T 0951/11 (Hörgeräteadaption/SIEMENS AUDIOLOGISCHE TECHNIK) 12-09-2014
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Verfahren zur Adaption eines Hörgeräts unter Berücksichtigung der Kopfposition und entsprechendes Hörgerät
Erfinderische Tätigkeit - ja (nach Änderung)
Neuer Einspruchsgrund im Beschwerdeverfahren (ja) - Zulässigkeit (nein)
I. Gegen das europäische Patent Nr. 1530402 wurde von vier Einsprechenden gemeinsam Einspruch eingelegt.
II. Der Einspruch war auf den in Artikel 100 a) EPÜ genannten Einspruchsgrund fehlender Patentierbarkeit gestützt. Zur Substantiierung wurde in der Einspruchsschrift u.a. auf die folgenden Druckschriften verwiesen:
E1: EP 1 303 166 A2,
E2: EP 1 362 478 A2, und
E4: DE 101 48 006 A1.
III. Die Einspruchsabteilung widerrief das Patent, da der Gegenstand der Ansprüche 1 und 6 in der erteilten Fassung nicht neu gegenüber der Offenbarung von E1 bzw. E2 war (Artikel 52 (1) und 54 EPÜ).
IV. Die Beschwerde der Patentinhaberin richtet sich gegen diese Entscheidung.
Mit der Beschwerdebegründung reichte die Beschwerdeführerin einen Satz geänderter Ansprüche ein und beantragte sinngemäß, das Patent in geänderter Fassung auf der Grundlage des eingereichten Anspruchssatzes aufrecht zu erhalten. Hilfsweise wurde die Anberaumung einer mündlichen Verhandlung beantragt.
V. Die Beschwerdegegnerinnen (gemeinsam Einsprechende) beantragten in der Beschwerdeerwiderung sinngemäß, die Beschwerde zurückzuweisen. Hilfsweise wurde die Anberaumung einer mündlichen Verhandlung beantragt.
VI. Die Beschwerdeführerin nahm in einem weiteren Schriftsatz vom 16. April 2012 zur erfinderischen Tätigkeit Stellung.
Die Beschwerdegegnerinnen nahmen in einem weiteren Schriftsatz vom 13. März 2014 zur erfinderischen Tätigkeit Stellung.
VII. In einer mit der Ladung zur mündlichen Verhandlung einhergehenden Mitteilung wies die Kammer auf die in der mündlichen Verhandlung zu erörternden Fragen, insbesondere die der erfinderischen Tätigkeit, hin.
VIII. Mit Schriftsatz vom 18. Juli 2014 reichte die Patentinhaberin einen weiteren Anspruchssatz als Hilfsantrag ein.
IX. Mit Schriftsatz vom 13. August 2014 nahmen die Beschwerdegegnerinnen Stellung zur deutlichen und vollständigen Offenbarung der beanspruchten Erfindung sowie zur erfinderischen Tätigkeit. Weiterhin reichten die Beschwerdegegnerinnen die weitere Druckschrift EP 1 017 253 A2 ein (im folgenden E6 genannt).
X. Die mündliche Verhandlung vor der Kammer fand am 12. September 2014 statt.
Die Beschwerdeführerin beantragte die Aufhebung der angefochtenen Entscheidung und die Aufrechterhaltung des Patents auf der Grundlage der Ansprüche gemäß dem Hauptantrag, eingereicht mit der Beschwerdebegründung, hilfsweise auf der Grundlage der Ansprüche des Hilfsantrags, eingereicht mit Schreiben vom 18. Juli 2014.
Die Beschwerdegegnerinnen beantragten die Zurückweisung der Beschwerde.
Nach Schließen der Debatte und Beratung der Kammer verkündete der Vorsitzende die Entscheidung.
