T 0795/09 10-11-2011
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Sperreinrichtung für handbetätigbare Ventile, insbesondere für Ventile mit Feststellbremsen in Nutzfahrzeugen
Unzulässige Erweiterung (Hauptantrag: ja)
Erfinderische Tätigkeit (Hilfsantrag: ja)
I. Das europäische Patent Nr. 1 132 275 wurde mit der am 27. Februar 2009 zur Post gegebenen Entscheidung der Einspruchsabteilung in geänderter Fassung aufrechterhalten. Dagegen wurde von der Patentinhaberin (Beschwerdeführerin I) am 7. April 2009 und von der Einsprechenden (Beschwerdeführerin II) am 2. Mai 2009 Beschwerde eingelegt, wobei die Beschwerdegebühr jeweils gleichzeitig mit dem Einlegen der Beschwerde entrichtet wurde. Die Beschwerdebegründung der Beschwerdeführerin I und II wurde am 26. Juni 2009 and am 13. Juni 2009 eingereicht.
II. Es fand am 10. November 2011 eine mündliche Verhandlung statt. Die Beschwerdeführerin I (Patentinhaberin) beantragte die Aufhebung der angefochtenen Entscheidung und
- die Aufrechterhaltung des Patents in geändertem Umfang auf der Grundlage der Ansprüche 1 bis 9 gemäß dem mit Schriftsatz vom 22. September 2011 gestellten 1. Hilfsantrag (Hauptantrag),
- oder alternativ auf der Grundlage der Ansprüche 1 bis 8 gemäß Hilfsantrag eingereicht während der mündlichen Verhandlung,
- sowie jeweils auf der Grundlage der Beschreibung Seiten 2,3 und 4 und Figuren 1 bis 4 eingereicht während der mündlichen Verhandlung.
Die Beschwerdeführerin II (Einsprechende) beantragte die Aufhebung der angefochtenen Entscheidung und den Widerruf des Patents.
Der Anspruch 1 des Hauptantrags hat folgenden Wortlaut:
"Sperreinrichtung für handbetätigbare Ventile, insbesondere für Ventile, von Feststellbemsen in Nutzfahrzeugen, mit einem durch einen Betätigungsknopf betätigbaren, auf Ventilorgane einwirkenden Schieber mit wenigstens einer verriegelbaren Endposition, mit folgenden Merkmalen:
a) dem mit dem Schieber (3) verbundenen Betätigungskopf (7) des Ventils ist eine relativ zu ihm verschiebbare Sperr- und Lösehülse (15) zugeordnet;
b) die Sperr- und Lösehülse (15) umschließt an einem ortsfesten Teil (Gehäuse 5) geführte Verriegelungsglieder (11); und
c) die Verriegelungsglieder (11) wirken unter Betätigung durch die relativ zum Betätigungskopf verschiebbare Sperr- und Lösehülse (15) gegenüber am Außenumfang des Schiebers (3) befindlichen Sperrprofilen;
gekennzeichnet durch das folgende Merkmal:
d) die Sperr- und Lösehülse (15) ist gegenüber dem am Ende des Schiebers (3) befestigten Betätigungsknopf durch eine Feder (19) verspannt."
Der Anspruch 1 des Hilfsantrags 1 hat folgenden Wortlaut:
"Sperreinrichtung für handbetätigbare Ventile, insbesondere für Ventile, von Feststellbremsen in Nutzfahrzeugen, mit einem durch einen Betätigungsknopf betätigbaren, auf Ventilorgane einwirkenden Schieber mit wenigstens einer verriegelbaren Endposition, mit folgenden Merkmalen:
a) dem mit dem Schieber (3) verbundenen Betätigungskopf (7) des Ventils ist eine relativ zu ihm verschiebbare Sperr- und Lösehülse (15) zugeordnet;
b) die Sperr- und Lösehülse (15) umschließt an einem ortsfesten Teil (Gehäuse 5) geführte Verriegelungsglieder (11); und
c) die Verriegelungsglieder (11) wirken unter Betätigung durch die relativ zum Betätigungskopf verschiebbare Sperr- und Lösehülse (15) gegenüber am Außenumfang des Schiebers (3) befindlichen Sperrprofilen; und
d) die Verriegelungsglieder (11) sind durch am Innenumfang der Sperr- und Lösehülse befindliche Profile in Sperr- bzw. Löseposition gegenüber dem Schieber (3) verlagerbar;
gekennzeichnet durch die folgenden Merkmale:
e) am Außenumfang des Schiebers ist wenigstens eine zur Aufnahme der Verriegelungsglieder (11) in Sperrstellung dienende Sperrnut (13) als Sperrprofil vorgesehen; und
f) die Sperr- und Lösehülse (15) ist gegenüber dem am Ende des Schiebers (3) befestigten Betätigungsknopf durch eine Feder (19) verspannt."
