T 1047/05 18-01-2008
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Pfandschlosseinheit
I. Die Beschwerde der Einsprechenden richtet sich gegen die Zwischenentscheidung der Einspruchsabteilung, dass das europäische Patent 0 917 115 in geänderter Fassung den Erfordernissen des EPÜ genügt.
II. Mit Schreiben vom 18. Dezember 2007 reichte die Patentinhaberin (Beschwerdegegnerin) einen geänderten Anspruch 1 als Hilfsantrag ein.
III. In einer Mitteilung war die Kammer der vorläufige Meinung, dass ein Verstoß gegen Artikel 113(1) EPÜ vorlege, da durch das Unterlassen einer Mitteilung gemäß Regel 58(4) EPÜ 1973 die Einsprechende keine Gelegenheit hatte, zu den Gründen für die beabsichtigte Aufrechterhaltung Stellung zu nehmen.
Die beschwerdeführende Einsprechende hat zu dieser Mitteilung erwidert, dass sie sich nicht durch das Unterlassen der Mitteilung gemäß Regel 58(4) EPÜ 1973 beschwert sehe, und dass sie darin keinen Verfahrensfehler erkenne. Einer Zurückverweisung an die Einspruchsabteilung werde sie nicht zustimmen.
IV. In der mündlichen Verhandlung vor der Kammer haben die Parteien die folgenden Anträge gestellt:
Die beschwerdeführende Einsprechende beantragte die Aufhebung der angefochtenen Entscheidung und den Widerruf des europäischen Patents und gegebenenfalls die Möglichkeit, bezüglich des Hilfsantrags (oder weiterer Hilfsanträge) Argumente über erfinderische Tätigkeit vorzutragen.
Die Patentinhaberin (Beschwerdegegnerin) beantragte die Zurückweisung der Beschwerde (Hauptantrag) oder die Aufrechterhaltung des Patents auf der Grundlage des Anspruchs 1, eingereicht als Hilfsantrag mit Schreiben vom 18. Dezember 2007.
V. Anspruch 1 in der von der Einspruchsabteilung aufrechterhaltenen Fassung (gemäß dem Hauptantrag der Patentinhaberin) lautet wie folgt (Hervorhebung der Kammer):
"1. Zum Einsetzen in die Aufnahmeeinrichtung (15) von Transportwagen (18) bestimmte,
unterschiedlich wirkende Pfandschlosseinheiten (1),
die auf Pfandbasis und mit Hilfe von Kopplungsteilen (16) an die jeweils passende Pfandschlosseinheit (1) eines weiteren Transportwagens (18) ankoppelbar und von dieser wieder lösbar sind,
wobei jede Pfandschlosseinheit (1) eine Kopplungsmechanik (11) und eine Pfandrückhalteeinrichtung (8) aufweist,
die in gegenseitiger Wirkverbindung stehen,
dadurch gekennzeichnet, dass
jede Kopplungsmechanik (11) als eine in einem Gehäuse (2a) untergebrachte Baueinheit und
jede Pfandrückhalteeinrichtung (8) als eine in einem weiteren Gehäuse (2b) untergebrachte Baueinheit gestaltet und in der Aufnahmeeinrichtung (15) benachbart angeordnet sind, wobei sich die Pfandschlosseinheiten (1) durch unterschiedlich wirkende Kopplungsmechaniken (11) unterscheiden."
VI. Anspruch 1 wurde in der ursprünglich eingereichten Fassung erteilt und lautet wie folgt:
"1. Zum Einsetzen in eine Aufnahmeeinrichtung (15) eines Transportwagens (18) bestimmte Pfandschlosseinrichtung (1), die auf Pfandbasis und mit Hilfe eines Kopplungsteiles (16) an die gleiche Pfandschlosseinheit (1) eines weiteren Transportwagens (18) ankoppelbar und von dieser wieder lösbar ist, wobei die Pfandschlosseinheit (1) eine Kopplungsmechanik (11) und eine Pfandrückhalteeinrichtung (8) aufweist, die in gegenseitiger Wirkverbindung stehen,
dadurch gekennzeichnet, dass
die Kopplungsmechanik (11) und die Pfandrückhalteeinrichtung (8) als in je einem Gehäuse (2a, 2b) untergebrachte Baueinheiten gestaltet sind."
