T 0271/04 01-06-2005
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Schaltungsanordnung zur Ansteuerung einer Anzeige
I. Die europäische Patentanmeldung Nr. 02 003 965.7 wurde wegen mangelnder erfinderischer Tätigkeit zurückgewiesen (Artikel 52 (1) und 56 EPÜ).
II. Die Anmelderin legte gegen diese Entscheidung Beschwerde ein, beantragte die Erteilung eines Patents auf der Grundlage geänderter Patentunterlagen, die Rückzahlung der Beschwerdegebühr sowie die Anberaumung einer mündlichen Verhandlung.
III. Die Prüfungsabteilung hat der Beschwerde gegen die Zurückweisung der Anmeldung fristgerecht abgeholfen (Artikel 109 (1) EPÜ) und nach weiteren Änderungen der Ansprüche ein Patent erteilt.
Da die Prüfungsabteilung dem Antrag auf Rückzahlung der Beschwerdegebühr nicht stattgegeben hat, wurde der Fall der Beschwerdekammer vorgelegt, um über den Rückzahlungsantrag zu entscheiden.
IV. Die Beschwerdeführerin beantragt die Rückzahlung der Beschwerdegebühr, weil die Zurückweisung der Patentanmeldung bereits nach der auf den ersten Prüfungsbescheid eingereichten Eingabe der Anmelderin erfolgte, ohne dass der Anmelderin Gelegenheit gegeben wurde, auf die Stellungnahme der Prüfungsabteilung zu der von der Anmelderin in dieser Eingabe aufgeführten Argumentation antworten zu können.
V. Der Sachverhalt im Prüfungsverfahren lässt sich im wesentlichen wie folgt zusammenfassen:
a) Die Prüfungsabteilung hat in ihrem einzigen Bescheid der Anmelderin mitgeteilt, dass der Gegenstand des Anspruchs 1 durch die Druckschriften D1 bzw. D2 neuheitsschädlich getroffen sei (vgl. Punkt 2 des Bescheids). Es wurde auch darauf hingewiesen, dass die Merkmale der abhängigen Ansprüche aus der Druckschrift D1 bzw. D2 bekannt seien (vgl. Punkt 3).
Ferner sei die in der Beschreibung dargestellte Multiplexansteuerung ein allgemein bekannter Stand der Technik. So offenbare z. B. die Druckschrift D2 einen Treiberbaustein zur Multiplexansteuerung einer LCD-Anzeige und die Druckschrift D3 einen Treiberbaustein zur Multiplexansteuerung einer VFD-Anzeige. Aus diesem Grund sei ein geänderter Satz von Ansprüchen, der zusätzlich eine Multiplexansteuerung der Anzeige beanspruche, nicht erfinderisch (vgl. Punkt 4).
Der Bescheid endet mit dem Hinweis, dass gegenwärtig nicht erkennbar sei, welcher Teil der Anmeldung als Grundlage für einen neuen gewährbaren Anspruch dienen könne. Es sei deshalb mit der Zurückweisung der Anmeldung zu rechnen (vgl. Punkt 5).
b) In ihrem Antwortschreiben hat die Anmelderin neue unabhängige Patentansprüche eingereicht, die das Merkmal einer Multiplexansteuerung enthalten, und ferner Ausführungen zur erfinderischen Tätigkeit einer Multiplexansteuerung der Anzeigen gemacht. So biete die Verwendung eines gemeinsamen Treiberbausteins erstens den Vorteil, dass jedes Display der verschiedenen Anzeigearten an dieselben Anschlüsse angeschlossen werden könne. Zum anderen bräuchten die Steuerblöcke lediglich die digitalen Steuersignale zu liefern, aus denen die analogen Ansteuersignale erst in dem Treiberbaustein erzeugt würden. Somit seien die Steuerblöcke einfach, klein und preisgünstig zu gestalten. Eine Einsparung an Platz, Aufwand und Geld sei deshalb die Folge einer Multiplexansteuerung (vgl. Seite 3 dieses Schreibens).
c) Auf dieses Schreiben folgte die Zurückweisung der Anmeldung. Die Prüfungsabteilung argumentierte in der beanstandeten Entscheidung wie folgt:
Der neu eingereichte Anspruch 1 unterscheide sich von der vorhergehenden Fassung dieses Anspruchs im wesentlichen durch die Aufnahme des Merkmals der Multiplexansteuerung der VFD-, LED- und LCD-Anzeigen (vgl. Punkt 4 des Sachverhalts).
Der Gegenstand des geänderten Anspruchs 1 sei zwar neu, beinhalte jedoch keine erfinderische Tätigkeit im Hinblick auf eine Kombination der Druckschrift D1 mit dem allgemein bekannten Stand der Technik, wie aus den Druckschriften D2 und D3 ersichtlich sei.
Das Argument der Anmelderin, es gebe in den Druckschriften D2 und D3 keinerlei Hinweise zur Anwendung des Multiplexverfahrens zur Ansteuerung aller drei Anzeigearten, sei nicht überzeugend, da erstens der Übergang von einer statischen zu einer Multiplexansteuerung allgemein bekannter Stand der Technik sei, es zweitens keinerlei Hinweise gebe, dass dieser Übergang für den Fachmann nicht naheliegend sei und drittens keine Merkmale in der ursprünglich eingereichten Beschreibung offenbart seien, die zu dieser Modifikation führten und als erfinderisch betrachtet werden könnten. Ferner weise auch die Beschreibung darauf hin, dass eine Multiplexansteuerung ein aus dem Stand der Technik allgemein bekanntes Verfahren sei.
