T 1474/06 10-01-2008
Download und weitere Informationen:
Musikinstrumentbehältnis, insbesondere für Gitarren
Zulässigkeit des Einspruchs (ja)
Zulassung neuer, erstmalig in der mündlichen Verhandlung vorgelegter Anträge (ja: erster Hilfsantrag; nein: zweiter Hilfsantrag)
Erfinderische Tätigkeit (nein: Hauptantrag und erster Hilfsantrag)
Rückzahlung der Beschwerdegebühr (nein)
I. Die am 13. September 2006 unter gleichzeitiger Bezahlung der Beschwerdegebühr eingelegte Beschwerde des Patentinhabers richtet sich gegen die am 2. August 2006 zur Post gegebene Zwischenentscheidung der Einspruchsabteilung, das Europäische Patent Nr. 1 111 583 in geändertem Umfang gemäß einem ihr vorliegenden Hilfsantrag aufrechtzuerhalten. Die Beschwerdebegründung wurde am 28. September 2006 eingereicht.
II. Der Einspruch stützte sich auf die Gründe der Artikel 100 a) und 100 c) EPÜ 1973, wobei zu Ersterem fehlende Neuheit und erfinderische Tätigkeit (Artikel 54(1) und (2) und 56 EPÜ 1973) geltend gemacht wurden.
Die Einsprechende bezog sich in diesem Zusammenhang auf eine Reihe von Druckschriften und machte durch Zeugenangebote untermauerte offenkundige Vorbenutzungen des Gegenstandes des erteilten Patentanspruchs 1 geltend.
III. Die Einspruchsabteilung kam in ihrer Entscheidung zu dem Ergebnis, dass der druckschriftlich nachgewiesene Stand der Technik den Gegenstand des Anspruchs 1 in der erteilten Fassung weder vorwegnehme noch nahelege. Im Hinblick auf die Aussagen zweier Zeugen, die im Rahmen einer mündlichen Verhandlung einvernommen worden waren, sah sie den beanspruchten Gegenstand jedoch als neuheitsschädlich vorbenutzt an.
IV. Die Einsprechende (Beschwerdegegnerin) nahm mit Schreiben vom 16. Mai 2007 den Einspruch zurück und ist seitdem nicht mehr am Verfahren beteiligt.
V. Auf Antrag des Beschwerdeführers fand am 10. Januar 2008 eine mündliche Verhandlung mit ihm als einziger verbliebener Partei statt.
Im Hinblick darauf, dass einerseits vom Beschwerdeführer im Beschwerdeverfahren geltend gemachte Umstände begründete Zweifel aufkommen ließen an der Gültigkeit einiger der in den Zeugenaussagen enthaltenen Zeitangaben, auf die sich die Entscheidung der Einspruchsabteilung zum Patent in seiner erteilten Fassung stützte, und andererseits die Einsprechende für eine Klärung dieser Zweifel nicht mehr zur Verfügung stand, erachtete die Kammer keine der in der Vorinstanz geltend gemachten offenkundigen Vorbenutzungen als ausreichend bewiesen.
Die Diskussion der Patentfähigkeit des Gegenstandes des erteilten Patentanspruchs 1 beschränkte sich damit auf die schon im Einspruchsverfahren diskutierten vorveröffentlichten Druckschriften :
D2 : DE-U-297 03 381 und
D3 : JP-A-09 154618 und englischsprachige Zusammenfassung in PAJ.
VI. Der Beschwerdeführer beantragte, als Hauptantrag, die Aufhebung der angefochtenen Entscheidung und die Aufrechterhaltung des Patents in der erteilten Fassung. Hilfsweise beantragte er die Aufrechterhaltung auf der Grundlage von in der mündlichen Verhandlung eingereichten Sätzen geänderter Ansprüche 1 bis 10 bzw. Ansprüche 1 bis 9 gemäß einem ersten bzw. zweiten Hilfsantrag.
