T 0835/11 16-03-2017
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Wert- und Sicherheitserzeugnis mit Lumineszenzelement
Unzulässige Erweiterung der Teilanmeldung (nein)
Zurückverweisung an die erste Instanz (ja)
I. Die Beschwerde der Patentinhaberin richtet sich gegen die Entscheidung der Einspruchsabteilung, das europäische Patent Nr. 1 236 584 zu widerrufen.
Dieses Patent beruht auf einer Teilanmeldung der internationalen Anmeldung WO 99/08881, die im Folgenden als "Stammanmeldung" bezeichnet wird.
Die Einspruchsabteilung war der Auffassung, dass der Einspruchsgrund gemäß Artikel 100 c) EPÜ der Aufrechterhaltung des Patents entgegenstünde.
II. Die Beschwerdeführerin (Patentinhaberin) beantragte, die angefochtene Entscheidung der Einspruchsabteilung aufzuheben und das Patent nach dem mit Schreiben vom 3. November 2010 eingereichten Hauptantrag und hilfsweise nach einem der mit Schreiben vom 24. Juni 2011 eingereichten Hilfsanträge 1 bis 21 aufrecht zu erhalten.
Die Beschwerdegegnerin (Einsprechende) stellte keinen Antrag, brachte aber in ihrem Schreiben vom 29. Juli 2016 zum Ausdruck, dass der Gegenstand des Antrags 1 des Hauptantrags über den Inhalt der Stammanmeldung hinausgehe.
III. Anspruch 1 des Hauptantrags lautet wie folgt:
"Wert- und Sicherheitserzeugnis, bestehend aus einem ein- oder mehrschichtigen Trägermaterial, wobei auf oder innerhalb einer Echtheitselement-Schicht dieses Trägermaterials ein Echtheitselement angeordnet ist, wobei von der Oberseite des Wert- und Sicherheitserzeugnisses aus gesehen unterhalb der Echtheitselement-Schicht des Trägermaterials ein Lumineszenzelement (13) derart angeordnet ist, dass es bei Anregung eine Hintergrundbeleuchtung des darüber angeordneten Echtheitselements hervorruft, dadurch gekennzeichnet, dass das Lumineszenzelement (13) durch elektromagnetische Strahlung anregbar ist, wobei das Lumineszenzelement lumineszierende Substanzen auf der Basis überwiegend mit Mn aktivierte (sic) Silikate, Phosphate, Wolframate, Germanate oder Borate enthält."
IV. Die Kammer hat in einer Mitteilung gemäß Regel 100 (2) EPÜ ihre vorläufige Auffassung zum Ausdruck gebracht, dass der Hauptantrag den Erfordernissen von Artikel 100 c) EPÜ 1973 genügt. Beide Parteien haben dazu Stellung genommen.
V. Die Beschwerdeführerin hat Folgendes vorgetragen:
Sowohl das Merkmal "Anregung für die Lumineszenzelemente durch ... Nd:YAG-Laser" als auch das Merkmal "die Lumineszenzelemente" seien in der ursprünglichen Anmeldung direkt und unmittelbar offenbart. Es liege also keine unzulässige Erweiterung der ursprünglichen Stammanmeldung vor.
VI. Die Beschwerdegegnerin hat Folgendes vorgetragen:
In Anspruch 1 wird allgemein ein Lumineszenzelement beansprucht, das "lumineszierende Substanzen auf der Basis überwiegend mit Mn aktivierte Silikate, Phosphate, Wolframate, Germanate oder Borate enthält" und das allgemein durch elektromagnetische Strahlung anregbar ist. Ursprünglich offenbart sind jedoch nur lumineszierende Substanzen, die mittels UV-Licht anregbar sind. Auf Seite 5, Zeile 6 der Stammanmeldung ist zwar allgemein eine Photolumineszenz-Anregung offenbart, aber der mit "insbesondere" eingeleitete Satzteil enthält nicht nur die oben genannten lumineszierenden Substanzen, sondern auch die Anregung im UV-Wellenlängenbereich. Anders würde es sich verhalten, wenn nach dem Satzteil "insbesondere im UV-Wellenlängenbereich" ein zweites Komma vorhanden wäre. Dies ist jedoch nicht der Fall. Zudem heißt es in Zeile 7 auch ,,insbesondere im UV-Wellenlängenbereich und der Verwendung" (und nicht etwa nur "insbesondere im UV-Wellenlängenbereich und Verwendung"), was ebenfalls zeigt, dass diese Verwendung der genannten lumineszierenden Substanzen in Kombination mit der UV-Anregung gemeint war.
