T 2420/10 03-09-2015
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DÜSENANORDNUNG UND VERFAHREN ZUR BEHANDLUNG EINES BEHANDLUNGSGUTES MIT EINEM BEHANDLUNGSMEDIUM
Gebr. Schmid GmbH
RENA Höllmüller GmbH
Patentansprüche - Klarheit nach Änderung (ja)
Änderungen - unzulässige Erweiterung (nein)
Neuheit - Hauptantrag (nein)
Neuheit - Hilfsantrag (nein)
Erfinderische Tätigkeit - Hilfsantrag (nein)
Spät vorgebrachte Argumente - zugelassen (nein)
Spät eingereichte Hilfsanträge - zugelassen (nein)
I. Die Beschwerde richtet sich gegen die Entscheidung der Einspruchsabteilung, mit der das europäische Patent EP 1 704 759 B1 wegen mangelnder Neuheit (Hauptantrag) und wegen unzulässiger Erweiterung im Sinne des Artikels 123 (2) und (3) EPÜ (Hilfsanträge I und II) widerrufen wurde.
II. Am Ende der mündlichen Verhandlung vor der Kammer beantragte die Beschwerdeführerin (Patentinhaberin) die Aufhebung der angefochtenen Entscheidung und die Aufrechterhaltung des Patents in der Fassung des Hauptantrages, oder einer der Hilfsanträge 1 - 4, alle eingereicht mit Schreiben vom 4. Dezember 2012, oder des neuen Hilfsantrages 4, eingereicht in der mündlichen Verhandlung, oder Hilfsantrag 5, eingereicht mit Schreiben vom 31. August 2015.
Am Ende der mündlichen Verhandlung vor der Kammer beantragte die anwesende Beschwerdegegnerin (Einsprechende) OI die Zurückweisung der Beschwerde.
Für die Beschwerdeführerin (Einsprechende) OII war in der mündlichen Verhandlung vor der Kammer niemand anwesend. Im schriftlichen Verfahren beantragte die Beschwerdegegnerin OII die Zurückweisung der Beschwerde.
III. Auf die folgenden Dokumente wird in dieser vorliegenden Entscheidung Bezug genommen:
OII-D6: DE 196 33 796 A1
OII-D8: DE 195 19 211 A1
OI-D12: WO 97/08589 A1
IV. Der Wortlaut des unabhängigen Anspruchs 1 des Hauptantrags lautet wie folgt:
"Düsenanordnung zur Behandlung von Behandlungsgut mit einem Behandlungsmedium, wobei das Behandlungsgut (10) in einem Behandlungskanal in einer Transportebene in einer Transportrichtung (18) von einem Einlaufbereich (15) zu einem Auslaufbereich (16) der Düsenanordnung transportierbar ist,
wobei mindestens eine Düsenöffnung (8) vorgesehen ist, welche derart ausgestaltet ist, dass ein Strom des Behandlungsmediums durch die Düsenöffnung (8) in einem vorgegebenen Winkel schräg bezüglich der Transportebene des Behandlungsgutes (10) verläuft, so dass der Strom des Behandlungsmediums in die Transportrichtung (18) des Behandlungsgutes (10) gelenkt wird,
dadurch gekennzeichnet,
dass die Düsenanordnung zur Behandlung des Behandlungsguts (10) in Form von plattenförmigen Leiterfolien ausgestaltet ist,
dass die Düsenanordnung derart ausgestaltet ist, dass am Einlaufbereich (15) eine Sogwirkung in die Transportrichtung (18) auftritt, so dass in der Umgebung des Einlaufbereichs (15) das Behandlungsmedium angesaugt wird, und
dass sich der Behandlungskanal in einem Abschnitt zwischen der mindestens einen Düsenöffnung (8) und dem Auslaufbereich (16) in der Transportrichtung (18) vergrößert oder der Auslaufbereich (16) mit Leitelementen zur verbesserten Führung des Behandlungsguts (10) versehen ist oder die mindestens eine Düsenöffnung (8) in Form eines Schlitzes
ausgestaltet ist."
Anspruch 1 gemäß Hilfsantrag 1 enthält alle Merkmale des Anspruchs 1 gemäß Hauptantrag und zusätzlich das weitere Merkmal:
"und dass die Düsenanordnung im Wesentlichen spiegelsymmetrisch bezüglich der Transportebene des Behandlungsgutes (10) ausgestaltet ist."
Anspruch 1 gemäß Hilfsantrag 2 ist identisch mit dem Anspruch 1 gemäß Hilfsantrag 1, außer dass die Alternative gestrichen wurde, dass:
"der Auslaufbereich (16) mit Leitelementen zur verbesserten Führung des Behandlungsguts (10) versehen ist".
Anspruch 1 gemäß Hilfsantrag 3 ist identisch mit dem Anspruch 1 gemäß Hilfsantrag 2, außer dass die Alternative gestrichen wurde, dass:
"die mindestens eine Düsenöffnung (8) in Form eines Schlitzes ausgestaltet ist".
Anspruch 1 gemäß dem mit Brief vom 4. Dezember 2012 eingereichten Hilfsantrag 4 enthält alle Merkmale des Anspruchs 1 gemäß Hilfsantrag 3 und zusätzlich das weitere Merkmal:
"und dass ein Vorderkante der Düsenanordnung im Einlaufbereich (15) abgerundet ist."
