T 0645/05 (Polymerdispersion/BASF) 10-01-2008
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Bindemittel für emissionsarme Beschichtungsmassen
Rohm and Haas Company
CRAY VALLEY S.A.
Unzulässige Änderung (nein)
Ausreichende Offenbarung (ja)
Neuheit (ja)
Erfinderische Tätigkeit (ja) - aufgrund von Vergleichsversuchen
I. Die Beschwerde der Einsprechenden II richtet sich gegen die Zwischenentscheidung der Einspruchsabteilung, dass das im Einspruchsverfahren geänderte Europäische Patent Nr. 0 810 274 den Erfordernissen des EPÜ genügt.
Mit den Einsprüchen war das gesamte Patent angegriffen worden aus den Gründen gemäß Artikel 100 (a) (behauptete mangelnde Neuheit und erfinderische Tätigkeit), 100 (b) und (c) EPÜ.
II. Die Grundlage der Entscheidung bildeten die Ansprüche 1 bis 18, eingereicht als Hauptantrag mit dem Schreiben mit Datum vom 15. Dezember 2004. Deren unabhängige Ansprüche 1 und 17 lauten wie folgt:
" 1. Bindemittel auf der Basis wenigstens einer wässrigen Polymerisatdispersion mit einer Mindestfilmbildetemperatur unterhalb 10 ºC, wobei die wässrige Polymerisatdispersion durch radikalische wässrige Emulsionspolymerisation einer Monomermischung, enthaltend
a) 45 bis 70 Gew.-Teile wenigstens eines Monomers, dessen Homopolymerisat eine Glastemperatur Tg < 20 ºC aufweist,
b) 30 bis 55 Gew.-Teilen wenigstens eines Monomers, dessen Homopolymerisat eine Glastemperatur Tg > 50 ºC aufweist,
c) 0 bis 0,5 Gew.-Teilen wenigstens eines Monomers mit sauren Gruppen,
d) 0,5 bis 2 Gew.-Teilen wenigstens eines weiteren Monomers, ausgewählt unter Amiden alpha,beta-ungesättigter C3-C6-Carbonsäuren, den Hydroxy-C2-C6-alkylestern alpha,beta-ungesättigter C3-C6-Carbonsäuren und N-Vinyllactamen,
mit der Maßgabe, daß die Summe der Gew.-Teile a) plus b) 100 Gew.-Teile beträgt,
in Gegenwart wenigstens eines anionischen Emulgators und wenigstens eines nichtionischen, aliphatischen Emulgators erhältlich ist.
17. Lösungsmittelfreie, emissionsarme Beschichtungsmassen in Form einer Dispersionsfarbe mit einer Pigmentvolumenkonzentration (PVK) oberhalb 60 % enthaltend wenigstens ein Bindemittel nach einem der Ansprüche 1 bis 16.".
III. Während der mündlichen Verhandlung vor der Kammer legte die Beschwerdegegnerin (Patentinhaberin) einen geänderten Anspruchsatz als nunmehr einzigen Antrag vor. Dieser unterscheidet sich lediglich dadurch von den oben unter Punkt II genannten, dass im Anspruch 1 "wenigstens eines anionischen Emulgators" ersetzt wurde durch "anionischer Emulgatoren".
IV. Im Einspruchs- und Beschwerdeverfahren wurden unter anderem die folgenden Dokumente herangezogen:
(D1) WO-A-94 21 699
(D18') Brief des Forschungsinstituts für Pigmente und Lacke e.V. an die Cray Valley Kunstharze GmbH vom 06. April 2001, vier Seiten
(D20) US-A-5 455 298
(D21) US-A-5 399 617
(D24) Ullmanns Encyklopädie der technischen Chemie, 4. Auflage, Band 19, Seiten 16-20 und 30
V. In der angegriffenen Entscheidung begründete die Einspruchsabteilung, warum die Einspruchsgründe gemäß Artikel 100 (b) und (c) EPÜ der Aufrechterhaltung des Patents auf Basis des Hauptantrags nicht entgegenstünden.
Sie entschied, der Gegenstand der Ansprüche sei neu, da keines der Entgegenhaltungen Dispersionen beschreibe, die herstellbar sind aus den Komponenten a) bis d) in den Mengenverhältnissen gemäß Anspruch 1 des angegriffenen Patents. Unter anderem sei im Beispiel 1 des Dokuments (D20) und im Beispiel I des Dokuments (D21) kein Monomer d) und im Beispiel 3 des Dokuments (D1) mit 2,5 Gewichtsprozent Acrylsäure ein zu hoher Anteil an Komponente c) eingesetzt wurden, wobei die allgemeine Lehre von (D1) die Monomere b) und d) nicht zwingend vorschreibe.
Ferner kam sie zu dem Schluss, dass der Gegenstand der Ansprüche weder ausgehend von Dokument (D20) in Kombination mit der Lehre des Dokuments (D21), noch ausgehend vom Dokument (D1) in Verbindung mit dem allgemeinen Fachwissen nahelag.
