T 2308/09 19-07-2012
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Verfahren zum Verhindern von Blasen oder Bläschen beim Verbinden von Substratteilen optischer Datenträger durch einen Kleber
Neuer Einspruchsgrund - Zulässigkeit (verneint)
Neuheit (bejaht)
Erfinderische Tätigkeit (bejaht)
I. Die Beschwerde des Einsprechenden (Beschwerdeführers) richtet sich gegen die Entscheidung der Einspruchsabteilung, den Einspruch gegen das Patent EP 0 999 249 zurückzuweisen.
II. Der Einsprechende hatte den Widerruf des Patentes im gesamten Umfang auf der Grundlage der Einspruchsgründe gemäß Artikel 100 a) EPÜ (mangelnde Neuheit und mangelnde erfinderische Tätigkeit) beantragt.
III. Im Einspruchsverfahren wurden unter anderem vorgelegt:
D9-Ü: Deutsche Übersetzung von JP 9-282650 A,
D12-Ü: Englische Übersetzung von JP 61-235133 A,
D17: WO 97/36737 A1,
D18: US 4,965,118 A,
D19: CD, vom Patentinhaber eingereicht mit Schreiben vom 24. August 2009, und
D20: Eidesstattliche Erklärung des Herrn B. Klein, vom Patentinhaber eingereicht mit Schreiben vom 24. August 2009.
IV. Der am 28. Oktober 2009 mündlich verkündeten und am 13. November 2009 schriftlich begründeten Entscheidung der Einspruchsabteilung lagen die erteilten Ansprüche 1-24 zugrunde, wobei Anspruch 1 wie folgt lautet:
"1. Verfahren zur Verhinderung von Blasen oder Bläschen beim Verbinden von Substratteilen (1; 1a, 1b) optischer Datenträger, wie DVDs, durch einen Kleber (9), wobei auf das eine und/oder das andere Substratteil (1; 1a, 1b) und/oder den Kleber (9) elektrische Ladungen aufgebracht werden."
Anspruch 2-23 sind auf Anspruch 1 rückbezogene abhängige Verfahrensansprüche. Anspruch 24 ist gerichtet auf die "Anwendung des Verfahrens nach einem der Ansprüche 1 bis 23, wobei mehr als zwei Substratteile (1; 1a, 1b) miteinander verbunden werden" und stellt somit de facto einen weiteren abhängigen Verfahrensanspruch dar.
V. Die Auffassung der Einspruchsabteilung kann wie folgt zusammengefasst werden:
Die Neuheit gegenüber D9-Ü und D18 sei anzuerkennen. In D9-Ü sei der anspruchsgemäße Zusammenhang des Verhinderns der Blasenbildung infolge des Aufbringens von Ladungen nicht offenbart. Dieses Merkmal sei auch in D18 nicht beschrieben. Darüber hinaus offenbare D18 lediglich das Verbinden eines festen Substratteils mit einem flüssigen Harz, nicht jedoch das anspruchsgemäße Verbinden zweier fester Substratteile.
Die erfinderische Tätigkeit sei ebenfalls anzuerkennen. Nächstliegender Stand der Technik sei D17 oder D9-Ü.
In keinem dieser Dokumente sei der Zusammenhang zwischen der Verhinderung von Blasen und dem Aufbringen von Ladungen offenbart. Ausgehend von diesem Unterschied könne die dem Streitpatent zu Grunde liegende Aufgabe entweder in einer Verbesserung oder in der Bereitstellung einer weiteren Alternative zu den bereits bekannten Verfahren zur Verhinderung von Blasen gemäß D17 beziehungsweise D9-Ü gesehen werden. Das Beweismittel D19 zeige, dass das Aufbringen von Ladungen ausschlaggebend für die Verhinderung von Blasen sei. D12-Ü offenbare zwar diesen Zusammenhang, jedoch hätte der Fachmann dieses Dokument nicht in Betracht gezogen, da es nicht auf ein Verfahren zum dauerhaften Verbinden zweier Substratteile gerichtet sei, sondern ein Replikationsverfahren für einen einlagigen Datenträger betreffe.
VI. Gegen diese Entscheidung legte der Beschwerdeführer (Einsprechender) am 3. Dezember 2009 Beschwerde ein, wobei die vorgeschriebene Gebühr am selben Tag entrichtet wurde. Die Einreichung der Beschwerdebegründung erfolgte am 11. März 2010 zusammen mit
D21: Brockhaus, Naturwissenschaft und Technik, Band 5, 1989, Seite 83, und
D22: Schlagwort "Substrat" aus Wikipedia
(http://de.wikipedia.org/wiki/Substrat).