Darüber hinaus ist in Kombination mit Absatz 10 der Beschreibung des Patents, wo der (nur im Infraroten) emittierende Nd:YAG-Laser erwähnt ist, eine Anregung der lumineszierenden Substanzen allein mittels Infrarotlicht (an Stelle von UV) sogar explizit erwähnt. Beim Lesen der Patentschrift (bzw. des Hauptantrags) meint der Leser daher, dass auch solche lumineszierenden Substanzen, die z.B. mittels eines Nd:YAG-Lasers im IR anregbar sind, im Anspruch 1 mit umfasst sind.
Es ist in der Regel nicht zulässig, isolierte Merkmale aus ursprünglich in Kombination miteinander offenbarten Merkmalen herauszugreifen. Gerade dies ist jedoch hier geschehen. Der Grundsatz, dass sich der Gegenstand einer Teilanmeldung "unmittelbar und eindeutig aus der früheren Anmeldung in der ursprünglich eingereichten Fassung" ableiten lassen können muss, ist somit nicht erfüllt.
1. Anspruchsauslegung: "ein Lumineszenzelement"
Anspruch 1 erwähnt "ein Lumineszenzelement (13)", das in einer bestimmten Art und Weise angeordnet ist. Das Wort "ein" kann hier als unbestimmter Artikel oder als Zahlwort verstanden werden und je nach Auffassung als "mindestens ein" oder "genau ein" verstanden werden.
Der Fachmann, der den Anspruch liest und sich Klarheit über die richtige Auslegung verschaffen möchte, würde den Kontext von Anspruch 1 untersuchen und dabei die Feststellung machen, dass sowohl die abhängigen Ansprüche des Streitpatents als auch Absatz [0010] der Beschreibung eine Mehrzahl von Lumineszenzelementen erwähnen. Eine enge Auslegung im Sinne von "genau ein" ist daher unangemessen.
2. Unzulässige Erweiterung (Artikel 100 c) EPÜ 1973)
2.1 Grundsätzliches
Artikel 100 c) EPÜ 1973 legt unter anderem fest, dass, der Gegenstand des Patents nicht über den Inhalt der früheren Anmeldung in der ursprünglich eingereichten Fassung hinausgehen darf, wenn das europäische Patent auf einer europäischen Teilanmeldung beruht. Gemäß Artikel 84 EPÜ 1973 geben die Patentansprüche den Gegenstand, für den Schutz begehrt wird, also den Gegenstand des Patents, an.
Wenn ein auf einer Teilanmeldung beruhendes Patent im Hinblick auf eine unzulässige Erweiterung zu prüfen ist, muss daher geprüft werden, ob der im Patent beanspruchte Gegenstand über den Inhalt der Stammanmeldung in der ursprünglich eingereichten Fassung hinausgeht.
Eine Änderung der Beschreibung der Teilanmeldung kann nur dann zu einer unzulässigen Erweiterung im Sinne von Artikel 100 c) EPÜ 1973 führen, wenn sie zu einer Änderung des Gegenstands der Teilanmeldung führt. Das ist zum Beispiel möglich, wenn die Beschreibung ein Merkmal der Ansprüche in einer im Vergleich zur allgemein gebräuchlichen Bedeutung einschränkenden Art und Weise definiert. Die Streichung der Definition aus der Beschreibung kann dann zu einer unzulässigen Erweiterung des Gegenstands des Patents führen. Auch eine Streichung oder Hinzufügung von Beispielen könnte unter Umständen eine Auswirkung auf die Auslegung der Ansprüche und somit auf den Gegenstand des Patents haben (siehe z.B. die Entscheidung T 1239/03). Die Beschwerdekammern haben auch wiederholt zum Ausdruck gebracht, dass eine Neudefinition der Aufgabenstellung den Gegenstand des Patents unzulässig erweitern kann (siehe z.B. T 13/84, ABl. EPA 1986,253).
Änderungen der Beschreibung, die auf den beanspruchten Gegenstand keinen Einfluss haben, sind nach Auffassung der Kammer aber nicht unter Artikel 100 c) EPÜ 1973 zu beanstanden.