XI. Anspruch 1 des Hauptantrags lautet:
"Hörgerät, das an die räumliche Richtung eines eintreffenden Schallsignals adaptierbar ist, mit
- mehreren Mikrofonen (M1, Mn) zum Aufnehmen von Eingangssignalen und
- einer Recheneinrichtung (VV, VE) zum Berechnen mindestens einer Richtung, aus der ein vorgebbares Schallsignal eintrifft, anhand der Eingangssignale,
gekennzeichnet durch
- eine Positionsbestimmungseinrichtung (PB) zur Bestimmung der aktuellen Position des Kopfes des Hörgerätträgers, so dass die Position des Kopfes in der Recheneinrichtung (VV, VE) für die Berechnung der mindestens einen Richtung berücksichtigbar ist, wobei
- mit der Positionsbestimmungseinrichtung (PB) die Position des Kopfes anhand des Erdmagnetfeldes ermittelbar ist, oder
- die Positionsbestimmungseinrichtung (PB) über einen Beschleunigungssensor zur Bestimmung der Position des Kopfes verfügt."
Anspruch 4 des Hauptantrags lautet:
"Verfahren zum Adaptieren eines Hörgeräts an mindestens eine räumliche Richtung eines auf das Hörgerät eintreffenden Schallsignals durch
- Aufnehmen mehrerer Mikrofoneingangssignale und
- Berechnen der mindestens einen Richtung, aus der ein vorgebbares Schallsignal eintrifft anhand der Mikrofoneingangssignale,
gekennzeichnet durch
- Bestimmen der aktuellen Position des Kopfes des Hörgeräteträgers und
- Berücksichtigen der aktuellen Position des Kopfes beim Berechnen der mindestens einen aktuellen Richtung, aus der das Schallsignal eintrifft, wobei
- die Position des Kopfes anhand des Erdmagnetfelds ermittelt wird, oder
- die Position des Kopfes mit Hilfe eines Beschleunigungssensors ermittelt wird."
Die weiteren Ansprüchen 2 und 3 bzw. 5 und 6 sind von den Ansprüchen 1 bzw. 4 abhängig.
Eine Wiedergabe der Ansprüche des Hilfsantrags erübrigt sich im Hinblick auf die Entscheidung der Kammer.
1. In der mündlichen Verhandlung haben die Beschwerdegegnerinnen den Einwand mangelnder erfinderischer Tätigkeit des Gegenstands der Ansprüche 1 und 4 des Hauptantrags, gestützt auf E2 in Verbindung mit E4 (siehe Punkt 2 nachfolgend), auf E1 in Verbindung mit E4 (siehe Punkt 3 unten) bzw. auf E6 in Verbindung mit E4 (Punkt 4) sowie den Einwand fehlender deutlicher und vollständiger Offenbarung der Erfindung (Punkt 5) aufrecht erhalten.
2. Anspruch 1 des Hauptantrags - erfinderische Tätigkeit gegenüber E2 und E4 (Artikel 56 EPÜ)
2.1 E2 offenbart ein Hörgerät, dessen Signalübertragungscharakteristik an die räumliche Richtung eines einfallenden Schallsignals adaptierbar ist (vgl. die Zusammenfassung). Hierzu umfasst das Hörgerät mehrere Mikrofone zum Aufnehmen von Eingangssignalen (akustisch/elektrische Umwandler 3A, 3B, siehe die Figur 1 sowie den Absatz [0051] der Beschreibung) sowie eine Recheneinrichtung, die die Einfallsrichtung eines vorgebbaren Schallsignals anhand des Schallsignals selbst berechnet (vgl. Spalte 14, letzte Zeile bis Spalte 15, Zeile 7 sowie Absatz [0075]). Das Hörgerät gemäß E2 ist weiterhin dazu eingerichtet, eine aktuelle Position des Kopfes des Hörgeräteträgers insofern zu bestimmen, als aus den laufend bestimmten Einfallsrichtungen des Schallsignals ein Histogramm erstellt (vgl. den Block 32 in der Figur 7), und das Schallumfeld durch eine Klassifizierung des Histogramms ermittelt wird (Figur 8(a) bis (d)). Bei der Klassifizierung wird dann auf das Vorliegen einer Bewegung des Kopfes des Hörgeräteträgers geschlossen, wenn in der zeitlichen Entwicklung des Histogramms eine gleichmäßige Veränderung der Einfallsrichtungen der detektierten Schallquellen festgestellt wird (vgl. die Figur 8(c) sowie den Absatz [0078] der Beschreibung).
