T 2267/11 24-01-2013
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Rohr
Wolf GmbH
Hegler Plastik GmbH
Stiebel Eltron GmbH & Co. KG
Unzulässige Erweiterung - alle Anträge (ja)
Zulässigkeit des verspätet vorgebrachten Hilfsantrags 5 (ja)
I. Die Patentinhaberin hat gegen die Entscheidung der Einspruchsabteilung, mit der das europäische Patent Nr. 1 724 508 widerrufen worden ist, Beschwerde eingelegt.
II. Die Einspruchsabteilung war der Auffassung, dass der in Artikel 100(c) EPÜ genannte Einspruchsgrund der Aufrechterhaltung des Patents in der erteilten Fassung (Hauptantrag) sowie in der Fassung gemäß Hilfsantrag 2 entgegensteht, dass der in Artikel 100(a) EPÜ genannte Einspruchsgrund der mangelnden erfinderischen Tätigkeit (Artikel 56 EPÜ) der Aufrechterhaltung des Patents in der Fassung gemäß Hilfsantrag 1 entgegensteht und dass die Hilfsanträge 3 und 4 wegen mangelnder Klarheit der im jeweiligen Anspruch 1 eingebrachten Änderungen (Artikel 84 EPÜ) nicht gewährbar sind.
III. Am 11. Januar 2013 sind Einwendungen eines Dritten beim Europäischen Patentamt eingegangen, die den Parteien zur Kenntnis zugestellt wurden.
IV. Am 24. Januar 2013 fand eine mündliche Verhandlung vor der Beschwerdekammer statt.
V. Die Beschwerdeführerin (Patentinhaberin) beantragte, die angefochtene Entscheidung aufzuheben und
- nach dem Hauptantrag den Einspruch zurückzuweisen oder
- nach dem Hilfsantrag 1 das Patent mit der mit Schreiben vom 25. Mai 2011 als Hilfsantrag 1 eingereichten Beschreibungsseite 2 aufrechtzuerhalten oder
- nach den Hilfsanträgen 2 und 3 das Patent auf Grundlage der am 27. Juni 2011 der Einspruchsabteilung als Hilfsanträge 2 und 3 vorgelegten Unterlagen aufrechtzuerhalten oder
- nach dem Hilfsantrag 4, das Patent auf Grundlage der mit Schreiben vom 12. November 2012 als Hilfsantrag 4 vorgelegten Ansprüche 1 bis 4 und der Beschreibungsseite nach Hilfsantrag 1 aufrechtzuerhalten oder
- nach dem Hilfsantrag 5, das Patent auf Grundlage der mit Schreiben vom 21. Dezember 2012 als Hilfsantrag 5 vorgelegten Ansprüche 1 bis 4 und der Beschreibungsseite 2, eingereicht in der mündlichen Verhandlung, aufrechtzuerhalten.
Die Beschwerdegegnerinnen (Einsprechende) beantragten die Zurückweisung der Beschwerde.
VI. Im Beschwerdeverfahren wurde unter anderem auf folgende Druckschriften Bezug genommen:
E3: DE 200 21 348 U1
E8: DE 202 05 625 U1
VII. Anspruch 1 des Streitpatents in der erteilten Fassung gemäß Hauptantrag lautet wie folgt:
"1. Rohr, insbesondere für die Luftführung in Be- und/oder Entlüftungseinrichtungen von Gebäuden oder Teilen hiervon, mit einem im wesentlichen rechteckförmigen oder ovalen Strömungsquerschnitt (11), das eine nach Art einer Ziehharmonika gewellt ausgebildete äußere Rohrwand (2) mit Wellentälern (6) und Wellenbergen (5) aufweist, gekennzeichnet durch eine mit der äußeren Rohrwand (2) verbundene innere Rohrwand (3), wobei die Innenoberfläche (20) der inneren Rohrwand (3) im wesentlichen glatt ausgebildet ist, wobei diese im wesentlichen glatte Ausbildung mit einschließt, dass auch die innere Rohrwand leicht gewellt ausgebildet ist und über Wellentäler und Wellenberge (23) verfügt,wobei die Wellenberge (23) der inneren Rohrwand (3) in die Wellenberge (5) der äußeren Rohrwand (2) hineinragen."
