen größeren Verschleißwiderstand zeigt als die für Gleitlager vielfach verwendeten Rotgußlegierungen wie Rg7, und auf Seite 369 lehrt sie weiter, daß die Belastbarkeit der SoMs68 (CuZn31Si), die der SoMs58A12 (CuZn40A12) besonders im Gebiet erhöhter Temperaturen noch übertrifft, doch wird hier die Benutzung als Monometall angesprochen. Die Benutzung dieser Legierungen als Lagermetall auf einem Stahlrücken zum herstellen von Lagerbuchsen wird überhaupt nicht angesprochen.
Es ist sogar fraglich, ob der Fachmann einen solchen Schriftauszug überhaupt in Betracht ziehen würde, da er weder spezifisch von Lagerbuchsenherstellung, noch von Lagerverbundwerkstoffen handelt. Berücksichtigt der Fachmann diese Schrift trotzdem, so lehrt sie ihn höchstens von der Mehrschichtwerkstoffkolbenlagerbuchse mit Blei-Zinnbronze (80% Cu, 10% Sn und 10%Pb) als Lagermetall abzusehen und wieder eine Monometallbuchse aus SoMs68 (CuZn31Si) auszuprobieren und einzusetzen.
Die anderen Dokumente führen auch nicht zu der beanspruchte Lösung.
Obwohl in D13 mehrere Beispiele von Gleitlagerverbundwerstoffen mit einer Stahlstützschicht gezeigt und kommentiert werden, wird wieder im Zusammenhang mit den Sondermessingen eine Benutzung auf Stahlband nicht angesprochen.
Auch D10 und die D8 weisen lediglich auf die Benutzung von SoMs68 (CuZn31Si) als Monometall hin, um gerollte Buchsen herzustellen.
Im Produktionsprogramm D7 werden zwar mit einer Kupfer- Zinklegierung plattierte Bänder erwähnt, allerdings werden weder die Verwendungszwecke solcher Bänder zitiert, noch ist die genau beanspruchte Legierung aufgelistet.
Die D4 befaßt sich mit der Verbesserung von Doppel- Metall-Lagerschalen, die in Verbrennungsmotoren eingesetzt werden, und die aus einer Stahlstütz- Lagerschale und einem Ausguß aus einer Kupfer-Blei- Bronze besteht. D4 schlägt vor, eine manganhaltige Kupferlegierung als Laufschicht zu benutzen, die 5% bis 15% Mangan, bis zu 35% Zink, bis 1% Silizium und Rest Kupfer enthalten kann.
In diesem Dokument wird auch darauf hingewiesen, daß je nach Zusammensetzung, die Kupfer-Mangan-Legierungen größere spezifische Belastungen als herkömmliche Lagermetalle auf Kupferbasis aushalten, so daß der Fachmann, der eine bessere Legierung für die Kolbenbolzenbuchse nach D6 sucht, eher zuerst durch die D4, die auch von einem Verbundwerkstoff mit Stahlstützschicht handelt, zu dieser Kupfer-Mangan- Legierung geführt werden würde.
Nach Auffassung der Kammer wird somit der Fachmann, der eine bessere Legierung für die Herstellung von Kolbenbolzenbuchsen nach D6 sucht, durch den zitierten Stand der Technik nicht zu der Lösung nach Anspruch 1 geführt.
Die Beschwerdeführerin war weiterhin der Auffassung, daß die allgemeine Entwicklung auf dem betreffenden Gebiet, Gleitlager verlange, die höhere Belastungen aushalten, so daß der Fachmann zwangsläufig die beanspruchte Materialkombination ausprobiert hätte, um Lagerbuchsen herzustellen.
Die Kammer kann dem nicht folgen. Auch wenn der Fachmann unter diesen Umständen die Kupfer-Zink-Legierung CuZn31Si ausprobieren könnte, beweist das noch nicht, daß er es tatsächlich auch machen würde, wenn der Stand der Technik nicht in diese Richtung zeigt. Auch bleibt die Frage offen, ob er bei Verwendung von einer Kupfer- Zink-Legierung CuZn31Si für die Buchse aus D6 die gleiche Schichtdicke wie in D6 für Pleuelschalen empfohlen beibehalten würde.
8. Da Anspruch 1 gemäß Hilfsantrag schon im schriftlichen Beschwerdeverfahren als Hilfsantrag 9 vorlag, kann die an der mündlichen Verhandlung abwesende Einsprechende I durch die Entscheidung nicht überrascht sein.
ENTSCHEIDUNGSFORMEL
Aus diesen Gründen wird entschieden:
1. Die angefochtene Entscheidung wird aufgehoben.
2. Die Sache wird an die erste Instanz mit der Auflage zurückverwiesen, das Patent mit folgenden Unterlagen aufrechtzuerhalten: Ansprüche 1 und 2 und Beschreibung gemäß Hilfsantrag wie eingereicht in der mündlichen Verhandlung.