T 1119/06 19-08-2008
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Schaltung zur Steuerung mindestens eines jeweils elektromechanisch betätigten Ein- und Auslassventils einer Brennkraftmaschine
Neuheit (ja)
Erfinderische Tätigkeit (ja)
I. Die Einspruchsabteilung hat mit der Entscheidung vom 11. Mai 2006 den Einspruch gegen das europäische Patent Nr. EP-B-1 171 702 zurückgewiesen.
II. Der Einspruch richtete sich gegen das gesamte Patent und wurde auf den Einspruchsgrund nach Artikel 100 (a) EPÜ 1973 gestützt, weil der Gegenstand des Patents nicht neu sei und nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit beruhe.
Die Einspruchsabteilung war der Auffassung, dass dieser Einspruchsgrund der Aufrechterhaltung des Patents in unveränderter Form nicht entgegenstehe und hat dabei unter anderem die folgenden Druckschriften zum Stand der Technik berücksichtigt:
E1: EP-A-0 724 067;
E2: EP-A-0 376 716;
E3: DE-A-19 518 056;
E4: EP-A-0 975 857;
E5: "Motorsteuerung für Ottomotoren / Motormanagement Motronik", technische Unterrichtung, Robert Bosch GmbH, Ausgabe 94/95,
E6: "Automotive Handbook", ISBN 1-56091-372-X, Robert Bosch GmbH, 1993, S. 776-779;
E7: "Kraftfahrttechnisches Taschenbuch", 22. Auflage, ISBN 3-540 62219-5, Robert Bosch GmbH, 1995, S. 166 - 169, 479 - 485, 800 - 803;
E8: "Elektronische Motorsteuerung für Dieselmotoren / Diesel-Speichereinspritzsystem Common Rail", technische Unterrichtung, Robert Bosch GmbH, Ausgabe 98/99, insb. S. 42-49.
Der Gegenstand des Anspruchs 1 in der erteilten Fassung sei neu, weil die Aktorsteuerung der Druckschrift E4 und die Steuereinrichtung 45 der Druckschrift E3 kein Kommunikationsrechner sei.
Dieser Gegenstand beruhe auch auf einer erfinderischen Tätigkeit, weil er sich nicht aus der aus Druckschrift E1 bekannten Steueranordnung in naheliegender Weise ergebe, auch nicht, wenn der Fachmann das aus Druckschrift E7 bekannte CAN-System verwenden würde. Denn dann würden lediglich die Datenverbindungen nach Figur 2 der Druckschrift E1 durch das CAN-System ersetzt. Eine andere Verteilung der Rechneraufgaben würde dadurch jedoch nicht nahegelegt. Der Rechner 16 bliebe nach wie vor alleine zuständig zu Festlegung der Zeitsteuersignale und aus der Schaltung 14 würde durch die Einführung eines CAN-Systems nicht ein Kommunikationsrechner im Sinne des Anspruchs 1.
III. Gegen diese Entscheidung hat die Einsprechende am 12. Juli 2006 Beschwerde eingelegt und gleichzeitig die Beschwerdegebühr entrichtet. Die Beschwerdebegründung ist am 20. September 2006 eingegangen.
Mit der Beschwerdebegründung hat die Beschwerdeführerin (Einsprechende) unter anderem die folgenden Druckschriften zur Aufnahme in das Verfahren vorgelegt:
E16: DE-A-19 739 840 und
Am 19. August 2008 hat eine mündliche Verhandlung vor der Beschwerdekammer stattgefunden, in der die Beschwerde zurückgewiesen worden ist.
IV. Die Beschwerdeführerin (Einsprechende) beantragte die Aufhebung der angefochtenen Entscheidung und den Widerruf des Europäischen Patents Nr. 1 172 702, sowie die Möglichkeit, den Nachweis über das Veröffentlichungsdatum der Druckschrift E25 noch nach der mündlichen Verhandlung erbringen zu dürfen, sollte diese Druckschrift für neuheitsschädlich gehalten werden.
Die Beschwerdegegnerin (Patentinhaberin) beantragte die Zurückweisung der Beschwerde, hilfsweise die Aufrechterhaltung des Patents im Umfang der Hilfsanträge 1 - 3, eingereicht mit Schriftsatz vom 21. Juli 2008.