VII. Mit Schreiben vom 13. August 2010 erfolgte die Erwiderung des Beschwerdegegners (Patentinhabers).
VIII. Mit Bescheid vom 12. Juli 2011 wurden die Parteien zur mündlichen Verhandlung am 16. Februar 2012 geladen. Auf Antrag des Beschwerdegegners wurde der Verhandlungstermin auf den 19. Juli 2012 verlegt.
In der der Ladung beiliegenden vorläufigen Meinung der Kammer wurde den Parteien mitgeteilt, dass der Einspruchsgrund gemäß Artikel 100 b) EPÜ nur mit der Zustimmung des Beschwerdegegners in das Verfahren zugelassen werden könne. Ferner wurde darauf hingewiesen, dass in der mündlichen Verhandlung die Neuheit gegenüber D9-Ü und D18 und die erfinderische Tätigkeit gegenüber D17 und D12-Ü zu diskutieren seien.
IX. Mit dem am 1. Februar 2012 eingegangenen Schreiben (datiert 16. Januar 2012) teilte der Beschwerdeführer mit, dass er an der mündlichen Verhandlung nicht teilnehmen werde.
X. Mit Schreiben vom 18. Juni 2012 wurde vom Beschwerdegegner ein Hilfsantrag eingereicht.
XI. Am 19. Juli 2012 fand die mündliche Verhandlung vor der Kammer statt. Wie angekündigt war der Beschwerdeführer nicht anwesend.
XII. Die vom Beschwerdeführer schriftlich vorgebrachten Argumente können wie folgt zusammengefasst werden:
Die dem Streitpatent zugrundeliegende Erfindung sei unzureichend offenbart. Insbesondere reichten die Angaben im Anspruch 1 des Streitpatentes und zu dem in D19 verwendeten Versuchsaufbau nicht aus, um Blasen beim Verkleben von Substratteilen zu verhindern. So müsse der Kleber eine bestimmte elektrische Leitfähigkeit aufweisen und in einem vorgegebenen Temperaturfenster verarbeitet werden. Des Weiteren dürften bestimmte Spannungen bei der Erzeugung der aufzubringenden Ladungen nicht unter- oder überschritten werden, um die Blasenbildung zu verhindern. Somit stelle sich der in Anspruch 1 beanspruchte Effekt der Verhinderung von Blasen nicht für alle vom Anspruch umfassten Alternativen ein. Die von Amts wegen von der Einspruchsabteilung aufgegriffene mangelnde Ausführbarkeit der Erfindung stehe daher der Aufrechterhaltung des Patents im Sinne des Artikels 100 b) EPÜ entgegen.
Darüber hinaus sei der Gegenstand des Anspruchs 1 nicht neu gegenüber D9-Ü. Dieses Dokument offenbare das Zusammenkleben zweier Scheibenelemente sowie die Möglichkeit, dass eine Koronabehandlung der Scheibenelemente vorgenommen werde. Es sei davon auszugehen, dass durch diese Koronabehandlung zwangsläufig, wie von Anspruch 1 des Streitpatentes gefordert, eine Blasenbildung beim Verbinden der beiden Scheibenelemente verhindert werde. Dies werde auch durch die eidesstattliche Versicherung D20 bestätigt, gemäß der es zwangsläufig zur Verhinderung der Blasenbildung komme, wenn Ladungen auf Substratteile oder den Kleber aufgebracht werden.
Auch D18 sei neuheitsschädlich für den Gegenstand des Anspruchs 1. Dieses Dokument offenbare ein Verfahren zur Herstellung eines optischen Aufzeichnungsmediums, bei dem eine Harzflüssigkeit in eine Form eingebracht werde und die Oberfläche der Harzschicht mit einer Trägerschicht, entsprechend dem anspruchsgemäßen Substratteil, überzogen werde. Zur Verstärkung der Haftung der Träger- und Harzschicht werde darüber hinaus das Aufbringen einer Grundierungsschicht, entsprechend dem anspruchsgemäßen Kleber, offenbart. In diesem Zusammenhang werde dann eine elektrische Bearbeitung, zum Beispiel eine Koronabehandlung der Trägerschicht, entsprechend der anspruchsgemäßen Ladungsaufbringung, vorgeschlagen. Hierdurch stelle sich die anspruchsgemäß geforderte Verhinderung von Blasen zwangsläufig ein. Schließlich entspreche die Harzflüssigkeit dem anspruchsgemäßen zweiten Substratteil. Insbesondere impliziere, wie durch D21 und D22 bestätigt, der im Anspruch verwendete Begriff "Substrat" keinen bestimmten Aggregatzustand. So werde beispielsweise bei der Herstellung von Blue-Ray Discs ebenfalls mit einem zunächst flüssigen Harz als Substratteil gearbeitet.