VI. Die Beschwerdeführerin argumentierte wie folgt:
a) Artikel 100 (c) EPÜ
Der Zusatz "in Gegenwart anionischer Emulgatoren und wenigstens eines nichtionischen, aliphatischen Emulgators" im vorliegenden Anspruch 1 habe keine Basis in der ursprünglichen Fassung der Anmeldung.
b) Artikel 100 (b) EPÜ
Die im Patent beschriebenen und die im Einspruchsverfahren vorgelegten Beispiele erwähnten nicht, dass die Mindestfilmbildetemperatur MFT < 10 ºC sei. Es sei demnach zu bezweifeln, ob diese Beispiele diese Bedingung erfüllten.
Da die Beschwerdeführerin durch Vergleichsversuche belegt habe, dass durch den Gegenstand der Ansprüche keine technische Aufgabe gelöst werde, sei die Erfindung nicht so deutlich und vollständig beschrieben, dass der Fachmann sie ausführen könne.
Das Ausflocken der Emulsion E2 in den Vergleichsversuchen (eingereicht mit dem Schreiben der Beschwerdeführerin mit Datum vom 18. Oktober 2007) zeige, dass die Erfindung im Patent ungenügend offenbart sei.
Zudem vermittle das Patent dem Fachmann nur die chemischen Namen der Emulgatoren mit variablen Kettenlängen, nicht entsprechende Handelsnamen.
c) Klarheit der geänderten Ansprüche
Aus der Formulierung des Anspruchs 1 gehe nicht klar hervor, ob die Gegenwart eines einzigen anionischen Emulgators ausgeschlossen sei.
d) Neuheit
Die Beschwerdeführerin zog während der mündlichen Verhandlung vor der Kammer ihren Neuheitseinwand hinsichtlich des Dokuments (D20) zurück.
Sie blieb jedoch dabei, dass der beanspruchte Gegenstand keines der drei Kriterien einer gezielten Auswahl gemäß T 279/89 aus der Lehre des Dokuments (D1) erfülle und daher nicht neu sei.
e) Erfinderische Tätigkeit
Als nächstliegender Stand der Technik könne (D1) angesehen werden, insbesondere das Beispiel 3. Dieses Beispiel unterscheide sich vom Gegenstand des Anspruchs 1 des angegriffenen Patents dadurch, dass statt eines aliphatischen ein araliphatisches nichtionisches Tensid verwendet wird, und dass der Anteil an saurem Monomer c) höher liege. Die Vergleichsversuche der Patentinhaberin seien nicht erheblich, da dort zum einen nicht belegt sei, dass die Mindestfilmbildegstemperatur MFT unter 10 ºC liege, zum anderen in den nachgereichten Beispielen die angeblich angegebenen Effekte innerhalb der Fehlergrenze lägen (siehe den dem Schreiben mit Datum vom 07. Juli 2003 beigelegten Versuchsbericht der jetzigen Beschwerdegegnerin; vergleiche Dokument (D18')).
Die Art des nichtionischen Tensids habe keinen Einfluss auf das gewünschte Ergebnis, wie die mit dem Einspruch vom 22. Juli 2002 und mit dem Schreiben vom 18. Oktober 2007 eingereichten Vergleichsversuche belegten.
Daher sei die gegenüber dem Dokument (D1) gelöste Aufgabe lediglich die Bereitstellung einer Alternative, die jedoch aufgrund der Lehre dieses Dokuments naheliegend sei.
Als nächstliegender Stand der Technik könne auch das Dokument (D21) angesehen werden, insbesondere sein Beispiel I, das kein Monomer d) offenbart. Der Ersatz der dort verwendeten Komponente Sipomer WAM durch das gemäß Dokument (D20) äquivalente Sipomer WAM II läge nahe und scheine keine andere Funktion zu haben oder einen andersgearteten Effekt hervorzurufen (siehe auch (D20), Spalte 3, Zeilen 41-65, und Spalte 5, Zeile 50).
f) Vergleichsversuche vom 18. Oktober 2007
Die Beschwerdeführerin argumentierte, sie hätte die mit Schreiben mit Datum vom 18. Oktober 2007 eingereichten Vergleichsversuche nicht früher vorlegen können, da ihre Tochterfirma Cray Valley Kunstharze im November 2005 geschlossen wurde. Die Abteilung für Forschung und Entwicklung von Emulsionen hätte erst ab April 2007 wieder am neuen Standort in Zwickau zur Verfügung gestanden (siehe die dem Schreiben der Beschwerdeführerin mit Datum vom 28. Dezember 2007 beigefügte Erklärung des Herrn Lheureux). Die Versuche seien höchst relevant aus den oben unter Punkt b) im dritten Absatz genannten Gründen.
VII. Die Argumente der Beschwerdegegnerin (Patentinhaberin) lassen sich wie folgt zusammenfassen:
a) Artikel 100 (c) EPÜ
Die Kombination von anionischen und wenigstens einem nichtionischen aliphatischen Emulgator sei in der ursprünglichen Fassung der Anmeldung offenbart (siehe Seite 6, Zeile 30-37 und Anspruch 6; Seite 7, Zeilen 4-5; und Seite 8, Zeilen 20-24). Dort sei beschrieben, dass neben den üblichen oberflächenaktiven Substanzen wenigstens ein nichtionischer Emulgator verwendet werde, beispielsweise ein aliphatischer. Als übliche oberflächenaktive Substanzen seien anionische Emulgatoren bevorzugt.
b) Artikel 100 (b) EPÜ
Die Mindestfilmbildetemperatur (MFT) für die Beispiele 2, 7, 17, 18, 28, V29 und 34-36 und 38 sei in den ursprünglichen Unterlagen angegeben und liege jeweils unter 10 ºC. Die routinemäßige Bestimmung der MFT sei dem Fachmann bekannt; sie korreliere mit der Glasübergangstemperatur (siehe die im Absatz [0044] des angegriffenen Patents zitierte Stelle aus Dokument (D24)).