2.2 Anwendung auf den vorliegenden Fall
Absatz [0010] des Streitpatents sowie des Hauptantrags und der geradzahligen Hilfsanträge (Hilfsanträge 2, 4, 6, 8, ... 20) ist folgendermaßen abgefasst:
"Die Anregung für die Lumineszenzelemente (13) kann durch eine Hg-Niederdruckentladungslampe, durch eine extrem schmalbandige Lichtquelle in der Form eines Lasers, insbesondere mittels Festkörperlaser, Nd:YAG Laser oder durch Excimerlaser erfolgen."
Dieser Absatz war in der ursprünglichen Beschreibung der Teilanmeldung nicht vorhanden; die Änderung wurde vorgenommen, um den ursprünglichen Ansprüchen 3, 4 und 5 eine Stütze in der Beschreibung zu geben (siehe Brief vom 24. Juli 2006, Seite 2, zweiter Absatz).
Die Stammanmeldung hat keine entsprechenden Ansprüche; ihre Lehre zur Anregung des Lumineszenz-Systems ist auf Seite 5, Zeilen 3-35, zusammengefasst (Hervorhebungen durch die Kammer):
"- Anregung des Elektrolumineszenzelements durch ein elektromagnetisches Wechselfeld
- Anregung durch ein System auf der Basis der Photolumineszenz-Anregung über entsprechende Lichtquellen, insbesondere im UV-Wellenlängenbereich und der Verwendung geeigneter lumineszierender Substanzen auf Basis überwiegend mit Mn aktivierter Silikate, Phosphate, Wolframate, Germanate, Borate, etc., jedoch insbesondere auf Basis Zn2SiO4:Mn und der Anregung durch die 253,65 nm Linie einer Hg-Niederdruckentladungslampe (sichtbares Licht mittels Kurzpassfilter eliminiert) und der angeregten Emission von Licht im sichtbaren grün-Bereich,
- Anregung des Lumineszenz-Systems durch eine extrem schmalbandige Lichtquelle in Form eines Frequenz-Verdreifachten bzw -Vervierfachten Nd:YAG Lasers mit den Wellenlängen 266 nm und 213 nm beschrieben, weiters eines Festkörperlasers mit entsprechender Frequenzverdoppelung bzw. -vervierfachung auf 236 nm als auch Excimerlaser mit Licht im W-B (320 bis 260 nm lt. USA-FDA) bzw. W-C (260 bis 200 nm) Wellenlängenbereich zur Anregung spezieller auf die jeweilige Wellenlänge abgestimmter Leuchtstoffe verwendet, wobei zusätzlich Leuchtstoffe bzw. sog. Phosphorpuder beigemengt werden, ähnlich jener Verwendung in Leuchtstoffröhren, so dass damit Strahlung im sichtbaren Wellenlängenbereich erzeugt wird und vom menschlichen Auge ohne weitere Hilfsmittel wahrgenommen werden kann.
- In einer alternativen Ausführungsform ist statt dessen die Anregung durch IR-Strahlung mit geeigneter Wellenlänge für Materialien mit spezifischer IR-Absorption und Emission im sichtbaren Bereich vorgesehen. Es können auch OVI-Pigmente (optisch variable Pigmente) oder Flüssigkristalle zusätzlich zu den Elektrolumineszenz-Pigmenten eingesetzt oder beigemischt werden."
Die Einspruchsabteilung war der Auffassung, dass der Absatz [0010] des Streitpatents die Erfordernisse des Artikels 76 (1) EPÜ 1973 in zwei Punkten nicht erfüllt. Diese Einwände, die also eine Änderung der Beschreibung betreffen, werden nachfolgend (Punkte 2.2.12.2.1 und 2.2.22.2.2 ) untersucht, ebenso wie die Einwände der Einsprechenden bezüglich gewisser Patentansprüche, die die Einspruchsabteilung erwogen, aber sich nicht zueigen gemacht hat (Punkte 2.2.32.2.3 und 2.2.42.2.4 ).
2.2.1 Anregbarkeit des Lumineszenzelements durch Nd:YAG Laser
Es ist wohlbekannt, dass Nd:YAG Laser Strahlung der Wellenlänge 1064 nm emittieren; weitere Übergänge bestehen bei den Wellenlängen 946 nm, 1320 nm und 1444 nm. Es handelt sich also um Strahlung im infraroten Bereich (Wellenlängen ab etwa 780 nm).