VII. Die beschwerdeführende Einsprechende hat im Wesentlichen die folgenden Argumente vorgetragen:
Anspruch 1 wie aufrechterhalten verletze die Bestimmungen des Artikels 123 (2), (3) EPÜ aus den folgenden Gründen:
a) Das Merkmal, dass "unterschiedlich wirkende Pfandschlosseinheiten (1), die auf Pfandbasis und mit Hilfe von Kopplungsteilen (16) an die jeweils passende Pfandschlosseinheit (1) eines weiteren Transportwagens (18) ankoppelbar und von dieser wieder lösbar sind" erweitere den Schutzbereich, da es nun nicht mehr die gleiche Pfandschlosseinheit eines weiteren Transportwagens sei, an welche ankoppelbar sei. In der ursprünglich eingereichten Fassung sei aber kein Hinweis darauf enthalten, dass die Pfandschlosseinheiten an beliebige andere "passende" Pfandschlosseinheiten ankoppelbar sein könnten.
b) Das Merkmal, dass "sich die Pfandschlosseinheiten (1) durch unterschiedlich wirkende Kopplungsmechaniken (11) unterscheiden" erweitere den Schutzbereich, da der Gegenstand des Anspruchs 1 nun auch eine solche Pfandschlosseinheit umfasse, bei welcher die Kopplungsmechaniken (mechanisch) unterschiedlich wirkten.
In der ursprünglich eingereichten Fassung finde man keinen Hinweis darauf, dass die Kopplungsmechanismen unterschiedlich wirkten. Insbesondere sei in Spalte 1, Zeilen 46 bis 56 der Anmeldung nicht offenbart, dass in den Pfandschlosseinheiten A, B, C unterschiedliche Koppelungsmechaniken vorhanden sein könnten, die unterschiedlich wirken sollten, denn über die Wirkungsweise der Kopplungsmechaniken sei nichts ausgeführt.
c) Das Merkmal, dass "jede Kopplungsmechanik (11) als eine in einem Gehäuse (2a) untergebrachte Baueinheit und jede Pfandrückhalteeinrichtung (8) als eine in einem weiteren Gehäuse (2b) untergebrachte Baueinheit gestaltet und in der Aufnahmeeinrichtung (15) benachbart angeordnet sind" erweitere den Schutzbereich durch die Verwendung von "benachbart" gegenüber dem Inhalt der ursprünglich eingereichten Fassung. Der Inhalt der ursprünglich eingereichten Fassung betreffe eine Ausgestaltung, bei welcher die Pfandrückhalteeinrichtung (8) und die Kopplungsmechanik (11) in direkter Wirkverbindung stünden. Dies führe zu einer Erweiterung des Schutzumfanges, da die Pfandrückhalteeinrichtung (8) und die Kopplungsmechanik (11) räumlich getrennt, ohne direkte Wirkverbindung in die Aufnahmeeinrichtung (15) eines Transportwagens (18) einsetzbar sein könnten. In der ursprünglich eingereichten Fassung sei nur eine möglichst nahe Zuordnung der Pfandrückhalteeinrichtung (8) und der Kopplungsmechanik (11) offenbart (siehe Spalte 1, Zeile 57 bis Spalte 2, Zeile 4; Spalte 2, Zeilen 53 bis 55; Spalte 3 Zeilen 11 bis 14 und Zeilen 25 bis 37).
1. Die Beschwerde ist zulässig.
2. Änderungen des Patents in der aufrechterhaltenen Fassung (Hauptantrag der Patentinhaberin)
In der Beschwerdebegründung hat die beschwerdeführende Einsprechende nur Argumente vorgetragen, dass der im Einspruchsverfahren geänderte Anspruch 1 gegen Artikel 123(2) und (3) EPÜ verstoße. Daher wird das Beschwerdeverfahren hinsichtlich der aufrechterhaltenen Fassung des Patents auf diese Frage begrenzt (G 9/91, Punkt 18 der Gründe).
2.1 Das Patent wurde mit den ursprünglich eingereichten Ansprüchen erteilt. Anspruch 1 wie aufrechterhalten unterscheidet sich von dieser Fassung dadurch, dass
a) unterschiedlich wirkende Pfandschlosseinheiten vorgesehen sind, und Kopplungsteile an die jeweils passende Pfandschlosseinheit eines weiteren Transportwagens ankoppelbar und wieder lösbar sind,
b) sich die Pfandschlosseinheiten durch unterschiedlich wirkende Kopplungsmechaniken unterscheiden, und
c) jede Kopplungsmechanik und jede Pfandrückhalteeinrichtung in der Aufnahmeeinrichtung benachbart angeordnet sind.
2.2 In der ursprünglichen Fassung des Anspruchs 1 wurde nur eine Aufnahmeeinrichtung eines Transportwagens definiert, dessen Kopplungsteil an die gleiche Pfandschlosseinheit eines weiteren Transportwagens ankoppelbar und wieder lösbar ist. Eine Aufnahmeeinrichtung, bei der die Kopplungsmechanik und die Pfandrückhalteeinrichtung untergebracht sind, wurde im ursprünglichen Anspruch 1 nicht definiert.
2.3 Die Anmeldung wie veröffentlicht offenbart in den Absätzen 0003 bis 0006, dass die Transportwägen in verschiedenen Gruppen jeweils gleicher Pfandschlosseinheiten angeordnet sein können, so dass eine Pfandschlosseinheit A mit einer Kopplungsmechanik A, eine Pfandschlosseinheit B mit einer Kopplungseinheit B und eine Pfandschlosseinheit C mit einer Kopplungseinheit C usw. ausgestattet wird. Die Steckteile für die Pfandschlosseinheiten sind dabei jeweils passend ausgebildet, so dass nur mit Pfandschlosseinheiten A ausgestattete Transportwagen gegenseitig an- und abkoppelbar sind. Gleiches gilt für die Transportwagen mit Pfandschlosseinheiten B und so weiter.