Die Beschwerdegegnerinnen argumentierten, die in E2 bestimmte Position des Kopfes beeinflusse implizit die Berechnung der Einfallsrichtung des Schallsignals, denn die Richtcharakteristik des Hörgeräts werde entsprechend der bestimmten Bewegung des Kopfes nachgeführt. Dadurch verändere sich die Richtungsempfindlichkeit und somit der Pegel, mit dem ein aus der Einfallsrichtung kommendes Schallsignal detektiert wird, was wiederum die zeitlich nachfolgende nächste Berechnung der Einfallsrichtung des Schalls beeinflusse. Somit werde in dem Hörgerät gemäß E2 bei der Berechnung der Schalleinfallsrichtung eine zuvor bestimmte Kopfposition berücksichtigt und daher sei die in Anspruch 1 bestimmte Positionsbestimmungseinrichtung auch aus E2 bekannt.
Die Kammer teilt nicht diese Auffassung der Beschwerdegegnerinnen, was die Offenbarung einer Einrichtung zur Bestimmung der Kopfposition von E2 betrifft. In E2 wird, wie von den Beschwerdegegnerinnen vorgetragen, die Richtcharakteristik des Hörgeräts bei einer Veränderung des Histogramms und somit aufgrund einer Veränderung der Position des Kopfes beeinflusst. Jedoch offenbart D2 nicht, dass die Berechnung der Schalleinfallsrichtung von der detektierten Kopfposition beeinflusst wird. Die Berechnung der Schalleinfallsrichtung ("direction of arrival", DOA) ist vielmehr unbeeinflusst von der Nachführung der Richtcharakteristik ("beamforming"). Dies ist auch aus der Figur 10 von E2 ersichtlich, denn in die Berechnung der Position des Kopfes durch die Blöcke 52 bis 58 sowie die nachfolgende Klassifikationseinheit 60 gehen lediglich die Ausgangssignale A50L1 bzw. A50L2 der Empfangseinheit 50 ein, nicht aber das von der Klassifikationseinheit 60 abgegebenen Signal A60, in dem die Position des Kopfes implizit enthalten ist. Dieses Signal A60 steuert lediglich die Gewichtungseinheit 61, eine Einwirkung des Signals A60 auf die von den Empfangseinheiten 501 und 502 abgegebenen Signale ist jedoch nicht vorhanden.
2.2 Folglich unterscheidet sich das Hörgerät gemäß Anspruch 1 des Hauptantrags von dem in E2 offenbarten Hörgerät durch die Positionsbestimmungseinrichtung zur Bestimmung der aktuellen Position des Kopfes des Hörgerätträgers, so dass die Position des Kopfes in der Recheneinrichtung für die Berechnung der mindestens einen Richtung berücksichtigbar ist, wobei mit der Positionsbestimmungseinrichtung die Position des Kopfes anhand des Erdmagnetfeldes ermittelbar ist oder die Positionsbestimmungseinrichtung über einen Beschleunigungssensor zur Bestimmung der Position des Kopfes verfügt.
Ausgehend von E2 sehen beide Parteien die der Erfindung zugrunde liegende Aufgabe darin, die Berechnung der Schalleinfallsrichtung zu vereinfachen. Die Kammer sieht keinen Grund, von dieser Formulierung der technischen Aufgabe abzuweichen.
2.3 Die Beschwerdegegnerinnen argumentierten, eine Vereinfachung der Berechnung der Schalleinfallsrichtung beispielsweise durch die Methode der "blinden Quellentrennung", erfordere, dass eine anfängliche Richtung des Schalleinfalls als gegeben angenommen werde. Die Richtigkeit dieser Annahme werde jedoch durch Kopfbewegungen des Hörgeräteträgers beeinträchtigt. Um diese Beeinträchtigung zu begrenzen, ergebe sich für den Fachmann die Notwendigkeit, die Kopfposition zusätzlich zu bestimmen. Der Fachmann würde durch E4 angeleitet, zur Bestimmung der Kopfposition einen separaten Sensor, der die Position des Kopfes aufgrund des Erdmagnetfelds oder aufgrund der Beschleunigung bestimmt, vorzusehen und würde so in naheliegender Weise zum beanspruchten Gegenstand gelangen.