Darüber hinaus beantragte er die Rückzahlung der Beschwerdegebühr aufgrund schwerwiegender Mängel des Verfahrens vor der Einspruchsabteilung.
VII. Anspruch 1 des Hauptantrags lautet :
"1. Musikinstrumentenbehältnis, insbesondere für Gitarren, mit einer verschließbaren Hülle (11) zur Aufnahme des Musikinstrumentes und Trageeinrichtungen (12), nämlich Schultergurten,
dadurch gekennzeichnet,
dass Mittel (13) speziell ausgestaltet zur Aufnahme einer Kommunikationseinrichtung, insbesondere eines Mobiltelefons, vorhanden sind, die nicht abnehmbarer, insbesondere angenähter Bestandteil der Schultergurte (12) sind."
Die Ansprüche 2 bis 10 sind abhängige Ansprüche.
Anspruch 1 des ersten Hilfsantrags unterscheidet sich vom Anspruch 1 des Hauptantrags dadurch, dass die Angabe "Musikinstrumentenbehältnis, insbesondere für Gitarren," durch den Begriff "Gitarrentasche" ersetzt ist.
Die Ansprüche 2 bis 10 sind abhängige Ansprüche.
Anspruch 1 des zweiten Hilfsantrags unterscheidet sich vom Anspruch 1 des Hauptantrags dadurch, dass das Kennzeichen um das Merkmal "und dass die Mittel (13) zur Aufnahme der Kommunikationseinrichtung in einem mit Verstärkungen und/oder Polsterungen versehenen Bereich des Schultergurtes (12) angeordnet sind".
Die Ansprüche 2 bis 9 sind abhängige Ansprüche.
VIII. Der Beschwerdeführer vertrat die Auffassung, der Einspruch sei unzulässig, da nach wie vor Unklarheiten bezüglich der Identität des oder der Einsprechenden bestünden. Die "Firma Gerhard Dimbath", in deren Namen Einspruch eingelegt worden war, sei weder eine juristische noch eine natürliche Person und daher als solche nicht berechtigt, einen Einspruch einzulegen. Welche natürliche Person oder Personen jedoch zum Zeitpunkt des Einspruchs im Jahre 2004 hinter der angegebenen Firma gestanden haben, bliebe auch nach Vorlage eines Handelsregisterauszuges aus dem Jahre 1998 unklar.
Was die Patentfähigkeit des Gegenstandes des erteilten Anspruchs 1 anbetreffe, so sei dieser durch die bereits im Prüfungs- und Einspruchsverfahren berücksichtigten und dort als unschädlich erachteten Druckschriften D2 und D3 weder vorweggenommen noch nahegelegt.
Zwar zeige D3 eine am Schultergurt eines Rucksackes befestigte Tasche für ein Mobiltelefon (Handy), doch bestehe die Lehre dieses Dokuments gerade darin, eine besondere Ausgestaltung einer lösbaren Befestigung aufzuzeigen, welche es gestatte, die Handytasche an beliebigen Gurten oder Gürteln anzubringen. Um dabei bei Bedarf die Sicherheit gegen ein unbeabsichtigtes Lösen zu erhöhen, sei in einer vorteilhaften Ausführungsform eine zusätzliche Sicherung mittels eines Schlosses vorgesehen. Nichts in Dokument D3 erlaube den Sprung zur vorliegenden Erfindung, deren Entwicklung das Ziel zugrunde gelegen habe, ein höherwertiges Gesamtprodukt zu schaffen, nämlich ein Musikinstrumentenbehältnis, das eine Handytasche als integralen Bestandteil des Behältnisses aufweist, und bei dem der durch die Handytasche bewirkte erhöhte Nutzungswert aufgrund dieser integralen Ausgestaltung auch über die gesamte Lebensdauer des Produkts gewährleistet sei.
