T 0759/08 12-11-2009
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Verwendung von Blech aus einer Aluminiumlegierung für das Abschirmen von Wärme
Neuheit (ja); erfinderische Tätigkeit (ja)
Verspätet eingereichte Druckschriften: teilweise zugelassen
I. Im Einspruchsverfahren was das europäische Patent Nr. 1074636 von der Beschwerdeführerin (der Einsprechenden) unter Artikel 100(a) EPÜ (mangelnde Neuheit und Mangel an erfinderischer Tätigkeit) angegriffen worden. Mit der Entscheidung der Einspruchsabteilung vom 12. Februar 2008 wurde der Einspruch zurückgewiesen.
II. Gegen diese Entscheidung hat die Einsprechende am 10. April 2008 Beschwerde eingelegt und die vorgeschriebene Gebühr gleichzeitig entrichtet. Die Beschwerdebegründung wurde am 12. Juni 2008 eingereicht.
Zur Stützung ihres Vorbringens wies die Beschwerdeführerin auf die folgenden Druckschriften hin:
D1: EP-A-0 486 427;
D2: "Aluminium, Properties and Physical Metallurgy", John E. Hatch Editor, ASM, fifth printing, January 1992, Seite 122 bis 123;
D3A: Kopie des Lieferscheins zum Verkauf eines Aluminiumblechs an Alfa Laval Artec aus der internen Datenbank der Einsprechenden;
D3B: Erklärung von Luciano Arimini von Alfa-Laval Artec SPa, datiert am 25.11.2005;
D4: Aluminum and Alumnium Alloys, ASM Specialty Handbook, edited by J.R. Davis, The Materials Information Society, Fifth printing April 2002, ISBN 0-87170-496-X, Seite 43;
D5: Aluminium Taschenbuch Band 2, Aluminium Verlag, 15. Auflage, August 1999, Seiten 2, 3;
D6: US-A-4 483 719;
D7: US-A-5 380 379;
D8: DD-A-224 874;
D9: Spiekermann, P.: Legierungen - ein besonderes patentrechtliches Problem?", Mitteilungen der deutschen Patentanwälte, 1993, Seite 178-190;
D10: Hufnagel, W.: "Aluminium-Taschenbuch" 1980, Aluminium-Verlag, Düsseldorf, Seite 1018.
Die Druckschriften D4 bis D6 sind nach Ablauf der Einspruchsfrist eingereicht worden. Sie sind von der Einspruchsabteilung nach Prüfung ihrer Relevanz als verspätet und nicht entscheidungsrelevant bewertet und nach Artikel 114(2) EPÜ nicht in das Verfahren zugelassen worden.
Die Druckschriften D7 bis D10 wurden von der Einsprechenden erstmals im Beschwerdeverfahren genannt.
III. Am Ende der am 12. November 2009 abgehaltenen mündlichen Verhandlung war die Antragslage wie folgt:
- Die Beschwerdeführerin beantragte die Aufhebung der angefochtenen Entscheidung und den Widerruf des Patents Nr. 1 074 636.
- Die Beschwerdegegnerin beantragte die Zurückweisung der Beschwerde.
Anspruch 1 wie erteilt lautet:
"Verwendung von Blech aus einer Aluminiumlegierung mit einem Legierungsanteil von Aluminium größer als 97% für das Abschirmen von Wärme in Kraftfahrzeugen, wobei Eisen und gegebenenfalls Mangan die einzigen Hauptlegierungs komponenten bilden und deren Legierungsanteil die Summe der Legierungsanteile der Restlegierungskomponenten um mindestens den Faktor 5 übersteigt."