Der Gegenstand des Anspruchs 1 sei auch nicht erfinderisch. Gegenüber D17 als nächstliegendem Stand der Technik stelle sich die objektive Aufgabe, die Entstehung von Blasen in der Kleberschicht zwischen den Substratteilen optischer Datenträger noch zuverlässiger zu verhindern. Zur Lösung dieser Aufgabe enthalte der Fachmann aus D12-Ü den Hinweis, ein elektrisches Feld durch Anordnung der Substrate zwischen Elektroden oder durch Aufladen des Substrats, insbesondere mittels Koronaentladung, zu erzeugen.
Das in diesem Zusammenhang von der Einspruchsabteilung vorgebrachte Argument, dass D12-Ü in einem anderen Kontext stehe und daher vom Fachmann nicht in Betracht gezogen werde, sei unzutreffend. So verkenne die Einspruchsabteilung, dass Anspruch 1 eine nicht-dauerhafte Verbindung der Substratteile umfasse und daher nicht im Gegensatz zu der in D12-Ü offenbarten zeitlich begrenzten Verbindung eines Stempels mit einer Informationsaufzeichnungsschicht stehe. Darüber hinaus werde der in D12-Ü verwendete Stempel erst nach Aushärtung der Informationsaufzeichnungsschicht abgelöst und zu diesem Zeitpunkt bildeten sich in der Informationsaufzeichnungsschicht keine Blasen mehr. Das Ablösen des Stempels sei daher ohne Einfluss auf die Blasenverhinderung. Insofern sei der Kontext bei der Herstellung einer CD nach D12-Ü keineswegs grundverschieden von demjenigen des Streitpatents. Somit sei die Erfindung ausgehend von D17 unter Berücksichtigung der D12-Ü nahegelegt.
XIII. Die vom Beschwerdegegner im schriftlichen Verfahren sowie in der mündlichen Verhandlung vorgebrachten Argumente können wie folgt zusammengefasst werden:
Der Einspruchsgrund gemäß Artikel 100 b) EPÜ sei weder von der Einsprechenden noch von der Einspruchsabteilung genannt worden. Der Einspruchsgrund sei daher nicht Teil des vorliegenden Verfahrens und einer Zulassung in das Verfahren werde nicht zugestimmt. Ferner sei es, selbst wenn eine Blasenbildung nicht immer zuverlässig verhindert werden könne, dem Fachmann in Kenntnis der erfindungsgemäßen Lehre zuzumuten, mithilfe seines allgemeinen Fachwissens diese Fälle zu erkennen und zu vermeiden. So sorge der Fachmann selbstverständlich beispielsweise für eine ausreichende Mindestmenge der aufzubringenden Ladungen.
Die Neuheit gegenüber D9-Ü sei anzuerkennen. Dieses Dokument beschreibe zwar eine Koronaentladung, diese werde jedoch so ausgeführt, dass es zu einer Oxidation und damit gerade nicht zu der von Anspruch 1 geforderten Aufladung der Oberfläche der Scheibenelemente komme. Ferner sei die Koronaladung in D9-Ü ausschließlich im Zusammenhang mit dem Bedrucken der Scheibenelemente offenbart. Daher würden selbst dann, wenn Ladungen entstünden, diese durch das Bedrucken entfernt, so dass beim Verkleben keine Ladungen mehr vorhanden seien. Schließlich fehle in D9-Ü eine Offenbarung dahingehend, dass eine Ladungsauftragung derart durchgeführt wird, dass dadurch Blasen beim Verkleben verhindert werden. Hierbei sei zu berücksichtigen, dass sich das Ergebnis einer Verhinderung von Blasen infolge der in D9-Ü vorgenommenen Koronaentladung keineswegs zwangsläufig einstelle. Vielmehr seien bei der Ladungsauftragung bestimmte Parameter einzuhalten, um die anspruchsgemäße Blasenfreiheit zu erreichen.
Auch die Neuheit gegenüber D18 sei anzuerkennen. Insbesondere offenbare D18 lediglich das Zusammenbringen eines festen Substratteils mit einer Flüssigkeit und somit nicht die anspruchsgemäße Verklebung zweier Substratteile. Unabhängig hiervon werde die Ladungsaufbringung in D18 nicht derart durchgeführt, dass dadurch Blasen verhindert würden. Vielmehr ziele D18 darauf ab, dass Blasen durch Ausüben von Druck entfernt werden.