2.4 Die Einsprechende hat zu den Merkmalen a) und b) argumentiert, dass der Begriff "unterschiedlich wirkende" im Anspruch 1 erstens nicht in der ursprünglich eingereichten Anmeldung offenbart sei, und zweitens den Schutzumfang gegenüber dem erteilten Anspruch 1 erweitere, da "unterschiedlich wirkende" sich auch auf die interne Funktionsweise der einzelnen Pfandschlosseinheiten beziehen könnte (Punkte VII a) und b) oben).
2.4.1 Dieses Argument berücksichtigt nicht, dass der Begriff "unterschiedlich wirkende Pfandschlosseinheiten" in seinem Zusammenhang gelesen werden muss: In Anspruch 1 wird angegeben, dass die unterschiedlich wirkenden Pfandschlosseinheiten "mit Hilfe von Kopplungsteilen an die jeweils passende Pfandschlosseinheit eines weiteren Transportwagens ankoppelbar und von dieser wieder lösbar sind". In diesem Zusammenhang gesehen macht die von der Einsprechenden vorgeschlagene Auslegung des Begriffs "unterschiedlich wirkende Pfandschlosseinheiten" keinen technischen Sinn, da "unterschiedlich wirkend" sich nur auf die Kopplung zu den Kopplungsteilen beziehen kann, und zwar auf deren Eigenschaft, dass die Pfandschlosseinheiten nur an Kopplungsteile der jeweils passenden Pfandschlosseinheiten ankoppelbar sind. Die Kammer ist auch nicht von dem Argument überzeugt, dass der Begriff "jeweils passende Pfandschlosseinheiten" breiter sein sollte als der im erteilten Anspruch 1 verwendete Ausdruck "gleiche Pfandschlosseinheiten": Der Begriff "gleiche" bezieht sich --wie der Begriff "jeweils passende"-- nämlich auch nur auf die Kopplung zwischen Kopplungsteil und Pfandschlosseinheit. Somit wird im erteilten Anspruch auch nicht verlangt, dass der Kopplungsteil einer ersten Pfandschlosseinheit nur an identische Pfandschlosseinheiten passt. Außerdem ist es technisch kaum vorstellbar, dass ein Kopplungsteil zwar an eine passende, nicht aber an eine gleiche Pfandschlosseinheit ankoppelbar wäre.
Somit ist Merkmal a) in der ursprünglich eingereichten Anmeldung offenbart und erweitert nicht den Schutzbereich des Patents.
2.5 Merkmal b), unterschiedlich wirkende Kopplungsmechaniken, ist ebenfalls aus den ursprünglichen Anmeldungsunterlagen zu entnehmen, da es sich aus dem gesamten Anspruch 1 ergibt, dass "unterschiedlich wirkende" sich nur auf die Kopplung zu anderen Kopplungsteilen bezieht. Entgegen den Argumenten der Einsprechenden begrenzt Merkmal b) den Schutzbereich des Patents, da kein entsprechendes Merkmal im erteilten Anspruch 1 vorhanden war.
2.6 Merkmal c), --in einer Aufnahmeeinrichtung sind Kopplungsmechanik und Pfandrückhalteeinrichtung benachbart angeordnet-- ist in Figur 3 und Absatz 0010 der veröffentlichten Anmeldung offenbart. In der Anmeldung wird zwar offenbart, dass ein Formschluss oder zumindest eine gemeinsame Anlagefläche zwischen der Kopplungsmechanik und der Pfandrückhalteeinrichtung vorhanden sein sollte. Dies wird aber in der Anmeldung nur als eine bevorzugte Möglichkeit offenbart (vgl. Spalte 2, Zeilen 4 bis 6), so dass die Argumente der Einsprechenden auch hier nicht überzeugend sind (siehe Punkt VII c)oben). Da im erteilten Anspruch 1 weder die Aufnahmeeinrichtung noch die räumliche Zuordnung der Kopplungsmechanik und der Pfandrückhalteeinrichtung angegeben ist, hat Merkmal c) eine einschränkende Wirkung auf den Schutzbereich des Patents.
2.7 Daher geht der Gegenstand des Anspruchs 1 in der aufrechterhaltenen Fassung weder über den Inhalt der Anmeldung in der ursprünglich eingereichten Fassung hinaus, noch wird der Schutzbereich des Patents dadurch erweitert. Die Erfordernisse des Artikels 123, Absätze 2 und 3 EPÜ sind somit erfüllt.
ENTSCHEIDUNGSFORMEL
Aus diesen Gründen wird entschieden:
Die Beschwerde wird zurückgewiesen.