V. Anspruch 1 gemäß dem Hauptantrag entspricht demjenigen des Patents in der erteilten Fassung und hat folgenden Wortlaut:
"1. Steueranordnung beinhaltend eine Steuerschaltung mindestens eines elektromechanisch betätigten Einlaßventils (5) und mindestens eines elektromechanisch betätigten Auslaßventils (6) eines Zylinders einer Brennkraftmaschine, mit mindestens einem Aufsetzregler (2, 3) mit mindestens einer Endstufe für jeden Elektromagneten der elektromechanisch betätigten Ventile (5, 6), der die Endstufen der Ventile (5, 6) in Abhängigkeit von Zeitsteuersignalen ansteuert und unter Verarbeitung von die Stellung der Ventile (5, 6) anzeigenden Positionssignalen die Bestromung der Elektromagneten regelt, um ein sanftes, geräuscharmes Aufsetzen der Ventile (5, 6) in den Endstellungen zu bewirken, und einem digital arbeitenden Kommunikations-rechner (1), der ein Kurbelwellenstellungssignal auswertet, über eine Kommunikationsverbindung (8) mit einem Betriebssteuergerät (9) der Brennkraftmaschine Daten austauscht und abhängig vom Kurbelwellenstellungssignal und von den vom Betriebssteuergerät (9) erhaltenen Daten die Zeitsteuersignale für den Aufsetzregler (2, 3) erzeugt."
VI. Die Beschwerdeführerin argumentierte im Wesentlichen folgendermaßen:
a) Der Gegenstand des Anspruchs 1 sei nicht neu im Hinblick auf die Druckschriften E16, E4 und E25.
i) In der mündlichen Verhandlung führte sie aus, dass der Nachweis, dass Druckschrift E25 zum Abruf durch interessierte Dritte zur Verfügung stand, derzeit nur für die Zeit nach dem maßgeblichen Prioritätstag erbracht werden könne. Jedoch könne sie versuchen, das Veröffentlichungsdatum dieser Druckschrift noch nach der mündlichen Verhandlung nachzuweisen, sollte die Beschwerdekammer sie für neuheitsschädlich halten.
ii) Bei der aus Druckschrift E16 bekannten Steueranordnung würde die Steuer-/Regeleinheit 11 wie der beanspruchte Kommunikationsrechner agieren. Aus Spalte 8, Zeile 55 - Spalte 9, Zeile 5 würde sich ergeben, dass die Zeitsteuersignale nicht in der zentralen Steuerungseinheit, also dem Betriebssteuergerät des Motors, erzeugt würden, sondern in der Steuer-/Regeleinheit 11. Darüber hinaus würde diese Einheit 11 auch ein Kurbelwellenstellungssignal erhalten, nämlich die Drehzahl von einer zentralen Steuerungseinheit (s. Sp. 4, Z. 66 - Sp. 5, Z. 8).
iii) In der aus Druckschrift E4 bekannten Steueranordnung entsprächen die Aktorsteuergeräte AS1 oder AS2 dem Kommunikationsrechner in Anspruch 1. Im Normalbetrieb gäbe die Motorsteuerung MS die Zeitsteuersignale für die Ventilbetätigung vor. Bei Ausfall der Verbindung zwischen einem der Aktorsteuergeräte AS1/2 und dem Motorsteuergerät MS würde jedoch ein Notbetrieb dadurch sichergestellt, dass das betroffene Aktorsteuergerät allein die Ventilsteuerung übernähme. Dazu sei das Aktorsteuergerät in der Lage, abhängig vom Kurbelwellenstellungssignal und von den vom Motorsteuergerät erhaltenen Daten die Zeitsteuersignale für sich zu erzeugen.
Diesbezüglich sei zu beachten, dass Anspruch 1 eine Vorrichtung beanspruche und keinen Verfahrensablauf. Deshalb sei es ausreichend, den Kommunikationsrechner schaltungstechnisch so auszubilden, dass er die in Anspruch 1 beschriebenen Funktionen erfüllen könne, d.h. dass er das Kurbelwellenstellungssignal auswerten könne, dass er über eine Kommunikationsverbindung mit einem Betriebssteuergerät der Brennkraftmaschine Daten austauschen könne, und dass er abhängig vom Kurbelwellenstellungssignal und von den vom Betriebssteuergerät erhaltenden Daten die Zeitsteuersignale für den Aufsetzregler erzeugen könne. Wann diese Funktionen erfüllt sein müssten, sei in Anspruch 1 nicht definiert.