III. Die Patentinhaberin legte dar, dass der Gegenstand des Anspruchs 1 gemäß dem Hauptantrag den Erfordernissen von Art. 123 (2) EPÜ genüge, weil die Aufnahme des Merkmals a) des erteilten Anspruchs 2 in den erteilten Anspruch 1 gemäß dem Gegenstand des Anspruch 1 des vorliegenden Hauptantrags (siehe Merkmal d) des kennzeichnenden Teils) keinen Gegenstand darstelle, welcher über den Inhalt der ursprünglichen Anmeldung hinausgehe. Zu Recht habe die Einspruchsabteilung in der angegriffenen Entscheidung (Seite 4) die Aufnahme der Merkmale a) und b) des erteilten Anspruchs 2 in den erteilten Anspruch 1 lediglich als eine Konkretisierung der entsprechenden Merkmale a), b) des erteilten Anspruchs 1 angesehen und diesen Gegenstand folglich als im Einklang mit Art. 123 (2) EPÜ angesehen. Das gleiche gelte daher auch für die isolierte Aufnahme des Merkmals a) des erteilten Anspruch 2 in den erteilten Anspruch 1 gemäß Anspruch 1 des Hauptantrags. Zudem könne kein funktionaler Zusammenhang zwischen Merkmalen a) und b) oder a) und c) des erteilten Anspruchs 2 bestehen, denn dies könne nur dann der Fall sein, wenn das Merkmal b), oder c), entweder die Befestigung des Betätigungsknopfes 7 am Ende des Schiebers 3 oder die Verspannung der Sperr- und Lösehülse 15 gegenüber dem Betätigungsknopf 7 durch die Feder 19 beträfe, was aber nicht der Fall und für den Fachmann klar sei. Außerdem stehe die Verspannung mittels der Feder gemäß Merkmal a) des erteilten Anspruchs 2 in direktem Zusammenhang mit der der Erfindung zugrundeliegenden Aufgabe, ein einhandbetätigbares Ventil zu schaffen. Merkmal a) trage wesentlich zur Lösung dieser Aufgabe bei, wogegen die Merkmale b) und c) des erteilten Anspruchs 2 hierzu nichts beitragen würden. Schließlich verstoße gemäß der Entscheidung T 331/87 das Streichen eines Merkmals aus einem Anspruch nicht gegen Art. 123 (2) EPÜ, sofern erstens das Merkmal in der Beschreibung nicht als wesentlich hingestellt worden sei (erstes Kriterium), zweitens das Merkmal als solches für die Funktion der Erfindung unter Berücksichtigung der technischen Aufgabe, die sie lösen soll, nicht unerlässlich sei (zweites Kriterium) und drittens das Ersetzen oder Streichen keine wesentliche Angleichung anderer Merkmale erfordere (drittes Kriterium). Diese Voraussetzungen seien hier erfüllt.
