T 0129/13 06-04-2017
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Zusammensetzungen auf Wachsbasis und Verwendung als Körperpflegemittel
Patentansprüche - Klarheit
Patentansprüche - Alle Anträge (nein)
I. Die Beschwerde der Beschwerdeführerin (Anmelderin) richtet sich gegen die Entscheidung der Prüfungsabteilung vom 20.8.12, mit der die europäische Patentanmeldung Nr. 06 003 669.6 zurückgewiesen wurde.
II. Der Wortlaut des Anspruchs 1 gemäß des Hauptantrages lautet wie folgt:
"1. Zusammensetzung auf Wachsbasis mit einem Schmelzpunkt oberhalb 25°C enthaltend
a) 1 - 50 Gew.-% wenigstens einer Öl- oder Wachskomponente ausgewählt aus C14-C30-Dialkyl(en)ethern, C9-C34-Dicarbonsäuren oder C12-C30-Hydroxyfettalkoholen oder einem beliebigen Gemisch dieser Substanzen,
b) 0,1 - 5 Gew.-% wenigstens eines Wirkstoffes,
c) 1 - 10 Gew.-% wenigstens eines Öls,
d) 0,1 - 10 Gew.-% wenigstens eines Emulgators,
e) 5 - 90 Gew.-% weiterer Wachskomponenten und
f) 0 - 5 Gew.-% Wasser."
III. In ihrer Entscheidung hatte die Prüfungsabteilung festgestellt, dass der Gegenstand des Anspruchs 1 gemäß Hauptantrag nicht den Erfordernissen des Artikels 76(1) EPÜ genüge, dass der Gegenstand des Anspruchs 1 der damaligen Hilfsanträge 1 und 2 nicht deutlich sei im Sinne von Artikel 84 EPÜ und der Gegenstand des Anspruchs 1 der damaligen Hilfsanträge 3 und 4 nicht die Erfordernisse des Artikels 123(2) EPÜ erfülle.
IV. Die Beschwerdeführerin reichte im Beschwerdeverfahren den Hauptantrag des Prüfungsverfahrens (siehe Paragraph II supra), sowie 17 neue Hilfsanträge ein.
a) Der Wortlaut des Anspruchs 1 gemäß dem 1. Hilfsantrag beruht auf dem Wortlaut des Anspruchs 1 gemäß Hauptantrag, wobei Dialkyl(en)ether, Dialkyl(en)carbonate, Dicarbonsäuren und Hydroxyfettalkohole nicht unter die Öle gemäß Merkmal c) fallen und wobei, wenn Dialkyl(en)carbonate Bestandteil der Zusammensetzung sind, die Menge an den Dialkyl(en)ethern, Dialkyl(en)carbonaten, Dicarbonsäuren und Hydroxyfettalkoholen insgesamt im Bereich von 1-30 Gew.-%, bezogen auf die Gesamtzusammensetzung liegt.
b) Der Wortlaut des Anspruchs 1 gemäß dem 2. Hilfsantrag beruht auf dem Wortlaut des Anspruchs 1 gemäß 1. Hilfsantrag, wobei die Zusammensetzung als "Beschichtungszusammensetzung [...] für Tissuepapiere und Wet Wipes" definiert wurde.
c) Der Wortlaut des Anspruchs 1 gemäß dem 3. Hilfsantrag beruht auf dem Wortlaut des Anspruchs 1 gemäß 2. Hilfsantrag, wobei die Zusammensetzung als "Wachsartige Beschichtungszusammensetzung [...] für Tissuepapiere und Wet Wipes" definiert wurde.
d) Der Wortlaut des Anspruchs 1 gemäß dem 4. Hilfsantrag beruht auf dem Wortlaut des Anspruchs 1 gemäß 1. Hilfsantrag, wobei die Zusammensetzung "zur Impregnierung und Benetzung von Gebrauchs- und Hygienetüchern" definiert wurde.
e) Der Wortlaut des Anspruchs 1 gemäß dem 5. Hilfsantrag beruht auf dem Wortlaut des Anspruchs 1 gemäß 4. Hilfsantrag, wobei die Zusammensetzung als "Beschichtungszusammensetzung" definiert wurde.
f) Der Wortlaut des Anspruchs 1 gemäß dem 6. Hilfsantrag beruht auf dem Wortlaut des Anspruchs 1 gemäß 5. Hilfsantrag, wobei die Zusammensetzung als "Wachsartige Beschichtungszusammensetzung" definiert wurde.
