T 1136/08 14-09-2010
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Federbandelement
I. Die Beschwerdeführerin (Patentinhaberin) hat gegen die Zwischenentscheidung der Einspruchsabteilung, das europäische Patent Nr. 1 239 207 im gemäß Hilfsantrag geänderten Umfang aufrechtzuerhalten, Beschwerde eingelegt.
II. Der Einspruch der Beschwerdegegnerin (Einsprechende) stützte sich auf die in Artikel 100(a) EPÜ (fehlende Neuheit, Artikel 54 EPÜ; mangelnde erfinderische Tätigkeit, Artikel 56 EPÜ) genannten Einspruchsgründe.
III. Am 14. September 2010 fand eine mündliche Verhandlung vor der Beschwerdekammer statt.
IV. Die Beschwerdeführerin beantragte die Aufhebung der angefochtenen Entscheidung und die Aufrechterhaltung des Patents auf der Grundlage der Patentansprüche 1 und 2, überreicht in der mündlichen Verhandlung, und der Ansprüche 3 bis 5, eingereicht am 16. August 2010.
Die Beschwerdegegnerin beantragte die Zurückweisung der Beschwerde.
V. Im Beschwerdeverfahren wurde unter anderem auf folgende Druckschriften Bezug genommen:
E2: GB-A-461 048
E3: DE-U-1 955 253
VI. Der unabhängige Anspruch 2 gemäß Hauptantrag lautet wie folgt:
"2. Federbandelement mit einem ein Schlauchende im wesentlichen ringförmig umfassenden Federband (3) und mit zwei einander überlappenden, im wesentlichen in Umfangsrichtung verlaufenden Spannenden (4, 5), wobei im klemmenden Zustand ein bestimmter erster Durchmesser vorliegt - Klemmzustand - und das Federband (3) entgegen der eigenen Federkraft mit Hilfe eines Spannwerkzeuges auf eine zweiten größeren Durchmesser aufspreizbar ist - Aufspreizzustand - und wobei das Federband (3) benachbart zu den Spannenden (4, 5) jeweils einen Freischnitt (6, 7) aufweist und die Spannenden (4, 5) und die Freischnitte (6, 7) so ausgebildet sind, daß das Spannwerkzeug im wesentlichen entlang der Umfangs-Mittellinie (8) des Federbandes (3) angreifen kann, dadurch gekennzeichnet, daß die Spannenden (4, 5) und die Freischnitte (6, 7) so ausgebildet sind, daß die Spannenden (4, 5) im Klemmzustand radial nicht über das dann kreisrunde Federband (3) überstehen und dass die Breite (13) der Spannenden (4, 5) geringer als die Hälfte der maximalen Breite (13) des Federbandes (3) ist".
VII. Die Beschwerdeführerin hat im schriftlichen Verfahren und in der mündlichen Verhandlung im Wesentlichen Folgendes vorgetragen:
Der Gegenstand des Anspruchs 2 unterscheide sich von dem in der Druckschrift E3 offenbarten Stand der Technik dadurch, dass die Breite der Spannenden geringer sei als die Hälfte der maximalen Breite des Federbandes. Gemäß dem Ausführungsbeispiel nach den Figuren 5 und 6 der Druckschrift E3 bestehe kein Freiraum zwischen den Spannenden, so dass die Breite der Spannenden dieses bekannten Federbandelements exakt der Hälfte der maximalen Breite des Federbandes entsprächen. Der in der Druckschrift E3 verwendete Begriff "Schlitzring" sei ebenfalls nur so zu verstehen, dass der Schlitz den geöffneten Zustand des Federbandes ermögliche. Ferner würde Reibung zwischen den Spannenden nur bei entsprechender Krafteinwirkung bestehen, welche beim Öffnen des Schlitzrings nicht gegeben sei.
Somit sei der Gegenstand des Anspruchs 2 neu.
