T 1306/07 02-06-2009
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Gebindepackung für Zigaretten
I. Gegen die Entscheidung der Einspruchsabteilung, mit der der Einspruch gegen das europäische Patent Nr. 1 283 807 zurückgewiesen worden ist, hat die Einsprechende, im folgenden Beschwerdeführerin, Beschwerde eingelegt.
II. Die Beschwerdeführerin beantragte die Aufhebung der angefochtenen Entscheidung und den Widerruf des Patents.
Die Beschwerdegegnerin (Patentinhaberin) beantragte die Zurückweisung der Beschwerde, sowie hilfsweise die Aufrechterhaltung des Patents in geändertem Umfang auf der Basis der Hilfsanträge 1 und 2, eingereicht mit Schriftsatz vom 19. März 2007.
III. Der Anspruch 1 gemäß Hauptantrag (erteilte Fassung) lautet wie folgt:
"Gebindepackung für Zigaretten - Zigarettenstange
- für eine Gruppe von in Reihe angeordneten Zigarettenpackungen (10), die von einem Gebindezuschnitt (11) aus dünnem Karton umgeben ist, wobei
die Zigarettenpackungen (10) innerhalb einer Reihe mit schmalen Seitenflächen aneinander, liegen und
der Gebindezuschnitt (11) die Gruppe von Zigarettenpackungen (10) lediglich mit Bodenwand (13), schmalen, langgestreckten Seitenwänden (14, 15) und Stirnwänden (16, 17) umgibt, sodass die Gruppe der Zigarettenpackungen (10) an mindestens einer großflächigen Seite - Oberseite (12)
- offen, also nicht oder überwiegend nicht durch den Gebindezuschnitt (11) bedeckt ist, dadurch gekennzeichnet dass
die Zigarettenpackungen (10) so angeordnet sind, dass eine großflächige Vorderseite (18) desselben im Bereich der offenen Oberseite (12) des Gebindezuschnitt (11) positioniert ist und
die aus den Zigarettenpackungen (10) und dem Gebindezuschnitt (11) bestehende Einheit von einer Außenumhüllung (22) aus durchsichtigem Material, nämlich von einer Zellglas- oder Kunststofffolie, vollständig umgeben ist".
IV. Zum Nachweis behaupteter offenkundiger Vorbenutzungen durch den Verkauf einer Maschine an die Fa. FORTUNE TOBACCO INTERNATIONAL LTD, die Gebindepackungen nach dem Anspruch 1 hergestellt haben soll, bzw. durch den Vertrieb ohne Geheimhaltungsverpflichtung der auf dieser Maschine hergestellten, mit der Packung nach dem Anspruch 1 übereinstimmenden, Gebindepackungen für Zigarettenpackungen der Marke "Hope" wurden im Einspruchsverfahren die folgenden Unterlagen eingereicht:
D6 eidesstattliche Erklärung S. Boriani vom 12. April 2006
D7 eidesstattliche Erklärung M. Dizon Uy vom 12. April 2006
D7a eidesstattliche Erklärung M. Dizon Uy vom 13. März 2007
D8 Rechnungskopie
D9 Fotos Kartonzuschnitte und Musterpackungen
D10 Rechnungen FORTUNE TOBACCO INTERNATIONAL LTD über ausgelieferte Zigarettengebindepackungen der Marke HOPE
Bezüglich der behaupteten offenkundigen Vorbenutzungen wurden mit der Beschwerdebegründung vom 2. Oktober 2007 seitens der Be schwerdeführerin eingereicht:
D7a eine bessere Kopie der bereits im Einspruchsverfahren eingereichten eidesstattlichen Erklärung D7a, sowie
D11 eine weitere eidesstattliche Erklärung vom 23. März 2007 des Herrn M. Dizon Uy mit Anlagen.
Als weitere Beweismittel wurde ferner Vernehmung von Zeugen angeboten, und zwar
a) des Zeugen Dizon Uy, auf den die eidesstattlichen Erklärungen D7, D7a und D11 zurückgehen, und/oder
b) des Zeugen Boriani, auf den die eides stattliche Erklärung D6 zurückgeht.
Für den Zeugen Boriani wurden, falls er nicht in der Lage sei nach München oder Den Haag zu reisen, als Ersatz angeboten
c) die Zeugen Russo, Gaggioli und Mattioli.
V. Die Einspruchsabteilung war im Rahmen der freien Beweiswürdigung zu dem Ergebnis gekommen, dass die, seitens der Beschwerdegegnerin bestrittenen, behaupteten offenkundigen Vorbenutzung durch den Verkauf einer Maschine an die Fa. FORTUNE TOBACCO INTERNATIONAL LTD, die Gebindepackungen nach dem Anspruch 1 hergestellt haben soll, bzw. durch den Vertrieb ohne Geheimhaltungsverpflichtung der auf dieser Maschine hergestellten, mit der Packung nach dem Anspruch 1 übereinstimmenden, Gebindepackungen der Marke "Hope", nicht ausreichend bewiesen sind (Gründe, Nr. 2.3).