g) Der Wortlaut des Anspruchs 1 gemäß dem 7. Hilfsantrag beruht auf dem Wortlaut des Anspruchs 1 gemäß 1. Hilfsantrag, wobei der Wirkstoff gemäß Merkmal b) "zum Schutz der Haut und zur Stärkung der Hautbarriere beiträgt und reizlindernd, antimikrobiell oder hautbefeuchtend wirkt".
h) Der Wortlaut des Anspruchs 1 gemäß dem 8. Hilfsantrag beruht auf dem Wortlaut der Ansprüche 1 gemäß 7. und 2. Hilfsantrag.
i) Der Wortlaut des Anspruchs 1 gemäß dem 9. Hilfsantrag beruht auf dem Wortlaut der Ansprüche 1 gemäß 7. und 3. Hilfsantrag.
j) Der Wortlaut des Anspruchs 1 gemäß dem 10. Hilfsantrag beruht auf dem Wortlaut der Ansprüche 1 gemäß 7. und 4. Hilfsantrag.
k) Der Wortlaut des Anspruchs 1 gemäß dem 11. Hilfsantrag beruht auf dem Wortlaut der Ansprüche 1 gemäß 7. und 5. Hilfsantrag.
l) Der Wortlaut des Anspruchs 1 gemäß dem 12. Hilfsantrag beruht auf dem Wortlaut der Ansprüche 1 gemäß 7. und 6. Hilfsantrag.
m) Der Wortlaut des Anspruchs 1 gemäß dem 13. Hilfsantrag richtet sich auf Gebrauchs- oder Hygienetücher, die mit einer Zusammensetzung gemäß Anspruch 1 des 1. Hilfsantrages imprägniert sind.
n) Der Wortlaut des Anspruchs 1 gemäß dem 14. Hilfsantrag richtet sich auf Gebrauchs- oder Hygienetücher, die mit einer Zusammensetzung gemäß Anspruch 1 des 7. Hilfsantrages imprägniert sind.
o) Der Wortlaut des Anspruchs 1 gemäß dem 15. Hilfsantrag richtet sich auf die Verwendung einer Zusammensetzung gemäß Anspruch 1 des 1. Hilfsantrages zur Imprägnierung und Benetzung von Gebrauchs- und Hygienetüchern.
p) Der Wortlaut des Anspruchs 1 gemäß dem 16. Hilfsantrag richtet sich auf die Verwendung einer Zusammensetzung gemäß Anspruch 1 des 7. Hilfsantrages zur Imprägnierung und Benetzung von Gebrauchs- und Hygienetüchern.
q) Der Wortlaut des Anspruchs 1 gemäß dem 17. Hilfsantrag beruht auf dem Wortlaut des Anspruchs 1 gemäß 1. Hilfsantrag, wobei die Zusammensetzung zusätzlich dadurch charakterisiert ist, dass sie im Bereich von 30-45°C schmilzt.
V. Die Beschwerdeführerin brachte vor, dass der Gegenstand der Ansprüche gemäß aller Anträge nur Änderungen enthalte, welche den Erfordernissen der Artikel 76(1) und 123(2) EPÜ genügten. Der Fachmann finde in der Beschreibung der Streitanmeldung alle nötigen Informationen darüber, welche spezifischen chemischen Substanzen und Substanzklassen jeweils den einzelnen Komponenten der beanspruchten Zusammensetzung, insbesondere den Komponenten a), b) und c), zuzuordnen seien. Daher sei der von der Prüfungsabteilung angeführte Einwand der mangelnden Klarheit im Sinne von Artikel 84 EPÜ nicht zutreffend.
VI. Die Beschwerdeführerin beantragte die Aufhebung der angefochtenen Entscheidung und die Erteilung eines Patents auf der Grundlage des Hauptantrags wie eingereicht vor der Prüfungsabteilung, oder hilfsweise auf der Grundlage eines der 1. bis 16. Hilfsanträge, alle eingereicht mit Schriftsatz vom 28 Dezember 2012, oder weiter hilfsweise auf der Grundlage des 17. Hilfsantrags, eingereicht mit Schriftsatz vom 6 März 2017.
VII. Am Ende der mündlichen Verhandlung am 6. April 2017 vor der Kammer wurde die Entscheidung verkündet.
1. Die Beschwerde ist zulässig.
Hauptantrag
2. Änderungen
Die im Prüfungsverfahren eingereichten Änderungen wurden teilweise von der Prüfungsabteilung im Hinblick auf die Erfordernisse der Artikel 76(1) EPÜ, sowie Artikel 123(2) EPÜ gerügt. Angesichts der negativen Beurteilung des Artikels 84 EPÜ, welche alle im Verfahren befindlichen Anträge gleichermaßen betrifft, kann eine Entscheidung der Kammer zur Zulässigkeit der Änderungen dahinstehen.