Der in der mündlichen Verhandlung eingereichte Hilfsantrag 4 enthält nur Verfahrensansprüche 1-10, die den Ansprüchen 28-37 des mit Schreiben vom 4. Dezember 2012 eingereichten Hilfsantrags 4 entsprechen. Der Wortlaut des unabhängigen Anspruchs 1 lautet wie folgt:
"Verfahren zur Behandlung von Behandlungsgut mit einem Behandlungsmedium, wobei das Behandlungsgut (10) in einem Behandlungskanal in einer Transportebene in einer Transportrichtung (18) von einem Einlaufbereich (15) zu einem Auslaufbereich (16) einer Düsenanordnung transportiert wird, und
wobei ein Strom des Behandlungsmediums, welches durch mindestens eine Düsenöffnung (8) der Düsenanordnung abgegeben bzw. aufgenommen wird, in die Transportrichtung (18) des Behandlungsgutes (10) gelenkt wird,
dadurch gekennzeichnet,
dass das Behandlungsgut (10) in Form von plattenförmigen Leiterfolien ist,
dass am Einlaufbereich (15) eine Sogwirkung in die Transportrichtung (18) erzeugt wird, dass durch die Sogwirkung in der Umgebung des Einlaufbereichs (15) Behandlungsmedium angesaugt wird, und
dass sich der Behandlungskanal in einem Abschnitt zwischen der mindestens einen Düsenöffnung (8) und dem Auslaufbereich (16) in der Transportrichtung (18) vergrößert,
dass die Düsenanordnung im Wesentlichen spiegelsymmetrisch bezüglich der Transportebene des Behandlungsgutes (10) ausgestaltet ist, und
dass eine Vorderkante der Düsenanordnung im Einlaufbereich (15) abgerundet ist."
Anspruch 1 gemäß Hilfsantrag 5 enthält alle Merkmale des Anspruchs 1 gemäß Hauptantrag und zusätzlich die weiteren Merkmale:
"und dass die mindestens eine Düsenöffnung (8) mehrere Öffnungen umfasst, welche voneinander beabstandet entlang der Richtung senkrecht zu der Transportrichtung (18) und parallel zu der Transportebene angeordnet sind, wobei
die Düsenanordnung einen sich entlang der mindestens einen Düsenöffnung (8) erstreckenden Mediumkanal (6) zum Transport des Behandlungsmediums umfasst, welcher mit der mindestens einen Düsenöffnung (8) durch Verteileröffnungen (7, 9), welche entlang der mindestens einen Düsenöffnung (8) voneinander beabstandet angeordnet sind, verbunden ist, und wobei
der Mediumkanal (6) derart ausgestaltet ist, dass sich ein Durchtrittsquerschnitt des Mediumkanals (6) mit zunehmendem Abstand von einer zur Zuführung bzw. Ableitung des Behandlungsmediums vorgesehenen Anschlussöffnung (1) verringert."
V. Die Argumente der Beschwerdeführerin (Patentinhaberin), insofern sie für diese Entscheidung relevant sind, können wie folgt zusammengefasst werden:
(i) Der Gegenstand des Anspruchs 1 gemäß Hauptantrag genüge den Erfordernissen der Artikel 84, 123 (2) und 123 (3) EPÜ.
(ii) In der Entscheidung der Einspruchsabteilung wurde das Dokument OII-D6 als neuheitsschädlich für die erteilten unabhängigen Patentansprüche 1 und 31 angesehen. Weiterhin wurde im Verlauf des Einspruchsverfahrens seitens der Einsprechenden vorgetragen, dass inter alia die Dokumente OI-D12 und OII-D8 auch neuheitsschädlich seien.
(iii) Aus den zitierten Druckschriften gehe nicht das in dem Anspruch 1 gemäß Hauptantrag definierte Merkmal hervor, dass die Düsenanordnung derart ausgestaltet sei, dass am Einlaufbereich eine Sogwirkung in die Transportrichtung auftrete, so dass in der Umgebung des Einlaufbereichs das Behandlungsmedium angesaugt werde.
(iv) Dokument OII-D6 beschreibe eine Galvanisierungsvorrichtung, bei welcher Elektrolyt aus einer Düsenanordnung schräg auf eine Leiterplatte abgegeben werden könne (siehe das Bezugszeichen 20 in Fig. 2 sowie die Beschreibung in Spalte 6, Zeilen 19-22). Durch diesen schrägen Ausstoß von Elektrolyt werde jedoch in einem Einlaufbereich der Düsenanordnung keine Sogwirkung erzeugt, durch welche Elektrolyt in der Umgebung des Einlaufbereichs angesaugt werde. Vielmehr beschreibe Dokument OII-D6, dass ein stetiger Austritt von Elektrolyt aus der Düsenanordnung vorgesehen sei (siehe insbesondere Spalte 5, Zeile 64 - Spalte 6, Zeile 10). Die im Dokument OII-D6 beschriebene Düsenanordnung bewirke folglich im Gegensatz zur beanspruchten Vorrichtung ein Ausströmen im Einlaufbereich der Düsenanordnung.
(v). Außerdem werde in Dokument OII-D6 das Behandlungsgut durch einen Einlaufschlitz (2) zwischen Quetschwalzenparre (5) und anschließend durch ein Transportwalzenpaar (6) eingefügt. In diesem Einlaufbereich gebe es somit kein Behandlungsmedium, so dass per Definition kein Behandlungsmedium angesaugt werde könne.
(vi) Ferner offenbare das Dokument OII-D6 eine weitere Düsenöffnung (20, oben) neben dem Auslaufbereich, die einen Strom des Behandlungsmediums in einem vorgegebenen Winkel gegen die Transportrichtung erzeuge, was im Gegensatz zu der Lehre des Streitpatents stehe. Folglich sei der Gegenstand des Anspruchs 1 gemäß Hauptantrag neu gegenüber der Druckschrift OII-D6.