Das Merkmal, dass die Breite (13) der Spannenden (4, 5) geringer sei als die Hälfte der maximalen Breite (13) des Federbandes (3), sei zugleich als eine Aussage zur Breite der Freischnitte, die den Spannenden benachbart angeordnet sind, zu verstehen. Wenn die Breite der Spannenden (4, 5) wegen der Freischnitte (6, 7) geringer sei als die Hälfte der maximalen Breite (13) des Federbandes (3), könne das Spannwerkzeug im wesentlichen entlang der Umfangs-Mittellinie des Federbandes angreifen. Dies wiederum bewirke, dass der Federbandring beim Aufspreizen symmetrisch zur Mittellinie aufgeweitet werde, so dass eine gleichmäßige Belastung des Federbandes gewährleistet sei (Streitpatent, Absatz [0008], veröffentlichte Fassung). Bei dem aus der Druckschrift E3 bekannten Federbandelement könne das Spannwerkzeug nur außerhalb der Umfangs-Mittellinie des Federbandes angreifen.
Der Gegenstand des Anspruch 2 sei somit aus dem Stand der Technik nicht nahegelegt und das Ergebnis einer erfinderischen Tätigkeit.
VIII. Die Beschwerdegegnerin hat im schriftlichen Verfahren und in der mündlichen Verhandlung im Wesentlichen Folgendes vorgetragen:
Der Gegenstand des Anspruchs 1 löse das Problem der Überdehnung des Federbandelements, während der Gegenstand des Anspruchs 2 das Angreifen des Spannwerkzeugs auf der Umfangs-Mittellinie betreffe. Somit bezögen sich diese Ansprüche nicht auf einen der folgenden Sachverhalte:
a) mehrere miteinander in Beziehung stehende Erzeugnisse,
b) verschiedene Verwendungen eines Erzeugnisses,
c) Alternativlösungen für eine bestimmte Aufgabe.
Der Hauptantrag sei somit nicht zulässig, weil die Anforderungen der Regel 43 EPÜ bezüglich mehrerer unabhängiger Ansprüche in der gleichen Kategorie nicht erfüllt seien.
Der Fachmann verstehe aus der Druckschrift E3 (Seite 3, Zeilen 2 bis 6), dass die Breite der Spannenden (9, 10) geringer als die Hälfte der maximalen Breite des Federbandes sei. Diese seien dementsprechend auch als "nebeneinander liegend" und nicht als "aneinander liegend" beschrieben. Auch der auf Seite 7, Zeile 2 verwendete Begriff "Schlitzring" deute in dieselbe Richtung, weil der Schlitz bewirke, dass die Breite der Spannenden geringer als die Hälfte der maximalen Breite des Federbandes sein müsse. Zudem sprächen auch Fertigungstoleranzen und die Vermeidung von Reibungen beim Aufspreizen ebenfalls für eine entsprechend geringere Breite der Spannenden.
Der Gegenstand des Anspruch 2 sei somit nicht neu.
Die im Streitpatent (Absatz [0008], veröffentlichte Fassung) angegebene technische Wirkung sei nicht alleine durch das Verringern der Breite der Spannenden zu erreichen. Ohne die Kanten 9 an den Spannenden des Federbandes könne das Spannwerkzeug nicht auf der Umfangs-Mittellinie angreifen. Ferner müssten die Freischnitte so gestaltet sein, dass diese Platz ließen für die mit dem Aufspreizen des Federbandes einhergehende Bewegung der Kanten 9.
Als objektive Aufgabe bleibe somit nur, die Fertigung des Federbandes zu vereinfachen. Um die Kraftkomponenten, die beim Aufspreizen des Federbandes gemäß dem Ausführungsbeispiel der Figuren 5 und 6 der Druckschrift E3 entlang der Umfangs-Mittellinie entstünden, zu vermeiden, würde der Fachmann die Breite der Spannenden verringern. Auch die Druckschrift E2 gebe hierzu wiederholt den Hinweis, dass Spannenden nur ungefähr die Hälfte der Breite des Federbandes ausmachten (Spalte 1, Zeilen 14 bis 26; Spalte 2, Zeilen 40, 56, 78 und 79).
Der Gegenstand des Anspruch 2 beruhe somit nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit.
1. Zulässigkeit
1.1 Anspruch 1 gemäß Hauptantrag ist mit der Fassung des Anspruchs 1, der infolge der Entscheidung der Einspruchsabteilung aufrecht erhalten wurde, identisch. Da die Patentinhaberin die alleinige Beschwerdeführerin ist, braucht auf diesen Anspruch in diesem Beschwerdeverfahren nicht weiter eingegangen zu werden (siehe Entscheidungen zu 'reformatio in peius' der Großen Beschwerdekammer G 9/92 und G 4/93, beide Amtsblatt 1994, ab Seite 875).