3. Klarheit (Artikel 84 EPÜ)
3.1 In der angefochtenen Entscheidung hatte die Prüfungsabteilung gerügt, dass der Gegenstand des Anspruchs 1 nicht klar definiert sei im Sinne von Artikel 84 EPÜ.
3.2 Artikel 84 EPÜ in Verbindung mit Regel 43 (1) EPÜ fordert, dass die Ansprüche deutlich sind und die technischen Merkmale des Gegenstandes angeben, für den Schutz begehrt wird. Dadurch wird gewährleistet, dass die Öffentlichkeit nicht im Unklaren darüber bleibt, welcher Gegenstand von den Ansprüchen umfasst wird und welcher nicht. Daraus folgt, dass Ansprüche als nicht deutlich im Sinne von Artikel 84 EPÜ anzusehen sind, wenn sie nicht erlauben, diese Unterscheidung zu treffen (siehe T 337/95, ABl. EPA 1996, 628, Punkte 2.2 bis 2.5 der Entscheidungsgründe). Ansprüche, die ein undeutliches technisches Merkmal enthalten, schaffen indessen Unklarheit über den tatsächlich von den Ansprüchen umfassten Gegenstand. Wegen dieses Mangels an Rechtssicherheit gelten solche Ansprüche als nicht deutlich im Sinne von Artikel 84 EPÜ.
3.3 Im vorliegenden Fall wird die in Anspruch 1 des Hauptantrages beanspruchte Zusammensetzung als Mischung von mehreren unterschiedlichen Substanzklassen in spezifischen Mengenverhältnissen definiert.
3.3.1 So soll eine anspruchsgemäße Zusammensetzung u.a. als Komponente a) eine Öl- oder Wachskomponente ausgewählt aus C14-C30-Dialkyl(en)ethern, C9-C34-Dicarbonsäuren oder C12-C30-Hydroxyfettalkoholen und Mischungen davon in einer Menge von 1 bis 50 Gew.-% enthalten. Daneben enthält sie als Komponente b) einen oder mehrere Wirkstoffe in einer Menge von 0,1 bis 5 Gew.-%.
3.3.2 Die Verbindung "Cetylglycol" ist identisch mit Hexadecan-1,2-diol, welches einen Hydroxyfettalkohol mit 16 Kohlenstoffatomen darstellt und damit der Definition der Komponente a) des Anspruchs 1 entspricht. Wie bereits von der Prüfungsabteilung festgestellt, ist auf dem Gebiet der Kosmetik diese Substanz auch als "Emollient" bekannt, welches eine hautbefeuchtende und reizlindernde Wirkung besitzt. Somit fällt Cetylglycol auch in die Definition der Komponente b) des Anspruchs 1.
3.3.3 Eine ähnliche Problematik ergibt sich im Falle von Mandelöl, welches unzweifelhaft ein Öl im Sinne der Definition der Komponente c) des Anspruchs 1 darstellt. Gleichzeitig hat Mandelöl, wie von der Beschwerdeführerin eingeräumt, eine reizlindernde und hautpflegende Wirkung und fällt damit als Wirkstoff unter die Definition der Komponente b) des Anspruchs 1.
3.3.4 Daher könnte der Fachmann im Falle einer beispielhaften Zusammensetzung bestehend aus 45 Gew.-% einer C9-C34-Dicarbonsäure, 5 Gew.-% Cetylglycol, 1 Gew.-% Mandelöl, 2 Gew.-% Emulgator, 45 Gew.-% Paraffinwachs und 2 Gew.-% Wasser nicht eindeutig entscheiden, ob sie unter die Definition des Anspruchs 1 fällt, oder nicht. Ginge er von der Annahme aus, dass Cetylglycol als hautbefeuchtender und reizlindernder Wirkstoff gemäß Komponente b) enthalten ist, so muss das Mandelöl als Öl-Komponente c) eingesetzt sein. Dieser Interpretation entsprechend würde der Fachmann diese Mischung als eine Zusammensetzung gemäß Anspruch 1 anerkennen. Würde der Fachmann jedoch andererseits das Cetylglycol als C16-Hydroxyfettsäure der Komponente a) zuordnen, so könnte das Mandelöl entweder nur als Öl-Komponente c) oder als Wirkstoff b) fungieren, wobei dann aber in beiden Fällen jeweils eine der Komponenten b) oder c) fehlen würde. Der Fachmann würde daher die selbe Mischung als nicht anspruchsgemäß interpretieren.
3.4 Da der Fachmann somit nicht eindeutig entscheiden kann, wann eine derartige Zusammensetzung in den beanspruchten Bereich fällt oder nicht, ist der Anspruch nicht deutlich im Sinne des Artikels 84 EPÜ.