Hinsichtlich der erfinderischen Tätigkeit sei D17 als nächstliegender Stand der Technik anzusehen. Das in diesem Dokument zur Verhinderung von Blasen gewählte Verfahren sei komplexer und zeitaufwändiger als das anspruchsgemäße Verfahren. Daher bestehe die objektiv gegenüber D17 gelöste Aufgabe darin, ein einfacheres und schnelleres Verfahren zur Verhinderung von Blasen beim Verkleben optischer Datenträger bereitzustellen. Die anspruchsgemäße Lösung ergebe sich entgegen dem Vorbringen des Beschwerdeführers nicht aus D12-Ü. Insbesondere hätte der Fachmann D12-Ü nicht mit D17 kombiniert, da die beiden Dokumente gänzlich unterschiedliche Vorrichtungen und Verfahren beträfen. So betreffe D17 das Verkleben zweier Substratteile, während D12-Ü auf die Herstellung einer Informationsaufzeichnungsschicht durch Eindrücken eines Stempels und Übertragen der Struktur des Stempels in das flüssige Formharz gerichtet sei. Insbesondere werde durch das Verfahren der D17 eine permanente Verklebung erreicht, während im Gegensatz hierzu das Verfahren der D12-Ü zu einer Ablösung des Stempels führe. Selbst wenn ein Fachmann beide Verfahren kennen würde, wäre es ferner keineswegs naheliegend, Aspekte des einen Verfahrens auf das andere zu übertragen. So lägen in D12-Ü Blasen an der die optische Information tragenden Oberfläche des Stempels vor, während in D17 die Blasen im Kleber entstünden. Ferner unterschieden sich die Anforderungen an die verwendeten Materialien, also Kleber bzw. Formharz grundlegend voneinander. Beispielsweise müsse das Flüssigharz der D12-Ü nach Härtung formstabil sein und dürfe insbesondere keinen Schrumpf aufweisen, während der Kleber der D17 keine Formstabilität besitze. Aus diesen Gründen könne der Fachmann nicht davon ausgehen, dass Weiterentwicklungen in einem Verfahren, beispielsweise das Anlegen eines elektrischen Feldes in D12-Ü auch im anderen Verfahren ein vorteilhaftes Ergebnis zeigen würden. Somit sei der Einspruchsabteilung darin zuzustimmen, dass der Fachmann D12-Ü nicht als relevante Entgegenhaltung betrachten würde und insbesondere keine Veranlassung hätte, diese Druckschrift mit der Lehre der D17 zu kombinieren. Der Gegenstand des Streitpatents beruhe daher auf einer erfinderischen Tätigkeit.
XIV. Der Beschwerdeführer (Einsprechender) beantragte im schriftlichen Verfahren, die angefochtene Entscheidung aufzuheben und das europäische Patent Nr. 0 999 249 zu widerrufen.
XV. Der Beschwerdegegner (Patentinhaber) beantragte die Zurückweisung der Beschwerde, hilfsweise die Aufrechterhaltung des Patents auf der Grundlage des mit Schreiben vom 18. Juni 2012 eingereichten Hilfsantrages.
1. Die Beschwerde ist zulässig.
2. Einspruchsgrund gemäß Artikel 100 b) EPÜ
Vom Beschwerdeführer wurde der Einspruchsgrund gemäß Artikel 100 b) EPÜ erstmals in der Beschwerdebegründung vorgebracht. Entgegen seiner Andeutung ist aus den Unterlagen nicht ersichtlich, dass dieser Grund von der Einspruchsabteilung in das Verfahren eingeführt wurde. Dieser Einspruchsgrund stellt daher einen neuen Einspruchsgrund dar. Vom Beschwerdegegner wurde in der mündlichen Verhandlung der Zulassung dieses Einspruchsgrundes in das Verfahren nicht zugestimmt.
Daher kann der neue Einspruchsgrund im Einklang mit der Entscheidung G 10/91 (Abl. EPA 1993, 420) nicht in das Verfahren zugelassen werden.
Hauptantrag (Patent in der erteilten Fassung)
3. Anspruchsgegenstand
3.1 Anspruch 1 ist auf ein Verfahren zur Verhinderung von Blasen oder Bläschen beim Verbinden von Substratteilen optischer Datenträger durch einen Kleber gerichtet, wobei auf das eine und/oder das andere Substratteil und/oder den Kleber elektrische Ladungen aufgebracht werden.