Der Gegenstand des Anspruchs 1 gemäß Hilfsantrag weise im Hinblick auf den vorliegenden Stand der Technik D5 (DE-A-37 03 536) eine erfinderische Tätigkeit auf. Die erfindungsgemäße Aufgabe, ein einhandbetätigbares Ventil zu schaffen, sei insbesondere durch das Merkmal f) gelöst, welches zudem auch den weiteren technischen Vorteil mit sich bringe, dass der Schieber, außer in der wenigstens einen verriegelbaren Endposition, in einer weiteren (nicht beanspruchten) Endposition gehalten werde. Darüberhinaus sei auch keine Sperrnut (siehe Merkmal e) des Anspruchs 1) aus D5 bekannt. Weder D5 noch irgendein weiteres im Verfahren vorgelegtes Dokument offenbare oder lege die Kombination der Merkmale e) und f) des Anspruchs 1 nahe und diese Merkmale seien in Verbindung mit den übrigen Merkmalen des Anspruchs 1 ausgehend von D5 für den Fachmann nicht naheliegend. Gemäß D5 sei in der Tat eine Entriegelung des in Figur 4 in der verriegelten Stellung gezeigten Schiebers nur durch zwei getrennte Betätigungsschritte möglich, nämlich durch Herausziehen der Hülse 58 im ersten Schritt und durch Herausfahren des Schiebers im zweiten Schritt. Für den Fachmann gebe es im Hinblick auf die gestellte Aufgabe, d.h. ein einhandbetätigbares Ventil zu schaffen, keine Veranlassung und auch keinen Hinweis dahingehend, den beschriebenen Sperr- und Lösemechanismus bzw. Sperr- und Lösevorgang zu modifizieren und die Feder zur Verspannung der Sperr- und Lösehülse gegenüber dem Betätigungsknopf zwischen diesen beiden Bauteilen anzuordnen. Diese technische Maßnahme bringe zwar den Vorteil einer definierten Ruhestellung für den Schieber im nicht verriegelten Zustand, dennoch werde der Fachmann sie bspw. auch deswegen nicht ergreifen, weil dadurch ein ständiges Drücken des Betätigungsknopfes beim gemäß dem Schieberventil von D5 vorgesehenen Rangiervorgang des Anhängers (siehe D5, Figur 3) notwendig sei. Insgesamt sei also der Gegenstand des Anspruchs 1 im Hinblick auf D5 erfinderisch.
IV. Die Einsprechende führte aus, dass der Gegenstand des Anspruchs 1 des Hauptantrags gegen Art. 123 (2) EPÜ verstoße, weil lediglich das Merkmal a) des erteilten Anspruchs 2, ohne die Merkmale b) und c), in den erteilten Anspruch 1 aufgenommen worden sei. Entsprechend der ständigen Rechtsprechung der Beschwerdekammern könnten aus einer Merkmalsgruppe einzelne isolierte Merkmale nur dann herausgegriffen werden, falls kein erkennbarer struktureller oder funktionaler Zusammenhang zu den übrigen Merkmalen bestehe (siehe z.B. T 25/03, T 1067/97). Diese Voraussetzung sei aber im vorliegenden Fall nicht erfüllt, weil sehr wohl ein funktionaler Zusammenhang zwischen den besagten Merkmalen bestehe. Tatsächlich wirke z.B. in der Zwischenstellung des Schiebers gemäß der Figur 2 die Kraft der Feder über die Winkelfläche 29 der Sperrnut 13 auf das Verriegelungsglied 11 um dieses in das Löseprofil 17 hinein zu drücken, und in der Zwischenstellung gemäß der Figur 3 wirke die Kraft der Feder über die Winkelfläche 31 des an der Sperr- und Lösehülse ausgebildeten Löseprofils auf das Verriegelungsglied 11, um dieses in die Sperrnut 13 des Ventilschiebers hinein zu drücken (siehe Figur 4). Infolgedessen ergebe sich ein eindeutiger funktionaler Zusammenhang zwischen den Merkmalen a), b) und c) des erteilten Anspruchs 2. Zu der von der Patentinhaberin angeführten Entscheidung T 331/87 sei anzumerken, dass diese Entscheidung, entgegen dem hier vorliegenden Fall, lediglich das Weglassen von Merkmalen in unabhängigen Ansprüchen betreffe, und selbst wenn man die dort aufgestellten Kriterien vorliegend anwenden wolle, gelange man ebenfalls zum Ergebnis, dass die Trennung der besagten Merkmale nicht legitim sei.