Die Stammanmeldung beschreibt die Anregung des Lumineszenz-Systems mittels eines frequenzverdreifachten bzw. frequenzvervierfachten Nd:YAG Lasers, der bei Wellenlängen von 266 bzw. 213 nm arbeitet, also im ultravioletten Spektralbereich (zwischen 10 und 380 nm).
Die Kammer stimmt der Einspruchsabteilung zu, dass es in der Stammanmeldung keine explizite Grundlage für Photo-Lumineszenz mit Anregung durch infrarotes Licht gibt (Punkt 2.1 der angefochtenen Entscheidung).
Es ist für die Kammer aber nicht ersichtlich, dass diese Änderung der Beschreibung den Gegenstand des Streitpatents verändert. Der Anspruch 1 ist in sich klar und nicht auslegungsbedürftig. Die Änderung der Beschreibung kann so verstanden werden, dass sie nunmehr ganz allgemein Photo-Lumineszenz mit Anregung durch einen Nd:YAG Laser (auch ohne Verdreifachung oder Vervierfachung) als Möglichkeit in Betracht zieht. Dadurch wird der Gegenstand des Patents aber nicht unzulässig erweitert, da diese Änderung nicht zu einer anderen Auslegung eines der Ansprüche führt.
Die Dinge würden sich anders verhalten, wenn einer der Ansprüche ursprünglich Photo-Lumineszenz mit Anregung durch einen Nd:YAG Laser mit verdreifachter oder vervierfachter Frequenz zum Gegenstand gehabt hätte und im Laufe des Erteilungsverfahrens das Merkmal der Verdreifachung oder Vervierfachung der Frequenz aus dem Anspruch gestrichen worden wäre. Dies ist aber hier nicht geschehen.
Anspruch 1 beansprucht ganz allgemein Werterzeugnisse mit bestimmten Lumineszenzelementen, die durch elektromagnetische Strahlung angeregt werden können. Anspruch 2 beschränkt dies auf Elemente, die im UV-Wellenlängenbereich anregbar sind, und Anspruch 3 auf Elemente, die mittels Hg-Niederdruckentladungslampen angeregt werden können. Die anderen abhängigen Ansprüche weisen zusätzliche Merkmale struktureller Art auf und tragen zur Definition der Lumineszenzelemente nichts Neues bei. Die obengenannte Änderung der Beschreibung bezüglich der Anregung durch einen Nd:YAG Laser hat somit keinen für die Kammer ersichtlichen Einfluss auf die Auslegung der Ansprüche und kann den durch sie definierten Gegenstand nicht in unzulässiger Weise erweitern.
2.2.2 Mehrzahl von Lumineszenzelementen
Absatz [0010] beschreibt eine "Anregung für die Lumineszenzelemente (13)", also eine Mehrzahl von Lumineszenzelemente.
Die Einspruchsabteilung sah darin eine unzulässige Erweiterung der Lehre der Stammanmeldung, die stets nur ein einziges Lumineszenzelement erwähne (Punkt 2.2 der angefochtenen Entscheidung).
Die Kammer kann sich diesem Argument nicht anschließen. Auch hier ist nicht ersichtlich, dass die Erwähnung einer Mehrzahl von Lumineszenzelementen in Absatz [0010] der Beschreibung den Gegenstand des Streitpatents verändert.
Darüber hinaus bezieht sich der Absatz [0010] ganz allgemein auf Lumineszenzelemente und verlangt nicht, dass eine Mehrzahl davon auf dem beanspruchten Wert- und Sicherheitszeugnis vorgesehen ist.
Im Übrigen ist die Behauptung, dass die Stammanmeldung stets nur ein einziges Lumineszenzelement erwähnt, nicht korrekt. Auf Seite 6, Zeilen 14-19, ist davon die Rede, dass "im Feldspalt zwischen den Elektroden ein elektromagnetisches Wechselfeld erzeugt wird, dessen Feldlinien mindestens teilweise das durch die Elektrolumineszenz-Substanzen erzeugte Druckbild durchdringen und dadurch die Elektrolumineszenz-Sicherheitselemente zum Leuchten bringen", und auf Seite 7, Zeilen 7-10, ist offenbart, dass "darüber hinaus über/unter/neben den lumineszierenden Elementen entsprechend grafisch gestaltete, durchscheinende Farben angebracht werden und dadurch unterschiedliche Farb-Leuchteffekte erzielt werden" können.