VIII. Beschreibung gemäß Hilfsanträge 1 bis 4
Der im Absatz [0005] der Beschreibung in der erteilten Fassung des Streitpatents (B1-Schrift, gemäß Hauptantrag) verwendete Begriff "Biegesteifigkeit" ist jeweils gemäß Hilfsantrag 1 bis 4 durch den Begriff "Biegefestigkeit" ersetzt.
IX. Anspruch 1 gemäß Hilfsantrag 5 unterscheidet sich vom Anspruch 1 gemäß Hauptantrag durch folgenden Zusatz am Ende des Anspruchs: "wobei die innere Rohrwand (3) dünner ist als die äußere Rohrwand (2), und wobei die Wellen der inneren Rohrwand (3) derart bemessen sind, dass eine Verbiegung des Rohres durch die innere Rohrwand (3) nicht behindert ist".
X. Die Beschwerdeführerin hat im schriftlichen Verfahren und in der mündlichen Verhandlung im Wesentlichen Folgendes vorgetragen:
Hauptantrag und Hilfsanträge 1 bis 4
Es handele sich bei dem in Artikel 100(c) EPÜ genannten "Gegenstand des Patents" um den Gegenstand, der durch die Patentansprüche definiert werde, und nicht um den Gesamtinhalt der Offenbarung.
Der Fachmann könne der Anmeldung in der ursprünglich eingereichten Fassung entnehmen, dass die anspruchsgemäße Ausbildung der inneren Rohrwand derart, dass auch die innere Rohrwand leicht gewellt ausgebildet sei und über Wellentäler und Wellenberge verfüge, wobei die Wellenberge der inneren Rohrwand in die Wellenberge der äußeren Rohrwand hineinragen, dem Zweck dienten, die Biegesteifigkeit des Rohres zu beeinflussen, das heiße, das Rohr trotz doppelwandiger und robuster Ausgestaltung in einem gewissen Maße verbiegbar zu halten (siehe A2-Schrift, Absätze [0009], [0029] und [0030]).
Diese beabsichtigte Wirkung sei in die Formulierung der Aufgabe eingeflossen, nämlich das Rohr hinsichtlich seiner Biegesteifigkeit zu verbessern. Die Benennung der verbesserten Rohreigenschaft als "Biegesteifigkeit" oder "Biegefestigkeit" sei somit im Einzelnen nicht ausschlaggebend für den Offenbarungsgehalt der Beschreibung. Es bestehe kein Widerspruch, weil eine Verbesserung der Biegefähigkeit mit einer Verbesserung der "Biegesteifigkeit" und der "Biegefestigkeit" einhergehe. Diese Begriffe stehen auch wörtlich in der Anmeldung (A2-Schrift, Absatz [0011] und [0030]).
Es sei ganz offensichtlich, dass durch die Ausbildung von Wellen auch im Innenrohr das Gesamtrohr zugleich auch biegefester werde, denn biege man nun das Rohr, werde das Innenrohr zunächst nur sehr gering auf Biegung beansprucht, bis der jeweilige Wellenberg glatt gezogen sei.
Die erteilte Fassung der Aufgabe sowie die geänderte Aufgabe der Hilfsanträge 1 bis 4 erfülle somit die Erfordernisse des Artikels 123(2) EPÜ.
Hilfsantrag 5
Anspruch 1 gemäß Hilfsantrag 5 sei rechtzeitig innerhalb der von der Kammer gesetzten Frist eingereicht worden, so dass sich die Gegenseite darauf habe vorbereiten können. In der erst während der mündlichen Verhandlung eingereichten Seite der Beschreibung sei lediglich die mit "insbesondere" eingeleitete optionale Aufgabe gestrichen worden. Hilfsantrag 5 sei somit zulässig.