(vii) Der Gegenstand des Anspruchs 1 gemäß Hauptantrag sei auch neu gegenüber Dokument OI-D12. Diese Druckschrift beschreibe ein Verfahren zum Ablösen von Fotoresisten und zeige in Fig. 1 eine zu diesem Zweck verwendete Düsenanordnung. Bei dieser Düsenanordnung seien als Längsschlitze ausgestaltete Düsenöffnungen vorgesehen (5), durch welche ein Lösemittel schräg auf das Behandlungsgut abgegeben werde (siehe auch Seite 14, Zeilen 8-10). Auch in diesem Fall werde jedoch im Einlaufbereich der Düsenanordnung keine Sogwirkung erzeugt, durch welche Behandlungsflüssigkeit aus der Umgebung des Einlaufbereichs angesaugt werde. Vielmehr beschreibe das Dokument OI-D12 ausdrücklich, dass in den Aussparungen (6), in welche die Behandlungsflüssigkeit zunächst einströme, sich ein Flüssigkeitsüberdruck bilde (siehe Seite 14, Zeilen 10-11). Aufgrund dieses Flüssigkeitsüberdrucks könne folglich keine Sogwirkung entstehen, sondern werde vielmehr Behandlungsflüssigkeit entgegen der Transportrichtung aus dem Einlaufbereich herausgedrückt.
(viii) Ferner sei im Dokument OI-D12 (Seite 9, Zeilen 1-2) offenbart, dass die Schwalldüsen "quer zur Transportrichtung" (d.h. nicht "schräg") angeordnet würden, und die ausgehend von Dokument OI-D12 resultierende Aufgabe (z.B. ein gleichmäßiges Filmstrippen - Seite 7, zweite Absatz) unterscheide sich völlig von der Problemstellung des Streitpatents. Deswegen sei der Gegenstand des Anspruchs 1 gemäß Hauptantrag neu gegenüber dem Dokument OI-D12.
(ix) Die Hilfsanträge beträfen näher definierte Ausführungsformen der Erfindung. Bezüglich des Hilfsantrags 1 offenbare OI-D12 nicht ausdrücklich eine spiegelsymmetrische Anordnung. Bezüglich des Hilfsantrags 3 müsse der Anspruch so interpretiert werden, dass sich der Behandlungskanal im gesamten Abschnitt, der sich von der Düsenöffnung bis zum Auslaufbereich erstrecke, ständig vergrößere. Angesichts des gewünschten "Venturi"-Effekts sei es insbesondere klar, dass diese Interpretation angewendet werden müsse. Eine solche Konfiguration werde nicht in OI-D12 offenbart.
(x) Bezüglich des mit Schreiben vom 4. Dezember 2012 eingereichten Hilfsantrags 4 offenbare Dokument OI-D12 nicht, dass eine Vorderkante der Düsenanordnung abgerundet sei, und folglich sei der Gegenstand des Anspruchs 1 gemäß diesem Hilfsantrag neu.
(xi) Der Gegenstand des Anspruchs 1 gemäß dem mit Schreiben vom 4. Dezember 2012 eingereichten Hilfsantrag 4 beruhe auch auf einer erfinderischen Tätigkeit. In dieser Hinsicht könne Dokument OI-D12 nicht als der nächstliegende Stand der Technik angesehen werden, da es nicht zum gleichen Zweck wie die beanspruchte Erfindung entwickelt worden sei.
(xii) Selbst wenn Dokument OI-D12 als nächstliegender Stand der Technik angesehen werde, sei in dieser Anordnung, wie oben erwähnt, keine Sogwirkung am Einlaufbereich erzeugt. Durch die erfindungsgemäße Sogwirkung in Transportrichtung werde erreicht, dass insbesondere plattenförmige Leiterfolien, d.h. Leiterfolien, welche nicht als Endlosmaterial, sondern in Form von separaten Platten vorlägen, besonders effektiv durch die Düsenanordnung transportiert werden könnten. Es sei zu beachten, dass keine der im Verfahren zitierten Druckschriften sich mit der besonderen Problematik des Transports von plattenförmigen Leiterfolien durch Düsenanordnungen befasse.
(xiii) Wie bereits oben erläutert, werde im Dokument OI-D12 ebenfalls nicht offenbart, dass eine Vorderkante der Düsenanordnung im Einlaufbereich abgerundet sei, was Wirbelbildungen in der Behandlungsflüssigkeit vermeide. Im Dokument OI-D12 werde diese Aufgabe nicht erwähnt, und diese Lösung werde weder im Dokument OI-D12 noch in den anderen zitierten Dokumenten offenbart.
Somit beruhe der Gegenstand des Anspruchs 1 des mit Schreiben vom 4. Dezember 2012 eingereichten Hilfsantrags 4 auf einer erfinderischen Tätigkeit.
VI. Die Argumente der Beschwerdegegnerin (Einsprechende) OI, insofern sie für diese Entscheidung relevant sind, können wie folgt zusammengefasst werden:
Der Gegenstand des Anspruchs 1 gemäß Hauptantrag genüge nicht den Erfordernissen der Artikel 84, 123 (2) und 123 (3) EPÜ. Dieselben Einwände gälten auch für die Hilfsanträge.
Bezüglich Neuheit des Anspruchs 1 gemäß Hauptantrag sei der Gegenstand des Anspruchs 1 gemäß Streitpatent als nicht neu im Hinblick auf Dokument OII-D6 erkannt worden. Im Vergleich dazu sei das Merkmal hinzugefügt worden, dass am Einlaufbereich eine Sogwirkung auftrete.