Der Gegenstand des Anspruchs 1 des Hilfsantrags beruhe im Hinblick auf D5 nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit. Zunächst sei eine Sperrnut gemäß Merkmal e) aus D5 bekannt, da eine solche Sperrnut durch den am Schieber ausgebildeten Absatz 59 (Figur 4) und den am gegenüberliegenden Ende des Schiebers geformten Bund gegeben sei. Das verbleibende Merkmal f) könne keine erfinderische Tätigkeit begründen. Dies ergebe sich gemäß einer ersten Argumentationslinie aus dem unmittelbar einleuchtenden Grund, dass der Fachmann bei rein äußerlicher Betrachtung und bei Betätigung eines Ventils gemäß Figur 4 von D5, ohne Kenntnis des inneren Aufbaus, intuitiv und in naheliegender Weise die Verspannung der Hülse bzw. der Verriegelungsvorrichtung 58 auf die Wirkung einer zwischen dem Betätigungsknopf und der Hülse angeordneten Feder zurückführen würde. Gemäß einer zweiten Argumentationslinie folge das Fehlen einer erfinderischen Tätigkeit aber auch direkt aus der Tatsache, dass die Abstützung der Feder am Betätigungsknopf die einzig mögliche Alternative zu der Abstützung derselben an einem gemäß Figur 4 von D5 am Gehäuse angeformten Flansch sei. Somit resultiere der beanspruchte Gegenstand aus einer im Rahmen des fachmännischen Könnens liegenden alternativen Ausbildung der Abstützung des einen Endes der Feder. Schließlich sei der beanspruchte Gegenstand gemäß einer dritten Argumentationslinie auch deswegen nicht erfinderisch, weil es fachüblich sei, für den Ventilschieber im nicht verriegelten Zustand eine wohl definierte Ruhestellung vorzusehen. Eine solche Stellung erreiche der Fachmann ausgehend von D5 in naheliegender Weise durch eine zwischen dem Betätigungsknopf und der Sperrhülse angeordnete Feder, weil nämlich der Ventilschieber hiermit aus dem Ventilgehäuse herausgefahren werde, bis ein Anschlagspunkt am Ventilgehäuse erreicht sei. Dabei sei es unerheblich, ob durch eine solche Maßnahme beim Rangiervorgang des Anhängers die Stellung des Schiebers des Ventils (siehe Figur 3 von D5) nur durch ständiges Halten des Drucks auf den Betätigungsknopf gehalten werden könne, denn Ventile mit solchen Funktionen seien bereits bekannt. Im Ergebnis könne folglich der Gegenstand des Anspruchs 1 nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit beruhen.
1. Die Beschwerden sind zulässig.
2. Der Gegenstand des Anspruchs 1 des Hauptantrags geht über den Inhalt der Anmeldung in der ursprünglich eingereichten Fassung hinaus. Nach der ständigen Rechtsprechung der Beschwerdekammern (siehe z.B. T 25/03; T 1067/97) können aus einer Merkmalsgruppe einzelne isolierte Merkmale nur dann herausgegriffen werden, falls kein erkennbarer struktureller oder funktionaler Zusammenhang zu den übrigen Merkmale besteht. Ein solcher funktionaler Zusammenhang zwischen den Merkmalen a), b) und c) besteht aber eindeutig. Tatsächlich wird z.B. unter Einwirkung der Feder die Verlagerung des Ventilschiebers von der Zwischenstellung gemäß der Figur 2 in die verriegelte Stellung nach Figur 4 vollzogen, wobei die Kraft der Feder in der Zwischenstellung nach Figur 2 über die Winkelfläche 29 der Sperrnut 13 auf das Verriegelungsglied 11 wirkt, um dieses in das Löseprofil 17 hinein zu drücken, und wobei in der Zwischenstellung gemäß der Figur 3 die Kraft der Feder über die Winkelfläche 31 des an der Sperr- und Lösehülse ausgebildeten Löseprofils auf das Verriegelungsglied 11 wirkt, um dieses in die Sperrnut 13 des Ventilschiebers hinein zu drücken (siehe Figur 4). Hieraus folgt unmittelbar der funktionale Zusammenhang zwischen den Merkmalen a), b) und c) des erteilten Anspruchs 2 (siehe auch Patentschrift, Spalte 4, Zeilen 32 bis 40; Absatz [0011]).
Die von der Patentinhaberin angeführte Entscheidung T 331/87 lässt sich nicht direkt auf den vorliegenden Fall anwenden, da diese spezifisch den Fall des Weglassens eines ursprünglich in einem unabhängigen Anspruch vorhandenen Merkmals betrifft. Aber selbst in der Annahme, dass diese Entscheidung vorliegend anzuwenden wäre, würde dies kein unterschiedliches Ergebnis liefern. In der Tat sind wie bereits vorangehend dargelegt, sämtliche Merkmale a), b) und c) des erteilten Anspruchs 2 für die beschriebene Funktion, bzw. Lösung der technischen Aufgabe der Verlagerung des Ventilschiebers von der Stellung nach Figur 2 in die Stellung nach Figur 4 unerlässlich, und demnach ist das gemäß T 331/87 anzuwendende zweite Kriterium nicht erfüllt.