Dem Fachmann falle aus den Figuren 4 und 5 unmittelbar ins Auge, dass die äußere Rohrwand deutlich hervorgehoben dicker dargestellt sei als die innere Rohrwand, so dass er den Hinweis erhalte, dass es vorteilhaft sei, die innere Rohrwand dünner auszubilden als die äußere Rohrwand, um dadurch die Biegefähigkeit zu optimieren. Der im Absatz [0033] verwendete Ausdruck "Den Fig. 4 und 5 kann des weiteren entnommen werden?" sei so zu verstehen, dass die in diesem Absatz beschriebenen Rillen der äußeren Rohrwand optional sind. Anspruch 1 gemäß Hilfsantrag 5 erfülle somit die Erfordernisse des Artikels 123(2) EPÜ.
Einwendungen eines Dritten
Die erst am 11. Januar 2013 eingereichten Einwendungen eines Dritten sollten nicht berücksichtigt werden, weil sie verspätet seien.
XI. Die Beschwerdegegnerinnen haben im schriftlichen Verfahren und in der mündlichen Verhandlung im Wesentlichen Folgendes vorgetragen:
Hauptantrag
Bei der Biegesteifigkeit müsse der Lastfall - Biegen in Längsrichtung beim Krümmen der Rohrs oder in Querrichtung beim Darauftreten - unterschieden werden. Die Aufgabe der Erhöhung der Biegesteifigkeit beim Krümmen in Längsrichtung sei nicht nur nicht ursprünglich offenbart, sondern stehe auch im Widerspruch zur Erfindung bei der die Biegefähigkeit erhöht werden solle, was eine geringere Biegesteifigkeit in Längsrichtung des Rohrs voraussetze. Bei der Biegesteifigkeit handele es sich um die Eigenschaft eines Festkörpers, einem Verbiegen einen Widerstand entgegen zu setzen. Auch die Biegesteifigkeit in Querrichtung solle gemäß der Anmeldung in der ursprünglich eingereichten Fassung lediglich nur nicht vermindert werden. Die Aufgabenstellung der Erhöhung der Biegesteifigkeit sei zudem nicht vom Gegenstand des Anspruchs 1 gelöst und auch sonst nicht unmittelbar und eindeutig der Anmeldung in der ursprünglich eingereichten Fassung entnehmbar. Das Streitpatent erfülle somit nicht die Erfordernisse des Artikels 123(2) EPÜ.
Hilfsanträge 1 bis 4
Keines der Merkmale der Erfindung bewirke eine Verbesserung der Biegefestigkeit. Die einzige Verwendung des Begriffs Biegefestigkeit im Absatz [0030] der A2-Schrift sei ein Schreibfehler bezüglich der Biegefähigkeit. Die Aufgabenstellung der Erhöhung der Biegefestigkeit sei somit nicht unmittelbar und eindeutig der Anmeldung in der ursprünglich eingereichten Fassung zu entnehmen. Hilfsanträge 1 bis 4 erfüllten nicht die Erfordernisse des Artikels 123(2) EPÜ.
Hilfsantrag 5
Einen Monat vor der mündlichen Verhandlung sei es zu spät, bisher nicht diskutierte Merkmale aus den Figuren in den Anspruch 1 einzubringen. Außerdem enthalte Hilfsantrag 5 weiterhin formale Mängel, so dass er nicht zulässig sei.
Der Fachmann könne nicht unmittelbar und eindeutig den Figuren 4 und 5 der Anmeldung in der ursprünglich eingereichten Fassung entnehmen, dass die innere Rohrwand dünner als die äußere Rohrwand auszubilden sei. Das Weglassen der Rillen der äußeren Rohrwand stelle zudem eine Zwischenverallgemeinerung gegenüber dem in den Figuren 4 und 5 gezeigten Ausführungsbeispiel dar. Anspruch 1 gemäß Hilfsantrag 5 erfülle somit nicht die Erfordernisse des Artikels 123(2) EPÜ.