Aus Absatz [0012] ergebe sich, dass das Motorsteuergerät gleichzeitig als Aktorsteuergerät funktioniere. Der Begriff "Integration" bedeute nämlich, dass ein vorhandenes Steuergerät die Funktionalität des anderen Steuergeräts mit aufnehme.
b) Darüber hinaus beruhe der Gegenstand des Anspruches 1 auch nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit.
i) Ausgehend von der aus Druckschrift E1 bekannten Steueranordnung sei es im Hinblick auf das in den Druckschriften E 5 bis E8 wiedergegebene Fachwissen für den Fachmann naheliegend, die Regeleinheit 14 neben der Motorsteuerung 16 als eigenständiges Steuergerät auszubilden, das die Zeitsteuersignale für die Einlass-/Auslassventile selbstständig verändern könne. Dort nehme der Aufsetzregler 14 eine Korrektur der zuvor, in einem ersten Schritt vom Betriebssteuergerät 16 festgelegten Zeitsteuersignale vor.
ii) Ausgehend von der aus Druckschrift E16 bekannten Steueranordnung bestehe die Aufgabe darin, ein Zusammenprallen des Kolbens mit dem Ventil zu vermeiden. Deshalb sei es unerlässlich, festzustellen, wo sich der Kolben zu bestimmten Zeitpunkten im Zylinder befinde. Dazu das Kurbelwellenstellungssignal heranzuziehen, sei dem Fachmann aufgrund seiner Fachkenntnisse, die z.B. in den Druckschriften E1, E2 und E3 wiedergegeben wären, bekannt. Aufgrund dieser Informationen sei es für den Fachmann naheliegend, die aus Druckschrift E16 bekannte Steuer-/Regeleinheit 11 so auszugestalten, dass sie ein Kurbelwellenstellungssignal auswerte.
VII. Demgegenüber argumentierte die Beschwerdegegnerin (Patentinhaberin), dass der beanspruchte Gegenstand neu sei und auf einer erfinderischen Tätigkeit beruhe.
Keine der entgegengehaltenen Druckschriften offenbare einen Aufsetzregler und ein Betriebssteuergerät zwischen denen ein Kommunikationsrechner vorgesehen sei und die damit verbundene Funktionalität. Der Anspruch müsse im Lichte der Beschreibung ausgelegt werden und aus Absatz [0015] ergebe sich, dass der Kommunikations rechner nur Kommunikationsaufgaben habe.
Bei der aus Druckschrift E16 bekannten Steueranordnung werde die gesamte Datenverarbeitung für die Stellvorrichtung in der Steuer-/Regeleinheit 11 abgewickelt (s. Sp. 7, Z. 10 - 24), und es sei zu ihrer Entlastung kein Kommunikationsrechner vorgesehen.
Bei der aus Druckschrift E4 bekannten Steueranordnung würden die Zeitsteuersignale durch die Motorsteuerung und nicht durch ein Aktorsteuergerät erzeugt (s. Sp. 5, Z. 39 - 42 und Z. 52 - Sp. 6, Z. 2). Im dort beschriebenen Notbetrieb sei die Kommunikationsver-bindung zwischen der Motorsteuerung und den Aktorsteuer-geräten unterbrochen. Deshalb könnten die Aktorsteuergeräte die Zeitsteuersignale nicht abhängig von den vom Motorsteuergerät erhaltenen Daten erzeugen.
Auch bei der aus Druckschrift E1 bekannten Steueranordnung würden die Zeitsteuersignale im Betriebssteuergerät 16 erzeugt. Eine Berechnung in der Steuerschaltung 14 würde den Ausführungen in Spalte 8, Z.8-12 widersprechen.