Die Beschreibung der Emulgatoren im angegriffenen Patent sei ausreichend, da sie handelsüblich seien und von Natur aus als Gemische mit unterschiedlichen Kettenlängen vorlägen.
c) Klarheit der geänderten Ansprüche
Die Beschwerdegegnerin hielt den Anspruch für klar, da die gewählte Formulierung "anionischer Emulgatoren" eindeutig im Plural stehe.
d) Neuheit
Im Dokument (D1) seien die den Komponenten b) und d) des Patents entsprechenden Monomere optional, in allen seinen Beispielen jeweils die Menge an Monomer mit sauren Gruppen c) oberhalb des im Patent beanspruchten Bereichs. Wie die im Patent aufgeführten und die nachgereichten Vergleichsversuche ergäben, bewirke die Verminderung des Mengenanteils der Monomere c) auf den Bereich des vorliegenden Anspruchs 1 eine Erhöhung der Nassabriebfestigkeit der aus den Dispersionen hergestellten Beschichtungen. Daher erfülle der im angegriffenen Patent beanspruchte Gegenstand die Erfordernisse einer gezielten Auswahl.
Außerdem seien im Dokument (D1) die nichtionischen Emulgatoren nicht auf aliphatische beschränkt.
e) Erfinderische Tätigkeit
Dokument (D1) stelle den nächstliegenden Stand der Technik dar, da es als einziges entgegengehaltenes Dokument die Nassabriebfestigkeit hochgefüllter Beschichtungsmittel anspreche. Die gegenüber (D1) zu lösende Aufgabe sei die Bereitstellung von Bindemitteln zur Herstellung von hoch gefüllten Anstrichmitteln mit besserer Nassabriebfestigkeit. Diese Aufgabe werde gelöst, wie die Beispiele 7 und V8, 28 und V29 des angegriffenen Patents belegen.
Dokument (D18') bezöge sich auf Fehlergrenzen bei Messungen von verschiedenen Personen mit verschiedenen Apparaturen an verschiedenen Orten. Die Fehlergrenzen der Messungen der Beschwerdegegnerin würden jedoch bei maximal 20 Scheuerzyklen liegen. Daher lägen die im Schreiben mit Datum vom 7. Juli 2003 beigelegten Versuchsbericht vermerkten Unterschiede in der Nassscheuerfestigkeit deutlich über der Fehlergrenze und sprächen für das Vorliegen einer erfinderischen Tätigkeit.
Die Verringerung der Menge an saurem Monomer c) hätte nicht nahegelegen, da (D1) erwähne, der Einbau funktioneller Gruppen, wie Carbonsäuren, verbessere die Bindemitteleigenschaften (siehe Seite 2, Zeilen 3 ff.).
Die von der Beschwerdeführerin vorgelegten Versuche stünden dem nicht entgegen.
f) Vergleichsversuche vom 18. Oktober 2007
Die von der Beschwerdeführerin mit dem Schreiben mit Datum vom 18. Oktober 2007 eingereichten Versuche seien so spät vorgelegt worden, dass die Beschwerdegegnerin keine Gelegenheit gehabt habe, sie durch eigene Versuche zu entkräften. Sie hätten früher eingereicht werden können und seien nicht prima facie relevant.
VIII. Die weitere Verfahrensbeteiligte (Einsprechende I) äußerte sich im Beschwerdeverfahren nicht zur Sache und stellte keine Anträge. Wie in ihrem Telefax vom 9. Januar 2008 angekündigt, erschien sie nicht zur mündlichen Verhandlung.
IX. Die Beschwerdeführerin beantragte, die angefochtene Entscheidung aufzuheben und das Patent zu widerrufen.
Die Beschwerdegegnerin beantragte, die angefochtene Entscheidung aufzuheben und das Patent aufrechtzuerhalten auf der Grundlage der während der mündlichen Verhandlung vom 10. Januar 2008 eingereichten Ansprüche 1 bis 18 des Hauptantrags. Ferner beantragte sie, die von der Beschwerdeführerin mit dem Schreiben mit Datum vom 18. Oktober 2007 eingereichten Versuche nicht zu berücksichtigen.
X. Während der mündlichen Verhandlung beschloss die Kammer, die mit dem Schreiben vom 18. Oktober 2007 von der Beschwerdeführerin eingereichten Vergleichsversuche nicht zum Verfahren zuzulassen. Am Ende der Verhandlung wurde die Entscheidung der Kammer verkündet.
1. Die Beschwerde ist zulässig.
2. Vergleichsversuche vom 18. Oktober 2007
2.1 Die Beschwerdeführerin hat die Beschwerdebegründung mit dem Schreiben mit Datum vom 10. Juli 2005, die fraglichen Vergleichsversuche mit dem Schreiben mit Datum vom 18. Oktober 2007 eingereicht. In letzterem Schreiben führt sie aus, durch diese Versuche sollten in der angefochtenen Entscheidung aufgeworfene Einwände ausgeräumt werden (siehe Seite 1, Zeilen 4-7, des die Versuche beschreibenden Anhangs).