IV. Die Beschwerdeführerin argumentierte wie folgt:
Verspätet vorgelegte Druckschriften
Der Ausschluss der Druckschriften D4 bis D6 im Einspruchsverfahren aufgrund ihrer verspäteten Vorlage sei nicht gerechtfertigt gewesen. Die D4 und D5 hätten im Einspruchsverfahren - und auch im jetzigen Beschwerdeverfahren - zum Belegen der allgemeinen Kenntnisse des auf dem Gebiet der Aluminiumlegierungen bewanderten Fachmanns gedient. Die D6 sei der Patentinhaberin bereits aus dem Prüfungsverfahren als technisch relevante Druckschrift bekannt gewesen, und ihre Berücksichtigung hätte somit keine Verfahrens verzögerung bewirkt. Die im Beschwerdeverfahren erstmals genannten Druckschriften D7 bis D10 seien als Reaktion auf die für die Beschwerdeführerin negative Entscheidung vorgebracht worden. Dies sei nach der Entscheidung T 113/96 gerechtfertigt.
Neuheit
Der Gegenstand des Anspruchs 1 werde von der Lehre der Druckschrift D7 neuheitsschädlich vorweggenommen. Aus der dort genannten Legierung würden Wärmeableitrippen (fin stock) für Wärmetauscher in Automobilen hergestellt, d.h. für eine für Hitzeschilde äquivalente Verwendung oder zumindest für eine eng verwandte Anwendung. Wie die patentgemäß verwendete Legierung bestehe auch der aus der D7 bekannte Werkstoff, neben geringeren Anteilen an Cu und Ti und weiteren Komponenten, hauptsächlich aus 1.35 bis 1.6% Fe und 0.3 bis 0.6% Mn und übertreffe die im Patent genannten Festigkeitswerte. Lege man die unteren Grenzwerte für die im Patent bezeichneten "übrigen" Komponenten zugrunde, so übersteige beim aus der D7 bekannten Werkstoff der Anteil von (Fe+Mn) die Menge der "übrigen" Legierungselemente um ein mehr als das Fünffache.
Erfinderische Tätigkeit
Selbst wenn die Neuheit als gegeben angenommen würde, so beruhe der Gegenstand von Anspruch 1 zumindest nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit. Im Automobilbereich eingesetzte Wärme abschirm bleche aus wieder aufbereitetem Aluminium oder Aluminiumlegierungen beschreibe die D1, die den nächstkommenden Stand der Technik bilde. Ausgehend davon liege dem Patent die Aufgabe zugrunde, für den genannten Zweck eine Al-Legierung zu finden, welche eine verbesserte Umformbarkeit und größere Festigkeit sowie eine höhere thermische Stabilität und eine geringe Neigung zur Grobkornbildung aufweise als die bisher verwendeten Aluminiumwerkstoffe (siehe Patentschrift, Absatz [0007]).
Der Fachmann wisse, z.B. aus dem Handbuch D4, Seite 43, mittlere Spalte, Absatz 2, dass durch Zulegieren von Eisen und auch Mangan zu Aluminium aufgrund der dadurch bewirkten Feinkörnigkeit des Gefüges die gesuchte Kombination von erhöhter Festigkeit und besserer Formbarkeit bei Raumtemperatur erreicht werde, wobei die Festigkeit auch bei erhöhter Temperatur beibehalten werde. Beispielhaft weise die D4 in diesem Zusammenhang den Fachmann auf die Standardlegierung 8006 mit den Hauptkomponenten Fe und Mn hin, deren Zusammensetzung (1.2 -2.0% Fe und 0.3-1.0% Mn sowie Verunreinigungen) er z.B. dem Handbuch D10, Seite 1018, Tafel 14.12 entnehmen könne. Der Fachmann werde somit bereits durch die Zuhilfenahme seines Fachwissens, belegt durch die D4, direkt zur patentgemäß eingesetzten Al-Legierung geführt. Bei der Wahl der unteren Grenzwerte für Si, Cu, Mg, Zn und der anderen Beimengungen werde auch die Bedingung %(Fe+Mn) > 5 x %(Sigma andere Elemente) durch die Legierung 8006 zu großen Teilen erfüllt. In jedem Fall bestünde ein großer Überlappungsbereich der patentgemäß verwendeten Legierungszusammensetzung mit dem Werkstoff 8006, so dass auch die beanspruchte Beschränkung der Anteile an Fe und Mn im Verhältnis zu den restliche Anteilen keine erfinderische Tätigkeit begründen könne.