1. Die Beschwerde ist zulässig, aber nicht begründet.
2. Druckschrift E25
2.1 In Verfahren vor den Beschwerdekammern sollten neue Tatsachen und Beweismittel, die über die in Regel 55c) EPÜ erforderliche Angabe von Tatsachen und Beweismitteln zur Stützung der vorgebrachten Einspruchsgründe hinausgehen, nur in ausgesprochenen Ausnahmefällen zum Verfahren zugelassen werden, wenn die neuen Unterlagen prima facie hochrelevant in dem Sinne sind, dass sie höchstwahrscheinlich der Aufrechterhaltung des europäischen Patents entgegenstehen. Dabei sollten auch andere relevante Faktoren des jeweiligen Falls berücksichtigt werden, insbesondere, ob und mit welcher Begründung der Patentinhaber Einwände gegen die Zulässigkeit der neuen Unterlagen erhebt und welche Verfahrenskomplikationen die Zulassung der neuen Unterlagen voraussichtlich mit sich brächte (s. T 1002/92, ABl. EPA 1995, 605).
2.2 Aus Druckschrift E25 ist kein Aufsetzregler bekannt, der ein sanftes, geräuscharmes Aufsetzen der Ventile in den Endstellungen bewirkt.
Darüber hinaus liegen keine Unterlagen vor, die nachweisen, dass diese Druckschrift vor dem maßgeblichen Prioritätstag der Öffentlichkeit zugänglich war. Bei dieser Druckschrift handelt es sich um eine technische Unterrichtung der Beschwerdeführerin. Den vorgelegten Unterlagen ist nicht eindeutig entnehmbar, ob es sich nicht lediglich um eine firmeninterne Schrift handelt. Ferner erscheint der Zeitraum vom Bestreiten der Veröffentlichung bis zur mündlichen Verhandlung von knapp einem Monat als ausreichend, geeignetes Material zum Nachweis der öffentlichen Zugänglichkeit der eigenen Veröffentlichung vorzulegen.
2.2.1 Selbst wenn diese Druckschrift aber neuheitsschädlich wäre, hätte deren Zulassung zu einer Verfahrensverzögerung geführt. Da die Beschwerdeführerin beantragt hat, ihr in diesem Fall Gelegenheit zum Nachweis der Veröffentlichung zu geben, hätte die mündliche Verhandlung vertagt werden müssen. Dies hätte verhindert, dass die Sache am Ende der mündlichen Verhandlung gemäß Artikel 15 (6) der Verfahrensordnung der Beschwerdekammern hätte entschieden werden können.
2.3 Da somit Druckschrift E25 höchstwahrscheinlich nicht der Aufrechterhaltung des europäischen Patents entgegensteht, hat sie die Kammer in Ausübung ihres Ermessens gemäß Artikel 114 EPÜ 1973 nicht zum Verfahren zugelassen.
3. Neuheit - Anspruch 1 - Hauptantrag
3.1 Druckschrift E16
3.1.1 Aus dieser Druckschrift ist eine Steueranordnung zur Betätigung der Einlass-/Auslassventile eines Zylinders einer Brennkraftmaschine bekannt (s. bspw. Fig. 1 mit den dazugehörigen Beschreibungsteilen). Sie weist einen Aufsetzregler 5, 12, 13 auf, und eine Steuer-/Regeleinheit 11, die die Signale eines Wegsensors 9 aufnimmt, und den Stromfluss durch die Elektromagnete 6, 7 des Aufsetzreglers so regelt, dass die Aufsetzgeschwindigkeit im Aufsetzpunkt eine vorgegebene Grenze unterschreitet (s. Sp. 3, Z. 48 - 52). Die Steuer-/Regeleinheit 11 ist mit einer zentralen Steuereinheit der Brennkraftmaschine über eine Datenleitung 14 verbunden (s. Sp. 4, Z. 56 - 59) und entspricht deshalb dem in Anspruch 1 genannten Kommunikationsrechner.
3.1.2 Gemäß der Patentschrift, Absatz [0023] gibt ein "Zeitsteuersignal" an, wann das Ventil zu öffnen oder zu schließen ist. In Spalte 4, Z. 66 - Spalte 5, Z. 9 der Druckschrift E16 ist beschrieben, dass die Öffnungs- und/oder Schließzeiten in der zentralen Steuerungseinheit enthalten sind und der Steuer-/Regeleinheit 11 zur Verarbeitung zu einem Ansteuersignal für die Elektromagnete der Stellvorrichtung zur Verfügung gestellt werden. Die Zeitsteuersignale werden demnach zumindest nicht in der Steuer-/Regeleinheit 11 erzeugt.