2.4 Die Kammer teilt diese Ansicht nicht. In E2 wird die momentane Schalleinfallsrichtung ausschließlich aus dem empfangenen Schallsignal selbst bestimmt und es besteht daher für den Fachmann keine Veranlassung, außer dem einfallenden Schallsignal noch eine weitere Größe bei der Berechnung der Schalleinfallsrichtung zu berücksichtigen. Somit sieht der Fachmann auch keine Notwendigkeit, in dem aus E2 bekannten Hörgerät zusätzlich eine Einrichtung vorzusehen, durch welche eine zur Berechnung der Schalleinfallsrichtung berücksichtigbare Position des Kopfes des Hörgeräteträgers ermittelt wird. E4 offenbart zwar eine Einrichtung, mittels derer die Kopfposition relativ zum Raum anhand des Erdmagnetfelds oder durch einen Beschleunigungssensor bestimmt wird. Jedoch dient die aus dieser Einrichtung bestimmte Kopfposition dazu, die Wiedergabe von Schallsignalen durch Kopfhörer so zu steuern, dass beim Hörer der Eindruck verteilter Schallquellen entsteht, wobei die Orte der virtuell erzeugten Schallquellen dynamisch - analog zu Kopfbewegung - verändert werden, so dass die virtuellen Schallquellen relativ zum Raum konstant bleiben (vgl. die Absätze [0004], [0010], [0015], [0017] und [0018] in E4). Dies legt jedoch dem Fachmann nicht nahe, diese Einrichtung in dem Hörgerät gemäß E2 zusätzlich zu der bereits vorhanden Einrichtung zur Berechnung der Schalleinfallsrichtung vorzusehen.
2.5 Folglich ergibt sich das Hörgerät gemäß Anspruch 1 für den Fachmann nicht in naheliegender Weise ausgehend von E2 und unter Berücksichtigung von E4 (Artikel 56 EPÜ).
2.6 Aus denselben Gründen ergibt sich das Verfahren gemäß Anspruch 4 nicht in naheliegender Weise aus E2 unter Berücksichtigung von E4 (Artikel 56 EPÜ).
3. Anspruch 1 des Hauptantrags - erfinderische Tätigkeit gegenüber E1 und E4 (Artikel 56 EPÜ)
3.1 E1 (siehe die Zusammenfassung) offenbart ein Hörgerät mit veränderbarer Richtcharakteristik, so dass das Hörgerät auf eine Bezugsperson, mit der der Hörgeräteträger kommuniziert, optimal ausgerichtet werden kann. Das Hörgerät gemäß der Figur 4 umfasst mehrere Mikrophone (2, 3) sowie eine Recheneinrichtung (Richtungsidentifikationseinheit 6, vgl. Absatz [0028]) zur Berechnung der Richtung der Bezugsperson anhand der Eingangssignale der Mikrophone. Das Hörgerät gemäß der Figur 5 (vgl. auch die Absätze [0029], [0030] und [0032]) bestimmt die Richtung der Bezugsperson anhand eines zusätzlich empfangenen Signals, von einer von der Bezugsperson getragenen Sendereinheit bzw. einem Transponder (Absatz [0031]).
E1 offenbart jedoch keine Einrichtung zur Bestimmung der aktuellen Position des Kopfes des Hörgeräts. Die Auffassung der Beschwerdegegnerinnen, das Hörgerät gemäß E1 bestimme eine Kopfposition, wenn sich die relative Richtung der Bezugsperson aufgrund einer Drehung des Kopfes ändere, ist lediglich eine andere Formulierung der Bestimmung der Richtung der Bezugsperson, denn durch die Berechnung der Richtung der Bezugsperson ist gleichzeitig die aktuelle Position bzw. die Orientierung des Kopfs des Hörgeräteträgers in Bezug auf die Bezugsperson festgelegt. Eine auf diese Weise bestimmte Kopfposition ist jedoch nicht berücksichtigbar für die Berechnung der Richtung der Bezugsperson, da sie genau aus dieser Berechnung abgeleitet wurde.