Indem ein Behandlungsmedium durch eine schräge Düsenöffnung mit einer Komponente in Behandlungsgut-Transportrichtung in den Behandlungskanal eingeströmt werde, habe dieser Einströmungsbereich zwangsläufig einen niedrigeren Fluiddruck als der angrenzende Einlaufbereich, in welchem die Strömungsgeschwindigkeit des Behandlungsmediums niedriger sei, wodurch sich die besagte Sogwirkung automatisch und unvermeidlich ergebe, bei den schrägen Düsenanordnungen von OII-D6 (untere Düsenöffnung 20) und OI-D12 (Düsenöffnung 5) genauso wie bei der Düsenanordnung des Streitpatents. In der Beschreibung der Streitpatentschrift sei dieser Sachverhalt z.B. im Absatz [0044] angegeben. Somit könne dieses Merkmal keine Neuheit gegenüber dem Dokument OII-D6 bzw. OI-D12 begründen.
Bezüglich des Merkmals der Vergrößerung des Behandlungskanals in einem Abschnitt zwischen der mindestens einen Düsenöffnung und dem Auslaufbereich in der Transportrichtung werde auf die Figur 1 des Dokuments OI-D12 verwiesen. Die Formulierung "in einem Abschnitt" werde vom Fachmann so verstanden, dass dies nicht zwingend die gesamte Länge zwischen Düsenöffnung und Auslaufbereich sein müsse, sondern nur ein Teil davon sein könne, näm1ich eben "ein Abschnitt". Hierbei werde auf den Bereich der Düsenanordnung der Figur 1 der OI-D12 verwiesen, der zwischen den mit den Bezugszeichen "8" und "9" gekennzeichneten Bereichen liege. Die OI-D12 beschreibe auch unzweifelhaft Düsenöffnungen in Form eines Schlitzes. Somit sei der Anspruch 1 gemäß Hauptantrag auch nicht gegenüber dem Dokument OI-D12 neu.
Sämtliche Hilfsanträge seien entweder nicht neu oder nicht erfinderisch gegenüber dem Dokument OI-D12.
VII. Aus ähnlichen Gründen wie Beschwerdegegnerin OI hat Beschwerdegegnerin OII Einwände unter Artikel 84, 123 (2) und 123 (3) EPÜ erhoben, und hat mangelnde Neuheit gegenüber dem Dokument OII-D6 geltend gemacht.
Außerdem hat Beschwerdegegnerin OII mangelnde Neuheit gegenüber dem Dokument OII-D8 geltend gemacht.
1. Die Beschwerde ist zulässig.
2. Hauptantrag: Formelle Einwände
2.1 Nach Anhörung der Parteien in der mündlichen Verhandlung kommt die Kammer zu dem Schluss, dass der Gegenstand des Anspruchs 1 gemäß Hauptantrag den Erfordernissen der Artikel 84 EPÜ 1973 und 123 (2) und (3) EPÜ genügt. Angesichts der nachstehenden Feststellungen in dieser Entscheidung bezüglich Neuheit und erfinderischer Tätigkeit bedarf dieser Befund keiner weiteren Erklärung.
3. Hauptantrag: Neuheit
3.1 Die Feststellung der Einspruchsabteilung, dass das Dokument OII-D6 alle Merkmale des Anspruchs 1 wie erteilt offenbart, wird nicht bestritten. Die Kammer sieht auch keinen Grund, dies in Frage zu stellen.
3.2 In Anspruch 1 gemäß dem Hauptantrag wurden im Vergleich zu der erteilten Fassung folgende Merkmale hinzufügt:
a) "dass die Düsenanordnung zur Behandlung des Behandlungsguts (10) in Form von plattenförmigen Leiterfolien ausgestaltet ist"; und
b) "dass die Düsenanordnung derart ausgestaltet ist, dass am Einlaufbereich (15) eine Sogwirkung in die Transportrichtung (18) auftritt, so dass in der Umgebung des Einlaufbereichs (15) das Behandlungsmedium angesaugt wird".
Außerdem wurde das Wort "folienartigen" (Zeilen 47-48) gestrichen.
3.3 Die Beschwerdeführerin hat nicht argumentiert, dass die Neuheit des Gegenstandes des Anspruchs 1 gegenüber OII-D6 durch die Hinzufügung des Merkmals a) oder durch die Streichung von "folienartigen" gestützt werden kann. Die Kammer ist ebenfalls der Ansicht, dass diese Änderungen nicht einschlägig für die Frage von Neuheit sind.
Es ist unstrittig, dass Dokument OII-D6 keine Sogwirkung am Einlaufbereich explizit offenbart. Die Neuheitsfrage dreht sich daher um die Frage, ob das Merkmal (b) in Dokument OII-D6 implizit offenbart ist.
3.4 Dokument OII-D6 offenbart eine Düsenanordnung
mit einer Düsenöffnung (20, Fig. 2, unten, neben dem Einlaufbereich), die derart ausgestaltet ist, dass ein Strom des Behandlungsmediums durch die Düsenöffnung in einem vorgegebenen Winkel schräg bezüglich der Transportebene des Behandlungsgutes verläuft. Daraus folgt, dass zumindest ein Teil des Stroms des Behandlungsmediums in die Transportrichtung des Behandlungsgutes gelenkt wird.