Somit liegt der Grund für das Einreichen der Vergleichsversuche zu diesem späten Zeitpunkt nicht in einer erst im Laufe des Beschwerdeverfahrens aufgetretenen Situation.
Auch ist nicht ersichtlich, dass die Versuche ausschließlich durch die genannte Tochtergesellschaft, und nicht in anderen Konzernteilen oder extern hätten durchgeführt werden können. Die Beschwerdeführerin hat dies auch nicht behauptet.
Sie sind daher als verspätet eingereicht anzusehen.
2.2 Die Beschwerdeführerin hält diese Vergleichsversuche für hochrelevant, da das Ausflocken der darin hergestellten Emulsion E2 die mangelnde Ausführbarkeit der Erfindung belege (siehe oben unter Punkt VI f) ).
Die Emulsion E2 wurde hergestellt gemäß einer Variante des Verfahrens des Beispiel 3 aus Dokument (D1) und stellt keine Nacharbeitung eines Beispiels des angegriffenen Patents dar. Ihr Ausflocken kann daher nicht als Beleg dafür dienen, dass die Beispiele des angegriffenen Patents für den Fachmann nicht nacharbeitbar seien.
Die von der Beschwerdeführerin im Einspruchsverfahren eingereichten erfindungsgemäßen Versuche sprechen dafür, dass die Lehre des angegriffenen Patents auch außerhalb des Rahmens der Beispiele ausführbar ist (siehe den mit den Schreiben vom 22. Juli 2002 eingereichten Versuch (e); die mit dem Schreiben vom 27. April 2004 eingereichten Versuche 2 und 3; die mit den Schreiben vom 22. Februar 2005 eingereichten Versuche A und B).
Im Übrigen ist es auch für die Zwecke des Artikel 100 (b) EPÜ nicht notwendig, dass die Offenbarung des Patents es dem Fachmann ermöglicht, alle denkbaren Ausführungsformen der Erfindung auszuführen (siehe T 0456/91, nicht veröffentlicht im Abl. EPA, Punkt 4.1 der Entscheidungsgründe).
Das nicht ausführbare Beispiel E2 der genannten Vergleichsversuche allein kann also nicht als Indiz mangelnder Offenbarung der Erfindung dienen.
2.3 Von den übrigen Beispielen dieser Vergleichsversuche fällt nur das Beispiel E4 unter den vorliegenden Anspruch 1. Der entsprechende Vergleichsversuch E5 unterscheidet sich von E4 durch einen höheren Mengenanteil des Monomers Acrylsäure und durch die chemische Struktur des nichtionischen Emulgators. Letzere Emulgatoren unterscheiden sich jedoch nicht nur in ihrem lipophilen Teil (im Beispiel E4 eine aliphatische Kette; im Vergleichsbeispiel E5 eine araliphatische), sondern auch in ihrer hydrophilen Kette (im Beispiel E4: 18 Oxyethyleneinheiten; im Vergleichsbeispiel E5: 25 Oxyethyleneinheiten).
Die Struktur der lipophilen Kette des nichtionischen Emulgators zählt jedoch nicht zu den Merkmalen, die den Gegenstand des vorliegenden Anspruchs 1 von der Offenbarung des Dokuments (D1) unterscheiden (siehe oben unter Punkt VI e) ).
Daher erlauben das Beispiel E4 und das Vergleichsbeispiel E5 keinen Vergleich des Gegenstands der vorliegenden Ansprüche mit der Offenbarung des Dokuments (D1); diese Beispiele sind somit nicht relevant für die Ermittelung der erfinderischen Tätigkeit.
2.4 Die mit dem Schreiben mit Datum vom 18. Oktober 2007 eingereichten Vergleichsversuche sind folglich nicht prima facie relevant für die durch sie zu stützende Argumentation. Deshalb hat die Kammer sie im Beschwerdeverfahren nicht zugelassen.
3. Artikel 100 (c) und 123 EPÜ
3.1 Der Einwand der Beschwerdeführerin bezog sich auf den folgenden Passus im Anspruch 1:
"... in Gegenwart anionischer Emulgatoren und wenigstens eines nichtionischen, aliphatischen Emulgators ...".
Unstrittig ist, dass in diesem Zusammenhang die Gegenwart "wenigstens eines nichtionischen, aliphatischen Emulgators" in der Anmeldung in ihrer ursprünglichen Fassung offenbart ist (siehe unter anderem den ursprünglichen Anspruch 6).
Gemäß Seite 6, Zeilen 30-37, der Anmeldung werden die nichtionischen aliphatischen Emulgatoren "neben den für eine Emulsionspolymerisation üblichen oberflächenaktiven Substanzen" eingesetzt.
Die ursprüngliche Fassung der Anmeldung offenbart also die Kombination wenigstens eines nichtionischen, aliphatischen Emulgators mit für eine Emulsionspolymerisation üblichen oberflächenaktiven Substanzen.
In den darauf folgenden beiden Absätzen offenbart die Anmeldung (siehe Seite 7, Zeilen 4-15): "Weitere gebräuchliche Emulgatoren sind vorzugsweise anionischer Natur. ... Bevorzugte anionische grenzflächenaktive Substanzen sind ...").