3.2 Hinsichtlich der nachfolgenden Betrachtung der Neuheit ist von Belang, ob eine bestimmte Ausgestaltung der Ladungsaufbringung notwendig ist, um die im Anspruch geforderte Verhinderung von Blasen zu erreichen, so dass die Ladungsaufbringung implizit durch das Anspruchsmerkmal der Verhinderung von Blasen eingeschränkt ist.
3.3 Vom Beschwerdeführer wurde mit Schreiben vom 10. März 2010 diesbezüglich ausgeführt, dass zur Verhinderung von Blasen bestimmte Spannungen bei der Erzeugung der aufzubringenden Ladungen nicht unter- oder überschritten werden dürfen.
Vom Beschwerdegegner wurde im ersten Absatz der Seite 3 des Schreibens vom 13. August 2010 dargelegt, dass der Fachmann für eine gewisse ausreichende Mindestmenge an aufzubringenden Ladungen sorgen würde, um Blasen zu verhindern. Ferner wurde im zweiten Absatz der Seite 4 dieses Schreibens vom Beschwerdegegner festgestellt, dass "sich das Ergebnis einer Verhinderung von Blasen oder Bläschen keineswegs zwangsläufig" durch eine Koronaentladung erreichen lässt. Schließlich wurde vom Beschwerdegegner während der mündlichen Verhandlung ausgeführt, dass bestimmte Parameter bei der Ladungsauftragung einzuhalten seien, um die anspruchsgemäße Verhinderung von Blasen zu erreichen.
3.4 Somit geht aus den Aussagen beider Parteien klar hervor, dass eine Ladungsaufbringung auf eine bestimmte Art und Weise erfolgen muss, um Blasen zu verhindern. Das Anspruchsmerkmal der Verhinderung von Blasen schränkt den Anspruch daher implizit hinsichtlich der Art der Ladungsaufbringung ein.
3.5 Entgegen den Ausführungen des Beschwerdeführers widerspricht die eidesstattliche Erklärung D20 nicht dieser Schlussfolgerung. Insbesondere geht aus dieser Erklärung an keiner Stelle hervor, dass eine Ladungsauftragung unabhängig von ihrer Ausgestaltung zwangsläufig zur Verhinderung von Blasen führt.
4. Neuheit
Vom Beschwerdeführer wurde die Neuheit gegenüber den Dokumenten D9-Ü und D18 bestritten.
4.1 Neuheit gegenüber D9-Ü
4.1.1 D9-Ü beschreibt einerseits das Bedrucken der Oberfläche von Informationsaufzeichnungsscheibenelementen (im Folgenden "Scheibenelemente") sowie andererseits das Zusammenkleben zweier solcher Scheibenelemente zu einer DVD (Absatz [0002] der zweiten Seite 1 und Absatz [0003] der zweiten Seite 2). Hierbei kann das Bedrucken durch beispielsweise Offset-Druck oder durch Siebdruck durch Auftragen von Tinte erfolgen (Absatz [0002] der zweiten Seite 1 und Absatz [0003] der zweiten Seite 2).
4.1.2 D9-Ü offenbart auch eine Koronabehandlung der Scheibenelemente, und zwar im letzten Absatz der ersten Seite 2, in Zeile 3-7 der Seite 7 und in Zeile 11-16 des Kapitels "Resultat der Erfindung" auf Seite 8.
Es findet sich jedoch an keiner Stelle der D9-Ü eine Offenbarung, dass es infolge der Koronaentladung zur Aufbringung von Ladungen kommt. Im Gegenteil geht aus dem ersten Absatz der Seite 7 klar hervor, dass es infolge der Koronabehandlung zur Oxidation der Oberfläche der Scheibenelemente und damit gerade nicht zu einer Aufladung dieser Elemente kommt.
In diesem Zusammenhang ist auch zu berücksichtigen, dass die Koronaentladung in D9-Ü nicht im Rahmen der Verklebung der Scheibenelemente, sondern vor dem Bedrucken dieser Elemente stattfindet. So wird in der Textstelle auf Seite 7 die Koronaentladung als Vorbehandlung vor dem Bedrucken offenbart und in der Textstelle auf Seite 8 wird die Koronabehandlung ebenfalls bei der Diskussion des "Bedruckens" der Scheibenelemente erwähnt (die Textstelle auf Seite 2 macht diesbezüglich keine Aussage). Daher würden, selbst wenn bei der Koronaentladungsbehandlung Ladungen entstünden, diese durch das Bedrucken der so behandelten Oberflächen vor dem Verklebungsschritt beseitigt. Somit würden selbst in diesem Fall keine Ladungen beim Verkleben der Scheibenelemente vorliegen.