Ein Mangel an erfinderischer Tätigkeit ergebe sich auch aus der Zusammenschau der Lehren von D1 mit D3 und dem allgemeinen Fachwissen, belegt durch D4. Bei der Suche nach einer für die beanspruchte Verwendung geeigneten Aluminiumlegierung werde der Fachmann durch D1 und D4 zur Standardlegierung 8006 geführt. Das nach D3A vorbenutzte Aluminiumband aus Werkstoff 8006 mit 0.12% Si, 1.33% Fe, 0.03% Cu, 0.36% Mn, 0.007%Mg, 0.01% Zn, andere Elemente <= 0.05%, in der Summe höchstens <= 0.15%, Rest Al erfülle die anspruchsgemäßen Bedingungen %(Fe+Mn) > 5 x %(Sigma andere Elemente) der verwendeten Legierung. Nach den Erklärungen von Herrn L. Arimini (Druckschrift D3B) sei die in D3A gezeigte Legierungszusammensetzung für die Herstellung von Ableitblechen (collar fins) bei Wärmetauschern und Kühlsystemen benutzt worden und käme aufgrund der Ähnlichkeit des Einsatzes für den auf diesem Gebiet tätigen Fachmanns auch für das Abschirmen von Wärme in Kraftfahrzeugen in Frage, da sie eine Festigkeit von 118 MPa und eine Dehnung von 31% aufwiese.
Im Übrigen sei aus der D5, Tafel 1.1.1 erkennbar, dass sowohl die Legierung 8006 als auch die im Patent genannte, üblicherweise für Hitzeschilde eingesetzte Legierung Al 99,5 (1050A) gleichermaßen als Vormaterial für Wärmetauscher dienten. Auf Grund dessen habe es für den Fachmann auf der Hand gelegen, diese beiden Werkstoffe auch für Hitzeschilde in der Automobiltechnik einzusetzen. Der Anspruchs gegenstand ergebe sich somit auch aus der Zusammenschau der Lehren der D1 mit D4 und D5.
Schließlich führe auch die Kombination der Lehren der Druckschriften D1, D4 und D7 in naheliegender Weise zum Gegenstand von Anspruch 1. Bei der Suche nach einem höherfesten Werkstoff mit thermischer Stabilität würde sich der Fachmann aufgrund seiner allgemeinen Kenntnisse (belegt durch die D4) verstärkt Fe- und Mn-haltigen Aluminiumlegierungen zuwenden, wie sie auch die D7 beschreibe. Die dort genannte Al-Fe-Mn Legierung sei feinkörnig, besitze eine sehr gute Festigkeit und Dehnung sowie sehr gute Oberflächeneigenschaften und werde als Vormaterial für Wärmetauscher in Automobilen ("automotive finstock") eingesetzt (siehe z.B. D7, Spalte 5, Zeilen 47 bis 62). Da Wärmetausche meist hart gelötet würden, müsse die bekannte Legierung auch eine hohe thermische Stabilität aufweisen. Die in der D7 genannte Al-Legierung habe sich dem Fachmann somit auch für die Verwendung als Hitzeschild in der Automobil industrie angeboten. Die anspruchsgemäß genannte Bedingung %(Fe+Mn) > 5 x %(Sigma andere Elemente) werde durch sehr große Bereiche der in der D7 genannten Legierungs zusammensetzung erfüllt und könne somit keinen erfinderischen Unterschied begründen.
V. Die Argumente der Beschwerdegegnerin lassen sich folgendermaßen zusammenfassen:
Die nach Ablauf der Einspruchsfrist vorgebrachten Druckschriften seien aufgrund ihrer verspäteten Vorlage und ihrer mangelnden Relevanz vom Beschwerde verfahren auszuschließen. Die D4 beschreibe nicht nur das allgemeine Fachwissen, sondern benenne neben dem Hinweis auf Legierung 8006 auch alternative AlCuNi Legierungen und damit als Stand der Technik eine besondere technische Lehre. Die D5 sei nicht entscheidungsrelevant, da die beanspruchte Verwendung nirgends angesprochen werde, was auch für die Druckschriften D6, D7 und D10 gelte. Zu den Druckschriften D8 und D9 sei im Beschwerde schriftsatz überhaupt nichts gesagt worden.