Für den Fachmann sind in diesem Zusammenhang die Begriffe "üblich" und "gebräuchlich" austauschbar und der Begriff "grenzflächenaktiv" nur ein allgemeinerer Ausdruck für "oberflächenaktiv".
Der Fachmann würde demnach den Satz "Weitere gebräuchliche Emulgatoren sind vorzugsweise anionischer Natur." so verstehen, dass anionische Emulgatoren als die "für eine Emulsionspolymerisation üblichen oberflächenaktiven Substanzen" gemäß Seite 6, Zeilen 30-32, bevorzugt sind.
Folglich offenbart die Anmeldung in der ursprünglichen Fassung für den Fachmann direkt und unmittelbar die Herstellung der Emulsionen "... in Gegenwart anionischer Emulgatoren und wenigstens eines nichtionischen, aliphatischen Emulgators ...".
3.2 Ansonsten basiert der vorliegende Anspruch 1 auf den Ansprüchen 1 und 4 und Seite 5, Zeilen 26-28 der Anmeldung in der ursprünglichen Fassung.
3.3 Die vorliegenden Ansprüche 2-16 und 18 entsprechen den ursprünglichen Ansprüchen 2-5, 7-17 und 20. Der vorliegende Anspruch 17 basiert auf den ursprünglichen Ansprüchen 18 und 19.
3.4 Die vorliegenden Ansprüche unterscheiden sich von den erteilten dadurch, dass im Anspruch 1
- die Mengenanteile der Komponenten c) und d) eingeschränkt wurden,
- das Wort "gegebenenfalls" in der letzten Zeile des erteilten Anspruchs 1 gestrichen und
- "wenigstens eines anionischen Emulgators" durch "anionischer Emulgatoren" ersetzt wurde.
Keine dieser Änderungen erweitert den Schutzbereich des Patents.
3.5 Daher erfüllen die geänderten Ansprüche die Anforderungen gemäß Artikel 123 (2) und (3) EPÜ. Somit stehen der Aufrechterhaltung des Patents in der in der mündlichen Verhandlung vor der Kammer geänderten Fassung keine Gründe gemäß Artikel 100 (c) EPÜ entgegen.
4. Artikel 100 (b) EPÜ
4.1 Das angegriffene Patent gibt die Mindestfilmbildetemperaturen (MFT) für die Beispiele 2, 7, 17, 18, 28, 31-36 und 38 an. Diese liegen jeweils bei unter 10 ºC (siehe oben unter Punkt VI b), erster Absatz, und unter Punkt VII b), erster Absatz).
Außerdem wird im Absatz [0044] des Patents und dem dort zitierten Dokument (D24) explizit angegeben, wie die MFT zu ermitteln ist. Letzterem Dokument ist auch zu entnehmen, dass die MFT mit der Glastemperatur des Copolymeren korreliert und wie sich letztere aus den Glastemperaturen der Homopolymere der verwendeten Monomere und deren Mengenanteilen errechnen lässt (siehe (D24), Seite 17, rechte Spalte unter der Überschrift "Mindest-Filmbilde-Temperatur von Dispersionen", und Seite 18, linke Spalte).
Folglich war der Fachmann durch die im angegriffenen Patent angegebenen Informationen in der Lage, die MFT zu ermitteln und durch Wahl der Monomeren und deren Mengenverhältnissen auf einen Wert von unterhalb 10 ºC einzustellen.
4.2 Artikel 100 (b) EPÜ bezieht sich auf die Offenbarung der Erfindung. Die Erfindung wird durch die technischen Merkmale der Ansprüche festgelegt (siehe Regel 43 (1) EPÜ 2000). Die von der Beschwerdeführerin angesprochene technische Aufgabe ist nicht Gegenstand der Ansprüche (siehe oben unter Punkt VI b) ). Ob die Erfindung diese technische Aufgabe löst oder nicht ist somit nicht relevant für die Offenbarung der Erfindung gemäß Artikel 100 (b) EPÜ.
4.3 Gründe gemäß Artikel 100 b) EPÜ stehen der Aufrechterhaltung des Patents entgegen, wenn "das europäische Patent die Erfindung nicht so deutlich und vollständig offenbart, dass ein Fachmann sie ausführen kann". Die Beschwerdeführerin hat nicht begründet, warum der Fachmann nicht in der Lage war, anhand der chemischen Bezeichnungen der Emulgatoren ein geeignetes Handelsprodukt auszuwählen. Die zahlreichen Vergleichsversuche der Beschwerdeführerin mit handelsüblichen Emulgatoren stützen diese Argumentation nicht (siehe die mit den Schreiben vom 22. Juli 2002 eingereichten Versuche (d) bis (f); die mit den Schreiben vom 27. April 2004 eingereichten Versuche 2 und 3; die mit den Schreiben vom 22. Februar 2005 eingereichten Versuche A und B).
4.4 Folglich stehen keine Gründe gemäß Artikel 100 (b) EPÜ der Aufrechterhaltung des Patents entgegen.
5. Klarheit der Ansprüche
Der Einwand der Beschwerdeführerin bezog sich auf den folgenden Passus am Ende des Anspruchs 1:
"... in Gegenwart anionischer Emulgatoren und wenigstens eines nichtionischen, aliphatischen Emulgators erhältlich ist.".