Unabhängig hiervon wird in D9-Ü an keiner Stelle eine Ladungsaufbringung beschrieben, die dergestalt durchgeführt wird, dass dadurch beim Verkleben der Scheibenelemente Blasen verhindert werden. Im Gegenteil geht aus der Tatsache, dass im Rahmen des Verfahrens der D9-Ü Blasen durch Anlegen eines Vakuums beseitigt werden müssen (Seite 7, Zeile 23-24) klar hervor, dass die Koronaentladungsbehandlung dieses Dokumentes gerade nicht so durchgeführt wird, dass Blasen verhindert werden.
4.1.3 D9-Ü offenbart somit weder das Anspruchsmerkmal einer Ladungsaufbringung beim Verkleben zweier Substratteile, noch das implizite Anspruchsmerkmal (siehe obiger Punkt 3), dass die Ladungsaufbringung derart durchgeführt wird, dass Blasen beim Verkleben verhindert werden. Daher ist der Gegenstand des Anspruchs 1 und damit aller übrigen auf Anspruch 1 rückbezogenen Ansprüche 2-24 neu gegenüber D9-Ü.
4.2 Neuheit gegenüber D18
4.2.1 D18 beschreibt die Herstellung eines optischen Informationsspeichermediums aus einer Flüssigharzschicht 140, einem Substratfilm 210 (supporting layer) sowie optional einer dazwischenliegenden Grundierschicht (primer layer), wobei
- die Flüssigharzschicht auf eine Form aufgebracht wird,
- die Oberfläche der Flüssigharzschicht dann mit dem Substratfilm "beschichtet" wird,
- wobei bevorzugt eine Grundierschicht zwischen der Flüssigharzschicht und dem Substratfilm eingeführt wird,
- die Flüssigharzschicht und der Substratfilm anschließend mit Elektronen- oder UV-Strahlen gehärtet werden, während die beiden Schichten mit einer Walze pressgeschweißt werden und
- die so verschweißten Schichten aus der Form entnommen werden (Spalte 8, Zeile 32-48 und 64-67 sowie Abbildung 5).
Durch Variation des Anpressdruckes beim Pressschweißen können Blasen, die zwischen der Flüssigharzschicht und dem Substratfilm auftreten, entfernt werden (Spalte 8, Zeile 48-53). Beispielsweise kann ein Polyethylenterephthalatfilm als Substratfilm verwendet werden, auf den besagte Grundierung aufgebracht wird. Zusätzlich kann der Film elektrisch beispielsweise durch Koronaentladung behandelt werden, um die Klebkraft zu verbessern (Spalte 8, Zeile 67 bis Spalte 9, Zeile 5).
4.2.2 D18 offenbart nicht das anspruchsgemäße Verkleben zweier Substratteile. Insbesondere kann das in D18 offenbarte Zusammenbringen des festen Substratfilms (entsprechend einem ersten Substratteil) mit dem Flüssigharz im normalen Sprachgebrauch nicht als Verkleben bezeichnet werden, da eine Flüssigkeit nicht "verklebt" wird.
Ferner fehlt in D18 in gleicher Weise wie in D9-Ü eine Offenbarung, dass die Koronaentladung zu einer Ladungsaufbringung und insbesondere zu einer derart ausgestalteten Ladungsaufbringung führt, die das Entstehen von Blasen beim Verkleben verhindert. Im Gegenteil geht aus Spalte 8, Zeile 48-53 der D18 sogar hervor, dass beim Verkleben Blasen auftreten und diese daher durch Anwendung von Druck entfernt werden müssen.
4.2.3 Die Neuheit des Gegenstands des Anspruchs 1 und damit aller übrigen auf Anspruch 1 rückbezogenen Ansprüche 2-24 ist somit auch gegenüber D18 anzuerkennen.
5. Erfinderische Tätigkeit
5.1 Die Erfindung betrifft ein Verfahren zum Verbinden von Substratteilen optischer Datenträger, insbesondere der zwei Hälften einer DVD durch einen Kleber (Spalte 1, Zeile 3-6 des Streitpatents).
5.2 In gleicher Weise betrifft D17 ein Verfahren zum Zusammenkleben zweier Scheibenelemente, insbesondere von Trägern für DVDs (Seite 1, Zeile 3-5). Daher kann im Einklang mit dem Vorbringen beider Parteien D17 als nächstliegender Stand der Technik angesehen werden.
5.3 Gemäß Streitpatent besteht die zu lösende Aufgabe darin, ein Verfahren zur Verfügung zu stellen, bei dem Blasen zwischen den Substratteilen optischer Datenträger beim Verbinden durch einen Kleber zuverlässig verhindert werden (Spalte 1, Zeile 37-42).