Diese Feststellung findet seine Bestätigung in anderen Abschnitten der Beschreibung. So wird in Spalte 7, Zeilen 11 - 16 beschrieben, dass die gewünschten Steuerwinkel für die Gaswechselventile von einer zentralen Steuereinheit über die Datenleitung 14 in die Steuer-/Regeleinheit 11 gelangen (s. auch Sp. 8, Z. 57 - 61).
3.1.3 In dieser Druckschrift wird nicht explizit beschrieben, dass die Steuer-/Regeleinheit 11 ein Kurbelwellensignal auswertet. Zwar entnimmt ein Fachmann einer Druckschrift nicht nur die dort explizit offenbarten Informationen, sondern auch die für ihn vom Inhalt miterfassten (d.h. impliziten) Merkmale. Nach Auffassung der Kammer müssen sich solche impliziten Merkmale jedoch klar und eindeutig aus dem ergeben, was in der Druckschrift ausdrücklich angegeben ist (s. T 823/96, erwähnt in "Rechtsprechung der Beschwerdekammern des Europäischen Patentamtes", 5. Auflage, 2006, Seite 304).
Explizit wird in dieser Druckschrift angegeben (Sp. 4, Z. 66 bis Sp. 5, Z. 3), dass die Drehzahl in der Steuer-/Regeleinheit 11 als Stellgröße verarbeitet wird. Da aus der Drehzahl allein nicht die Stellung des Kolbens im Zylinder abgeleitet werden kann, ist damit für den Fachmann nicht offenbart, dass die Steuer-/Regeleinheit 11 ein Kurbelwellenstellungssignal auswertet.
3.1.4 Zusammenfassend wird deshalb festgestellt, dass Druckschrift E16 nicht offenbart, dass der Kommunikationsrechner (Steuer-/Regeleinheit 11) ein Kurbelwellenstellungssignal auswertet und, abhängig von diesem Kurbelwellenstellungssignal und von den vom Betriebssteuergerät (zentrale Steuereinheit) erhaltenen Daten, die Zeitsteuersignale für den Aufsetzregler erzeugt.
3.2 Druckschrift E4
3.2.1 Aus dieser Druckschrift ist eine Steueranordnung zur Betätigung von Einlass-/Auslassventilen eines Zylinders einer Brennkraftmaschine bekannt (s. insb. Fig. 1). Sie weist Aktorsteuergeräte AS1 und AS2 auf, mit denen ein sanftes, geräuscharmes Aufsetzen der Ventile in den Endstellungen bewirkt werden kann (s. Abs. [0034]). Darüber hinaus ist eine Motorsteuerung MS vorgesehen, die im Normalbetrieb die Zeitsteuersignale für die Ventilbetätigung vorgibt (s. Abs. [0011]). Fällt die Verbindung zwischen einem der Aktorsteuergeräte AS1/2 und dem Motorsteuergerät MS aus, wird ein Notbetrieb dadurch sichergestellt, dass eines der Aktorsteuergeräte allein die Ventilsteuerung übernimmt (s. Abs. [0019], [0016]). Dazu sind sie auch direkt mit den Sensoren zur Bestimmung des Kurbelwellendrehwinkels der Brennkraftmaschine verbunden (s. Abs. [0016]). Im Notbetrieb müssen die Zeitsteuersignale also von einem der Aktorsteuergeräte AS1 oder AS2 erzeugt werden können.