3.5 Gemäß Streitpatent ist die beanspruchte Sogwirkung auf der Seite des Einlaufbereichs eine unmittelbare Folge davon, dass die Düsenöffnung schräg über dem Behandlungsgut angeordnet wird, wobei die Behandlungsflüssigkeit schräg auf das Behandlungsgut (in der Transportrichtung) geleitet wird (siehe Absätze [0011], [0038] und [0044]). Folglich muss nach Erachten der Kammer die schräg angeordnete Düsenöffnung (20) des Dokuments OII-D6 zumindest in gewissem Umfang die gleiche Sogwirkung erzeugen.
3.6 In der mündlichen Verhandlung hat die Beschwerdeführerin bezüglich Dokument OII-D6 argumentiert, dass es im Einlaufbereich der bekannten Vorrichtung kein Behandlungsmedium gebe. Deshalb sei in diesem Bereich kein Ansaugen des Behandlungsmediums möglich.
Die Stichhaltigkeit dieses Arguments hängt davon ab, was genau als Einlaufbereich betrachtet werden soll.
Die Kammer stimmt der Beschwerdeführerin zu, dass der in Dokument OII-D6 offenbarte Einlaufschlitz (2) - mit den Quetschwalzenpaaren (5) und dem Transportwalzenpaar (6) - als der Einlaufbereich der ganzen Galvanisierungsvorrichtung angesehen werden kann, und dass sich in dieser Umgebung keine oder sehr wenig Flüssigkeit befindet.
Jedoch ist der in dem Anspruch 1 definierte Einlaufbereich der "Einlaufbereich (15) ... der Düsenanordnung". Nichts spricht dagegen, dass der auf der rechten Seite der Figur 2 abgebildete Raum zwischen dem Transportwalzenpaar (6) und den Düsenöffnungen (20,21) mit dem beanspruchten Einlaufbereich der Düsenanordnung identifiziert wird. Tatsächlich scheint der Kammer diese Auslegung des Begriffs "Einlaufbereich der Düsenanordnung" vernünftiger. Da Dokument OII-D6 eine Anordnung mit "stehender Welle" beschreibt (Spalte 5, Zeile 68 bis Spalte 6, Zeile 10), wird dieser Raum mit Behandlungsmedium (Elektrolyt) angefüllt, das in diesem Einlaufbereich, wie oben erläutert, angesaugt wird.
3.7 Nach Ansicht der Kammer ist das von der Beschwerdeführerin vorgebrachte Argument ebenfalls nicht überzeugend, dass das Dokument OII-D6 eine Düsenöffnung (20, oben) neben dem Auslaufbereich offenbart, die einen Strom des Behandlungsmediums entgegen der Transportrichtung erzeugt. Nach dem Wortlaut von Anspruch 1 ist eine solche Düsenöffnung neben dem Auslaufbereich nicht ausgeschlossen, so dass dieses Argument nicht relevant ist.
3.8 Aus diesen Gründen kommt die Kammer zur Schlussfolgerung, dass der Gegenstand des Anspruchs 1 gemäß Hauptantrag nicht neu gegenüber dem Dokument OII-D6 ist (Artikel 52 (1) EPÜ und Artikel 54 EPÜ 1973).
4. Hilfsantrag 1: Neuheit
4.1 Für die Hilfsanträge hat die Beschwerdegegnerin OI in der mündlichen Verhandlung ihre Einwände bezüglich mangelnder Neuheit und erfinderischer Tätigkeit auf Dokument OI-D12 gestützt.
Bezüglich Hilfsantrag 1 wird seitens der Beschwerdeführerin bestritten, dass im Dokument OI-D12 einerseits die oben erwähnte Sogwirkung am Einlaufbereich und andererseits eine spiegelsymmetrische Anordnung offenbart werden.
4.2 Dokument OI-D12 offenbart eine Düsenanordnung mit einer Düsenöffnung (5) auf der Seite eines Einlaufbereichs. Die Düsenöffnung gibt ein Behandlungsmedium (ein Lösemittel) schräg auf das Behandlungsgut ab. Eine Sogwirkung am Einlaufbereich wird explizit nicht offenbart, und wie im Falle des Dokuments OII-D6 hat die Beschwerdeführerin argumentiert, dass diese Düsenanordnung keine solche Sogwirkung erzeugen würde.
4.3 Nochmals ist darauf hinzuweisen, dass gemäß Streitpatent die beanspruchte Sogwirkung eine unmittelbare Folge von einer auf der Seite des Einlaufbereichs schräg angeordneten Düsenöffnung ist. Deswegen ist die Kammer auch hier der Ansicht, dass zumindest in gewissem Umfang eine solche Sogwirkung durch die schräg angeordnete Düsenöffnung (5) des Dokuments OI-D12 erzeugt wird.
Ähnlich wie im Fall des Dokuments OII-D6 kann der Einlaufbereich der Düsenanordnung (im Gegensatz zu dem Einlaufbereich der gesamten Vorrichtung) als der in Figur 1 abgebildete Raum zwischen dem Walzenpaar und dem Schwalldüsenkörper angesehen werden. Obwohl die Anordnung des Dokuments OI-D12 nicht so betrieben werden sollte, dass eine "stehende Welle" von Behandlungsmittel entsteht, ist es trotzdem implizit, dass bei einer solchen nasschemischen Behandlungsvorrichtung etwas Behandlungsmaterial (als Flüssigkeit, Tröpfchen oder Dampf) in diesem Raum vorhanden sein muss. Dieses Behandlungsmedium wird in diesem Einlaufbereich wie oben erläutert angesaugt.