1.2 Der weitere unabhängige Anspruch 2 (Hauptantrag) besteht aus dem Zusammenschluss der mit der Anmeldung ursprünglich eingereichten Ansprüche 1, 2, 3 und 8. Die Anforderungen des Artikels 123(2) EPÜ sind somit erfüllt.
1.3 Anspruch 2 (Hauptantrag) entspricht zudem dem Zusammenschluss der erteilten Ansprüche 1 und 6. Die Anforderungen des Artikel 123(3) EPÜ sind somit ebenfalls erfüllt.
1.4 Der Hauptantrag, der zwei unabhängige Vorrichtungsansprüche umfasst, ist in Reaktion auf die von der Einspruchsabteilung festgestellte mangelnde Neuheit (Artikel 54(2) EPÜ) des erteilten Anspruchs 1 geändert und somit durch einen Einspruchsgrund nach Artikel 100(a) EPÜ veranlasst worden. Die Anforderungen der Regel 80 EPÜ sind somit erfüllt. Da die Patentinhaberin im Einspruchsbeschwerdeverfahren keine Teilanmeldung einreichen kann, ist es nicht sinnvoll zu fordern, dass diese Ansprüche den Bestimmungen der Regel 43(2) EPÜ genügen müssen, siehe auch T 263/05 ABl. 2008, 329.
1.5 Der Hauptantrag der Beschwerdeführerin ist somit zulässig.
2. Neuheit (Artikel 54 EPÜ)
2.1 Die Druckschrift E3 beschreibt ein Federbandelement mit einem ein Schlauchende im Wesentlichen ringförmig umfassenden Federband (Seite 1, erster Satz, Figuren 5 und 6) und mit zwei einander überlappenden, im Wesentlichen in Umfangsrichtung verlaufenden Spannenden (9, 10), wobei im klemmenden Zustand ein bestimmter erster Durchmesser vorliegt - Klemmzustand (Seite 8, Zeilen 10 bis 12, Figur 5) -, das Federband entgegen der eigenen Federkraft mit Hilfe eines Spannwerkzeuges auf einen zweiten größeren Durchmesser aufspreizbar ist - Aufspreizzustand (Seite 8, Zeilen 13 und 14, Figur 6) - und wobei das Federband benachbart zu den Spannenden (9, 10) jeweils einen Freischnitt (11, 12) aufweist und die Spannenden (9, 10) und die Freischnitte (11, 12) so ausgebildet sind, dass das Spannwerkzeug im Wesentlichen entlang der Umfangs-Mittellinie des Federbandes angreifen kann (Seite 11, Zeilen 1 bis 8, Figuren 5 und 6).
Aus dem in der Figur 5 gezeigten Klemmzustand (Seite 8, Zeilen 10 bis 12) geht hervor, dass die Spannenden (9, 10) und die Freischnitte (11, 12) so ausgebildet sind, daß die Spannenden (9, 10) im Klemmzustand radial nicht über das dann kreisrunde Federband überstehen.
2.2 Zeilen 1 bis 4 der Seite 9 der Druckschrift E3 offenbaren: "Die Lappen 2 und 3 weisen eine gegenüber der Breite des Federstahlbandes 1 verringerte Breite auf, so daß die beiden Lappen 2 und 3 nebeneinander liegend sich zur vollen Ringbreite ergänzen". Aus dieser Passage kann nicht direkt und unmittelbar auf einen Abstand zwischen den Lappen 2 und 3 geschlossen werden.
2.3 In der Druckschrift E3 wird der Begriff "Schlitzring" verwendet, ohne diesen allerdings gesondert zu definieren (Seite 7, Zeile 2; Seite 8, letzter Absatz; Seite 9, erster Absatz). Die Kammer geht somit davon aus, dass der Schlitz eines Schlitzrings lediglich das Aufspreizen des Federbandelements ermöglicht. Ein eventueller durch den Schlitz verursachter Abstand zwischen den Spannenden ist dem Begriff "Schlitzring" nicht direkt und unmittelbar zu entnehmen.
2.4 Das Ausführungsbeispiel mit sich verjüngenden Spannenden, wobei die Trennfläche zwischen den beiden Spannenden schräg zum Band verläuft (Druckschrift E3, Seite 6, letzter Absatz), offenbart nicht direkt und unmittelbar, dass die Breite der Spannenden notwendigerweise geringer als die Hälfte der maximalen Breite des Federbandes ist. Ferner ist dieses Ausführungsbeispiel nicht direkt und unmittelbar in Kombination mit dem Ausführungsbeispiel gemäß Figuren 5 und 6, bei dem die Spannenden Aussparungen aufweisen und im Klemmzustand radial nicht über das dann kreisrunde Federband überstehen, offenbart.