3.2.2 Die Aktorsteuergeräte AS1 und AS2 entsprechen dem in Anspruch 1 genannten Aufsetzregler. Da sie mit der Motorsteuerung MS, also dem Betriebssteuergerät des Anspruches 1, über einen Datenbus in Verbindung stehen (s. Abs. [0007], stellen sie auch einen Kommunikationsrechner im Sinne des Anspruchs 1 dar.
a) Im Hinblick auf Anspruch 1 war deshalb zu untersuchen, wie die Zeitsteuersignale im Notbetrieb in den Aktorsteuergeräten erzeugt werden, insbesondere ob sich aus dieser Druckschrift ergibt, dass sie schaltungstechnisch so ausgebildet sind, dass sie diese Signale abhängig von den vom Motorsteuergerät erhaltenen Daten erzeugen.
b) Für ein solche Ausbildung gibt es in dieser Druckschrift weder ausdrückliche Hinweise, noch bestand dafür überhaupt eine Notwendigkeit.
Da im Notbetrieb keine Verbindung zwischen einem der Aktorsteuergeräte AS1/2 und dem Motorsteuergerät MS besteht, könnten sie diese Signale nach dem Wortlaut des Anspruches 1 nur dann abhängig von den vom Motorsteuergerät erhaltenen Daten erzeugen, soweit die bei bestehender Verbindung ausgetauschten Daten im Aktorsteuergerät gespeichert werden. Dazu gibt es in der Druckschrift aber keine Hinweise. Im Gegenteil, den Aktorsteuergeräten stehen im Notbetrieb eigene Kennfelder für das Arbeitsspiel der Ventile zur Verfügung (s. Abs. [0041]). Im Notbetrieb greifen die Aktorsteuergeräte somit nicht auf vom Motorsteuergerät erhaltene Daten zu.
c) Deshalb wird festgestellt, dass aus dieser Druckschrift kein Kommunikationsrechner bekannt ist, der die Zeitsteuersignale für den Aufsetzregler abhängig von den vom Betriebssteuergerät erhaltenden Daten erzeugt.
3.2.3 In Absatz [0012] wird zwar beschrieben, dass das Motorsteuergerät in einem der Aktorsteuergeräte integriert werden kann. Die Kammer teilt jedoch nicht die Ansicht der Beschwerdeführerin, dass der Begriff "Integration" im vorliegenden Fall bedeutet, dass ein vorhandenes Steuergerät die Funktionalität des anderen Steuergeräts mit aufnimmt. Dies würde nämlich auch der Darstellung des grundlegenden Erfindungsgedankens in dieser Druckschrift widersprechen. Da in Absatz [0007] beschrieben wird, dass ein separates Aktorsteuergerät mittels eines Datenbusses mit dem Motorsteuergerät verbunden ist, würde der Fachmann die genannte Integration nach Auffassung der Kammer so verstehen, dass das Motorsteuergerät und eines der Aktorsteuergeräte in einem gemeinsamen Gehäuse untergebracht werden können.
3.3 Da somit keine der genannten Druckschriften sämtliche Merkmale des Anspruchs 1 offenbart, ist dessen Gegenstand als neu anzusehen (Art. 54 (1),(2) EPÜ 1973).
4. Erfinderische Tätigkeit - Anspruch 1 - Hauptantrag
4.1 Aus Druckschrift E1 ist eine Steueranordnung (s. Fig. 2) mit einem Aufsetzregler 14 und einem Betriebssteuergerät 16 bekannt.
4.1.1 Die Öffnungs-/Schließzeiten der Ventile, also die Zeitsteuersignale, werden in dem Betriebssteuergerät 16 aus Sensorsignalen bestimmt (s. Sp. 8, Z. 8 - 12). Selbst wenn der Aufsetzregler 14 als Kommunikationsrechner bezeichnet würde, ist deshalb aus dieser Druckschrift kein Kommunikationsrechner im Sinne des Anspruches 1 bekannt, der ein Kurbelwellenstellungssignal zur Erzeugung von Zeitsteuersignalen für den Aufsetzregler auswertet.
a) Zwar stehen bei dieser Steueranordnung die Kurbelwellenstellungssignale auch dem Aufsetzregler 14 zur Verfügung (s. Fig. 2 und Sp. 7, Z. 20 i.V.m. Z. 8 - 11). Ob jedoch dieser Regler diese Signale zur Erzeugung der Zeitsteuersignale auswertet, wie es nach Anspruch 1 erforderlich ist, wird dort nicht beschrieben.