3.2 Das Hörgerät gemäß Anspruch 1 des Hauptantrags unterscheidet sich von dem aus E1 bekannten Hörgerät folglich durch die in Punkt 2.2 oben genannten Merkmale, und die ausgehend von E1 der Erfindung zugrunde liegende Aufgabe deckt sich mit der in Punkt 2.2 genannten Aufgabe.
3.3 Die Beschwerdegegnerinnen argumentierten, eine Berechnung der Richtung der Bezugsperson in E1 werde durch Kopfbewegung des Hörgeräteträgers erschwert. Der Fachmann würde daher versuchen, den Einfluss von Kopfbewegungen des Hörgeräteträgers auf die Berechnung der Richtung der Bezugsperson zu reduzieren, indem er die Kopfbewegung bei der Berechnung berücksichtigen würde. Dazu würde er einen separaten Sensor wie aus E4 bekannt vorsehen.
3.4 Die Kammer ist von dieser Argumentation nicht überzeugt. In E1 wird die Richtung der Bezugsperson ausschließlich aus einem von der Bezugsperson her einfallenden Signal bestimmt und für den Fachmann ergibt sich aus denselben wie in Punkt 2.4 oben angegebenen Gründen kein Anlass, zusätzlich die Position des Kopfs des Hörgeräteträgers zu bestimmen, um die Berechung der Richtung der Bezugsperson zu vereinfachen.
3.5 Das Hörgerät gemäß Anspruch 1 ergibt sich daher für den Fachmann nicht in naheliegender Weise ausgehend von E1 unter Berücksichtigung von E4 (Artikel 56 EPÜ). Aus denselben Gründen ergibt sich das Verfahren gemäß Anspruch 4 für den Fachmann nicht in naheliegender Weise aus E1 unter Berücksichtigung von E4.
4. Anspruch 1 des Hauptantrags - erfinderische Tätigkeit gegenüber E6 und E4 (Artikel 56 EPÜ)
4.1 Die im Absatz [0002] der Patentschrift genannte Druckschrift E6 wurde von den Beschwerdeführerinnen in dem Schreiben vom 13. August 2014 genannt und inhaltlich erstmalig in der mündlichen Verhandlung erörtert.
E6 offenbart ein Hörgerät, in welchem zur Unterscheidung der von verschiedenen Schallquellen stammenden Schallsignale die Methode der "blinden Quellentrennung" verwendet wird, so dass ein bevorzugtes Signal aus dem Signalmix abtrennbar ist und deutlich wiedergegeben werden kann. Das Hörgerät umfasst zwei entlang der Blickrichtung angeordnete Mikrophone. Die interessierende Schallquelle wird a priori als in Blickrichtung liegend angenommen. Eine Vorverarbeitungsstufe 16 (Absatz [0010]) erlaubt, die Richtung einer zweiten Schallquelle in Bezug auf die Richtung der interessierenden Schallquelle zu bestimmen. Das Hörgerät gemäß E6 umfasst somit mehrere Mikrophone sowie eine Recheneinrichtung, um anhand der Eingangssignale eine Richtung, aus der ein vorgebbares Schallsignal eintrifft, zu berechnen.
4.2 Das Hörgerät gemäß Anspruch 1 des Hauptantrags unterscheidet sich von dem aus E6 bekannten Hörgerät durch die in Punkt 2.2 oben genannten Merkmale; daher ist die in Punkt 2.2 formulierte Aufgabe auch die ausgehend von E6 der Erfindung zugrunde liegende Aufgabe.
