T 0223/10 11-11-2010
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Verfahren zur Herstellung eines Lochs und Vorrichtung
I. Die Beschwerde richtet sich gegen die Entscheidung der Prüfungsabteilung vom 23. Dezember 2009, mit der die europäische Patentanmeldung Nr. 05 847 514.6 zurückgewiesen wurde. Zur Begründung hat die Prüfungsabteilung angeführt, dass der Gegenstand der unabhängigen Ansprüche 1 und 40 aus
D4 WO-A-2005/044508 oder
D5 EP-A-1 522 373
bekannt und daher nicht neu sei.
II. Am 15. Januar 2010 hat die Patentanmelderin Beschwerde eingelegt und gleichzeitig die vorgeschriebene Beschwerdegebühr bezahlt, sowie die Beschwerdebegründung eingereicht. Die Beschwerdeführerin erläutert darin ihre Auffassung, dass die Zurückweisung der Patentanmeldung auf einer unzureichenden Begründung beruhe, welche einen Verfahrensfehler darstelle. Ferner sei der Gegenstand des Anspruchs 1 neu sowohl gegenüber D4 als auch D5. Des weiteren reichte sie mehrere Hilfsanträge ein.
III. Die Beschwerdekammer hat in ihrem mit der Ladung zur mündlichen Verhandlung übersandten Bescheid vom 23. Juni 2010 mitgeteilt, dass sie keine fehlerhafte Beurteilung der Prüfungsabteilung in Bezug auf die mangelnde Neuheit erkennen könne.
IV. Mit Schreiben vom 28. Oktober 2010 reichte die Beschwerdeführerin einen geänderten Hauptantrag, sowie neue Hilfsanträge I bis V ein.
V. Am 11. November 2010 fand eine mündliche Verhandlung statt. Die Beschwerdeführerin beantragte, die angefochtene Entscheidung aufzuheben und ein Patent auf der Grundlage der Ansprüche 1 bis 31 des während der mündlichen Verhandlung eingereichten Hauptantrags zu erteilen. Der Antrag auf Rückzahlung der Beschwerdegebühr wegen eines Verfahrenfehlers wurde zurückgenommen.
Anspruch 1 lautet wie folgt:
"Verfahren zur Herstellung eines Lochs (7) in einem Schichtsystem (1, 120, 130, 155), mittels einem gepulsten Laserstrahl (22) eines Lasers (19), der eine Pulslänge aufweist, wobei das Verfahren in einer Vielzahl von Abtragungsschritten ausgeführt wird und in einem der ersten Abtragungsschritte andere Pulslängen verwendet werden als in einem der letzten Abtragungsschritte,
dadurch gekennzeichnet, dass das Schichtsystem (1) zumindest aus einem metallischen Substrat (4) und einer äußersten keramischen Schicht besteht, dass bei den Abtragungsschritten mit kürzeren Pulslängen der eine Laserstrahl (22) über die Oberfläche des Bauteils (1, 120, 130, 155) verfahren wird, um Material im Bereich einer Ebene des herzustellenden Lochs (7) abzutragen und dass längere Pulslängen verwendet werden, um eine metallische Zwischenschicht (16) oder das metallische Substrat (4) abzutragen, wobei nur ein Laser (19) mit einer Wellenlänge von 1064 nm verwendet wird."
VI. Das Vorbringen der Beschwerdeführerin kann wie folgt zusammengefasst werden:
Der Gegenstand des Anspruchs 1 sei neu gegenüber D4 und D5. D4 offenbare nur in Verbindung mit zwei Lasern eine Wellenlänge eines Lasers von 1064 nm, D5 offenbare diese Wellenlänge überhaupt nicht.
1. Die Beschwerde ist zulässig.
2. Änderungen - Artikel 123 (2) EPÜ
2.1 Gegenüber dem Anspruch 1, welcher von der Prüfungsabteilung wegen mangelnder Neuheit zurückgewiesen wurde, ist im vorliegenden Anspruch 1:
a) der Wortlaut "mittels zumindest einem gepulsten Energiestrahl (22, 22', 22")" gestrichen worden;
b) der Wortlaut "insbesondere mittels zumindest einem gepulsten Laserstrahl (22, 22', 22") zumindest eines Lasers (19, 19', 19")" eingeschränkt worden auf nunmehr "mittels einem gepulsten Laserstrahl (22) eines Lasers (19)";
c) im kennzeichnenden Teil der Wortlaut "der zumindest eine Laserstrahl (22, 22', 22")" in Übereinstimmung mit den obigen Änderungen in "der eine Laserstrahl (22)" eingeschränkt worden;
d) der Rückbezug bei den kürzeren bzw. längeren Pulslängen im kennzeichnenden Teil entfernt worden, da keine dementsprechenden Pulslängen vorher definiert sind;
e) dem kennzeichnenden Teil zugefügt worden, "wobei nur ein Laser (19) mit einer Wellenlänge von 1064 nm verwendet wird."