Dokument D2 betreffe eine Streichinstrumententasche mit Tragegurten, deren Besonderheit die Ausgestaltung einer inneren Bogentasche darstelle. Eine Figur zeige darüber hinaus auf der Rückseite der Tasche aufgenähte Außentaschen, ohne dass diese zur Aufnahme bestimmter Gegenstände speziell ausgestaltet wären. Nichts in D2 weise auf das Vorsehen einer Zusatztasche an den Tragegurten hin, geschweige denn auf eine Zusatztasche, die wie bei der Erfindung speziell zur Aufnahme einer Kommunikationseinrichtung ausgestaltet wäre.
Selbst eine Zusammenschau der Lehren der Dokumente D2 und D3 hätte den einschlägigen Fachmann bestenfalls angeregt, eine Streichinstrumententasche gemäß D2 zusätzlich mit einer von D3 gezeigten lösbaren Handytasche an den Tragegurten auszustatten.
Was die Hilfsanträge anbetreffe, so sei deren Vorlage erst in der mündlichen Verhandlung dadurch bedingt, dass das Verfahren vor dieser Verhandlung inhaltlich im Wesentlichen durch die von der Einsprechenden geltend gemachten offenkundigen Vorbenutzungen bestimmt gewesen sei, und erst in der Verhandlung sich das Schwergewicht der Debatte auf eine Diskussion druckschriftlichen Standes der Technik verlagert habe.
Die mit dem ersten Hilfsantrag vorgenommene Konkretisierung des Musikinstrumentenbehältnisses auf eine Gitarrentasche diene dem Zweck, den Gegenstand der Erfindung noch klarer von dem aus D3 bekannten Rucksack zu unterscheiden.
Die Änderungen zum zweiten Hilfsantrag beträfen eine substantielle Einschränkung, durch die der Tragekomfort erhöht werde und die eine sicherere und stabilere Aufbewahrung des Mobiltelefons zur Folge habe.
Nach Auffassung des Beschwerdeführers wurden im Laufe der mündlichen Verhandlung vor der Einspruchsabteilung mehrere Grundprinzipien für das Verfahren vor dem EPA missachtet. Insbesondere die Weiterführung der Verhandlung bis tief in die Nacht sowie die Berücksichtigung einer erst kurz vor der Verhandlung geltend gemachten Vorbenutzungshandlung, wobei die zu deren Substantiierung notwendigen Tatsachen nur unzureichend angegeben waren, und die aufgrund eines erst in der Verhandlung erlassenen Beweisbeschlusses hierzu durchgeführte Befragung in Form einer Ausforschung zu später Stunde, nämlich zwischen 20.31 und 21.16 Uhr des Verhandlungstages, verletzten den Anspruch auf rechtliches Gehör und ein faires Verfahren, den Grundsatz der Waffengleichheit, sowie das Prinzip der Öffentlichkeit. Die gerügten Verfahrensmängel seien so schwerwiegend, dass sie die Rückzahlung der Beschwerdegebühr rechtfertigten.
1. Die Beschwerde erfüllt die Erfordernisse der Artikel 106 bis 108 sowie der Regel 64 EPÜ 1973 und ist damit zulässig.
2. Zulässigkeit des Einspruchs
2.1 Die Beschwerdeführerin machte zunächst geltend, der Einspruch sei unzulässig, weil sich die Einsprechende nicht hinreichend klar bestimmen lasse.
Gemäß Regel 55 a) EPÜ 1973 musste die Einspruchsschrift den Namen, die Anschrift und den Staat des Wohnsitzes oder Sitzes des Einsprechenden, im einzelnen nach Maßgabe der Regel 26 Absatz 2 Buchstabe c EPÜ 1973, enthalten.
2.2 Der vorliegende Einspruch wurde "Namens und im Auftrag der Firma Gerhard Dimbath, Schallershofer Str. 110, D-91056 Erlangen" eingelegt.
Gemäß einem von der Einsprechenden im vorinstanzlichen Verfahren vorgelegten Auszug aus dem Handelsregister aus dem Jahr 1998 firmiert die Einsprechende unter "Gerhard Dimbath" und hat ihren Sitz in Erlangen, Schallershofer Str. 110.