2.2.3 Anspruch 1
Die Beschwerdegegnerin hat vorgebracht, dass die in Anspruch 1 erwähnten lumineszierenden Substanzen "auf der Basis überwiegend mit Mn aktivierte (sic) Silikate, Phosphate, Wolframate, Germanate" in der Stammanmeldung nur mit ultravioletter Strahlung angeregt würden und nicht mit einer beliebigen elektromagnetischen Strahlung, wie dies in Anspruch 1 beschrieben sei.
Diese Substanzen werden in der Stammanmeldung in der schon zitierten Passage auf Seite 5, Zeilen 5-14, offenbart:
"- Anregung durch ein System auf der Basis der Photolumineszenz-Anregung über entsprechende Lichtquellen, insbesondere im UV-Wellenlängenbereich und der Verwendung geeigneter lumineszierender Substanzen auf Basis überwiegend mit Mn aktivierter Silikate, Phosphate, Wolframate, Germanate, Borate, etc., jedoch insbesondere auf Basis Zn2SiO4:Mn und der Anregung durch die 253,65 nm Linie einer Hg-Niederdruckentladungslampe (sichtbares Licht mittels Kurzpassfilter eliminiert) und der angeregten Emission von Licht im sichtbaren grün-Bereich,".
In der Folge wird dieser Absatz der Kürze halber als "Mn-Passage" bezeichnet.
Die richtige Auslegung der Mn-Passage ist strittig.
In ihrer Mitteilung (Seite 9, vorletzter Absatz) hat die Kammer dargelegt, dass aus ihr hervorgehe, dass die Anregung "insbesondere" im UV-Wellenlängenbereich stattfindet, was darauf hinweise, dass die Anregung nicht notwendigerweise in diesem Bereich stattfinden müsse.
Die Beschwerdegegnerin hat dem entgegengehalten, dass das "insbesondere" auf die Merkmale der Substanzen in Kombination mit ihrer UV-Anregung abzielt. Dabei hat sie sich auf das Fehlen eines Kommas nach dem Wort "UV-Wellenlängenbereich" sowie die Verwendung des bestimmten Artikels im Ausdruck "und der Verwendung" berufen.
Diese Argumente haben die Kammer nicht überzeugt.
Die Mn-Passage befindet sich in einem Teil der Anmeldung, in dem verschiedene Möglichkeiten der Anregung offenbart sind:
- Anregung durch ein elektromagnetisches Wechselfeld (Seite 5, Zeilen 3-4);
- Mn-Passage (Seite 5, Zeilen 5-14);
- Anregung spezieller Leuchtstoffe durch eine extrem schmalbandige Lichtquelle (Seite 5, Zeilen 15-28);
- Anregung geeigneter Materialien durch IR-Strahlung (Seite 5, Zeilen 29-35).
Die Mn-Passage selbst betrifft Systeme, in denen mit Mn aktivierte Substanzen mit entsprechenden Lichtquellen angeregt werden. Die offenbarte Anregung erfolgt "auf der Basis der Photolumineszenz-Anregung über entsprechende Lichtquellen, insbesondere im UV-Wellenlängenbereich und der Verwendung geeigneter lumineszierender Substanzen auf Basis überwiegend mit Mn aktivierter Silikate, Phosphate, Wolframate, Germanate, Borate, etc." Kritisch für die Auslegung dieses Satzes ist der syntaktische Bezug des Genitivs "der Verwendung".
Die von der Beschwerdegegnerin vorgeschlagene Auslegung fasst die Aussage bezüglich "der Verwendung" als zum vorangehenden "insbesondere" gehörig auf. Dieser Bezug ist aber syntaktisch inkorrekt und daher wenig glaubwürdig. Einen solchen Zusammenhang würde anders ausgedrückt, z.B. als "insbesondere im UV-Wellenlängenbereich bei Verwendung geeigneter lumineszierender Substanzen". Der bloße Genitiv ist jedoch angebracht, wenn er sich auf den vorangehenden Ausdruck "auf der Basis" bezieht ("... auf der Basis der Photolumineszenz-Anregung ... und der Verwendung geeigneter ... Substanzen").
