T 0966/04 (Gerinnungsfaktor V mit erhöhter Stabilität/DADE BEHRING) 07-12-2006
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Verfahren zum spezifischen Nachweis eines aktivierten Gerinnungsfaktor V mit einer erhöhten Stabilität gegenüber aktiviertem Protein C
Zulässigkeit der Änderungen - (ja)
Verstoß gegen Regel 57a - (nein)
Erfinderische Tätigkeit - (ja)
I. Die Patentinhaberin und die Einsprechende haben gegen die Entscheidung der Einspruchsabteilung Beschwerde eingelegt mit der das Europäische Patent Nr. 0 711 838 in geändertem Umfang gemäß Artikel 102 (3) EPÜ aufrechterhalten wurde.
II. Gegen das Patent war wegen fehlender Neuheit (Artikel 54 EPÜ) und fehlender erfinderischer Tätigkeit (Artikel 56 EPÜ) gemäß 100 a) EPÜ Einspruch erhoben worden.
III. Die Einspruchsabteilung hatte entschieden, dass Anspruch 1 des ihr vorliegenden Hauptantrages nicht neu im Sinne von Artikel 54 EPÜ sei und dass Anspruch 1 des Hilfsantrags 1, sowie Anspruch 1 des Hilfsantrags 2 nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit gemäß den Anforderungen von Artikel 56 EPÜ beruhten.
Sie entschied, dass der Gegenstand der Ansprüche 1 bis 37 des ihr vorliegenden Hilfsantrages 3 alle Erfordernisse des EPÜ erfüllt.
IV. Mit Schreiben vom 21. Juli 2005 teilte die Einsprechende der Kammer mit, dass sie ihren Einspruch und ihre Beschwerde zurücknimmt. Sie ist damit bezüglich substantieller Punkte nicht mehr als Partei am vorliegenden Verfahren beteiligt.
V. Die Kammer teilte ihre vorläufige Meinung in einem Bescheid am 15. Mai 2006 mit.
Die mündliche Verhandlung vor der Beschwerdekammer fand am 7. Dezember 2006 statt.
VI. Der Kammer lagen folgende Anträge vor:
Die Patentinhaberin (Beschwerdeführerin) beantragte die Aufhebung der angefochtenen Entscheidung und die Aufrechterhaltung des Patents auf der Basis der Ansprüche 1 bis 46 des neuen Hauptantrags, eingereicht in der mündlichen Verhandlung.
VII. Die unabhängigen Ansprüche des neuen Hauptantrages der Beschwerdeführerin lauten folgendermaßen:
"1. Verfahren zum qualitativen Nachweis und zur quantitativen Bestimmung der Stabilität des aktivierten Gerinnungsfaktors V gegenüber proteolytischem Abbau in einer Probe einer biologischen Flüssigkeit, das folgende Schritte einschliesst:
a) Mischen der Probe mit Faktor V-Mangelplasma humanen oder tierischen Ursprungs als Reagenz A, dessen Gehalt an funktionsfähigem Faktor V gegenüber normalem, humanen Plasma verringert ist und das Zusätze zur Neutralisierung von Heparin enthält und Faktor VIII im Konzentrationsbereich zwischen 0,7 und 1,3 E/ml enthält,
b) Zugabe eines Reagenz B zur Aktivierung des Faktor V der Probe,
c) Zugabe eines Reagenz C zum proteolytischen Abbau des aktivierten Faktor V der Probe,
d) Zugabe von Reagenzien zur Bestimmung der residualen Faktor Va-Aktivität,
wobei der Anteil des Probenvolumens am gesamten Testvolumen maximal 20 %, vorzugsweise jedoch weniger oder gleich 10 % beträgt.