4.4 Außerdem ist in Dokument OI-D12 (Seite 8, Zeile 33 - Seite 9, Zeile 1) folgendes offenbart: "Die Schwalldüsen können einander gegenüberliegend oder versetzt zueinander angeordnet werden." Die ausdrückliche Erwähnung einer Option, bei der die Schwalldüsen "versetzt zueinander" angeordnet werden, lässt keinen Zweifel daran, dass gemäß der anderen Option ("einander gegenüberliegend") die Schwalldüsen nicht versetzt zueinander sondern direkt gegenüberliegend angeordnet werden, was einer spiegelsymmetrischen Anordnung entspricht.
4.5 Das von der Beschwerdeführerin vorgebrachte Argument, dass der Ausdruck "quer zur Transportrichtung" (Seite 9, Zeilen 1-3) in Frage stellt, ob die Düsenöffnungen wirklich schräg bezüglich der Transportebene liegen, ist nicht überzeugend.
In Kombination mit Figur 1 offenbart dieser Abschnitt auf Seite 9 eindeutig, dass die schlitzförmige Düsenöffnung (5) in Richtung der Breite (d.h. senkrecht zur Ebene der Figur 1) quer zur Transportrichtung erstreckt. In der Ebene der Figur 1 jedoch verläuft die Düsenöffnung schräg bezüglich der Transportebene, so dass der Strom des Behandlungsmediums in die Transportrichtung gelenkt wird, wie es nach Anspruch 1 erforderlich ist.
4.6 Ferner kann im Kontext einer Neuheitsprüfung das Argument, dass sich das Streitpatent und Dokument OI-D12 auf unterschiedliche Aufgaben beziehen, nicht als relevant angesehen werden.
4.7 Aus diesen Gründen ist der Gegenstand des Anspruchs 1 gemäß Hilfsantrag 1 nicht neu gegenüber dem Dokument OI-D12 (Artikel 52 (1) EPÜ und Artikel 54 EPÜ 1973).
5. Hilfsantrag 2: Neuheit
5.1 Wie oben unter Punkt IV erwähnt ist der Anspruch 1 gemäß Hilfsantrag 2 identisch mit dem Anspruch 1 gemäß Hilfsantrag 1, außer dass das zweite fakultative Merkmal gestrichen wurde.
5.2 Das dritte fakultative Merkmal gemäß Hilfsantrag 1, dass "die mindestens eine Düsenöffnung (8) in Form eines Schlitzes ausgestaltet ist", wird jedoch in Anspruch 1 gemäß dem Hilfsantrag 2 beibehalten.
Es ist unstrittig, dass die Düsenöffnung (5) in Dokument OI-D12 in Form eines Schlitzes ausgestaltet ist, und daher ist der Gegenstand des Anspruchs 1 gemäß Hilfsantrag 2 gegenüber dem Dokument OI-D12 nicht neu (Artikel 52 (1) EPÜ und Artikel 54 EPÜ 1973).
6. Hilfsantrag 3: Neuheit
6.1 Wie oben unter Punkt IV erwähnt ist der Anspruch 1 gemäß Hilfsantrag 3 identisch mit dem Anspruch 1 gemäß Hilfsantrag 2, außer dass das fakultative Merkmal, dass die Düsenöffnung in Form eines Schlitzes ausgestaltet ist, gestrichen ist.
Während Anspruch 1 des erteilten Patents drei fakultative Optionen definiert, bleibt im Anspruch 1 gemäß Hilfsantrag 3 nur eine davon übrig, welche folglich nicht mehr fakultative ist, nämlich:
"dass sich der Behandlungskanal in einem Abschnitt zwischen der mindestens einen Düsenöffnung (8) und dem Auslaufbereich (16) in der Transportrichtung (18) vergrößert".
Die entscheidende Frage lautet daher, ob Dokument OI-D12 dieses Merkmal offenbart.
6.2 In der mündlichen Verhandlung hat die Beschwerdeführerin argumentiert, dass dieses Merkmal so interpretiert werden solle, dass sich der Behandlungskanal im gesamten Abschnitt von der Düsenöffnung bis zum Auslaufbereich ständig vergrößere. Insbesondere müsse diese Interpretation nach Auffassung der Beschwerdeführerin angewendet werden, weil nur bei dieser Konfiguration der gewünschte "Venturi-Effekt" erreicht werden könne (Streitpatent, Absätze [0018]-[0019], und siehe V(ix), oben).
6.3 Die Kammer teilt die Auffassung der Beschwerdeführerin nicht. Bei der Beurteilung, ob ein Merkmal aus dem Stand der Technik bekannt ist oder nicht, sollte nach der ständigen Rechtsprechung der Beschwerdekammer seinem Wortlaut die breiteste technisch sinnvolle Bedeutung beigemessen werden (vgl. T 79/96, Entscheidungsgründe Punkt 2.1.3).
Angesichts dieser Feststellung darf das Merkmal "in einem Abschnitt zwischen ..." nicht in dem von der Beschwerdeführerin vorgeschlagenen eingeschränkten Sinne interpretiert werden. Vielmehr ist das Merkmal so zu verstehen, dass sich der Behandlungskanal in einem Abschnitt vergrößert, wobei der Abschnitt entweder entlang dem gesamten Abstand zwischen der Düsenöffnung und dem Auslaufbereich oder lediglich entlang eines Teils davon erstreckt.
Wenn die Transportrichtung in Figur 1 des Dokuments OI-D12 von links nach rechts gewählt wurde, gibt es einen Abschnitt zwischen der Fläche 8 auf der linken Seite und der Aussparung 9, in dem sich der Behandlungskanal vergrößert. Da die Düsenanordnung des Dokuments OI-D12 links-rechts-symmetrisch ist, gilt dieselbe Schlussfolgerung für die umgekehrte Transportrichtung. Daher ist dieses Merkmal im Dokument OI-D12 offenbart.