Insgesamt erfüllt also der Anspruch 1 des Hauptantrags nicht die Erfordernisse von Art. 123 (2) EPÜ.
3. Der Gegenstand des Anspruchs 1 des Hilfsantrags ist für den Fachmann im Hinblick auf D5 nicht naheliegend. Zunächst wird festgestellt, dass die Figur 4 von D5 keine Sperrnut im Sinne des Anspruchs 1 offenbart, sondern lediglich einen am Schieber ausgebildeten Absatz 59 und einen am gegenüberliegenden Ende des Schiebers geformten und den Schutzbalgen 31 zumindest teilweise abstützenden Bund. Diese Bauelemente stellen aber keine Sperrnut dar, insbesondere keine Sperrnut, die unter Einwirkung der Feder die Verlagerung des Ventilschiebers, wie oben erläutert, von der Position gemäß Figur 2 zu der Position gemäß Figur 4 bewirkt. Die Betonung dieses Unterschieds ist notwendig, weil dieser Aspekt bei der Beurteilung der erfinderischen Tätigkeit ausgehend von D5, und speziell von der konkreten Ausgestaltung des Ventils gemäß Figur 4, zu berücksichtigen ist. Dabei ist unerheblich, ob die besagte Wirkung der Sperrnut gemäß der Erfindung im Anspruch 1 explizit angegeben ist oder nicht.
Tatsächlich würde der Fachmann im vorliegenden Fall, selbst wenn er, entsprechend den Ausführungen der Einsprechenden, prinzipiell als alternative Ausbildung des Ventils von Figur 4 die Feder zwischen der Hülse 58 und einem am Schieber angeformten Bund anordnen würde (siehe z.B. Punkt IV oben, zweite Argumentationslinie der Einsprechenden ), dennoch weder zum Gegenstand des Anspruchs 1 des Streitpatents gelangen (wegen des Fehlens einer Sperrnut) noch die in der Patentschrift angegebene Aufgabe lösen, ein einhandbetätigbares Ventil zu schaffen (siehe Patentschrift, Absatz [0003]). Hierfür müssen die relative geometrische Anordnung des Absatzes 59 und der Lösenut der Hülse 58, die Federkraft und die Relativbewegung von Verriegelungshülse und Schieber nämlich derart ausgelegt sein, dass die Verriegelungskugel bei einhändiger Betätigung des Ventils, d.h. bei Ergreifen der Hülse 58 zwischen Zeige- und Mittelfinger und gleichzeitigem Gegenhalten mit dem Daumen bzw. dem Handballen am Betätigungsknopf (siehe Patentschrift, Absatz [0014]), in die entriegelte Stellung, d.h. in die Lösenut der Hülse 58, eintaucht. Dies geschieht aber nur dadurch dass, durch die einhändige Betätigung die Lösenut und der Absatz 59 in direkt gegenüberliegenden Lage versetzt werden (siehe z.B. Figur 2 des Streitpatents), und daher nach Freigabe des Betätigungsknopfes die Verriegelungskugel durch Drücken des Absatzes 59 unter Wirkung der Feder in die Lösenut eintaucht. Eine derartige Lage kann aber im Ventil gemäß Figur 4 nicht erreicht werden, weil durch das Fehlen einer Sperrnut, d.h. eines zusätzlichen dem Absatz 59 gegenüberliegenden, mit der Verriegelungskugel zusammenwirkenden Absatz, der Schieber und der Absatz 59 bei einhändiger Betätigung weiter in das Ventilgehäuse eintauchen. Somit würde der Fachmann eine Sperrnut vorsehen müssen, z.B. mittels Ausbildung des besagten weiteren Absatzes am Schieber, um die gestellte Aufgabe zu lösen. Diesen Schritt würde aber der Fachmann nicht gehen, weil dann nämlich die Verriegelungskugel in der verriegelten Stellung des Schiebers (siehe D5, Figur 4) den Schieber vollständig in beiden Richtungen verriegeln würde, womit die unmittelbare Ausführung des Rangiervorgangs gemäß Figur 3 von D5 aus der Stellung des Schiebers gemäß Figur 4 heraus (D5, Spalte 8, Zeilen 41-60), ohne vorheriges Entriegeln der Verriegelungshülse, nicht mehr möglich wäre.