Außer der D1 beschreibe keine der übrigen Druckschriften die beanspruchte Verwendung von Al-Legierungen für das Abschirmen von Wärme in Kraftfahrzeugen. Die Verwendung von Al-Legierungen als Vormaterial für Wärmetauscher (finstock material) sei mit dieser Verwendung weder identisch noch äquivalent, sondern betreffe eine andere technische Verwendung als beansprucht. Folglich könne keine der vorliegenden Druckschriften die Neuheit des Anspruchs gegenstandes in Frage stellen. Auch zeige keine der Druckschriften, dass die anspruchsgemäße Bedingung %(Fe+Mn) > 5 x %(Sigma andere Elemente) tatsächlich erfüllt werde.
Ausgehend von der Lehre von D1, die keine bestimmten Zusammensetzungen von Al-Legierungen zur Herstellung von Hitzeschilden benenne, habe die in Absatz [0007] der Patentschrift genannte Aufgabe darin bestanden, für die beanspruchte Verwendung eine Al-Legierung zu finden, welche eine verbesserte Umformbarkeit und Festigkeit und eine höhere thermische Stabilität besitze.
Die Lösung bestehe in der Verwendung der genannten >97%Al-Fe,Mn Legierung mit der Bedingung, dass %(Fe+Mn) > 5 x %(Sigma andere Elemente) ist. Dies bewirke beim verwendeten Werkstoff ein homogenes Gefüge, eine höhere Festigkeit und eine bessere Streckziehbarkeit. Die im Aufgabenteil [0007] des Patents genannte geringere Grobkornbildung sei der patentgemäßen Lösung zuzurechnen und bilde nicht einen Teil der Aufgabe. Ausgehend von D1 lege keine der genannten Druckschriften D3A, D3B, D7 bei gleichzeitiger Zuhilfenahme des allgemeinen Fachwissens D4, D5, D10 die Verwendung einer solchen Al-Legierung zum Abschirmen von Wärme in Kraftfahrzeugen nahe.
1. Die Beschwerde ist zulässig.
2. Berücksichtigung der Druckschriften D4 bis D10 im Beschwerdeverfahren
2.1 Die Entgegenhaltungen D4 bis D10 wurden nach Ablauf der Einspruchsfrist eingereicht.
Nach Artikel 114(2) EPÜ braucht das Europäische Patentamt solche Beweismittel nicht zu berücksichtigen. Vielmehr liegt es in seinem Ermessen, verspätet vorgelegte Entgegenhaltungen in das Einspruchs- bzw. Einspruchsbeschwerdeverfahren einzuführen oder abzulehnen. Nach ständiger Rechtsprechung sind derartige Entgegenhaltungen jedoch zu berücksichtigen, wenn sie sich prima facie als relevant erweisen, weil sie höchstwahrscheinlich der Aufrechterhaltung des europäischen Patents entgegenstehen. Ferner liegt es im Ermessen der Beschwerdekammern, von sich aus relevante Druckschriften in das Verfahren aufzunehmen. Ein Anspruch von im Prüfungsverfahren genannten Entgegenhaltungen, die im Einspruchs- bzw. im Einspruchsbeschwerdeverfahren verspätet vorgebracht wurden, ist daraus jedoch nicht abzuleiten.
2.2 Im vorliegenden Fall sind von den Parteien Argumente, welche das allgemeine Wissen des maßgeblichen Fachmanns betreffen, erörtert worden. Zum Nachweis dieses allgemein bekannten Fachwissens wurde im Einspruchsverfahren auf die Handbücher D4 und D5 und im Beschwerdeverfahren auf das Handbuch D10 verwiesen.