Die gleiche Aufgabe wird jedoch bereits in D17 gelöst. Hier wird eine Blasenbildung dadurch vermieden, dass die Scheibenelemente konvex gebogen und anschließend derart positioniert werden, dass ein Spalt zwischen beiden Elementen entsteht, und dass dann ein flüssiger Klebstoff derart in den Spalt eingebracht wird, dass der Klebstoff gleichzeitig in Kontakt mit beiden Scheibenelementen kommt (Seite 2, Zeile 1-20 und Zeile 27-29).
Vom Beschwerdegegner wurde während der mündlichen Verhandlung vorgebracht, dass das in D17 zur Verhinderung von Blasen gewählte Verfahren komplexer und zeitaufwändiger sei als das anspruchsgemäße Verfahren. Daher bestehe die objektiv gegenüber D17 zu lösende Aufgabe darin, ein einfacheres und schnelleres Verfahren zur Verhinderung von Blasen beim Verkleben optischer Datenträger bereitzustellen. Dieser Auffassung kann sich die Kammer jedoch nicht anschließen, da diese Aufgabe weder aus dem Streitpatent ableitbar ist, noch nachgewiesen wurde, dass diese Aufgabe tatsächlich gegenüber D17 gelöst wurde.
Die gegenüber D17 zu lösende Aufgabe kann daher nur in der Bereitstellung eines weiteren Verfahrens zur Vermeidung von Blasen beim Verbinden von Substratteilen gesehen werden.
5.4 Zur Lösung dieser Aufgabe schlägt das Streitpatent das Aufbringen von Ladungen auf den Kleber und/oder die Substratteile vor (Anspruch 1).
5.5 Es ist zu untersuchen, ob diese Aufgabe durch den Anspruchsgegenstand erfolgreich gelöst wird.
In dem die Spalten 2 und 3 des Streitpatentes überbrückenden Absatz wird festgehalten, dass ohne das erfindungsgemäße Verfahren eine auf ein Substrat aufgetragene Kleberbahn beim Zusammenfügen mit einem anderen Substratteil, möglicherweise durch elektrostatische Abstoßung, in seiner Form verändert wird, dahingehend, dass die konvexe Form der wulstförmigen Kleberbahn eine konkave Einsattelung erhält und dass beim Zusammenfügen der Substratteile so Hohlräume entstehen, die zu einer unerwünschten Blasenbildung im Kleber führen. Dies wird auch durch die in der eidesstattlichen Erklärung D20 beschriebenen und in D19 visualisierten Versuche bestätigt. In diesen Versuchen wurden zwei DVD-Halbscheiben hergestellt, auf die erste Halbscheibe ein Lackring aufgetragen, die zweite Halbscheibe auf die so präparierte erste Halbscheibe mit bzw. ohne Ionisierung aufgebracht und der Lack ausgeschleudert. Wie aus dem in D19 enthaltenen Film klar hervorgeht, tritt bei eingeschalteter Ionisierung (d. h. Ladungsauftragung) keine Blasenbildung auf, während ohne Ionisierung deutlich mehrere Blasen zwischen den DVD-Halbscheiben zu beobachten sind.
Es ist somit glaubhaft, dass durch das anspruchsgemäße Aufbringen von Ladungen tatsächlich eine Blasenbildung verhindert wird. Somit ist die gegenüber D17 neu formulierte Aufgabe tatsächlich gelöst.
5.6 Es bleibt zu untersuchen, ob der Stand der Technik Anregungen bot, die genannte Aufgabe durch das alternative Verfahren des Anspruchs 1 des Streitpatentes zu lösen.
5.6.1 In diesem Zusammenhang wurde vom Beschwerdeführer auf D12-A verwiesen, welches ein Verfahren beschreibt, bei dem
- ein Flüssigharz (liquid molding resin) auf einen Stempel ("stamper") aufgebracht wird,
- eine Basisplatte ("base plate") gegenüber dem so aufgetragenen Flüssigharz angeordnet wird,
- anschließend das Flüssigharz durch ein zwischen dem Stempel und der Basisplatte angelegtes elektrisches Feld angehoben wird,
- hieran anschließend die Basisplatte und der Stempel aufeinander gepresst werden, bis eine bestimmte Dicke des Flüssigharzes erreicht wird,
- das Flüssigharz vernetzt wird und
- der Stempel von dem Basisplatte-Flüssigharz-Laminat getrennt wird (Seite 4 der D12-Ü).