2.5 Die Tatsache, dass herstellungsbedingt auch die Spannenden gewissen Toleranzen unterliegen, stellt für sich genommen noch keine direkte und unmittelbare Offenbarung dafür dar, dass die Breite der Spannenden geringer ist als die Hälfte der maximalen Breite des Federbandes. Im Gegenteil, es wird in der Druckschrift E3 wiederholt explizit darauf hingewiesen, dass sich die Spannenden zur vollen Ringbreite ergänzen (Seite 3, Zeilen 2 bis 6, Seite 9, Zeilen 1 bis 4, Anspruch 1).
2.6 Das Merkmal, dass die Breite der Spannenden geringer ist als die Hälfte der maximalen Breite des Federbandes, ist somit nicht direkt und unmittelbar in der Druckschrift E3 offenbart. Der Gegenstand des Anspruchs 2 (Hauptantrag) ist somit neu (Artikel 54 EPÜ).
3. Erfinderische Tätigkeit (Artikel 56 EPÜ)
Der Gegenstand des Anspruchs 2 (Hauptantrag) unterscheidet sich von dem in der Druckschrift E3 offenbarten nächstliegenden Stand der Technik nur dadurch, dass die Breite der Spannenden geringer als die Hälfte der maximalen Breite des Federbandes ist.
Gemäß Streitpatent (Absatz [0008], veröffentlichte Fassung) soll das Spannwerkzeug "im wesentlichen entlang der Umfangs-Mittellinie des Federbandes angreifen". Dies ist auch im aus der Druckschrift E3 bekannten Federband der Fall (Seite 11 und Figuren 5 und 6). Das Merkmal, dass die Breite der Spannenden geringer ist als die Hälfte der maximalen Breite des Federbandes, steuert hierzu nichts bei.
Auch hinsichtlich der gewünschten Wirkung, nämlich einer gleichmäßigen Belastung des Federbandes, während dieses symmetrisch zur Mittellinie aufgeweitet wird (Streitpatent, Absatz [0008], veröffentlichte Fassung), kann das Merkmal, dass die Breite der Spannenden geringer als die Hälfte der maximalen Breite des Federbandes ist, für sich gesehen nichts beitragen. Um tatsächlich (und nicht nur im Wesentlichen) entlang der Umfangs-Mittellinie eine Angreifmöglichkeit zu schaffen, sind in der in Figur 5 des Streitpatents gezeigten Ausführungsform an den Spannenden nach innen gerichtete und möglicherweise über diese Umfangs-Mittellinie hinausragende Vorsprünge und Kanten 9 mit entsprechenden Freischnitten zwecks der Spannenden vorgesehen (Spalte 5, Zeilen 5 bis 17, veröffentlichte Fassung des Streitpatents). Diese Maßnahmen sind aber nicht Gegenstand des Anspruchs 2.
Das Merkmal, dass die Breite der Spannenden geringer als die Hälfte der maximalen Breite des Federbandes ist, gibt zudem nicht an, wo und wie die Breite der Spannenden verringert ist. So könnte die Verringerung auch an der Außenseite der Spannenden vorgenommen werden. Infolgedessen ist nicht abzusehen, was für eine technische Wirkung mit diesem Merkmal erreicht werden soll.
Die objektive Aufgabe kann somit nur darin gesehen werden, eine alternative Gestaltung des Federbandes zu schaffen. Da mit dem Merkmal der geringeren Breite keine über die Breitenangabe hinausgehende Wirkung erreicht wird, handelt es sich hierbei nur um eine rein gestalterische Maßnahme, die keiner erfinderischen Tätigkeit bedarf und die der Fachmann auch schon aus rein fertigungstechnischen Gründen (freie Beweglichkeit der Spannenden) in Betracht ziehen wird.
Der Gegenstand des Anspruchs 2 beruht somit nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit im Sinne von Artikel 56 EPÜ.
ENTSCHEIDUNGSFORMEL
Aus diesen Gründen wird entschieden:
Die Beschwerde wird zurückgewiesen.