Nach Auffassung der Kammer kann kein vernünftiger Zweifel daran bestehen, dass die Einsprechende die Firma mit dem Namen "Gerhard Dimbath" ist, die ihren Firmensitz in Deutschland unter der Adresse Schallershofer Str. 110, D-91056 Erlangen hat. Die Kammer erachtet damit die Anforderungen des EPÜ an die Identifizierung der Einsprechenden als erfüllt. Es sei in diesem Zusammenhang noch darauf hingewiesen, dass die identische Bezeichnung "Firma Gerhard Dimbath" ausweislich des Dokuments D2 vor dem Deutschen Patentamt als ausreichend zur Bezeichnung des Anmelders angesehen wurde.
Der Einwand des Beschwerdeführers, die "Firma Gerhard Dimbath" sei als solche gar nicht berechtigt, einen Einspruch einzulegen, da sie weder eine juristische noch eine natürliche Person sei, übersieht, dass Regel 55 a) EPÜ 1973 in Verbindung mit Regel 26 Absatz 2 c) EPÜ 1973 als berechtigte Anmelder und damit auch Einsprechende neben juristischen Personen auch ausdrücklich Gesellschaften einbezieht, die juristischen Personen gemäß dem für sie maßgebenden Recht gleichgestellt sind. Um eine solche Gesellschaft handelt es sich bei der im deutschen Handelsregister eingetragenen Firma Gerhard Dimbath.
2.3 Der inzwischen zurückgenommene Einspruch war daher zulässig.
3. Hauptantrag Erfinderische Tätigkeit
3.1 Dokument D2 (siehe insbesondere Seite 1, Zeilen 7 bis 12; sowie die Figur 1 mit zugehöriger Beschreibung) zeigt eine Tragetasche mit verschließbarer Hülle für Streichinstrumente, die sich aufgrund vorhandener Schultertragegurte in der Art eines Rucksackes tragen lässt. Die Tragetasche weist auf der den Schultergurten gegenüberliegenden Außenseite mehrere aufgenähte Außentaschen in unterschiedlicher Form und Größe als Mittel zur Aufnahme nicht näher spezifizierter Gegenstände auf (siehe Seite 4, Zeilen 3 bis 5).
3.2 Von diesem bekannten Musikinstrumentenbehältnis unterscheidet sich der Gegenstand des Anspruchs 1 gemäß Hauptantrag
a) durch die Angabe, dass eines der Mittel zur Aufnahme weiterer Gegenstände speziell zur Aufnahme einer Kommunikationseinrichtung ausgestaltet ist, und
b) durch das Merkmal, dass dieses derart speziell ausgestaltete Mittel nicht abnehmbarer Bestandteil der Schultergurte ist.
3.3 Hierbei ist jedoch zweifelhaft, inwiefern der Verwendungszweck "zur Aufnahme einer Kommunikationseinrichtung" gemäß Angabe a) überhaupt einen greifbaren baulichen Unterschied definiert. Denn, welche konkreten Konsequenzen das Erfordernis einer speziellen Ausgestaltung zur Aufnahme einer Kommunikationseinrichtung wie etwa einem Mobiltelefon für die bauliche Ausgestaltung des beanspruchten Mittels tatsächlich beinhaltet, bleibt unklar und daher interpretationsbedürftig.
Nach Auffassung der Kammer kann im Hinblick auf die Vielzahl und den raschen Wechsel der Größen und Bauformen von auf dem Markt verfügbaren Mobiltelefonen die Angabe a) keine Zusatztasche mit einer jeweils exakt auf ein bestimmtes Modell abgestimmter Passform meinen, da ansonsten wegen der durch das Merkmal b) geforderten integralen Ausgestaltung der Zusatztasche mit den Schultergurten für jedes erhältliche Mobiltelefon jeweils ein entsprechend angepasstes Behältnis vorzusehen wäre. Dies wäre im Übrigen in den vorliegenden Patentunterlagen auch gar nicht offenbart.