1. Artikel 123(2) EPÜ
Artikel 123(2) EPÜ betrifft nicht nur den Gegenstand der Patentansprüche, sondern auch den Gegenstand des europäischen Patents. Deshalb kommt er auch zum Tragen, wenn eine geänderte technische Aufgabe in die Beschreibung aufgenommen wurde (siehe zum Beispiel die Entscheidung T 564/89 vom 10. Februar 1993, Punkt 4.3, vorletzter Satz).
2. Hauptantrag
Die dem Streitpatent zugrunde liegende Anmeldung geht von doppelwandigen Rohren mit einem kreisförmigen Strömungsquerschnitt aus. Letztere haben den Nachteil, dass ein entsprechend groß ausgebildeter Raum zum Verlegen solcher Rohre benötigt wird (Absatz [0003], A2-Schrift). Nach der in der Anmeldung angegebenen Aufgabe soll dieser Nachteil vermieden werden (Absatz [0004], A2-Schrift).
Im Streitpatent wird dem gegenüber eine andere Aufgabe angegeben. Nachteilig an dem in den Druckschriften E3 (einwandiges Wellrohr) und E8 (doppelwandiges Wellrohr) offenbarten Stand der Technik sei dessen zu geringe Biegesteifigkeit (Absätze [0002] bis [0004], B1-Schrift). Deshalb wird im Streitpatent in Absatz [0005] ausgeführt: "Die Aufgabe der Erfindung ist es daher, ein gattungsgemäßes Rohr weiterzubilden und insbesondere hinsichtlich seiner Biegesteifigkeit zu verbessern".
Diese Aufgabe kann im Kontext der in den Absätzen [0002] bis [0004] dargestellten Nachteile des Standes der Technik, d.h. der zu geringen Biegesteifigkeit der bekannten Rohre, vom Fachmann nur so verstanden werden, dass die Verbesserung der Biegesteifigkeit darin besteht, diese zu erhöhen.
Diese steht aber im Widerspruch zu der allgemeinen Lehre des Streitpatents, das Verbiegen des Rohres zu erleichtern - vgl. "einfaches Verbiegen des Rohres", B1-Schrift, Spalte 2, Zeilen 17 bis 20; "eine Verbiegung des Rohres ... nicht behindert wird", Spalte 2, Zeilen 40 bis 44 und Zeilen 47 bis 51; Spalte 7, Zeilen 25 bis 28; "... ein erleichtertes Verbiegen des Rohres ermöglichen", Spalte 3, Zeilen 20 bis 22 und "... Verbesserung der Biegefähigkeit", Spalte 2, Zeilen 51 bis 58.
Denn eine erhöhte Biegesteifigkeit des Rohres bedeutet, dass das Rohr biegesteifer ist und deshalb schwieriger zu biegen ist. Dies ergibt sich aus der dem Fachmann aus seinem Grundlagenwissen bekannten Bedeutung des Begriffs der Biegesteifigkeit als dem Maß für den Widerstand eines Festkörpers gegen eine Verbiegung. Dem Argument der Beschwerdeführerin, dass eine Verbesserung der Biegefähigkeit gleich bedeutend sei mit einer Erhöhung der Biegesteifigkeit, konnte die Kammer deshalb nicht folgen.
Im Streitpatent wie auch bereits in der diesem zugrundeliegenden Anmeldung wird die Erleichterung des Verbiegens des Rohres mit dem auch im kennzeichnenden Teil des Anspruchs 1 (Hauptantrag) stehenden Merkmal in Verbindung gebracht, wonach die innere Rohrwand leicht gewellt ausgebildet ist und über Wellentäler und Wellenberge (23) verfügt,wobei die Wellenberge (23) der inneren Rohrwand (3) in die Wellenberge (5) der äußeren Rohrwand (2) hineinragen (B1-Schrift, Absätze [0009] und [0010]; entsprechend Absätze [0008] und [0009] in der A2-Schrift).
