T 1036/06 07-10-2008
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Verfahren zur Herstellung IR-reflektierender Körper aus schlagzähem Kunststoff
Wesentlicher Verfahrensfehler (nein)
Erfinderische Tätigkeit (Hauptantrag und Hiftsantrag 1, nein, Hilfsantrag 2, ja)
I. Die Beschwerdeführerin (Anmelderin) hat gegen die Entscheidung der Prüfungsabteilung, mit der die europäische Patentanmeldung Nr. 02 007 543.8 zurückgewiesen worden ist, Beschwerde eingelegt.
II. Die Prüfungsabteilung war der Auffassung, dass im Hinblick auf die Entgegenhaltungen
D2: EP-A-0733754
D4: DE-A-2544245
der Gegenstand des Anspruchs 7 des Hauptantrags und des Hilfsantrags 1 nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit beruhe. Die Beschwerdeführerin hat einer Erteilung gemäß Hilfsantrag 2 nicht zugestimmt.
III. Die Beschwerdeführerin beantragte die Aufhebung der angefochtenen Entscheidung und die Erteilung eines Patents auf der Grundlage der folgenden Unterlagen:
a) Hauptantrag: Ansprüche 1 bis 12, eingereicht als Hauptantrag am 28. Juli 2004; oder
b) 1. Hilfsantrag: Ansprüche 1 bis 11, eingereicht als Hilfsantrag 1 am 7. Februar 2005; oder
c) 2. Hilfsantrag: Ansprüche 1 bis 6, eingereicht als Hilfsantrag 2 am 7. Februar 2005.
IV. Ansprüche 1 und 7 gemäß Hauptantrag lauten:
"1. Verfahren zur Herstellung eines lichtdurchlässigen, IR-reflektierenden Kunststoffkörpers, bestehend ganz oder zumindest teilweise aus einem schlagzähen thermoplastischen Kunststoff, enthaltend 0,01 bis 2 Gew.-% an IR -reflektierenden Teilchen aus, mit einem Metalloxid beschichteten blättchenförmigen Trägerpigmenten, mittels Verarbeitung einer Kunststoffmischung durch Extrusion oder Coextrusion,
dadurch gekennzeichnet,
daß zunächst eine Vormischung von 5 bis 40 Gew.-% der IR -reflektierenden Teilchen mit einem niedrigviskosen thermoplastischen Kunststoff erzeugt wird, indem die IR-reflektierenden Teilchen mit der Schmelze des niedrigviskosen thermoplastischen Kunststoffs bei einer Temperatur von mindestens 280 ºC in einer drucklosen, nicht scherenden Zone eines Doppelschnecken-Extruders vermischt, extrudiert und in Granulatform überführt werden und anschließend das Granulat direkt oder als Schmelze mit dem Granulat oder der Schmelze eines schlagzähmodifizierten Polymethylmethacrylats, bestehend aus einer Polymermatrix und einem Schlagzähmodifizierungsmittel, in einem Extruder vermischt wird, die Kunststoff- Mischung extrudiert oder zusammen mit einer weiteren Schmelze eines thermoplastischen Kunststoffs coextrudiert wird und nach dem Abkühlen des Extrudats der Kunststoffkörper erhalten wird."
"7. Kunststoffkörper herstellbar nach einem oder mehreren der Ansprüche 1 bis 6, dadurch gekennzeichnet, daß er eine Hagelbeständigkeit in der Hagelschlagprüfung nach SIA V280 von mindestens 4 J und eine Selektivitätskennzahl SKZ T/g nach DIN 67 507 von mehr als 1,15 aufweist."
Anspruch 7 gemäß Hilfsantrag 1 lautet wie folgt:
"7. Kunststoffkörper herstellbar nach einem oder mehreren der Ansprüche 1 bis 6, dadurch gekennzeichnet, dass es sich um eine flache Platte, einen Hohlkörper, insbesondere eine Stegmehrfachplatte, bevorzugt eine
Stegdoppelplatte oder um eine Fachwerkplatte handelt, und der Kunststoffkörper eine Hagelbeständigkeit in der Hagelschlagprüfung nach SIA V280 von mindestens 4 J und eine Selektivitätskennzahl SKZ T/g nach
DIN 67 507 von mehr als 1,15 aufweist."
Hilfsantrag 2 besteht aus den Ansprüchen 1 bis 6 des Hauptantrags.
