T 2134/12 (Abhilfe/WACKER CHEMIE) 16-07-2013
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Verfahren zur Herstellung von Isocyanatoorganosilanen
I. Mit der am 14. Mai 2012 zur Post gegebenen Entscheidung wies die Einspruchsabteilung die Europäische Patentanmeldung Nr. 08708186.5 zurück. Am 11. Juli 2012 erhob die Anmelderin gegen diese Entscheidung Beschwerde und bezahlte die Beschwerdegebühr. Mit Schriftsatz vom 8. August 2012 begründete die Anmelderin ihre Beschwerde.
II. Am 27. September 2012 half die Prüfungsabteilung der zulässigen und begründeten Beschwerde in Anwendung von Artikel 109 (1) EPÜ unter Verwendung des Formblatts 2701 ab. Zugleich stellte die Prüfungsabteilung durch Ankreuzen des entsprechenden Feldes des Formblatts fest, dass dem Antrag auf Rückzahlung der Beschwerdegebühr nicht stattgegeben werden könne und die Beschwerdesache der Beschwerdekammer zur Entscheidung vorzulegen sei.
III. Der Anmelderin wurde unter Verwendung des Formschreibens 2710 vom 5. Oktober 2012 mitgeteilt, dass der Beschwerde vom 11. Juli 2012 abgeholfen und die Entscheidung vom 14. Mai 2012 aufgehoben werde. Der Anmelderin wurde weiter durch Ankreuzen des entsprechenden Feldes mitgeteilt, dass dem Antrag auf Rückzahlung der Beschwerdegebühr nicht stattgegeben werden könne und dieser der Beschwerdekammer zur Entscheidung vorgelegt werde.
IV. Mit Entscheidung vom 27. Juni 2013 beschloss die Prüfungsabteilung nach Prüfung der Europäischen Patentanmeldung Nr. 08708186.5 ein Patent zu erteilen.
1. Nach Regel 103 (2) EPÜ ist die Rückzahlung der Beschwerdegebühr im Falle der Abhilfe vom Organ, dessen Entscheidung angefochten wurde, anzuordnen, wenn es die Rückzahlung wegen eines wesentlichen Verfahrensmangels für billig erachtet. In allen anderen Fällen entscheidet die Beschwerdekammer über die Rückzahlung.
2. Regel 103 (2) EPÜ kodifiziert die Rechtsprechung der Juristischen Beschwerdekammer (J 32/95, ABl. EPA 1999, 713) zu Regel 67 EPÜ 1973 (siehe Erläuterungen zur Ausführungsordnung, Sonderausgabe Nr. 1 ABl. EPA 2003, 184). Diese Rechtsprechung wurde wiederum von der Grossen Beschwerdekammer mit Entscheidung G 3/03 (ABl. EPA 2005, 344) bestätigt. Demnach hat das erstinstanzliche Organ, das einer Beschwerde abhilft, zu prüfen, ob die Bedingungen für eine Rückzahlung der Beschwerdegebühr erfüllt sind, und zwar unabhängig davon, ob der Beschwerdeführer tatsächlich einen entsprechenden Antrag gestellt hat. Gelangt das Organ zu dem Schluss, dass die Bedingungen für eine Rückzahlung nicht erfüllt sind, so kann es die Rückzahlung der Beschwerdegebühr nicht anordnen und es hat in seiner Abhilfeentscheidung nach Artikel 109 (1) EPÜ auch nicht auf die Frage der Rückzahlung der Beschwerdegebühr einzugehen. Der Beschwerdeführer wird nach dieser Rechtsprechung durch eine solche Entscheidung nicht beschwert (G 3/03, ABl. EPA 2005, 344, Nr. 3 der Entscheidungsgründe). Wurde die Rückzahlung beantragt, ist das Organ, das die Bedingungen für eine Rückzahlung für nicht erfüllt erachtet, nicht zur Zurückweisung des Antrags befugt. Stattdessen hat es den Antrag den Beschwerdekammern vorzulegen (G 3/03, ABl. EPA 2005, 344, Nr. 3.4 und 4 der Entscheidungsgründe).
3. Im vorliegenden Fall enthalten weder die Beschwerdeschrift vom 11. Juli 2012, noch die Beschwerdebegründung vom 8. August 2012 einen Antrag auf Rückerstattung der Beschwerdegebühr. Der Akte ist auch nicht zu entnehmen, dass ein solcher Antrag in einem späteren Zeitpunkt gestellt wurde. Der vorstehend genannten Rechtsprechung zufolge hätte die Prüfungsabteilung die Beschwerdesache der Kammer somit nicht zur Entscheidung über eine Rückzahlung der Beschwerdegebühr vorlegen sollen. Nach Regel 103 (2) EPÜ war die Prüfungsabteilung zwar verpflichtet zu prüfen, ob sie die Voraussetzungen für die Rückzahlung der Beschwerdegebühr zu Gunsten der Anmelderin als gegeben erachtete. Da die Prüfungsabteilung dies verneinte und auch kein Antrag auf Rückerstattung gestellt war, bedurfte es keiner dahingehenden Feststellung in der Mitteilung vom 5. Oktober 2012. Der fehlerhafte Hinweis in der Mitteilung lässt sich indes nicht als ablehnende Entscheidung verstehen, da der Prüfungsabteilung hierzu die Entscheidzuständigkeit fehlte. Nach erfolgter Abhilfe der Beschwerde durch die Prüfungsabteilung gab es mangels eines mit der Beschwerde gestellten Antrags auf Rückbezahlung auch keinen verfahrensanhängigen Gegenstand mehr, über den die Kammer gesondert hätte entscheiden müssen (vgl. T 242/05 vom 20. September 2006, Nr. 2.1 bis 2.3 der Entscheidungsgründe). Mit Abhilfe der Beschwerde vom 11. Juli 2012 war das Beschwerdeverfahren somit nicht mehr hängig (T 242/05 vom 20. September 2006, Nr. 2.3 der Entscheidungsgründe). Folglich lag der von der Prüfungsabteilung angeordneten Vorlage an die Kammer vom 1. Oktober 2012 zur Entscheidung über die Rückzahlung der Beschwerdegebühr kein Verfahrensgegenstand zugrunde, mit dem die Kammer hätte befasst werden können. In Feststellung dieser Tatsachen hat die Kammer die Zurückverweisung der Vorlagesache an die vorlegende Prüfungsabteilung anzuordnen (siehe hierzu T 242/05 vom 20. September 2006, Nr. 2.3 und 2.4 der Entscheidungsgründe, und T 1703/12 vom 14. März 2013, Nr. 3 und 4; wiewohl die Prüfungsabteilung im vorliegenden Fall nicht über die Zulässigkeit eines Antrags auf Rückzahlung der Beschwerdegebühr zu entscheiden hat, der nach Abhilfe der Beschwerde gestellt wurde, so liegt doch der Abschluss des Erteilungsverfahrens in der Zuständigkeit der Prüfungsabteilung).
ENTSCHEIDUNGSFORMEL
Aus diesen Gründen wird entschieden:
Die Angelegenheit wird an die Vorinstanz zurückverwiesen.