Die Kammer kommt daher zum Schluss, dass sich bei richtiger Auslegung der Mn-Passage das Adverb "insbesondere" nur den Ausdruck "im UV-Wellenlängenbereich" betrifft. Sie stimmt der Beschwerdegegnerin dahingehend zu, dass die Einfügung eines Kommas nach dem Ausdruck "UV-Wellenlängenbereich" dies noch klarer zum Ausdruck gebracht hätte. Dessen ungeachtet würde der fachmännische Leser nach eingehender Prüfung der Mn-Passage unzweifelhaft zum Schluss gelangen, dass die Kombination von Mn-aktivierten Substanzen und Lichtquellen im UV-Bereich nicht zwangsläufig ist und dass auch geeignete Lichtquellen außerhalb des UV-Bereichs mit Mn-aktivierten Substanzen kombiniert werden können.
Deshalb schließt sich die Kammer in diesem Punkt der Auffassung der Einspruchsabteilung (Punkt 3.1 der angefochtenen Entscheidung) an.
2.2.4 Ansprüche 2 und 3
Laut Punkt 3.2 der angefochten Entscheidung hat die Beschwerdegegnerin während der mündlichen Verhandlung geltend gemacht, die Beschwerdeführerin habe durch das Ersetzen von "die Lumineszenzelemente" durch "das Lumineszenzelement" in den Ansprüchen 2 und 3 den Schutzbereich des Patents im Sinne von Artikel 123 (3) EPÜ unzulässig erweitert.
Wie unter Punkt 1.1. dargelegt ist, würde der Fachmann Anspruch 1 so auslegen, dass das beanspruchte Wert- und Sicherheitserzeugnis mindestens ein, möglicherweise aber auch mehrere Lumineszenzelemente aufweist. Er würde also zum Schluss gelangen, dass sowohl Wert- und Sicherheitserzeugnisse mit einem Lumineszenzelement als auch Wert- und Sicherheitserzeugnisse mit mehreren Lumineszenzelementen vom Anspruch 1 in der erteilten Fassung erfasst werden.
Das Ersetzen von "die Lumineszenzelemente" durch "das Lumineszenzelement" in den Ansprüchen 2 und 3 führt zu keinem anderen Verständnis von Anspruch 1. Aber auch wenn der neue Anspruchsatz den Fachmann zum Verständnis führen würde, dass das beanspruchte Wert- und Sicherheitserzeugnis nur ein Lumineszenzelement aufweist, wäre damit der Schutzbereich nicht unzulässig erweitert, denn der Anspruch würde dann - im Gegensatz zum Anspruch 1 des Streitpatents - nur mehr Wert- und Sicherheitserzeugnisse mit einem einzigen anspruchsgemäß angeordneten Lumineszenzelement umfassen und Sicherheitserzeugnisse mit mehreren solchen Elementen ausschließen. Damit wird aber der Schutzbereich des Patents verringert und nicht erweitert.
Die Kammer schließt sich daher auch in diesem Punkt der Auffassung der Einspruchsabteilung an.
2.2.5 Zusammenfassung
Die Kammer ist zum Schluss gelangt, dass der Hauptantrag den Erfordernissen von Artikel 100 c) EPÜ 1973 genügt.
3. Zurückverweisung
Da sich die Einspruchsabteilung noch nicht zur Patentfähigkeit von Anspruch 1 geäußert hat, hat die Kammer entschieden, den Fall in Anwendung von Artikel 111 (1) EPÜ zur weiteren Prüfung an die Einspruchsabteilung zurückzuverweisen.
Nur die Beschwerdeführerin hat einen Antrag auf mündliche Verhandlung gestellt. Dieser Antrag ist an die Voraussetzung geknüpft, dass die Kammer dem Hauptantrag nicht folgen kann (siehe Seite 9 der Beschwerdebegründung). Die Zurückverweisung des Falls bedeutet nicht, dass dem Hauptantrag nicht stattgegeben wird. Deshalb kann die Kammer im vorliegenden Fall auch ohne mündliche Verhandlung entscheiden.
Aus diesen Gründen wird entschieden:
1. Die angefochtene Entscheidung wird aufgehoben.
2. Die Angelegenheit wird an die Einspruchsabteilung zur weiteren Entscheidung zurückverwiesen.