V. Die Beschwerdeführerin hat im schriftlichen Verfahren und in der mündlichen Verhandlung im Wesentlichen Folgendes vorgetragen:
Die Beschwerdeführerin befinde sich in einer zur Sache T 1181/04 vergleichbar ungünstigen Situation und die Zurückstellung der Bearbeitung ihres Antrags vom 9. Mai 2005 stelle einen wesentlichen Verfahrensmangel dar.
Die angefochtene Entscheidung gehe nicht auf die Ansprüche 9 bis 12 des Hauptantrags, bzw. Ansprüche 9 bis 11 des 1. Hilfsantrags ein. Dies stelle ebenfalls einen wesentlichen Verfahrensmangel dar.
Nur durch die erfindungsgemäße Zugabe des IR-reflektierenden Pigments würden die in Anspruch 7 angegebenen Werte der Hagelschlagbeständigkeit erreicht (siehe Beispiele 3 bis 6, Tabelle 1). Dieser synergistische Effekt sei unerwartet.
Dokument D4 beschreibe die Herstellung einer Platte im Gussverfahren. Dokument D4 beziehe sich daher auf ein vollkommen anderes technisches Gebiet und liefere daher keinen Hinweis auf die erfinderische Lösung.
Anspruch 7 des Hauptantrags und des 1. Hilfsantrags beruhe daher auf einer erfinderischen Tätigkeit.
1. Behauptete Verfahrensmängel
Die Situation in der vorliegenden Sache ist nicht vergleichbar mit der in der Sache T 1181/04. In der vorliegenden Sache ist eine beschwerdefähige Entscheidung ergangen, während sich in der Sache T 1181/04 die Beschwerde gegen die Mitteilung nach Regel 51 (4) EPÜ 1973 richtete.
Auf die Mittelung gemäß Regel 51(4) EPÜ 1973 vom 29. März 2005 hat die Beschwerdeführerin mit Schreiben vom 9. Mai 2005 eine beschwerdefähige Entscheidung seitens der Prüfungsabteilung zur Zurückweisung ihres Haupt- und 1. Hilfsantrags beantragt. Obwohl die am 17. Mai 2005 ergangene Kurzmitteilung mit der Aufforderung zur Einreichung von Übersetzungen der Ansprüche und Entrichtung der Erteilungsgebühren damit gegenstandslos geworden ist, ist die Beschwerdeführerin dennoch dieser Aufforderung gefolgt.
Dies ist aber eine Entscheidung gewesen, die in der Hand der Beschwerdeführerin lag. Die Kammer kann daher in dem Erlass dieser Kurzmitteilung keinen wesentlichen Verfahrensfehler erkennen, der eine sofortige Zurückweisung der Sache an die Vorinstanz berechtigen würde.
Es ist ferner anzumerken, dass sich die Zurückweisung der Anmeldung im Wesentlichen auf die Nichtgewährbarkeit des Anspruchs 7 gemäß Haupt- und 1. Hilfsantrag stützte, so dass es dahingestellt bleiben kann, ob weitere Ansprüche (insbesondere die Ansprüche 9 bis 12 gemäß Hauptantrag und die Ansprüche 9 bis 11 gemäß Hilfsantrag 1) die Erfordernisse des EPÜ erfüllen oder nicht. Die Tatsache, dass weitere Ansprüche in der angefochtenen Entscheidung unberücksichtigt blieben, stellt daher ebenfalls keinen wesentlichen Verfahrensfehler dar.
2. Hauptantrag, Anspruch 7
Anspruch 7 betrifft einen Kunststoffkörper dadurch gekennzeichnet, dass er eine bestimmte Hagelbeständigkeit und Selektivitätskennzahl aufweist. Das Merkmal "herste11bar nach einem der Ansprüche 1 bis 6" hat fakultativen Charakter und kann nicht so ausgelegt werden, dass der Kunststoffkörper zwangsläufig nach einem dieser Verfahren hergestellt ist.