Der Begriff "anionischer Emulgatoren" steht im Plural, sodass der Wortlaut des Anspruchs die Verwendung nur eines anionischen Emulgators ausschließt.
Daher trifft der von der Beschwerdeführerin erhobene Klarheitseinwand nicht zu (siehe oben unter Punkt VI c) ).
Die Kammer kann auch keine durch andere Änderungen im Einspruchs- oder Beschwerdeverfahren hervorgerufene Unklarheiten der Ansprüche erkennen.
6. Neuheit
6.1 Die Beschwerdeführerin hielt den Gegenstand der vorliegenden Ansprüche nicht für neu gegenüber der Offenbarung des Dokuments (D1), da er nicht den Anforderungen an Auswahlerfindungen genüge, wie sie in der Entscheidung T 0279/89 vom 03. Juli 1991 dargelegt sind (nicht veröffentlicht)(siehe oben unter Punkt VI d)).
Diese Entscheidung führt aus, unter welchen Kriterien die Auswahl eines engeren Zahlenbereichs aus einem breiteren die Neuheit begründen kann ("In that case where, like in the present one, the issue of novelty is raised, the Board had considered that a selection of a sub-range of numerical values from a broader range is possible when ...") (siehe Punkt 4.1 der Entscheidungsgründe).
6.2 Diese Kriterien können nur dann auf den vorliegenden Fall angewandt werden, wenn auch hier die Neuheit allein durch die Auswahl eines engeren Zahlenbereichs aus einem breiteren begründet werden kann.
6.3 Die Beispiele 1-5 des Dokuments (D1) betreffen die Herstellung der Emulsionen. In ihnen wird jeweils als nichtionischer Emulgator "REWOPOL HV 25 eingesetzt. Dieser Emulgator ist ein Nonylphenol-Addukt, also nicht aliphatisch (siehe den Einspruchsschriftsatz mit Datum vom 22. Juli 2002 der jetzigen Beschwerdeführerin, Seite 32, Zeilen 30-31).
Gemäß dem vorliegenden Anspruch 1 muss das Bindemittel erhältlich sein aus einer Monomerenmischung enthaltend einen nichtionischen aliphatischen Emulgator. Dies ist bedeutsam, da bei der Emulsionpolymerisation der Emulgator in die Micellen eindringt und sich selbst bei einem Austausch des Emulgators nach der Polymerisation nicht mehr vollständig entfernen lässt, also zum Bestandteil des beanspruchten Bindemittels wird.
Ferner enthalten die Monomerengemische der Beispiel 1-5 des Dokuments (D1) 2,6 Gewichtsteile Acrylsäure pro 100 Gewichtsteile Butylacrylat und Styrol, also wesentlich mehr als die im Anspruch 1 des angegriffenen Patents vorgesehenen 0 bis 0,5 Gewichtsteile.
Somit offenbaren die Beispiele des Dokuments (D1) keine Bindemittel auf Basis einer wässrigen Emulsion, erhältlich durch Emulsionspolymersation einer Monomerenmischung enthaltend
- von 0 bis 0,5 Gewichtsteilen Monomer c)
pro 100 Gewichtsteilen a) und b), und
- wenigstens einen nichtionischen aliphatischen
Emulgator.
Die Beschreibung des Dokuments (D1) offenbart zwar Monomerzusammensetzungen, die, bezogen auf 100 Gew.-Teile Monomerzusammensetzung:
- etwa 60 bis 100 Gew.-Teile mindestens eines Acrylsäure- oder Methacrylsäureesters, der sich von Acryl oder Methacrylsäure und einem Alkohol mit 1 bis 12 Kohlenstoffatomen ableitet,
- 0 bis etwa 40 Gew.-Teile mindestens eines vinylaromatischen Monomers,
- 0 bis etwa 5 Gew.-Teile mindestens einer kurzkettigen, alpha,beta-ungesättigten Mono- oder Polycarbonsäure (also eines "Monomeren c)" im Sinne des vorliegenden Anspruchs 1) und
- 0 bis etwa 3 Gew.-Teile mindestens eines kurzkettigen, alpha,beta-ungesättigten Amids enthalten
und, die mit Hilfe mindestens eines anionischen oder nichtionischen Tensids emulgiert werden (siehe Seite 4, Zeilen 21-31 und Seite 6, Zeilen 1-3).
Jedoch offenbart weder die Beschreibung von (D1) noch dieses Dokument als Ganzes die Kombination der beiden hier relevanten Merkmale, nämlich den im vorliegenden Anspruch 1 angegebenen Mengenanteil des Monomers c) und die Anwesenheit wenigstens einen nichtionischen aliphatischen Emulgators.
Dokument (D1) offenbart somit nicht den Gegenstand des vorliegenden Anspruchs 1.
6.4 Diese Situation unterscheidet sich von der Ausgangslage der Entscheidung T 0279/89, in der die Neuheit der Auswahl eines engeren Zahlenbereichs aus einem breiteren zu beurteilen war. Die in dieser Entscheidung formulierten Kriterien zur Auswahlerfindung können daher nicht auf den vorliegenden Fall angewandt werden.