43. Verfahren zum qualitativen Nachweis und zur quantitativen Bestimmung der Stabilität des aktivierten Gerinnungsfaktors V gegenüber proteolytischem Abbau in einer Probe einer biologischen Flüssigkeit, das folgende Schritte einschliesst:
a) Mischen der Probe mit einem Reagenz A, dessen Gehalt an funktionsfähigem Faktor V gegenüber normalem, humanen Plasma verringert ist,
b) Zugabe eines Reagenz B zur Aktivierung des Faktor V der Probe,
c) Zugabe eines Reagenz C zum proteolytischen Abbau des aktivierten Faktor V der Probe,
d) Zugabe von Reagenzien zur Bestimmung der residualen Faktor Va-Aktivität,
wobei der Anteil des Probenvolumens am gesamten Testvolumen maximal 20 %, vorzugsweise jedoch weniger oder gleich 10 % beträgt und wobei die Aktivierung des Faktors V der Probe direkt durch Zugabe von Faktor V-Aktivatoren aus Schlangengift, besonders bevorzugt Faktor V-Aktivator aus dem Gift von Vipera russelli erfolgt."
VIII. Die abhängigen Ansprüche 2 bis 42 beziehen sich auf bevorzugte Ausführungsformen des Verfahrens gemäß Anspruch 1.
Anspruch 43 unterscheidet sich vom Anspruch 1 des Hilfsantrages 3 vor der Einspruchsabteilung, auf dessen Basis das Patent gemäß Artikel 102 (3) EPÜ aufrechterhalten wurde, lediglich durch das fakultative Merkmal "... besonders bevorzugt Faktor V-Aktivator aus dem Gift von Vipera russelli ...". Die abhängigen Ansprüche 44 bis 46 beziehen sich auf bevorzugte Ausführungsformen des Verfahrens gemäß Anspruch 43.
IX. In dieser Entscheidung werden folgende Entgegenhaltungen erwähnt:
(1) Lancet, Bd. 344, 1994, Seiten 1162 bis 1163
(7) Nature, Bd. 369, Mai 1994, Seiten 64 bis 67
(16) Thrombosis and Haemostasis, Bd. 74, Nr. 4, 1995, Seiten 1198 bis 1199
(17) Blood Coagulation and Fibrinolysis, Bd. 10, Nr. 1, 1999, Seiten 7 bis 17
(18) Blood Coagulation and Fibrinolysis, Bd. 2, 1991, Seiten 705 bis 712
(20) Mini-Print of Poster presentation at the German GTH meeting, 1991; eingereicht von der Einsprechenden am 10. März 2005
(23) Versuchsbericht, eingereicht von der Beschwerdeführerin am 29. Juni 2005
X. Die Argumente der Beschwerdeführerin, soweit sie für die Entscheidung von Bedeutung sind, können folgendermaßen zusammengefasst werden:
Der Gegenstand von Anspruch 1 unterschiede sich von der Offenbarung der Entgegenhaltung (1), die den nächsten Stand der Technik darstellte, dadurch, dass im beanspruchten Verfahren ein Faktor V-Mangelplasma mit definierten Zusätzen verwendet würde. Aufgabe der Erfindung wäre es demnach, einen verbesserten Test für die Bestimmung der Stabilität des aktivierten Faktors V (Faktor Va) gegenüber proteolytischem Abbau durch aktiviertes Protein C (APC) zur Verfügung zu stellen, dessen Störungsanfälligkeit gegenüber dem aus dem Stand der Technik bekannten Test verringert wurde.
Entgegenhaltung (1) enthielte keinen Hinweis, der den Fachmann dazu ermuntert hätte, das verwendete Faktor V-Mangelplasma durch die im Anspruch 1 angeführten Zusätze zu verändern, um die der Erfindung zugrunde liegende Aufgabe zu lösen. Vielmehr führte die Entgegenhaltung (1) im letzten Absatz auf Seite 1163 an, dass der darin beschriebenen Test auch in Proben von Patienten die blutverdünnende Mittel zu sich nehmen (Coumarin) durchführbar wäre, ohne dass auf neutralisierende Zusätze hingewiesen würde. Des Weiteren erwähnte die Entgegenhaltung (1) im selben Absatz die Möglichkeit, ein Faktor V- und Faktor-VIII Mangelplasma zu verwenden, um den Einflusse von Faktor VIII auf die Protein C Resistenz von aktiviertem Faktor V zu untersuchen.