VI. Auf eine Mitteilung der Kammer nahm die Beschwerdeführerin ihren Antrag auf mündliche Verhandlung zurück.
1. Die Beschwerde ist zulässig.
2. Die Prüfungsabteilung hat der Beschwerde gegen die Zurückweisung der Anmeldung abgeholfen (Artikel 109 (1) EPÜ) und das Prüfungsverfahren wieder aufgenommen.
Der Fall wurde jedoch der Beschwerdekammer vorgelegt, um über den Rückzahlungsantrag zu entscheiden, da die Prüfungsabteilung dem Antrag auf Rückzahlung der Beschwerdegebühr nicht stattgegeben hat.
3. Die Frage der Zuständigkeit über solche Anträge wurde von der Großen Beschwerdekammer mit der Entscheidung G 3/03 vom 28. Januar 2005 wie folgt beantwortet:
"1. In the event of interlocutory revision under Article 109(1) EPC, the department of the first instance whose decision has been appealed is not competent to refuse a request of the appellant for reimbursement of the appeal fee.
2. The board of appeal which would have been competent under Article 21 EPC to deal with the substantive issues of the appeal if no interlocutory revision had been granted is competent to decide on the request."
Es folgt hiervon, dass die mit dem vorliegenden Fall befasste technische Beschwerdekammer über die Rückzahlung der Beschwerdegebühr zu befinden hat.
4. Regel 67 EPÜ sieht vor, dass eine Rückzahlung der Beschwerdegebühr angeordnet wird, wenn i) der Beschwerde abgeholfen oder ihr durch die Kammer stattgegeben wird und ii) die Rückzahlung wegen eines wesentlichen Verfahrensmangels der Billigkeit entspricht.
Da der Beschwerde abgeholfen wurde, ist zu untersuchen, ob das Vorgehen der Prüfungsabteilung einen wesentlichen Verfahrensmangel enthält, nämlich ob das im Artikel 113 (1) EPÜ vorgeschriebene rechtliche Gehör der Anmelderin verletzt wurde.
5. Die Kammer kann in dem unter Punkt V dargestellten Sachverhalt keinen wesentlichen Verfahrensmangel erkennen, der eine Rückzahlung der Beschwerdegebühr der Billigkeit wegen rechtfertigen würde.
Der Anmelderin wurde im Prüfungsbescheid mitgeteilt und ausreichend begründet, warum die Aufnahme des Merkmals der Multiplexansteuerung dem unabhängigen Anspruch keine erfinderische Tätigkeit verleihen könne. Dem Erfordernis des Artikels 113 (1) EPÜ (rechtliches Gehör) wurde hiermit genüge getan, da der Anmelderin alle Gründe, die gegen eine Patenterteilung sprachen, mitgeteilt wurden. Sie hat deshalb mit einer Zurückweisung der Anmeldung rechnen müssen, falls ihre Argumentation die Prüfungsabteilung nicht überzeugen sollte. Auf die Möglichkeit der Zurückweisung der Anmeldung wurde die Beschwerdeführerin ausdrücklich im Prüfungsbescheid hingewiesen. Um eine Zurückweisung zu verhindern und eine weitere Gelegenheit zu erhalten, Argumente vorzubringen, hätte die Anmelderin einen Antrag auf mündliche Verhandlung nach Artikel 116 EPÜ stellen müssen.
Nach der ständigen Rechtsprechung der Beschwerdekammern liegt eine weitere Aufforderung zur Stellungnahme gemäß Artikel 96 (2) EPÜ im Ermessen der Prüfungsabteilung. Aus den Worten "so oft wie erforderlich" in diesem Artikel geht hervor, dass die Prüfungsabteilung über einen Ermessensspielraum verfügt, von dem sie nach Lage des Falles objektiv Gebrauch machen muss. Es ist jedoch nach Artikel 113 (1) EPÜ nicht erforderlich, der Anmelderin erneut die Gelegenheit zur Stellungsnahme zu geben, wenn dieselben Einwände gegen die Erteilung eines Patents bestehen bleiben (vgl. Rechtsprechung der Beschwerdekammern, 4. Auflage 2001, VII.B.3.1).
Ein weiterer schriftlicher Bescheid hätte nur die schon im Erstbescheid benannten Mängel wiederholt. Eine telephonische Mitteilung dieses Sachverhalts an die Anmelderin mit der Warnung, dass die Anmeldung zurückgewiesen werde, wäre unter diesen Umständen angezeigt gewesen. Da dieses Vorgehen im EPÜ jedoch nicht vorgeschrieben ist, kann sein Ausbleiben keinen Verfahrensmangel begründen.
6. Aus diesen Gründen gelangt die Kammer zu der Entscheidung, dass die Erfordernisse der Regel 67 EPÜ zur Rückzahlung der Beschwerdegebühr nicht erfüllt sind.
ENTSCHEIDUNGSFORMEL
Aus diesen Gründen wird entschieden:
Der Antrag auf Rückzahlung der Beschwerdegebühr wird zurückgewiesen.