Greift man zum Verständnis der Angabe a) auf die Patentbeschreibung zurück, so finden sich in Paragraph [0008] die Hinweise :
"In einer zweckmässigen Ausgestaltung sind die Mittel zur Aufnahme einer Kommunikationseinrichtung als vorzugsweise verschliessbare Tasche, mit einer Einstecköffnung ausgebildet. Eine vorzugsweise verschliessbare Tasche bietet einen gewissen Schutz für die Kommunikationseinrichtung und sichert diese insbesondere gegen Herausfallen."
Eine derartige Ausgestaltung weisen jedoch auch schon die in Dokument D2 gezeigten Außentaschen auf.
3.4 Die mit dem verbleibenden Merkmal b) verbundene Wirkung - und damit die objektive Aufgabe - besteht in einer Verbesserung der Zugänglichkeit auf und der Kontrolle über den Inhalt einer Außentasche, auch dann, wenn das Musikinstrumentenbehältnis getragen wird.
3.5 Aus den nachstehenden Gründen beruht jedoch weder die Aufgabenstellung für sich, noch die beanspruchte Lösung auf einer erfinderischen Leistung.
So sind die Nachteile von Außentaschen für die Aufbewahrung von Wertgegenständen, wie etwa auch einem Mobiltelefon, auf der Rückseite einer auf dem Rücken getragenen Musikinstrumententasche jedermann unmittelbar einsichtig und damit die Suche nach einem ggf. geeigneteren Anbringungsort für eine Außentasche naheliegend. Denn solche Außentaschen lassen sich schlecht kontrollieren und sind außerdem schwer zugänglich.
In diesem Zusammenhang weist Dokument D3 (vgl. insbesondere die englischsprachige Zusammenfassung und die Figur 7) auf die Möglichkeit hin, eine Zusatztasche an den Schultergurten eines Rucksacks zu befestigen. Als ein konkretes Beispiel für die Verwendung dieser Zusatztasche wird die Aufnahme eines Mobiltelefons genannt.
Selbst wenn man die Auffassung des Patentinhabers teilte, die in Dokument D2 gezeigten Außentaschen seien nicht speziell zur Aufnahme eines Mobiltelefons ausgestaltet, legt Dokument D3 in jedem Fall die Idee nahe, eine zusätzliche Außentasche in einer zur sicheren Aufnahme etwa eines Mobiltelefons geeigneten Ausgestaltung auch an einem der Schultergurte einer aus Dokument D2 bekannten Musikinstrumententasche vorzusehen.
Im Gegensatz zu einem Musikinstrumentenbehältnis gemäß dem vorliegenden Anspruch 1 ist bei dem aus D3 bekannten Rucksack die Zusatztasche für das Mobiltelefon lösbar an den Gurten befestigt, wobei aufgrund einer besonderen Ausgestaltung des Befestigungsmechanismus eine Befestigung nicht nur an dem vertikalen Schultergurt, sondern auch an einem horizontalen Hosengürtel möglich ist.
Die aus D3 bekannte Idee des Anbringens einer Handytasche an den Schultergurten für eine aus Dokument D2 bekannte Musikinstrumententasche aufgreifend, bieten sich dem Fachmann hinsichtlich der Art der Befestigung an einem der vorhandenen Schultergurte grundsätzlich zwei Möglichkeiten : entweder er folgt dem Vorbild der Außentaschen gemäß Dokument D2, indem er die Handytasche am Gurt festnäht, oder er greift das Beispiel des Dokuments D3 auf und sieht eine lösbare Befestigung am Gurt vor.
Da kein funktionaler Zusammenhang besteht zwischen der Art und dem Ort der Befestigung der Handytasche, bieten sich, im Gegensatz zur Auffassung des Patentinhabers, dem Fachmann beide Alternativen gleichermaßen an, wobei ihn die Wahl der erstgenannten Alternative unmittelbar zum Gegenstand des Anspruchs 1 in der erteilten Fassung führt.