6.4 Das von der Beschwerdeführerin vorgebrachte Argument (siehe V(ix), oben) bezüglich des gewünschten technischen Effekts überzeugt die Kammer ebenfalls nicht. Kein derartiger Effekt wird in Anspruch 1 des Hilfsantrags 3 definiert, und deswegen ist dieses Argument für die Frage der Neuheit nicht relevant.
6.5 Aus diesen Gründen ist der Gegenstand des Anspruchs 1 gemäß Hilfsantrag 3 nicht neu gegenüber dem Dokument OI-D12 (Artikel 52 (1) EPÜ und Artikel 54 EPÜ 1973).
7. Hilfsantrag 4 eingereicht mit Schreiben vom 4. Dezember 2012: Neuheit
7.1 Bezüglich der Figur 1 des Dokuments OI-D12 ist nach Meinung der Kammer der Ausdruck "eine Vorderkante der Düsenanordnung im Einlaufbereich" so zu verstehen, dass damit die äußere Kante der Düsenanordnung unmittelbar neben dem Behandlungsgut im Einlaufbereich gemeint ist. Die Interpretation der Beschwerdegegnerin, dass sich dieser Ausdruck auf eine innere Kante im vorderen Bereich der Düsenanordnung beziehen könnte, hält die Kammer für nicht überzeugend.
7.2 Es ist dem Dokument OI-D12 weder explizit noch implizit zu entnehmen, dass die äußeren Kanten der Düsenanordnung "abgerundet" sind. Die Kammer gelangt deshalb zu dem Schluss, dass der Gegenstand des Anspruchs 1 gemäß diesem Hilfsantrag neu gegenüber dem Dokument OI-D12 ist (Artikel 52 (1) EPÜ und Artikel 54 EPÜ 1973).
8. Hilfsantrag 4 eingereicht mit Schreiben vom 4. Dezember 2012: Erfinderische Tätigkeit
8.1 Der nächstliegende Stand der Technik ist normalerweise ein Dokument, das einen Gegenstand offenbart, der auf die gleichen Ziele wie die beanspruchte Erfindung gerichtet ist und mit ihr die meisten technischen Merkmale gemeinsam hat.
8.2 Die im Streitpatent beschriebene Erfindung betrifft eine Düsenanordnung zur Behandlung eines Behandlungsgutes mit einem Behandlungsmedium. Insbesondere betrifft die Erfindung eine Düsenanordnung zum nasschemischen Behandeln von Leiterfolien bzw. Leiterplatten (Absatz [0001]).
Gemäß Absatz [0002] ist ein allgemeines Ziel der Erfindung, "eine möglichst schnelle und gleichmäßige Behandlung eines Behandlungsgutes in Form von durchlaufenden Leiterplatten oder Leiterfolien zu erzielen."
8.3 Die in Dokument OI-D12 beschriebene Erfindung betrifft auch eine Vorrichtung zur gleichmäßigen nasschemischen Behandlung eines Behandlungsgutes beispielsweise in Form von Leiterplatten oder Leiterfolien (Zusammenfassung, Seite 1, Zeilen 6-10). Die spezifische Behandlung (Ablösen von Schichten von Resist), die in Dokument OI-D12 beschrieben wird, ist vom Wortlaut des Anspruchs 1 des Hilfsantrags 4 nicht ausgeschlossen. Außerdem hat die Vorrichtung des Dokuments OI-D12 mit dem beanspruchten Gegenstand viele technische Merkmale gemein, wie bereits oben dargelegt.
8.4 Daher betrachtet die Kammer Dokument OI-D12 als einen geeigneten Ausgangspunkt für die Beurteilung der erfinderischen Tätigkeit des beanspruchten Gegenstandes. Wie bereits oben erläutert unterscheidet sich der Gegenstand des Anspruchs 1 des Hilfsantrags 4 von diesem nächstliegenden Stand der Technik lediglich dadurch, dass eine Vorderkante der Düsenanordnung im Einlaufbereich abgerundet ist.
8.5 In der mündlichen Verhandlung hat die Beschwerdeführerin argumentiert, dass im Lichte der Beschreibung des Streitpatents die objektive technische Aufgabe darin bestehe, Wirbelbildungen in der Behandlungsflüssigkeit zu vermeiden:
"Kanten der Düse [hier ist offensichtlich 'Düsenanordnung' gemeint] im Einlaufbereich 15 und Auslaufbereich 16 sind abgerundet, um Wirbelbildungen in der Behandlungsflüssigkeit zu vermeiden" (Absatz [0052], Punkt D).
Im Dokument OI-D12 wird diese Aufgabe nicht erwähnt, und diese Lösung wird weder im Dokument OI-D12 noch in den anderen zitierten Dokumenten offenbart. Somit beruhe nach Meinung der Beschwerdeführerin der Gegenstand des Anspruchs 1 auf einer erfinderischen Tätigkeit. Dieses Argument kann die Kammer allerdings nicht überzeugen.
8.6 Ein Problem von Wirbelbildungen im Einlaufbereich kann selbstverständlich nur entstehen, wenn in dieser Bereich eine Flüssigkeitsströmung (11' in den Figuren des Streitpatents) gegeben ist, was erfordert, dass der Einlaufbereich weitgehend mit Flüssigkeit gefüllt ist. Ein solches Merkmal ist jedoch in Anspruch 1 nicht definiert. Nach ständiger Rechtsprechung der Beschwerdekammern sollte die objektive Aufgabe so formuliert werden, dass sie durch das unterscheidende Merkmal über die volle Breite des Anspruchs gelöst wird. Offensichtlich wird dieses Kriterium nicht erfüllt, wenn der Anspruch so formuliert ist, dass für einen Großteil des beanspruchten Gegenstandes kein solches Problem entstehen würde.