Da darüber hinaus auch die anderen angeführten Entgegenhaltungen keinen Hinweis darauf enthielten, die Offenbarung in Dokument (1) zu verändern und dadurch zum Gegenstand von Anspruch 1 zu gelangen, erfüllte der Anspruch die Erfordernisse von Artikel 56 EPÜ.
XI. Die Argumente, die die Einsprechende im schriftlichen Verfahren vor der Zurücknahme des Einspruchs und der Beschwerde vorgebracht hat, soweit sie für die Entscheidung von Bedeutung sind, können folgendermaßen zusammengefasst werden:
Das Vorhandensein eines zweiten unabhängigen Anspruchs (Anspruch 43) wäre durch keinen Einspruchsgrund gemäß Artikel 100 EPÜ veranlasst und wäre daher unzulässig im Sinne der Erfordernisse von Regel 57a EPÜ.
Der Gegenstand von Anspruch 1 hätte keine Basis in der ursprünglich eingereichten Anmeldung und entspräche daher nicht den Anforderungen von Artikel 123 (2) EPÜ. Da das Patent nicht offenbare, mit welcher Messmethode die Bestimmung der Faktor VIII Einheiten erfolgte, läge auch ein Verstoß gegen die Erfordernisse von Artikel 83 EPÜ vor.
Die Zugabe von Heparin neutralisierenden Zusätzen zu den Reagenzien, die in Tests zur Bestimmung verschiedener Faktoren des Blutgerinnungssystems verwendet werden, wäre üblich und gehörte zum Allgemeinwissen eines Fachmanns auf diesem Gebiet. Die laut Anspruch 1 im Faktor V-Mangelplasma vorhandene Menge Faktor VIII entspräche der normalen Faktor-VIII-Konzentration in menschlichem Plasma. Da das in Entgegenhaltung (1) verwendete Mangelplasma lediglich einen verringerten Gehalt an Faktor V aufwiese, sonst jedoch einem normalen menschlichen Blutplasma entspräche, wäre sein Faktor VIII-Gehalt höchstwahrscheinlich im Bereich von 0,7 bis 1,3 E/ml, also wie im Anspruch 1 angeführt.
Keines der beiden Merkmale, die in Anspruch 1 im Vergleich zum Anspruch 1 wie erteilt aufgenommen wurden, wäre daher geeignet, das beanspruchte Verfahren erfinderisch gegenüber dem Stand der Technik zu machen.
1. Anspruch 1 beruht auf den Ansprüchen 1, 2, 11 und 38 wie ursprünglich eingereicht. Anspruch 43 basiert auf den ursprünglich eingereichten Ansprüchen 1 und 21.
Die abhängigen Ansprüche 2 bis 42 beruhen auf den ursprünglich eingereichten Ansprüchen 2 bis 42, Ansprüche 44 bis 46 beruhen auf den Ansprüchen 2, 27 bzw. 28 wie ursprünglich eingereicht.
Gegenüber Anspruch 1 wie erteilt enthalten die Ansprüche 1 und 43 zusätzliche Merkmale, die eine Einschränkung des Schutzbereiches bewirken.
Die Erfordernisse von Artikel 123 (2) und 123 (3) EPÜ sind daher erfüllt.
2. Anspruch 1 wie erteilt wurde von der Einspruchsabteilung als nicht neu im Lichte der Offenbarung in Entgegenhaltung (1) erachtet. Der Gegenstand der unabhängigen Ansprüche 1 und 43 bezieht sich jeweils auf eine spezielle vom Anspruch 1 in der erteilten Fassung umfasste Ausführungsform. Die Ansprüche stellen eine durch einen Einspruchsgrund (Artikel 100 (a) EPÜ im Zusammenhang mit Artikel 54 EPÜ) veranlasste Beschränkung von Anspruch 1 wie erteilt dar und verstoßen daher nicht gegen die Erfordernisse von Regel 57a EPÜ.