Jede Wahl hat dabei ihre unmittelbar erkennbaren Vor- und Nachteile. Die Abwägung, welcher Alternative im konkreten Anwendungsfall der Vorzug zu geben ist, stellt daher übliches fachmännisches Handeln dar. So hat die aus D3 bekannte lösbare Befestigung der Handytasche augenfällig den Vorteil einer größeren Flexibilität der Verwendung. Hingegen sind der erforderliche konstruktive Aufwand sowie das Risiko eines ungewollten Lösens der Befestigung erkennbar nachteilig. Diesem Risiko ist nicht, wie vom Patentinhaber vorgetragen, durch eine vorgeblich mit Figur 1 des Dokuments D3 dargestellte zusätzliche Schlosskonstruktion begegnet. Denn diese Figur zeigt lediglich einen an der Handytasche zusätzlich angebrachten Schlüsselring 5 und einen von diesem Ring gehaltenen Schlüssel K. Ein ungewolltes Lösen der Handytasche vom Schultergurt wird jedoch offenkundig bei der Wahl des aus D2 bekannten Annähens der Aufnahmemittel zuverlässig vermieden.
3.6 Aus diesen Gründen vermögen die Argumente des Beschwerdeführers (oben Ziffer VIII.) die Kammer nicht zu überzeugen. Somit kommt die Kammer zu dem Ergebnis, dass der Gegenstand des Anspruchs 1 in der erteilten Fassung nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit im Sinne des Artikels 56 EPÜ 1973 beruht.
Der Hauptantrag ist daher nicht gewährbar.
4. Erster Hilfsantrag
4.1 Zulassung ins Verfahren
4.1.1 Nach Artikel 13 (1) der Verfahrensordnung der Beschwerdekammern (VOBK) steht es "im Ermessen der Kammer, Änderungen des Vorbringens eines Beteiligten nach Einreichung seiner Beschwerdebegründung oder Erwiderung zuzulassen und zu berücksichtigen. Bei der Ausübung des Ermessens werden insbesondere die Komplexität des neuen Vorbringens, der Stand des Verfahrens und die gebotene Verfahrensökonomie berücksichtigt."
Artikel 13 (3) VOBK ergänzt, dass Änderungen des Vorbringens nach Anberaumung der mündlichen Verhandlung nicht zugelassen werden, "wenn sie Fragen aufwerfen, deren Behandlung der Kammer oder dem bzw. den anderen Beteiligten ohne Verlegung der mündlichen Verhandlung nicht zuzumuten ist."
Ergänzend zu den in Artikel 13 VOBK erwähnten Kriterien für die Ausübung des Ermessens, einen neuen Antrag in einem späten Verfahrensstadium zuzulassen, können nach ständiger Rechtsprechung u.a. auch die Erfolgsaussichten des Antrags sowie die Frage bedeutsam werden, ob dessen Inhalt bereits diskutierte Sachverhalte konvergent fortführt oder sich der Schwerpunkt auf im vorausgegangenen Verfahren nicht diskutierte Sachverhalte verschiebt (vgl. Rechtsprechung der Beschwerdekammern des EPA, 5. Aufl. 2006, Ziff. VII. D.14., S. 735 ff).
4.1.2 Die mit dem ersten Hilfsantrag vorgenommene Änderung betrifft eine Einschränkung des Patentgegenstandes auf ein im erteilten Anspruch 1 bereits als fakultative Angabe enthaltenes Merkmal.
Die Berücksichtigung dieses Merkmals wirft weder Probleme der Klarheit und Offenbarung auf, noch verschiebt sie den materiellen Schwerpunkt der Diskussion der erfinderischen Tätigkeit.
4.1.3 Angesichts dieser Umstände hat die Kammer unter pflichtgemäßer Ausübung ihres Ermessens entschieden, den ersten Hilfsantrag ins Verfahren zuzulassen.