Dass der Fachmann aus den anderen im Anspruch 1 aufgeführten Merkmalen ebenfalls keine Erhöhung der Biegesteifigkeit des Rohrs ableiten könne, wurde von der Beschwerdeführerin nicht bestritten.
Im Streitpatent und der Anmeldung wird die Biegesteifigkeit explizit nur im Zusammenhang mit Rillen der äußeren Rohrwand wie folgt erwähnt: "Gleichzeitig wird aber durch diese Art der Schwächung der äußeren Rohrwand die Biegesteifigkeit der äußeren Rohrwand in Querrichtung nicht vermindert, so dass sich die äußere Rohrwand beim Verbiegen des Rohres nicht ungewünscht verwirft und auch der Widerstand des Rohres gegen äußere Kräfte, beispielsweise durch eine darauf tretende Person, nicht verschlechtert wird" (B1-Schrift, Absatz [0012]; A2-Schrift, Absatz [0011]).
Abgesehen davon, dass es sich hierbei nur um eine Biegung in Querrichtung und somit um eine andere Art der Biegung handelt als das Verbiegen in Längsrichtung, die beim Verlegen des Rohres auftritt, ist diesem Absatz auch nicht zu entnehmen, dass die "Biegesteifigkeit der äußeren Rohrwand in Querrichtung" erhöht werden soll: Es ist nur vom Vermeiden einer verminderten Biegesteifigkeit, nicht jedoch von einer erhöhten Biegesteifigkeit durch das Einbringen der Rillen die Rede. Zudem gibt es auch keinen Hinweis auf einen solchen spezifischen Kontext in der viel allgemeiner gehaltenen neuen Aufgabenstellung des Absatzes [0005] des Streitpatents.
Somit ist für den Fachmann weder aus der ursprünglich eingereichten Fassung der Anmeldung noch aus den Merkmalen des beanspruchten Gegenstands eindeutig und unmittelbar zu erkennen, dass die Erfindung ein aus dem Stand der Technik bekanntes Rohr insbesondere dahingehend weiterbildet, dass sich die Biegesteifigkeit eines solchen Rohres im Sinne einer Erhöhung verbessert.
Die gegenüber der ursprünglich eingereichten Anmeldung neue Aufgabenformulierung des Absatzes [0005] des Streitpatents erfüllt somit nicht die Erfordernisse des Artikels 123(2) EPÜ.
3. Hilfsanträge 1 bis 4
Der gemäß der Hilfsanträge 1 bis 4 geänderte Absatz [0005] des Streitpatents lautet: "Die Aufgabe der Erfindung ist es daher, ein gattungsgemäßes Rohr weiterzubilden und insbesondere hinsichtlich seiner Biegefestigkeit zu verbessern" (Unterstreichung der Änderung von der Kammer hinzugefügt).
Unter Biegefestigkeit versteht der Fachmann auf Grund seines Grundlagenwissens den Wert der geringsten Biegekraft, bei der das Rohr bricht. Die Beschwerde- führerin versteht den Begriff ebenso ("Bei der Biegefestigkeit handelt es sich um einen Wert für einen Grenzwert eines auf Biegung beanspruchten Bauteils. Wird dieser überschritten, tritt der Bruch des Bauteils ein", Beschwerdebegründung, Seite 5, erster Absatz).