3. Artikel 100 (b) EPÜ im Zusammenhang mit Artikel 83 EPÜ war kein von der Einsprechenden vorgebrachter Einspruchsgrund. Der Einwand, wonach die Erfindung gemäß Anspruch 1 die Erfordernisse von Artikel 83 EPÜ verletze, da das Patent nicht angebe, mit welcher Methode die Faktor VIII Konzentration des Faktor V-Mangelplasmas gemessen wird, stellt somit einen neuen Einspruchsgrund dar. Da die Einführung eines neuen Einspruchsgrundes die Zustimmung der Patentinhaberin benötigt und diese im vorliegenden Fall nicht vorliegt, wird die Kammer diesen Einwand nicht überprüfen (siehe Entscheidung der Grossen Beschwerdekammer G 10/91 OJ EPO 1993, 420).
4. Die Neuheit des beanspruchten Gegenstandes wurde im vorliegenden Verfahren nicht in Frage gestellt. Auch die Kammer vertritt die Auffassung dass das Verfahren gemäß Ansprüchen 1 und 43 neu gegenüber dem aktenkundigen Stand der Technik ist (Artikel 54 EPÜ).
5. Die Erfindung bezieht sich auf ein Verfahren zum Nachweis der Stabilität des Gerinnungsfaktors Va gegenüber proteolytischem Abbau durch APC. Ursache für diese erhöhte Stabilität ist das Vorhandensein einer Variante von Faktor V, bei der in der APC Spaltregion Arginin an Position 506 durch Glutamin ersetzt ist. Durch diesen Defekt, der auch als "Faktor V-Leiden" bekannt ist, kann Faktor Va fast nicht mehr oder nur sehr schlecht durch APC inaktiviert werden, was ein erhöhtes Thromboserisiko zur Folge hat.
Tests zur Bestimmung der APC Resistenz von Plasma, die bereits bekannt waren bevor der Einfluss der Faktor V-Leiden Mutation entdeckt wurde (siehe z.B. Entgegenhaltung (7)), sind nicht empfindlich genug, um spezifisch zur Bestimmung der Stabilität von Faktor Va gegenüber APC verwendet werden zu können.
6. Entgegenhaltung (1) stellt den nächstliegenden Stand der Technik dar. Dort wird ein modifizierter Test zur Bestimmung der Stabilität von Faktor Va gegenüber proteolytischem Abbau durch APC beschrieben, der sich vom bekannten, in Entgegenhaltung (7) beschriebenen Test dadurch unterscheidet, dass die zu untersuchende Plasma-Probe im Verhältnis 1:5 mit Faktor V-Mangel-plasma verdünnt wird. Es wurde gefunden, dass die Empfindlichkeit des Tests durch diesen Verdünnungsschritt erheblich verbessert wird (siehe Entgegenhaltung (1), Seite 1162, rechte Spalte, letzter vollständiger Absatz und Seite 1163, linke Spalte, letzter Absatz).
7. Das Verfahren gemäß vorliegendem Anspruch 1 unterscheidet sich davon dadurch, dass das verwendete Faktor V-Mangelplasma zwei definierte Zusätze enthält. Zum einem wurde ein Zusatz zur Neutralisierung von in der Plasma-Probe eventuell enthaltenem Heparin beigefügt, zum anderen wird sichergestellt, dass das Faktor V-Mangelplasma zwischen 0,7 und 1,3 E/ml Faktor VIII enthält.
8. Angesichts der Offenbarung in Entgegenhaltung (1) lag dem Streitpatent die Aufgabe zugrunde, einen verbesserten Test zur Verfügung zu stellen, dessen Störungs-Anfälligkeit gegenüber dem aus dem Stand der Technik bekannten Test verringert wurde.
9. Die Kammer ist davon überzeugt, dass diese Aufgabe durch das Verfahren gemäß Anspruch 1 gelöst wurde.
10. In Anwesenheit von Heparin oder anderer oraler Antikoagulantien ist es bei der Durchführung von Tests zur Messung der Blutgerinnungszeit (z.B. aktivierte partielle Thromboplastin Zeit (APTT)) nicht möglich, den Einfluss von APC auf eine eventuell auftretende verzögerte Blutgerinnung (z.B. verlängerte APTT) festzustellen.