4.3 Die Beschwerdegegnerinnen verwiesen insbesondere auf die Absätze [0006], [0010] sowie [0025] und argumentierten, E6 berücksichtige nicht den Fall, dass der Hörgeräteträger den Kopf dreht und seinen Blick in eine andere Richtung als die der interessierten Quelle richtet, so dass die a priori Annahme über die Richtung der interessierenden Schallquelle nicht mehr korrekt ist. E6 selbst offenbare, die Signalquellenbündelung durch in der Vorverarbeitungsstufe 16 vorgenommene Signalverarbeitung zu verbessern (Spalte 7, Zeilen 20 bis 22). Der Fachmann würde daher versuchen, eine Änderung der Ausrichtung des Kopfes bei der Signalverarbeitung zu berücksichtigen und würde daher die aus E4 bekannte Einrichtung in naheliegender Weise in dem aus E6 bekannten Hörgerät vorsehen.
4.4 Die Kammer folgt dieser Argumentation nicht. Die Richtung der weiteren Schallquelle wird in E6 allein aus dem von der weiteren Schallquelle einfallenden Schallsignal berechnet. Eine Drehung des Kopfes wird bei dieser Berechnungsmethode implizit berücksichtigt, ohne dass eine separate Erfassung der Position des Kopfes des Hörgeräteträgers erforderlich ist. Auch für den von E6 ausgehenden Fachmann besteht daher keine Notwendigkeit, eine Einrichtung zur Bestimmung der Kopfposition zusätzlich vorzusehen.
4.5 Das Hörgerät gemäß Anspruch 1 ergibt sich daher für den Fachmann nicht in naheliegender Weise ausgehend von E6 unter Berücksichtigung von E4 (Artikel 56 EPÜ). Aus denselben Gründen ergibt sich das Verfahren gemäß Anspruch 4 für den Fachmann nicht in naheliegender Weise aus E6 unter Berücksichtigung von E4.
5. Deutliche und vollständige Offenbarung (Einspruchsgrund nach Artikel 100 b) EPÜ) - Zulässigkeit
5.1 Der Einwand unzureichender Offenbarung der Erfindung gemäß dem Anspruch 1 des Hauptantrags wurde erstmals mit dem Schreiben der Beschwerdeführerinnen vom 13. August 2014 vorgebracht (vgl. den dritten Absatz und den letzten Absatz auf Seite 2). In der mündlichen Verhandlung haben die Beschwerdegegnerinnen weiter ausgeführt, in der Anmeldung sei nicht konkret offenbart, wie eine ermittelte Position des Kopfes des Hörgeräteträgers in die Berechnung der Einfallsrichtung des Schalls eingehen könne.
Anspruch 1 des Hauptantrags kombiniert die Merkmale der Ansprüche 1, 3 und 4 in der erteilten Fassung. Somit ist der Einwand unzureichender Offenbarung ein erstmals im Beschwerdeverfahren vorgebrachter neuer Einspruchsgrund gemäß Artikel 100 b) EPÜ.
5.2 Gemäß der Rechtsprechung der großen Beschwerdekammer (G 10/91, Abl. 1993, 420, dritter Leitsatz) dürfen neue Einspruchsgründe im Beschwerdeverfahren nur mit Zustimmung der Patentinhaberin eingeführt werden.
5.3 Im vorliegenden Fall hat die Patentinhaberin der Einführung dieses neuen Einspruchsgrunds nicht zugestimmt. Die Kammer ist daher nicht befugt, den neuen Einspruchsgrund der mangelnden deutlichen Offenbarung im Beschwerdeverfahren zu prüfen.
6. Aus den in den Punkten 2 bis 5 genannten Gründen stehen die vorgebrachten Einspruchsgründe der Aufrechterhaltung des Patents im Umfang des Hauptantrags nicht entgegen.
Aus diesen Gründen wird entschieden:
1. Die angefochtene Entscheidung wird aufgehoben.
2. Die Angelegenheit wird an die erste Instanz mit der Anordnung zurückverwiesen, das Patent mit den Ansprüchen gemäß dem mit der Beschwerdebegründung eingereichten Hauptantrag und einer noch anzupassenden Beschreibung aufrechtzuerhalten.