4.2 Erfinderische Tätigkeit
Für die durch die Dokumente D2 und D3 nahegelegte Idee, eine Zusatztasche für ein Mobiltelefon an den Schultergurten einer Musikinstrumententasche vorzusehen, kommt es erkennbar nicht darauf an, welches Musikinstrument konkret mit der Tasche transportiert werden soll. Daher würde der Fachmann ohne weiteres die mit den Dokumenten D2 und D3 gegebenen Lehren für jede beliebige Musikinstrumententasche in Betracht ziehen, mit der ein Instrument nach Art eines Rucksackes auf dem Rücken getragen wird, und damit ggf. eben auch für die Ausgestaltung einer Gitarrentasche.
Somit treffen aber die vorstehend zum Anspruch 1 des Hauptantrages angeführten Gründe zum Fehlen einer erfinderischen Tätigkeit auch auf den Gegenstand des Anspruchs 1 des ersten Hilfsantrages zu.
Daher ist auch der erste Hilfsantrag nicht gewährbar.
5. Zweiter Hilfsantrag
Die mit dem zweiten Hilfsantrag vorgenommene Änderung betrifft die Aufnahme eines zusätzlichen, im erteilten abhängigen Anspruch 9 enthaltenen Merkmals in den Patentanspruch 1, das sich auf Schultergurte mit Verstärkungen und/oder Polsterungen und die Anordnung der Mittel zur Aufnahme der Kommunikationseinrichtung im Bereich dieser Verstärkungen bezieht.
Dieses Merkmal war weder im Verlauf des Einspruchsverfahrens noch im Beschwerdeverfahren Gegenstand der Diskussion. So war es beispielsweise auch nicht Gegenstand geänderter unabhängiger Ansprüche im Verfahren vor der Einspruchsabteilung. Mit einer Zulassung des zweiten Hilfsantrags würde deshalb, im Gegensatz zum Fall des ersten Hilfsantrags, eine Sachlage geschaffen, zu deren Diskussion die vorausgegangene Antragslage bisher nie Anlass gegeben hatte.
Darüber hinaus beseitigt die Aufnahme des zusätzlichen Merkmals in den Anspruch 1 auf den ersten Blick nicht das Problem des Erfordernisses der erfinderischen Tätigkeit, wie es für den Hauptantrag besteht. Vielmehr würde die Zulassung des zweiten Hilfsantrages eine neue Prüfung der vorgenommenen Änderung erfordern, für die ggf. auch neue Dokumente heranzuziehen wären.
Aus den vorstehenden Gründen hat die Kammer entschieden, den zweiten Hilfsantrag nicht ins Verfahren zuzulassen.
6. Antrag auf Rückzahlung der Beschwerdegebühr
Regel 67 EPÜ 1973 sieht vor, dass die Beschwerdegebühr zurückgezahlt wird, wenn "der Beschwerde abgeholfen oder ihr durch die Beschwerdekammer stattgegeben wird und die Rückzahlung wegen eines wesentlichen Verfahrensmangels der Billigkeit entspricht".
Abgesehen davon, dass es der Verfahrensrüge des Patentinhabers, soweit sie auf die überlange Dauer der mündlichen Verhandlung vor der Einspruchsabteilung bis tief in die Nachtstunden abstellt, insbesondere deswegen an Überzeugungskraft fehlt, weil der Patentinhaber der Fortsetzung der Verhandlung in die Nacht hinein nicht erkennbar widersprochen hatte, erfüllt der Antrag auf Rückzahlung der Beschwerdegebühr schon nicht die Voraussetzung, dass die Beschwerde erfolgreich sein muss.
Dem Antrag auf Rückzahlung der Beschwerdegebühr kann daher nicht stattgegeben werden.
ENTSCHEIDUNGSFORMEL
Aus diesen Gründen wird entschieden:
Die Beschwerde wird zurückgewiesen.