Dieser Nachteil wird erfindungsgemäß dadurch behoben, dass dem Faktor V-Mangelplasma ein Zusatz zur Neutralisierung von Heparin, bevorzugt Polybren (Anspruch 11), zugefügt wird.
Die Einsprechende hatte ausgeführt, dass es zum Allgemeinwissen des Fachmannes auf dem Gebiet der Blutgerinnung gehöre, Mangelplasmen, die bei der Bestimmung von Faktoren des Blutgerinnungssystems verwendet werden, mit Heparin neutralisierenden Zusätzen zu versehen, da dessen störender Einfluss auf die Messergebnisse bekannt sei. Zu diesem Zweck verwies die Einsprechende auf die Entgegenhaltungen (18) und (20).
Diese beiden Entgegenhaltungen beziehen sich auf einen Test zur Bestimmung der Aktivität von Protein S, das mit APC einen Komplex bildet, der die Faktoren Va und VIIIa proteolytisch spaltet und dadurch inaktiviert. Bei diesem Test wird ein Protein S-Mangelplasma eingesetzt, dem Polybren zugesetzt ist.
Demgegenüber offenbart Entgegenhaltung (1), wie der vorliegende Anspruch 1, ein Verfahren zur Bestimmung der Stabilität von Faktor Va gegenüber APC. Es wird darin die Meinung vertreten, dass ein solcher Test auch bei Patienten, die ein orales Antikoagulans einnehmen, (Coumarin) unter Verwendung eines handelsüblichen Faktor V-Mangelplasmas durchgeführt werden kann (siehe Seite 1162, rechte Spalte, letzter vollständiger Absatz und Seite 1163, linke Spalte, letzter Absatz). Die Notwendigkeit eines Zusatzes zur Neutralisierung von Heparin wird in Entgegenhaltung (1) nicht erwähnt.
Die Kammer kann sich daher der Meinung der Einsprechenden nicht anschließen, wonach sich ein solcher Zusatz in naheliegender Weise aus einer Kombination der Entgegenhaltungen (1) und (18) oder (20) ergeben würde.
11. Plasma-Proben mit einem abnormen Gehalt an Faktor VIII führen ebenfalls zu einer Beeinträchtigung der Testergebnisse. Sowohl ein Mangel an Faktor VIII als auch ein erhöhter Wert in der Probe, wie er bei Schwangeren und bei Personen mit entzündlichen Erkrankungen auftritt, wird als Störungsfaktor angesehen. Faktor VIII, in seiner Funktion als pro-koagulatorischer Faktor, wirkt der Spaltung von Faktor Va durch APC entgegen. Die Konzentration des im Testansatz vorhandenen Faktors VIII kann dadurch das erhaltene Testergebnis entscheidend beeinflussen. Dies wurde auch in der nachveröffentlichten Entgegenhaltung (16) beschrieben (siehe Seite 1199, letzter Satz).
Zum Ausgleich unerwünschter, abnormer Faktor VIII- Konzentrationen in der Probe wird daher im erfindungsgemäßen Verfahren ein Faktor V-Mangelplasma mit dem in Anspruch 1 definiertem Gehalt an Faktor VIII verwendet.
12. Die Einsprechende hat dazu ausgeführt, dass der im Anspruch 1 angeführte Konzentrationsbereich der normalen Faktor VIII-Konzentration im menschlichen Plasma entspräche und dass, angesichts der Tatsache, dass das in Entgegenhaltung (1) verwendete, im Handel erhältliche Faktor V-Mangelplasma lediglich einen verringerten Gehalt an Faktor V aufwiese, sonst jedoch einem normalen menschlichen Blutplasma entspräche, dieses Merkmal nicht geeignet wäre, den Gegenstand von Anspruch 1 vom Gegenstand der Entgegenhaltung (1) zu unterscheiden. Die Faktor VIII-Konzentration im Mangelplasma gemäß Entgegenhaltung (1) korrespondiere daher wahrscheinlich ("quite probably") mit der Konzentration gemäß Anspruch 1.