3.5 Der Beschwerdeführer brachte vor, dass im Falle eines undeutlichen Anspruchs der Fachmann lediglich die Beschreibung heranzuziehen bräuchte. Die Beschreibung gebe dem Fachmann ausreichende Informationen darüber, welche spezifischen Substanzen und Substanzklassen für die jeweiligen Komponenten a) bis e) eingesetzt werden können.
Indessen ist festzustellen, dass die Beschreibung bei der Auslegung der Ansprüche nur zur Bestimmung des Schutzbereiches herangezogen werden kann. Für die in Artikel 84 EPÜ geforderte Deutlichkeit, mit welcher der Anspruch den Gegenstand angeben muss, der durch den Anspruch geschützt werden soll, ist jedoch ausschließlich der Wortlaut des Anspruchs ausschlaggebend (T 412/03, nicht veröff. im ABl. EPA, Entscheidungsgründe Punkt 2.4.1). Darüber hinaus ist festzustellen, dass die Beschreibung keine abschließende Aufzählung der einsetzbaren Substanzen enthält, weshalb der Fachmann auch nicht davon abgehalten wäre, die ihm bekannten Verbindungen, wie z.B. Mandelöl, mit den ihm bekannten Eigenschaften als Öl oder als reizlindernden Wirkstoff einzusetzen. Folglich kann dieses Argument der Beschwerdeführerin nicht durchgreifen.
3.6 Daher kommt die Kammer zu dem Schluss, dass der Gegenstand des Anspruchs 1 gemäß Hauptantrag nicht deutlich ist im Sinne von Artikel 84 EPÜ.
Hilfsanträge
4. Hilfsanträge 1 bis 6, 13, 15 und 17
4.1 In den Hilfsanträgen 1 bis 6, 13, 15 und 17 ist der Wortlaut in Bezug auf die Merkmale a) und b) identisch mit dem Wortlaut in Anspruch 1 des Hauptantrages.
4.2 Der geänderte Wortlaut in Bezug auf die Komponente c) ist in allen Hilfsanträgen gleich, wobei zur engeren Definition des "Öls" gegenüber dem Hauptantrag beansprucht wird, dass Dialkyl(en)ether, Dialkyl(en)carbonate, Dicarbonsäuren oder Hydroxyfettalkohole nicht unter die Definition der Komponente c) fallen. Diese Änderung stellt lediglich klar, dass beispielsweise "Cetylglycol", ein Hydroxyfettalkohol entsprechend der Definition der anspruchsgemäßen Komponente a), nicht als Öl im Sinne der Komponente c) eingesetzt werden kann. Es berührt jedoch nicht die in Paragraph 3.3.3 supra angesprochene Problematik, die sich durch die undeutliche Abtrennung der Komponente a) von dem Wirkstoff b) ergibt.
4.3 Daher sind die Änderungen von Anspruch 1 gemäß der Hilfsanträge 1 bis 6, 13, 15 und 17 nicht geeignet, den Einwand unter Artikel 84 EPÜ zu beheben.
5. Hilfsanträge 7 bis 12, 14 und 16
5.1 Die Definition der Merkmale a) und c) in Anspruch 1 der Hilfsanträge 7 bis 12, 14 und 16 ist identisch mit dem Wortlaut des Anspruchs 1 der Hilfsanträge 1 bis 6, 13, 15 und 17. Insofern trifft die unter Paragraph 4.2 vorgebrachte Argumentation ebenfalls für Anspruch 1 der Hilfsanträge 7 bis 12, 14 und 16 zu.
5.2 In Anspruch 1 der Hilfsanträge 7 bis 12, 14 und 16 wird in Merkmal b) ein Wirkstoff definiert, der "zum Schutz der Haut und zur Stärkung der Hautbarriere beiträgt und reizlindernd, antimikrobiell oder hautbefeuchtend wirkt". Da diese engere Definition des Wirkstoffs b) sowohl auf Mandelöl, als auch auf Cetylglycol zutrifft, bleibt auch diesbezüglich die Argumentation, wie für den Hauptantrag in Paragraph 3. supra vorgetragen, unverändert.
6. Daher kommt die Kammer zu dem Schluss, dass für den Gegenstand des Anspruchs 1 aller Hilfsanträge die gleiche Argumentation gilt, wie für den Hauptantrag, mit der Folge, dass auch deren Gegenstand nicht deutlich ist im Sinne von Artikel 84 EPÜ.
Aus diesen Gründen wird entschieden:
Die Beschwerde wird zurückgewiesen.