Der Begriff "Biegefestigkeit" kommt in der Anmeldung nur ein einziges mal vor, und zwar im Absatz [0030] der A2-Schrift. Dort folgen der Einleitung "Um die Biegefestigkeit des Rohres 1 zu verbessern" die Merkmale "die Wellenberge 23 der inneren Rohrwand 3 derart ausgestaltet sind, dass sie in die Wellenberge 5 der äußeren Rohrwand 2 hineinragen". Diese Merkmale dienen dazu, unerwünschte Verwerfungen der inneren Rohrwand beim Verbiegen der Rohres vermeiden (Absatz [0030], letzter Satz). Wie diese Wirkung erreicht wird, ist in den letzten zwei Sätzen des Absatzes [0009] erklärt. Wie diese Merkmale eine Wirkung auf die "Biegefestigkeit" haben könnten, ist weder in der Anmeldung offenbart noch kann eine solche Wirkung anhand des allgemeinen Fachwissens des Fachmanns nachvollzogen werden.
Dem Argument der Beschwerdeführerin, dass durch die Ausbildung von Wellen auch im Innenrohr das Gesamtrohr zugleich auch biegefester werde, kann die Kammer nicht folgen, weil die hierfür von der Beschwerdeführerin vorgebrachte Tatsache, dass beim Biegen des Rohrs, das Innenrohr "zunächst nur sehr gering auf Biegung beansprucht" wird, "bis der jeweilige Wellenberg glatt gezogen ist", keinen Einfluss auf die Biegefestigkeit hat. Die die Biegefestigkeit bestimmende volle Materialstärke des Rohrs steht (an der Biegeaußenseite) der (dort vorherrschenden Zug-) Belastung erst entgegen, wenn der entsprechende Wellenberg der inneren Rohrwand glatt gezogen ist: die Biegekraft, bei der das Rohr dann bricht, bestimmt die Biegefestigkeit des Rohres. Der Fachmann weiß zudem aus seinem Grundlagenwissen, dass eine Festigkeit durch die Materialeigenschaften und die Größe der lastragenden Fläche bestimmt wird. Das Verhalten der Wellen der inneren Rohrwand bei Beginn der Biegebeanspruchung hat aber keinen Einfluss auf die für die Biegefestigkeit maßgeblichen Parameter des Rohres und ist somit irrelevant.
Deshalb wird der Fachmann auch erkennen, dass der erste Satz des Absatzes [0030], in dem dennoch versucht wird, eine vermeintliche kausale Verbindung zwischen der Biegefestigkeit und der Ausgestaltung der Wellenberge der inneren Rohrwand herzustellen, nicht korrekt sein kann. Durch die Wellenberge der inneren Rohrwand, wird die Biegefestigkeit des Rohres nicht im Sinne einer Erhöhung verbessert. Deshalb kann diese Feststellung nicht als Grundlage für die im Absatz [0005] des Streitpatents neu formulierte Aufgabe dienen.
Beim Lesen der Anmeldung als Ganzes erkennt der Fachmann somit, dass die insbesondere im Absatz [0030] aufgeführten Merkmale, wie auch im Absatz [0009] ausführlich erläutert, der Biegefähigkeit dienen, dass die Biegefestigkeit durch diese Merkmale nicht verbessert wird und dass in der Anmeldung auch keine anderen Merkmale aufgeführt sind, durch die die Biegefestigkeit verbessert wird, und dass, wie von einer der Beschwerdegegnerinnen vorgetragen, es sich somit bei der einzigen Verwendung des Begriffs Biegefestigkeit im Absatz [0030] wohl um einen Schreibfehler handelt und die Biegefähigkeit gemeint ist.
Die geänderte Aufgabenformulierung der Hilfsanträge 1 bis 4, insbesondere die Biegefestigkeit zu verbessern, kann daher nicht unmittelbar und eindeutig der Anmeldung entnommen werden. Deshalb erfüllen diese nicht die Erfordernisse des Artikels 123(2) EPÜ.
4. Hilfsantrag 5
4.1 Zulässigkeit
Gemäß der Verfahrensordnung der Beschwerdekammern (VOBK) müssen die Beschwerdebegründung und die Erwiderung den vollständigen Sachvortrag eines Beteiligten enthalten, Artikel 12(2) VOBK. Ferner steht es im Ermessen der Kammer, Änderungen des Vorbringens nach Einreichung der Beschwerdebegründung oder Erwiderung zuzulassen und zu berücksichtigen, Artikel 13(1) VOBK.