Im dritten Absatz auf Seite 3 der D12-Ü (beginnend mit "As a result...") wird offenbart, dass durch Anlegen des elektrischen Feldes eine Blasenbildung in dem Flüssigharz vermieden werden kann. Gemäß Zeile 13 der Seite 4 kann ein solches Feld durch Aufbringen von Ladungen auf die Basisplatte oder das Flüssigharz erzeugt werden.
Der Beschwerdeführer argumentierte, dass es unter Berücksichtigung dieser Aussage für den Fachmann nahelag, zur Verhinderung von Blasen anstelle der in D17 vorgeschlagenen Maßnahme eine Ladungsaufbringung durchzuführen, so dass es dem Anspruchsgegenstand an erfinderischer Tätigkeit gegenüber D17 in Kombination mit D12-Ü mangelt.
5.6.2 Diese Sichtweise lässt jedoch unberücksichtigt, dass D17 und D12-Ü gänzlich unterschiedliche Verfahren betreffen. So geht es beim Verfahren der D17 um das Verkleben von optischen Datenträgern, während D12-Ü auf die Herstellung optischer Datenträger durch Eindrücken eines Stempels in ein Flüssigharz, Übertragen der Struktur des Stempels in das Flüssigharz und anschließendes Ablösen des Stempels gerichtet ist. Ein Verkleben findet daher in D12-Ü gerade nicht statt, sondern es kommt im Gegenteil nach Aufprägung der Struktur des Stempels zu einer Ablösung des Stempels vom Flüssigharz. Der vom Verfahren der D17 ausgehende und nach einem alternativen Verfahren Ausschau haltende Fachmann hätte daher das Verfahren der D12-Ü überhaupt nicht in Betracht gezogen. Allein aus diesem Grund ist die erfinderische Tätigkeit anzuerkennen.
5.6.3 Ferner ist zu berücksichtigen, dass die beiden Dokumente hinsichtlich der angestrebten Verhinderung von Blasen nicht identisch sind. So geht es in D12-Ü letztendlich darum, Blasen an der Stempeloberfläche zu vermeiden, da diese zu Defekten in der dem Flüssigharz aufgeprägten Informationsstruktur führen würden (zweiter Satz des letzten Absatzes der Seite 2), während in D17 eine Verhinderung von Blasen innerhalb der die beiden Scheibenelemente verbindenden Kleberschicht erreicht werden soll (Seite 2, Zeile 18-20). Darüber hinaus sind in den beiden Dokumenten die Materialien, in denen eine Blasenbildung verhindert werden soll, unterschiedlich. So handelt es sich in D12-Ü um ein Flüssigharz, welches, wie vom technischen Experten des Beschwerdegegners während der mündlichen Verhandlung ausgeführt wurde, nach Härtung formstabil sein muss und insbesondere keinen Schrumpf aufweisen darf, während es sich in D17 um einen Kleber handelt, der keine Formstabilität besitzt.
Daher würde der Fachmann, selbst wenn er die Lehre der D12-Ü zurate ziehen würde, nicht davon ausgehen, dass die in diesem Dokument zur Verhinderung von Blasen vorgeschlagene Maßnahme einer Ladungsaufbringung bei Anwendung im Verfahren der D17 zum gleichen Ergebnis führt.
Zusätzlich wäre für den Fachmann nicht deutlich, ob der Einsatz der in D12-Ü beschriebenen Ladungsauftragung im Verfahren der D17 insbesondere in Anbetracht der in D17 speziell eingestellten Geometrie und Anordnung der Substratteile ohne weitere Abänderungen des Verfahrens überhaupt möglich ist.
Aus diesen Gründen würde der Fachmann selbst bei Berücksichtigung der D12-Ü die dort zur Verhinderung von Blasen gewählte Maßnahme einer Ladungsauftragung nicht im Verfahren der D17 einsetzen.
5.6.4 Die Erkenntnis, dass ein solcher Einsatz im Verfahren der D17 erfolgreich zu einer Verhinderung von Blasen führt, ergibt sich gerade erst auf der Grundlage der dem Streitpatent zu Grunde liegenden Erfindung, d. h. in rückschauender Betrachtungsweise. Eine solche rückschauende Betrachtungsweise kann jedoch die erfinderische Tätigkeit nicht stützen.
5.7 Die erfinderische Tätigkeit des Gegenstands des Anspruchs 1 und damit aller übrigen, direkt oder indirekt auf Anspruch 1 rückbezogenen Ansprüche 2-24 ist daher gegenüber D17 in Kombination mit D12-Ü anzuerkennen.
ENTSCHEIDUNGSFORMEL
Aus diesen Gründen wird entschieden:
Die Beschwerde wird zurückgewiesen.