Nach der Definition der Beschwerdekammern stellt der Inhalt von Enzyklopädien, Handbüchern und Wörterbüchern in der Regel das allgemeine Fachwissen dar (siehe Rechtsprechung der BK des EPA, 5. Auflage 2006, I.C.1.5. Seite 56). Die Zitierung der Handbücher D4, D5 und D10 erfolgte als Beleg für allgemein bekannte Wirkungen von Legierungselementen in Al-Legierungen auf deren Eigenschaften (D4), die Zusammensetzung bekannter Al-Standard legierungen (D10) oder deren Anwendung und Erzeugnis formen nach DIN EN 573-4 (D5). Sie stellen somit das allgemeine Wissen des auf dem Gebiet der Al-Legierungen bewanderten Fachmanns dar. Das allgemeine Fachwissen kann grundsätzlich nicht als komplizierter oder überraschender Sachverhalt betrachtet werden, denn es ist dem Fachmann hinlänglich bekannt. Die Einführung der genannten Dokumente, auch wenn sie erst nach Ablauf der Einspruchsfrist und damit verspätet vorgelegt wurden, kann auch nicht als missbräuchlich gewertet werden, denn sie dienen allein zur Bestätigung eines dem Fachmann allgemein bekannten Sachverhalts.
Aufgrund der vorangehenden Überlegungen werden die Druckschriften D4, D5 und die im Beschwerdeverfahren eingereichte D10 berücksichtigt. Für die Druckschrift D10 gelten darüber hinaus auch die in Punkt 2.4 ausgeführten Überlegungen.
2.3 Bei der verspätet eingereichten Druckschrift D6 handelt es sich um ein amerikanisches Patent, dessen Inhalt nicht dem allgemeinen Fachwissen zuzurechnen ist und nach Prüfung durch die Kammer auch nicht entscheidungs relevant ist, da keine besondere Verwendung der dort genannten Al-Bleche und Folien beschrieben wird. Mit der Ablehnung dieser Druckschrift hat die Einspruchs abteilung ihr Ermessen somit in korrekter Weise ausgeübt.
2.4 Die zusammen mit der Beschwerdebegründung erstmalig genannten Druckschriften D7 und D10 zur Untermauerung der in der ersten Instanz gegen das Patent vorgebrachten Argumente sind als Reaktion der unterlegenen Partei auf die Entscheidung der Einspruchsabteilung zu werten und deshalb zu berücksichtigen (siehe dazu auch T 113/96). Allerdings trifft letzteres für die Druckschriften D8 und D9 nicht zu, da die Beschwerdeführerin sich in ihrer Beschwerde begründung an keiner Stelle darauf bezieht.
3. Neuheit
Von allen Druckschriften betrifft nur die D1 die Verwendung von Aluminium oder Aluminiumlegierungen zur Herstellung von Hitzeschilden in der Automobilindustrie (siehe D1, Seite 2, Zeilen 1 bis 11). Eine besondere Zusammen setzung der Al-Legierung wird in der D1 nicht genannt. Lediglich besagt die D1, Seite 2, Zeilen 34 bis 38, dass die Reinheit des wieder aufbereiteten Aluminiums nicht sehr hoch sein muss und in Grenzen auch Verunreinigungen enthalten sein können.
Von der D1 unterscheidet sich der Anspruchsgegenstand dadurch, dass die verwendete Aluminiumlegierung mehr als 97% Al sowie Eisen und gegebenenfalls Mangan als Hauptlegierungs elemente enthält, wobei die Bedingung %(Fe+Mn) > 5 x %(Sigma andere Elemente) erfüllt sein muss.
Die übrigen Druckschriften D3A, D4 und D10 betreffen die Al-FeMn Legierung 8008 und beschreiben deren Verwendung als Vormaterial für Wärmeableitbleche (Kühlrippen; finstock material) bei Wärmetauschern, die in der Automobil industrie eingesetzt werden (siehe D5, Tafel 1.1.1.; D7, Spalte 2, Zeilen 50 bis 66, Spalte 3, Zeilen 56 bis 59, Spalte 5, Zeilen 47 bis 53). Entgegen der Ansicht der Beschwerdeführerin kann die Verwendung als Hitzeschild technisch nicht gleich gesetzt werden mit der Verwendung als Wärmeableitbleche beim Wärmetauschern, da beide Produkte im Kraftfahrzeug ganz unterschiedliche Aufgaben erfüllen und ganz verschiedenen mechanischen und thermischen Belastungen ausgesetzt sind. Aus diesem Grund kann weder die D7, die ausschließlich die Verwendung einer Al-FeMn Legierung mit geringen Anteilen an Cu, Ti und B als Vormaterial für Radiatoren, Wärmetauscher etc. nennt, noch eine der übrigen Druckschriften die Neuheit des Anspruchsgegenstands vorwegnehmen.