Ähnliches gilt, wenn man entsprechend den Ausführungen der Einsprechenden die gestellte Aufgabe darin sieht, im nicht verriegelten Zustand eine fest definierte Stellung des Schiebers vorzusehen. Auch dann würde nämlich der Fachmann keinen weiteren, mit der Verriegelungskugel zusammenwirkenden Absatz am Schieber vorsehen, d.h. keine Sperrnut am Außenumfang des Schiebers vorsehen, gemäß Merkmal e) des Anspruchs 1, weil dann der Schieber die Stellung gemäß Figur 3 von D5 unmittelbar aus der Stellung der Figur 4 heraus nicht mehr einnehmen könnte.
4. Zusammenfassend ist also festzuhalten, dass der von D5 ausgehende Fachmann, welcher gemäß den drei Argumentationslinien der Einsprechenden die Verriegelungshülse mittels einer Feder in naheliegender Weise gegenüber dem Betätigungsknopf verspannen würde (Merkmal f) des Anspruchs 1), jedenfalls nicht in naheliegender Weise auch die technischen Maßnahmen des Merkmals e) des Anspruchs 1 ergreifen würde, weil dies eine Beeinträchtigung der Funktionsweise des Ventils aus D5, insbesondere hinsichtlich der Sicherheit, zur Folge hätte. Somit kann die vorgetragene Argumentation nicht in überzeugender Weise darlegen, dass die kennzeichnenden Merkmale des Anspruchs 1 keine erfinderische Tätigkeit begründen können. Darüberhinaus führen die kennzeichnenden Merkmale des Anspruchs 1, wie bereits ausgeführt wurde, zur Lösung der gemäß Patentschrift gestellten Aufgabe, und stellen keine willkürliche Zusammensetzung irgendwelcher Merkmale dar. Folglich sind die Voraussetzungen für das Vorhandensein einer erfinderischen Tätigkeit erfüllt (Art. 56 EPÜ 1973).
5. Abschließend wird bemerkt, dass die vorgebrachten, auf D5 basierenden erste und dritte Argumentationslinien auch keinen Stand der Technik angeben, der das Naheliegen des Merkmals f) des Anspruchs 1 aus der Sicht des Fachmanns belegen könnten. Es liegt insbesondere kein schriftlicher Stand der Technik vor und es wurde nicht vorgetragen und belegt, daß eine Vorbenutzung (einer tatsächlich existierenden Ventileinrichtung entsprechend der Darstellung in D5, deren internen Konstruktion aber nicht - wie in D5 - unmittelbar zu sehen ist) gemäß der ersten Argumentationslinie der Einsprechenden existierte, so dass der Fachmann bei rein äußerlicher Betrachtung oder bei Betätigung eines Ventils gemäß Figur 4 von D5 in naheliegender Weise entnehmen könnte, dass die Verspannung der Hülse auf eine zwischen dem Betätigungsknopf und der Hülse angeordneten Feder zurückführen ist. Ebenso liegt auch kein Stand der Technik vor, welcher, gemäß der dritten Argumentationslinie der Einsprechenden, belegen könnte, dass zum Prioritätsdatum des Streitpatents Ventile bekannt waren, bei denen während des gesamten Rangiervorgangs eines Anhängers ständig Druck auf einen Betätigungsknopf auszuüben ist. Insgesamt konnte folglich den Ausführungen der Einsprechenden nicht gefolgt werden.
ENTSCHEIDUNGSFORMEL
Aus diesen Gründen wird entschieden:
1. Die angefochtene Entscheidung wird aufgehoben.
2. Die Angelegenheit wird an die erste Instanz mit der Anordnung zurückverwiesen, das Patent auf der Grundlage folgender Unterlagen aufrechtzuerhalten:
- Ansprüche 1 bis 8 gemäß Hilfsantrag eingereicht während der mündlichen Verhandlung,
- Beschreibung Seiten 2, 3 und 4 sowie Figuren 1 bis 4 jeweils eingereicht während der mündlichen Verhandlung.