13. Bezüglich dieses Arguments wurde von der Beschwerdeführerin die nachveröffentlichte Entgegenhaltung (17) eingereicht, die in Tabelle 1 auf Seite 10 die Faktor VIII Aktivitäten von vier verschiedenen, im Handel erhältlichen Faktor V-Mangelplasmen vergleicht. Die gezeigten Werte schwanken zwischen 0,0 und 101,0 % der normalen Faktor VIII Konzentration in menschlichem Plasma. Die Entgegenhaltung (17) empfiehlt daher auf der Seite 14, linke Spalte, bei der Auswahl eines Faktor V-Mangelplasmas sehr sorgfältig zu sein, da nicht jedes Faktor V-Mangelplasma für die Probenverdünnung bei einem APC Resistenz-Test geeignet ist, insbesondere solche nicht, die keinen Faktor VIII enthalten.
Das im Versuchsbericht der Entgegenhaltung (23) von der Beschwerdeführerin in den Vergleichsansätzen verwendete handelsübliche Faktor V-Mangelplasma enthielt eine Faktor VIII-Konzentration, die unterhalb der Messwertgrenze, d.h. unterhalb von 10 % des Normalwertes lag.
14. Der nächstliegende Stand der Technik, die Entgegenhaltung (1), bemerkt bezüglich eines möglichen Einflusses der Faktor VIII-Konzentration im verwendeten Faktor V-Mangelplasma auf die erhaltenen Messergebnisse auf Seite 1163, dass der beschriebene Test so verändert werden könnte, dass ein Faktor V- und Faktor VIII-Mangelplasma verwendet wird.
Angesichts der Offenbarung in den zitierten Entgegenhaltungen gelangt die Kammer zu der Entscheidung, dass der Fachmann keine Veranlassung hatte, das in der Entgegenhaltung (1) verwendete Faktor V-Mangelplasma so zu verändern, dass es einen definierten Gehalt an Faktor VIII wie in Anspruch 1 angegeben aufweist.
15. Der Gegenstand von Anspruch 1, sowie der Gegenstand der davon abhängigen Ansprüche 2 bis 42, beruht somit auf einer erfinderischen Tätigkeit und erfüllt die Erfordernisse von Artikel 56 EPÜ.
16. Der unabhängige Anspruch 43 unterscheidet sich vom Anspruch 1 des Hilfsantrages 3 vor der Einspruchsabteilung, auf dessen Basis das Patent gemäß Artikel 102 (3) EPÜ aufrechterhalten wurde, durch das Merkmal "... besonders bevorzugt Faktor V-Aktivator aus dem Gift von Vipera russelli ...".
Durch das Einfügen dieses fakultativen Merkmals wird der Gegenstand des Anspruchs im Vergleich zu Anspruch 1 des Hilfsantrags 3 vor der Einspruchsabteilung nicht verändert. Da nur noch die Beschwerde der Patentinhaberin gegen die Entscheidung der Einspruchsabteilung anhängig ist, ist Anspruch 43 nicht Gegenstande des Beschwerdeverfahrens (Verbot der reformatio in peius). Dasselbe trifft auf Ansprüche 44 bis 46 zu, die sich auf bevorzugte Ausführungsformen des Verfahrens gemäß Anspruch 43 beziehen.
ENTSCHEIDUNGSFORMEL
Aus diesen Gründen wird entschieden:
1. Die angefochtene Entscheidung wird aufgehoben.
2. Die Angelegenheit wird an die erste Instanz mit der Anordnung zurückverwiesen, das Patent in geändertem Umfang mit folgender Fassung aufrechtzuerhalten:
Beschreibung: Seiten 2 bis 14, eingereicht während der mündlichen Verhandlung vom 7. Dezember 2006;
Ansprüche: 1 bis 46 des neuen Hauptantrages, eingereicht während der mündlichen Verhandlung vom 7. Dezember 2006.