6.5 Das Dokument (D20) lässt ein bis drei, vorzugsweise 0,5 bis 1 Gewichtsteile Monomer c) pro 100 Gewichtsteilen aller Monomere zu (siehe Spalte 3, Zeilen 29-32). Wird dieser Gewichtsanteil nur auf 100 Gewichtsteile der Monomere a) und b) bezogen, wie im vorliegenden Anspruch 1, so muss er höher sein als 0,5 Gewichtsteile. Er liegt daher außerhalb des im vorliegenden Anspruch 1 genannten Bereiches.
6.6 Die Kammer hat sich davon überzeugt, dass auch kein anderes zitiertes Dokument den Gegenstand des vorliegenden Anspruchs 1 offenbart.
6.7 Folglich ist der Gegenstand des vorliegenden Anspruchs 1 neu. Gleiches gilt für die von diesem abhängigen Ansprüche 2 bis 16 und für die Ansprüche 17 und 18, die die Bindemittel gemäß den Ansprüchen 1 bis 16 enthaltende Dispersionsfarben betreffen.
7. Erfinderische Tätigkeit
7.1 Wie das angegriffene Patent, so zielen auch die Lehren der Dokumente (D1) und (D21) auf die Verbesserung der Nassabriebfestigkeit der mit Hilfe der beanspruchten Bindemittel hergestellten Dispersionsanstriche (siehe Absatz [0004] des angegriffenen Patents; (D1), letzter Absatz auf Seite 1; (D21), Spalte 1, Zeilen 15-30).
Während jedoch das Dokument (D1) die Kombination aller drei gemäß dem vorliegenden Anspruch 1 zwingend vorhandenen Monomerkomponenten a), b) und d) offenbart, fehlt im Dokument (D21) die Offenbarung des Monomeren d).
Daher wird das Dokument (D1) als nächstliegender Stand der Technik angesehen.
7.2 Das angegriffene Patent erachtet es unter anderem als Aufgabe der beanspruchten Erfindung, die Nassabriebfestigkeit der aus den Bindemitteln hergestellten Dispersionsanstriche zu verbessern (siehe Absatz [0009]).
7.2.1 Die Beispiele des angegriffenen Patents belegen, dass die Nassabriebfestigkeit stark zurückgeht, wenn der Gewichtsanteil des Monomeren c) über die gemäß dem vorliegenden Anspruch 1 maximal zulässige Menge von 0,5 Gewichtsteilen pro 100 Gewichtsteilen der Monomere a) und b) hinausgeht (siehe die Mengenangaben für das Beispiel 7 und die Vergleichsbeispiele V8 bis V11 in Tabelle 1 auf Seite 9; vergleiche die Angaben zur Scheuerfestigkeit in Tabelle 4 auf den Seiten 12 und 13; siehe auch das Beispiel 28 und die Vergleichsbeispiele V29 und V30).
7.2.2 Aus den von der Beschwerdegegnerin im Juli 2003 vorgelegten Vergleichsversuchen entspricht der Versuch D1 dem Beispiel 7 des angegriffenen Patents; die dort erhaltene Emulsion muss also die gleiche Mindestfilmbildetemperatur (MFT) besitzen, nämlich 3 ºC (siehe Tabelle 1 auf Seite 8 des angegriffenen Patents). Versuch D2 ist weniger relevant, da für ihn keine MFT angegeben ist.
Vergleicht man die Nassscheuerwerte für die erfindungsgemäße Emulsion D1 mit denen des Vergleichsbeispiels VD3, so erkennt man auch hier eine Verschlechterung der Nassscheuerfestigkeit bei Überschreitung der im vorliegenden Anspruch 1 zugelassenen Mengen an Acrylsäure (Monomer c) - siehe die Tabelle unten auf Seite 2 der Vergleichsversuche). Der Abfall von 1030 auf 650 nach sieben Tagen Lagerung bzw. von 1730 auf 1370 nach 28 Tagen Lagerung liegt eindeutig über der im Dokument (D18') angegebenen Messgenauigkeit von -7,3 % bis +3,3 % des Sollwerts (siehe (D18'), Seite 2, vierter Absatz).
7.2.3 Die Beschwerdeführerin hat eingewandt, die Vergleichsversuche würden keine Mindestfilmbildetemperaturen (MFT) der Bindemitteldispersionen angeben. Tatsächlich sind jedoch im angegriffenen Patent MFT-Werte für die oben unter Punkt 7.3.2 genannten Beispiele 7 (3 ºC), 28 (2 ºC) und V29 (3 ºC) angegeben (siehe die Tabelle 1 auf den Seiten 8 und 9). Diese liegen alle im beanspruchten Bereich von unter 10 ºC.
7.2.4 Das angegriffene Patent enthält auch Vergleichsversuche, in denen der nichtionische aliphatische Emulgator (ein C16-C18-Fettalkoholethoxylat; erfindungsgemäß) durch einen nichtionischen araliphatischen Emulgator (ein Octylphenol mit gleichem Ethoxylierungsgrad; Vergleichsversuch) ersetzt ist (siehe das erfindungsgemäße Beispiel 20 und das Vergleichsbeispiel 23, sowie das erfindungsgemäße Beispiel 21 und das Vergleichsbeispiel 24). Hierbei sind jeweils für das erfindungsgemäße Beispiel eine höhere Nassscheuerfestigkeit als für den entsprechenden Vergleichsversuch verzeichnet.