Im vorliegenden Fall ist der Hilfsantrag 5 zugelassen worden, weil die Kammer ihn als Versuch gewertet hat, den in der Anlage zur Ladung zur mündlichen Verhandlung geäußert Zweifeln zu begegnen, er innerhalb der gesetzten Frist eingegangen ist, so dass die Beschwerdegegnerinnen ausreichend Zeit gehabt hatten, sich darauf vorzubereiten und die Änderungen in den Ansprüchen bezüglich Inhalt und Umfang noch überschaubar sind.
4.2 Artikel 123(2) EPÜ
Dem Anspruch 1 wurde im Vergleich zum Anspruch 1 des Hauptantrags unter anderem das Merkmal "wobei die innere Rohrwand (3) dünner ist als die äußere Rohrwand (2)" hinzugefügt.
Figuren 4 und 5 der Anmeldung in der ursprünglich eingereichten Fassung zeigen in einem Detailausschnitt in schematischer Darstellung die äußere und die innere Rohrwand des erfindungsgemäßen Rohres und werden in den Absätzen [0031] bis [0033] der A2-Schrift beschrieben. Hierbei geht es unter anderem darum, dass die äußere Rohrwand 2 mit Bezug auf den Rohrquerschnitt umlaufende Rillen 21 trägt. Diese Rillen erscheinen in den Figuren 4 und 5 als Einkerbungen in dem die äußere Rohrwand 2 darstellenden dicken Strich. Im Vergleich dazu ist die innere Rohrwand 3 mit einer dünneren Strichdicke dargestellt. Zur relativen Wandstärke der inneren und äußere Rohrwand wird in der Anmeldung in der ursprünglich eingereichten Fassung nichts offenbart.
Wenn der den Absatz [0033] einleitende Ausdruck "Den Fig. 4 und 5 kann des weiteren entnommen werden?" im Zusammenhang mit den Ausführungen der Absätze [0031] und [0032] gelesen wird, so wird klar, dass es sich dabei lediglich um die Weiterführung der in den beiden vorangehenden Absätzen begonnenen Beschreibung des Ausführungsbeispiels der Figuren 4 und 5 handelt. Die umlaufenden Rillen der äußeren Rohrwand sind auch an keiner Stelle der Beschreibung als ein optionales Merkmal des in den Figuren 4 und 5 gezeigten Ausführungsbeispiels offenbart.
Somit kann der Fachmann nicht nur nicht unmittelbar und eindeutig der Anmeldung in der ursprünglich eingereichten Fassung entnehmen, dass die innere Rohrwand dünner als die äußere Rohrwand auszubilden ist, sondern auch nicht, dass hierbei die Rillen der äußeren Rohrwand gemäß dem Ausführungsbeispiel der Figuren 4 und 5 als optional anzusehen sind und somit weggelassen werden könnten.
Aus diesen Gründen erfüllt das dem Anspruch 1 gemäß Hilfsantrag 5 hinzugefügte Merkmal "wobei die innere Rohrwand (3) dünner ist als die äußere Rohrwand (2)" nicht die Erfordernisse des Artikels 123(2) EPÜ.
5. Einwendungen eines Dritten
Die für diese Entscheidung relevanten Argumente in den Punkten 2 bis 4 beruhen nur auf dem Offenbarungsgehalt des Streitpatents und seiner zugrundeliegenden Anmeldung in der ursprünglich eingereichten Fassung. Die Kammer hatte daher keinen Anlass sich mit den erst am 11. Januar 2013 per Telefax vorgebrachten Einwendungen eines Dritten auseinanderzusetzen.
Aus diesen Gründen wird entschieden:
Die Beschwerde wird zurückgewiesen.