Auch wenn der Anspruch als "product-by-process" Anspruch ausgelegt wäre, ist es am Produkt nicht eindeutig erkennbar, dass ein Verfahren nach einem der Ansprüche 1 bis 6 zur Anwendung kam. Zum Beispiel zeigt die Tabelle 2 der vorliegenden Anmeldung, dass auch eine Schmelzetemperatur unter 270ºC zu einer Selektivitätskennzahl (SKZ) über 1,15 führen kann. Nur weil ein Kunststoffkörper die in Anspruch 7 angegebene Hagelbeständigkeit und SKZ aufweist, kann nicht davon ausgegangen werden, dass der Körper nach dem Verfahren gemäß einem der Ansprüche 1 bis 6 hergestellt worden ist. In ähnlicher Weise ist es nicht am Kunststoffkörper erkennbar, ob die in Anspruch 1 vorgegebene Vormischung zur Anwendung kam oder nicht. Zum Beispiel wäre es möglich, eine kleinere Menge einer Vormischung anzuwenden, die mehr IR-reflektierende Teilchen enthält.
Anspruch 7 in der vorliegenden Fassung betrifft damit allgemein einen Kunststoffkörper mit der gewünschten Hagelbeständigkeit und Selektivitätskennzahl, wobei die Verfahren nach einem der Ansprüche 1 bis 6 zur Herstellung eines Körpers mit diesen Eigenschaften geeignet sind, aber nicht notwendigerweise angewendet werden.
Der Gegenstand des Anspruchs 7 ist gegenüber den Dokumenten D2 und D4 neu, da Dokument D2 zur Selektivitätskennzahl und Dokument D4 zur Hagelbeständigkeit keine Aussagen treffen.
Allerdings handelt es sich hier um Eigenschaften, die der Fachmann zum Beispiel bei Verglasungsmaterial als erstrebenswert betrachtet, siehe Dokument D2, insbesondere Spalte 8, Zeilen 14 bis 38 und Spalte 7, Zeile 56 bzw. Dokument D4, insbesondere Seite 4, vorletzter und letzter Absatz und Seite 8, letzter Absatz. Es ist für den Fachmann daher naheliegend, einen Kunststoffkörper, insbesondere Verglasungsmaterial, zu schaffen, der bzw. das beide gewünschte Eigenschaften aufweist.
Die Tatsache, dass in Dokument D4 ein Gussverfahren für die Herstellung des Kunststoffkörpers Anwendung findet, ist für den Gegenstand des Anspruchs 7, einem Sachanspruch, nicht relevant. Dokument D4 betrifft ebenso wie Dokument D2 Verglasungsmaterial, hier insbesondere Infrarot-reflektierendes Verglasungsmaterial und ist daher zumindest bezüglich der Sache dem gleichen technischen Gebiet zuzuordnen.
Der Gegenstand des Anspruchs 7 gemäß Hauptantrag beruht daher nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit.
3. Hilfsantrag 1
Das in Anspruch 7 des Hilfsantrags hinzugefügte Merkmal, dass der Kunststoffkörper aus einer flachen Platte, einem Hohlkörper oder einer Fachwerkplatte besteht, stellt keine Abgrenzung gegenüber dem vorliegenden Stand der Technik dar und kann daher keine erfinderische Tätigkeit begründen.
Der Gegenstand des Anspruchs 7 gemäß Hilfsantrag 1 beruht daher auch nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit.
4. Hilfsantrag 2
Die Kammer sieht hier keine Veranlassung, die von der Prüfungsabteilung bereits festgestellte Gewährbarkeit der Verfahrensansprüche (siehe Mitteilung gemäß Regel 51(4) EPÜ 1973 vom 29. März 2005) in Frage zu stellen.
Der vorliegende Stand der Technik gibt keinen Hinweis auf ein Verfahren nach Anspruch 1 gemäß Hilfsantrag 2.
Der Gegenstand des Anspruchs 1 gemäß Hilfsantrag 2 beruht daher auf einer erfinderischen Tätigkeit. Das Gleiche gilt für die Gegenstände der auf Anspruch 1 rückbezogenen Ansprüche 2 bis 6, welche besondere Ausführungsformen des Verfahrens gemäß Anspruch 1 betreffen.
ENTSCHEIDUNGSFORMEL
Aus diesen Gründen wird entschieden:
1. Die angefochtene Entscheidung wird aufgehoben.
2. Die Angelegenheit wird an die Prüfungsabteilung mit der Anordnung zurückverwiesen, ein Patent auf der Grundlage der folgenden Unterlagen zu erteilen:
- Patentansprüche 1 bis 6, eingegangen am 7. Februar 2005 als Hilfsantrag 2;
- Beschreibung: Seiten 1 und 7, eingegangen am 29. Mai 2008; Seite 19, eingegangen in der mündlichen Verhandlung, und Seiten 2 bis 6, 8 bis 18 und 20 bis 25, wie ursprünglich eingereicht.