b) Auch den Vortrag der Beschwerdeführerin, der Aufsetzregler 14 nehme eine Korrektur der vorher vom Betriebssteuergerät 16 bestimmten Zeitsteuersignale vor, hält die Beschwerdekammer nicht für überzeugend. Es ist zwar zutreffend, dass diese Druckschrift Korrekturmittel beschreibt, z.B. in Spalte 4, Zeilen 33 - 48. Es wird jedoch nicht angegeben, welches Mittel in der Steueranordnung der Figur 2 diese Korrektur vornimmt. Aufgrund der eindeutigen Offenbarung, dass die Zeitsteuersignale im Betriebssteuergerät 16 erzeugt werden, kann diese Information nur so verstanden werden, dass die Korrektur ebenfalls im Betriebssteuergerät 16 vorgenommen wird.
4.1.2 Im Hinblick auf das in den Druckschriften E 5 bis E8 wiedergegebene Fachwissen ist die beanspruchte Steueranordnung für den Fachmann nicht naheliegend, denn in keiner dieser Druckschriften wird er angeleitet, die Zeitsteuersignale statt in dem Betriebssteuergerät 16 im Aufsetzregler 14 zu erzeugen. So lehren die Druckschriften E5 (s. z.B. Bild 1) und E7 (s. z.B. S. 480), diese Signale im Motorsteuergerät (also dem Betriebssteuergerät) zu erzeugen und die Druckschriften E6 und E8 lehren lediglich die Kopplung verschiedener Steuergeräte incl. Motorsteuerungen über einen CAN-Bus.
4.1.3 Es ist somit für den Fachmann nicht naheliegend, den Aufsetzregler 14 der Druckschrift E1 so auszubilden, dass er eigenständig die Zeitsteuersignale für die Gaswechselventile erzeugt.
4.2 Der Gegenstand des Anspruches 1 ergibt sich für den Fachmann auch nicht mit seinem Fachwissen in naheliegender Weise aus der aus Druckschrift E16 bekannten Steueranordnung.
4.2.1 Er unterscheidet sich davon (s. obigen Punkt 3.1) dadurch, dass der Kommunikationsrechner (Steuer-/Regeleinheit 11) ein Kurbelwellenstellungssignal auswertet und, abhängig von diesem Kurbelwellenstellungssignal und von den vom Betriebssteuergerät (zentrale Steuereinheit) erhaltenen Daten, die Zeitsteuersignale für den Aufsetzregler erzeugt.
4.2.2 Diese Merkmale sind auch aus den zum Fachwissen angegebenen Druckschriften nicht bekannt.
a) Aus Druckschrift E2 ist es bekannt, einen Kurbelwellenstellungssensor vorzusehen, dessen Signale von einem Betriebssteuergerät 11 zur Ansteuerung der Gaswechselventile ausgewertet werden. Ein Kommunikationsrechner, der über eine Kommunikationsverbindung mit dem Betriebssteuergerät 11 Daten austauscht, ist dort jedoch nicht vorgesehen.
b) Bei der aus Druckschrift E3 bekannten Steueranordnung erzeugt die Motorsteuerung die Zeitsteuersignale für den Aufsetzregler (s. Fig. 24 i.V.m. Sp. 12, Z. 25 - 31).
c) Dies ist auch bei der aus Druckschrift E1 bekannten Steueranordnung der Fall, siehe obige Ausführungen unter 4.1.1.
4.2.3 Von der aus Druckschrift E16 bekannten Steueranordnung würde der Fachmann demnach mit diesem Fachwissen nicht zum Gegenstand des Anspruches 1 gelangen, weil er daraus insbesondere keine Anregung bekäme, die als Kommunikationsrechner wirkende Steuer-/Regeleinheit 11 so auszubilden, dass sie abhängig von dem vom Betriebssteuergerät erhaltenen Daten die Zeitsteuersignale für den Aufsetzregler erzeugt.
4.3 Deshalb beruht der Gegenstand des Anspruchs 1 auch auf einer erfinderischen Tätigkeit (Art. 56 EPÜ 1973).
5. Bei dieser Sachlage war es nicht erforderlich, die Hilfsanträge 1 - 3 zu berücksichtigen.
ENTSCHEIDUNGSFORMEL
Aus diesen Gründen wird entschieden:
Die Beschwerde wird zurückgewiesen.