8.7 Aus diesen Gründen ist der Kammer der Meinung, dass zum Zweck der Beurteilung der erfinderischen Tätigkeit die zu lösende Aufgabe allgemeiner definiert werden muss.
Es ist es für einen Fachmann offensichtlich, dass bei Behandlung von fragilen Gegenständen wie Leiterfolien, Kratzer und sonstige Schäden vermieden werden müssen, und dies scheint der Kammer eine plausible technische Aufgabe darzustellen. Aufgrund seines allgemeinen Fachwissens ist es dem Fachmann ebenso offensichtlich, dass eine Lösung dieses Problems darin besteht, dass nur abgerundete oder angeschrägte Kanten (und keine scharfe Kanten) verwendet werden sollten. Somit gelangt der Fachmann zum Gegenstand des Anspruchs 1, ohne erfinderisch tätig zu werden.
Aus diesen Gründen kommt die Kammer zum Schluss, dass die Düsenanordnung gemäß Hilfsantrag 4, der mit Schreiben vom 4. Dezember 2012 eingereicht wurde, nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit beruht (Artikel 52 (1) EPÜ und Artikel 56 EPÜ 1973).
9. Hilfsantrag 4 eingereicht in der mündlichen Verhandlung
9.1 Die Beschwerdeführerin hat diesen Hilfsantrag erst während der mündlichen Verhandlung vorgelegt. Nach ständiger Rechtsprechung der Kammern ist bei Einreichung eines neuen Hilfsantrags in einem späten Verfahrensstadium und bei der Ausübung des Ermessens der Kammer nach Artikel 13(1) VOBK insbesondere zu berücksichtigen, ob der neue Hilfsantrag eindeutig gewährbar ist (siehe z. B. T 153/85, Leitsatz, Punkt II; und T 710/92, Entscheidungsgründe, Punkt 2.2).
9.2 Die Merkmale des Verfahrensanspruchs 1 dieses Hilfsantrags entsprechen in erheblichem Maße den Merkmalen des Vorrichtungsanspruchs 1 des mit Brief vom 4. Dezember 2012 eingereichten Hilfsantrags 4, deren Gegenstand das Erfordernis der erfinderischen Tätigkeit nicht erfüllt. Folglich ist dieser Hilfsantrag nicht prima facie gewährbar. Bei der Ausübung ihres Ermessens nach Artikel 13(1) VOBK erachtet die Kammer diesen verspätet eingereichten Hilfsantrag daher als unzulässig.
10. Hilfsantrag 5
10.1 Die Beschwerdeführerin hat diesen Hilfsantrag erst mit Brief vom 31. August 2015 eingereicht, kurz vor der mündlichen Verhandlung vor der Kammer, die am 3. September 2015 stattgefunden hat. Die Beschwerdeführerin hat keine Gründe angegeben, warum sie den Hilfsantrag 5 in einem so späten Verfahrensstadium vorgelegt hat.
10.2 Anspruch 1 dieses Hilfsantrags enthält das fakultative Merkmal "dass ... die mindestens eine Düsenöffnung (8) in Form eines Schlitzes ausgestaltet ist" in Kombination mit dem Merkmal "und dass die mindestens eine Düsenöffnung (8) mehrere Öffnungen umfasst, welche voneinander beabstandet entlang der Richtung senkrecht zu der Transportrichtung (18) und parallel zu der Transportebene angeordnet sind".
Diese Merkmale werden in der ursprünglichen Patentanmeldung als Alternativen vorgelegt (siehe z.B. Seite 5, Zeile 34 - Seite 6, Zeile 3), und daher wurde die jetzt beanspruchte Kombination nicht ursprünglich offenbart (Artikel 123(2) EPÜ).
Außerdem stellt diese Kombination einen Widerspruch dar, und folglich ist der Gegenstand des Anspruchs 1 nicht klar (Artikel 84 EPÜ 1973).
In dieser Hinsicht wird darauf hingewiesen, dass diese Merkmalkombination nicht einer Kombination von erteilten Ansprüchen entspricht. Eine Düsenöffnung in Form eines Schlitzes wird in Anspruch 11 und in Ansprüchen 12-14, die sich direkt oder indirekt auf Anspruch 11 rückbeziehen, beansprucht. Eine Düsenöffnung, die mehrere Öffnungen umfasst, wird in Anspruch 15, der sich auf Anspruch 10 rückbezieht, beansprucht. Da der neue Hilfsantrag nicht auf einer Kombination der Merkmale der erteilten Ansprüche basiert, ist gemäß der Entscheidung der Grossen Beschwerdekammer G 3/14 (siehe Entscheidungsformel) ein Klarheitseinwand nicht ausgeschlossen.
10.3 Folglich ist dieser Hilfsantrag nicht prima facie gewährbar und aus den gleichen Gründen wie oben unter Punkt 9.1 erläutert, wird dieser verspätet eingereichte Hilfsantrag nicht in das Beschwerdeverfahren zugelassen.
11. Da somit kein gewährbarer Antrag der Beschwerdeführerin vorliegt, muss die Beschwerde zurückgewiesen werden.
Aus diesen Gründen wird entschieden:
Die Beschwerde wird zurückgewiesen.