4. Erfinderische Tätigkeit
Ausgehend von der Lehre der D1 als nächstkommendem Stand der Technik bestand die objektive Aufgabe, wie sie Absatz [0007] der Patentschrift beschreibt, darin, eine für einen Hitzeschild geeignete Al-Legierung zu finden, die gegenüber dem typischerweise verwendeten Aluminiumwerkstoff eine bessere Umformbarkeit, verbesserte Festigkeit, eine höhere thermische Stabilität und eine geringere Neigung zur Grobkornbildung aufweist.
Die Lösung besteht in einer Al-Legierung mit >97% Al und Anteilen an Eisen und gegebenenfalls Mn als Hauptlegierungselemente, wobei %(Fe+Mn) > 5 x %(Sigma andere Elemente) sein muss.
Zwar ist dem Fachmann z.B. aus dem Handbuch D4, Seite 43, mittlere Spalte, 2. Absatz allgemein bekannt, dass Eisen und Mangan als Legierungselemente ein feinkörniges Gefüge bewirken und dadurch nahe der ternären eutektischen Zusammensetzung eine nützliche Kombination von Festigkeit und Duktilität bei Raumtemperatur erreicht wird, wobei die Festigkeit auch bei höheren Temperaturen beibehalten wird. Beispielhaft weist die D4 in diesem Zusammenhang auf die Standardlegierung 8008 hin, die nach der Tabelle im Handbuch D10 aus 1.2 bis 2.0% Fe, 0.30-1.0% Mn, <=0.40% Si, <=0.30% Cu, <=0.10% Mg, <=0.10% Zn, <=0.15% anderer Beimengungen, Rest Al besteht. Jedoch hätte sich der Fachmann zur Lösung der Aufgabe unter anderem auch den in der D4 im gleichen Absatz genannten Legierungen der Gruppe AlCuNi, bei denen Eisenzugaben ebenfalls eine erhöhte Festigkeit bei höheren Temperaturen bewirken, zuwenden können.
Selbst wenn er die Al-Fe-Mn Legierung 8006 für den beanspruchten Zweck tatsächlich in Betracht gezogen hätte, so erhielte er aus der D4 bzw. der D10 keinerlei Hinweise, die beanspruchte Bedingung %(Fe+Mn) > 5 x %(Sigma andere Elemente) auszuwählen. Keine der Druckschriften D4 und D10 weist den Fachmann darauf hin oder legt es nahe, dass eine solche Auswahl dann vorteilhaft ist, wenn die Legierung als Hitzeschild in Automobilen verwendet werden soll. Es mag zwar zutreffen, dass die patentgemäß ausgewählte Bedingung durch bestimmte Bereiche der Legierung 8006 erfüllt wird und ein Überlappungsbereich besteht, wie es die Beschwerde führerin vorgetragen hat. Allerdings ist die genannte Bedingung nicht willkürlich, sondern im Hinblick auf den Verwendungs zweck gezielt ausgewählt worden. So lehrt die Patentschrift in Absatz [0008], Zeilen 46 bis 56, dass die Übergewichtung von Fe, gegebenenfalls zusammen mit Mn, gegenüber den Restlegierungskomponenten bei der patentgemäßen Legierung ein deutlich homogeneres Gefüge gewährleistet, wodurch die Festigkeit und die Streck ziehbarkeit verbessert und gleichzeitig die Neigung zur Grobkornbildung verringert wird. Dabei bleibt die Dehnbarkeit auf dem gleichen Niveau.