2.2 Diese Merkmale sind im dargestellten Zusammenhang aus den gesamten ursprünglichen Unterlagen zweifelsfrei ersichtlich und schränken zudem die Merkmale des beanspruchten Verfahrens wesentlich ein.
2.3 Das Merkmal e) ist aus Anspruch 8 der ursprünglich eingereichten Anmeldung bekannt. Dieses Merkmal beschränkt den Gegenstand des Anspruchs auf ein Verfahren, welches nur einen derartigen Laser verwendet. Die Erfordernisse des Artikels 123(2) EPÜ sind somit erfüllt.
3. Neuheit (Artikel 54 EPÜ 1973)
3.1 D4 offenbart mehrere Vorrichtungen und verschiedene Verfahren zur Herstellung oder Nachbearbeitung eines Lochs mittels gepulster Laserstrahlen. Eines dieser Verfahren verwendet dazu nacheinander zwei Laser mit verschiedenen Laserpulslängen (S. 5, Z. 33 - S. 6, Z. 6; S. 8, Z. 7 - S. 9, Z. 3), welche Wellenlängen von 1064 nm oder 532 nm oder verschiedene Wellenlängen aufweisen (S. 8, Z. 21 - 23). Die Verfahren finden Anwendung bei Bauteilen für Turbinenschaufeln, Gasturbinen oder Brennkammern, wobei diese Bauteile jeweils Schichtsysteme aus einem metallischen Substrat und einer keramischen Schicht darstellen (S. 1, Z. 16 - 20).
3.2 Obgleich D4 somit auch auf ein Verfahren hinweist, welches Laser der beanspruchten Wellenlänge einbezieht, werden in D4 in einem derartigen Verfahren zumindest zwei Laser (19, 19') verwendet. Davon unterscheidet sich das beanspruchte Verfahren insofern, als es nur einen Laser verwendet. Daher ist es neu gegenüber D4.
3.3 D5 (eines der beiden für D4 Prioritäts-begründenden Dokumente) offenbart ein ebensolches Verfahren (siehe Absatz 0022) wobei D5 auf die mögliche Verwendung von verschiedenen Laserpulslängen eines einzigen Lasers verweist, welche kontinuierlich verändert werden können (Absatz 0019). Jedoch findet sich in D5 kein Hinweis auf einen Laser mit einer Wellenlänge von 1064 nm. Daher unterscheidet sich das beanspruchte Verfahren durch die Verwendung dieses spezifischen Lasers und ist neu gegenüber D5.
4. Zurückverweisung an die erste Instanz
4.1 Damit ist die Beschwerde begründet (Artikel 110 EPÜ).
4.2 Nach der Prüfung, ob die Beschwerde begründet ist, entscheidet die Beschwerdekammer über die Beschwerde. Die Beschwerdekammer wird entweder im Rahmen der Zuständigkeit des Organs tätig, das die angefochtene Entscheidung erlassen hat, oder verweist die Angelegenheit zur weiteren Entscheidung an dieses Organ zurück (Artikel 111 (1) EPÜ 1973). Da die Prüfungsabteilung noch nicht zur Frage der Neuheit gegenüber den weiteren Dokumenten sowie zur Frage der erfinderischen Tätigkeit Stellung genommen hat, übt die Kammer das ihr eingeräumte Ermessen dahingehend aus, dass sie die Sache zur weiteren Entscheidung zurückverweist. Dies steht insbesondere auch im Einklang mit der Entscheidung der Großen Beschwerdekammer G 9/91, die die Beschwerdekammern in erster Linie als Überprüfungsinstanz sieht. In Ziffer 18 dieser Entscheidung führt die Große Beschwerdekammer zum Einspruchsbeschwerdeverfahren aus: "Hauptzweck des mehrseitigen Beschwerdeverfahrens ist es, der unterlegenen Partei eine Möglichkeit zu geben, die Entscheidung der Einspruchsabteilung sachlich anzufechten. Überdies ist das Beschwerdeverfahren - anders als das rein administrative Einspruchsverfahren - als verwaltungsgerichtliches Verfahren anzusehen . Ein solches Verfahren ist seiner Natur nach weniger auf Ermittlungen ausgerichtet als ein Verwaltungsverfahren."
Diese Grundsätze gelten für das Prüfungsverfahren entsprechend.
ENTSCHEIDUNGSFORMEL
Aus diesen Gründen wird entschieden:
1. Die angefochtene Entscheidung wird aufgehoben.
2. Die Sache wird an die Prüfungsabteilung zurückverwiesen zur Fortsetzung des Prüfungsverfahrens.