In der angefochtenen Entscheidung wird im Zusammenhang mit den eingereichten eidesstattlichen Erklärungen auf die Entscheidung T 474/04 (ABl. EPA, 2006, 129) Bezug genommen, in der auf die "Richtlinien für die Prüfung im Europäischen Patentamt" verwiesen wird (Kapitel E-IV, 1.2). Danach wird empfohlen: "Werden die Tatsachenbe haupt ungen von der Gegenseite bestritten, so legt die Einspruchsabtei lung ihrer Entscheidung in der Regel eine solche Erklä rung nicht zu Grunde, sondern lädt die Person, die die Erklärung abgibt, als Zeugen, wenn der Beteiligte dies anbietet." (Gründe, Nr. 7.).
Dazu wird in der angefochtenen Entscheidung festgestellt, dass keine der beiden Personen, auf die die eidesstattlichen Erklärungen D6 und D7/D7a zurückgehen, als Zeuge angeboten worden ist.
VI. In der Anlage zu der auf den 3. April 2009 datierten Ladung zur mündlichen Verhandlung legte die Kammer den Sachverhalt bezüglich der behaupteten offenkundigen Vorbenutzungen dar, dass nach ihrer vorläufigen Auffassung die zur Stützung der behaupteten offenkundigen Vorbenutzungen eingereichten Unterlagen prima facie hochrelevant seien, so dass die zum weiteren Nachweis, erst im Beschwerdeverfahren benannten, Zeugen zu vernehmen seien.
Den weiteren Verfahrensverlauf betreffend führte die Kammer aus dass, da im erstinstanzlichen Verfahren keine Zeugeneinvernahme erfolgt ist und sich für den Fall, dass die behauptete(n) offenkundige(n) Vorbenutzung(en) zu berück sichtigen sind, ein neuer Sachverhalt ergäbe, der bisher von der Einspruchsabtei lung noch nicht geprüft worden ist, es die Kammer für sach dienlich erachtet, die angefochtene Entscheidung aufzuheben und die Angelegenheit gemäß Artikel 111(1) EPÜ an die Einspruchs abteilung zur weiteren Prüfung zurückzuverweisen.
Die Kammer wies betreffend diesen weiteren Verfahrensverlauf darauf hin, dass eine diesbezügliche Entscheidung, sofern die Parteien ihr Einverständnis hierzu erklärten, unter Aufhebung der anberaumten mündlichen Verhandlung im schriftlichen Verfahren ergehen könnte.
VII. Mit diesem in der Anlage zur Ladung genannten möglichen weiteren Verfahrensverlauf haben sich beide Parteien einverstanden erklärt, die Beschwerdeführerin mit Schriftsatz vom 6. Mai 2009 und die Beschwerdegegnerin mit Schriftsatz vom 14. Mai 2009.
Daraufhin wurde der Termin für die mündliche Verhandlung mit Verfügung vom 15. Mai 2009 aufgehoben.
1. Behauptete offenkundige Vorbenutzungen
Wie in der Anlage zur Ladung zur mündlichen Verhandlung vom 3. April 2009 ausgeführt, erachtet die Kammer die behaupteten offenkundigen Vorbenutzungen unter Berücksichtigung der im Einspruchsverfahren und im Beschwerdeverfahren eingereichten Beweismittel (vgl. obigen Abschnitt IV.) als prima facie hochrelevant (vgl. obigen Abschnitt VI.).
2. Die Kammer ist, übereinstimmend mit ihrer in der Anlage geäußerten vorläufigen Auffassung (vgl. obigen Abschnitt VI.) weiterhin der Ansicht, dass, da diese offenkundigen Vorbenutzungen seitens der Beschwerdegegnerin bestritten werden, die zum weiteren Nachweis die mit der Beschwerdebegründung vom 2. Oktober 2007 angebotenen Zeugen zu vernehmen sind.
3. Bezüglich des weiteren Verfahrensverlaufs ist die Kammer in weiterer Übereinstimmung mit ihrer in der Anlage geäußerten vorläufigen Auffassung (vgl. obigen Abschnitt VI.) der Ansicht dass, da eine Zeugeneinvernahme im erstinstanzlichen Verfahren nicht stattgefunden hat und sich für den Fall, dass eine oder beide der behaupteten offenkundigen Vorbenutzungen zu berück sichtigen ist/sind, ein neuer Sachverhalt ergibt, der bisher von der Einspruchsabteilung noch nicht geprüft worden ist, es sach dienlich ist, die angefochtene Entscheidung aufzuheben und die Angelegenheit gemäß Artikel 111(1) EPÜ an die Einspruchs abteilung zur weiteren Prüfung zurückzuverweisen.
4. Da beide Parteien sich mit der im obigen Abschnitt 3. genannten Vorgehensweise einverstanden erklärt haben (vgl. obigen Abschnitt VII.), ist die angefochtene Entscheidung aufzuheben und die Angelegenheit gemäß Artikel 111(1) EPÜ an die Einspruchs abteilung zur weiteren Prüfung, unter Berücksichtigung der Beweisangebote der Zeugenvernehmung (vgl. obigen Abschnitt IV.), zurückzuverweisen.
ENTSCHEIDUNGSFORMEL
Aus diesen Gründen wird entschieden:
1. Die angefochtene Entscheidung wird aufgehoben.
2. Die Angelegenheit wird zur weiteren Entscheidung an die Einspruchsabteilung zurückverwiesen.