Es ist im Übrigen nicht zulässig, wie es von der Beschwerde führerin vorgetragen wurde, die unteren Grenzwerte der "übrigen" Legierungselemente als Berechnungsgrundlage auszuwählen, um so zu zeigen, dass auch die Legierung 8006 die Bedingung %(Fe+Mn) > 5 x %(Sigma andere Elemente) erfüllt. Eine solche Vorgehensweise würde einen neuen Sachverhalt schaffen, der in keiner der Druckschriften D4 und D10 eindeutig offenbart ist.
Durch die Zusammenschau der Lehre der Druckschriften D1, D4 und D10 wird der Gegenstand von Anspruch 1 mithin nicht nahegelegt.
4.1 Dies gilt auch für die Zusammenschau der technischen Lehren der Druckschriften D1, D4 und der D3A, wobei es sich bei letzter um eine vorbenutzte und nur eine mögliche Ausführungsform (Schmelze 1422521) der Legierungs spezifikation 8006 handelt. Es kann nur als zufällig aber keinesfalls als gezielt betrachtet werden, dass die Schmelze 1422521 in der D3A die Bedingung %(Fe+Mn) > 5 x %(Sigma andere Elemente) erfüllt. Entgegen der Ansicht der Beschwerdeführerin ist die in der D3B abgegebene Erklärung, die Firma Alfa Laval Artec S.p.A. habe diese Legierung zur Herstellung von Bauteilen für Wärmetauscher und Kühlsysteme erworben, nicht geeignet, den Fachmann zur Lösung der vorliegenden Aufgabe zu motivieren, sich gerade dieser vorbenutzten und auch für einen anderen Zweck vorgesehenen Legierung zuzuwenden, denn sie ist ohne irgend einen Bezug zur Verwendung als Hitzeschild.
4.2 Auch wenn man die technischen Lehren der Druckschriften D1, D4 und D5 zusammen betrachtet, gelangt der Fachmann nicht zum Anspruchs gegenstand. Die Tatsache, dass in der D5 neben der in der Patentschrift genannten üblicherweise für Hitzeschilde in Automobilen eingesetzten Legierung Al 99,5 (1050A) u.a. auch die Legierung 8006 als "Vormaterial für Wärmetauscher (finstock)" ausgewiesen wird, kann nicht als eindeutiger Hinweis für den Fachmann angesehen werden, neben den vielen anderen in dieser Tabelle genannten Legierungen mit dem gleichen Verwendungszweck, ausgerechnet die Legierung 8006 zur Herstellung von Hitzeschilden auszuwählen. Ein solches Ergebnis zu erreichen wäre nur aufgrund einer rückschauenden Betrachtung in Kenntnis des Anmeldungsgegenstandes möglich.
4.3 Diese Überlegungen treffen auch auf die Zusammenschau der Lehren der Druckschriften D1, D4 und D7 zu. Zwar betrifft die D7 eine Al-FeMn Legierung mit guter Festigkeit und ausgezeichneten Oberflächeneigenschaften und beschreibt deren Einsatz als Vormaterial für Radiatoren und Klimaanlagen in Fahrzeugen ("radiator and air conditioning finstock in transportation industry) (siehe D7, Spalte 1, Zeilen 15 bis 24; Spalte 2, Zeilen 50 bis 59; Spalte 3, Zeilen 56 bis 59; Spalte 5, Zeilen 48 bis 62). Allerdings enthält die D7 nirgends einen Hinweis auf den patentgemäß beanspruchten Verwendungs zweck noch regt sie den Fachmann dazu an, die Bedingung %(Fe+Mn) > 5 x %(Sigma andere Elemente) zur Verbesserung bestimmter Eigenschaften im Hinblick auf diesen Verwendungszweck zu beachten. Auch bei der Kombination der Druckschriften D1, D4 und D7 gelangt man deshalb nur rückschauend, d.h. in Kenntnis der Erfindung, zum Anspruchsgegenstand.
Somit kann auch die Zusammenschau der technischen Lehren der Druckschriften D1, D4 und D7 die erfinderische Tätigkeit des Gegenstands von Anspruch 1 nicht in Frage stellen.
ENTSCHEIDUNGSFORMEL
Aus diesen Gründen wird entschieden:
Die Beschwerde wird zurückgewiesen.