Gegenüber diesen Vergleichsversuchen erscheinen die von der Beschwerdeführerin mit dem Einspruchsschriftsatz eingereichten Versuche weniger relevant, da dort ein mit vierzig Ethoxygruppen veretherter Fettalkol (erfindungsgemäß) durch ein mit dreißig Ethoxygruppen verethertes Nonylphenol ersetzt wurde (siehe die Seiten 32 und 33 des Schreibens mit Datum vom 22. Juli 2002).
7.2.5 Damit ist hinreichend erwiesen, dass sowohl die Begrenzung der Menge an Monomer c) auf das im vorliegenden Anspruch 1 festgelegte Mengenverhältnis als auch Wahl eines nichtionischen aliphatischen Emulgators zur Verbesserung der Nassscheuerfestigkeit der mit Hilfe der beanspruchten Bindemittel hergestellten Dispersionsanstriche beitragen.
Die Kombination dieser beiden Maßnahmen unterscheidet den Gegenstand der Ansprüche des vorliegenden Anspruchs 1 vom nächstliegenden Stand der Technik (D1) (siehe oben unter Punkt 6.3).
Die Kammer ist aus folgenden Gründen zur Auffassung gelangt, dass die oben genannten Versuchsergebnisse gegenüber Dokument (D1) als dem nächstliegenden Stand der Technik einen überraschenden positiven Effekt des beanspruchten Gegenstands belegen. Auch wenn diese Versuche nicht den direkten Vergleich zwischen dem beanspruchten Gegenstand und den Beispielen 1-5 des Dokument (1) widerspiegeln, so bleiben sie doch innerhalb der Offenbarung des nächsten Standes der Technik (siehe oben unter Punkt 6.3) und sind so angelegt, dass die Wirkung überzeugend auf die Unterscheidungsmerkmale der Erfindung zurückgeführt werden kann (siehe T 292/02 vom 06. September 1996, nicht veröffentlicht im ABl. EPA, Punkt 4.3.3 der Entscheidungsgründe).
Folglich löst der Gegenstand des vorliegenden Anspruchs 1 objektiv die technische Aufgabe, die Nassscheuerfestigkeit der mit Hilfe der beanspruchten Bindemittel hergestellten Dispersionsanstriche zu verbessern.
7.3 Schließlich ist zu ermitteln, ob die beanspruchte Lösung dieser Aufgabe naheliegend war im Hinblick auf den zitierten Stand der Technik als Ganzes.
7.3.1 Dokument (D1) erwähnt zwar, dass durch Einbau des sauren Monomeren c) die Nassabriebfestigkeit erhöht werden sollte (siehe den zweiten vollständigen Satz auf Seite 2). Das Dokument gibt aber keinen Hinweis darauf, dass der Mengenanteil der Monomeren c) hierfür auf den im vorliegenden Anspruch 1 genannten Bereich zu beschränken sei. Es nennt zwar als nichtionische Emulgatoren sowohl araliphatische als auch aliphatische, enthält jedoch keinen Anhaltspunkt dafür, dass durch die Wahl eines bestimmten Typs nichtionischer Emulgatoren die Eigenschaften der Dispersionen verbessert werden können.
Dokument (D1) allein kann daher nicht die Lösung der genannten Aufgabe gemäß dem vorliegenden Anspruch 1 nahelegen.
7.3.2 Auch keines der anderen im Einspruchs- oder Beschwerdeverfahren zitierten Dokumente weist darauf hin, dass durch die Beschränkung des Mengenanteils des Monomeren c) und/oder durch die Auswahl spezifischer nichtionischer Emulgatoren die Nassscheuerfestigkeit der Dispersionsanstriche verbessert werden könnte.
7.3.3 Daher beruht der Gegenstand des vorliegenden Anspruchs 1 auf einer erfinderischen Tätigkeit.
Gleiches gilt für die von Anspruch 1 abhängigen Ansprüche 2 bis 16 und für die Ansprüche 17 und 18, welche letztere die Bindemittel gemäß den Ansprüchen 1 bis 16 enthaltende Dispersionsfarben betreffen.
8. Beschreibung
Die Beschwerdeführerin hatte keine Einwände gegen die während der mündlichen Verhandlung vor der Kammer eingereichte geänderte Beschreibung. Die Kammer hat sich vergewissert, dass die in der Beschreibung vorgenommenen Änderungen diese lediglich an die geänderten Ansprüche anpassen und inhaltlich nicht zu beanstanden sind.
9. Zurückverweisung an die erste Instanz (Artikel 111 (1) EPÜ)
Im vorliegenden Fall kann die Kammer nicht selbst die Aufrechterhaltung des Patents in geändertem Umfang beschließen, da die Voraussetzungen gemäß Regel 82 (2), Satz 2, EPÜ 2000 noch nicht erfüllt sind.
ENTSCHEIDUNGSFORMEL
Aus diesen Gründen wird entschieden:
1. Die angefochtene Entscheidung wird aufgehoben.
2. Die Angelegenheit wird an die erste Instanz
zurückverwiesen, mit der Anordnung, das Patent mit den folgenden Unterlagen aufrechtzuerhalten:
- Ansprüche 1 bis 18 und
- geänderte Beschreibungsseiten 3, 4, 8, 9 und 11-13, jeweils eingereicht während der mündlichen Verhandlung vor der Kammer, sowie
- Beschreibungsseiten 2, 5-7, 10 und 14 wie erteilt.