T 1905/13 18-02-2016
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Verfahren und Vorrichtung zur Datenerfassung
Patentansprüche - Klarheit im Einspruchsverfahren
Patentansprüche - Befugnis zur Prüfung
I. Die Beschwerde richtet sich gegen die Entscheidung der Einspruchsabteilung, mit der das europäische Patent Nr. 1180909 widerrufen wurde.
II. Die Patentinhaberin (Beschwerdeführerin) beantragte in der Beschwerdebegründung, die angefochtene Entscheidung aufzuheben und das Patent gemäß der Anspruchsfassung, die der angefochtenen Entscheidung zugrunde lag, oder hilfsweise gemäß einem mit der Beschwerdebegründung eingereichten Hilfsantrag aufrecht zu erhalten. Mit Schreiben vom 31. Juli 2015 beantragte die Beschwerdeführerin, die angefochtene Entscheidung aufzuheben und das Patent in der erteilten Fassung (Hauptantrag), hilfsweise in einer bereits im Einspruchsverfahren mit Schreiben vom 24. Juni 2011 eingereichten Anspruchsfassung (erster Hilfsantrag), weiterhin hilfsweise in einer im Einspruchsverfahren mit Schreiben vom 23. August 2012 eingereichten Anspruchsfassung (zweiter Hilfsantrag) oder in einer weiteren, zusammen mit dem Schreiben vom 31. Juli 2015 eingereichten Anspruchsfassung (dritter Hilfsantrag) aufrecht zu erhalten. Hilfsweise wurde die Anberaumung einer mündlichen Verhandlung beantragt, falls die Kammer nicht beabsichtige, die Entscheidung der Einspruchsabteilung aufzuheben.
III. Die Beschwerdegegnerin (Einsprechende) beantragte in der Beschwerdeerwiderung, die Beschwerde zurückzuweisen oder hilfsweise eine mündliche Verhandlung anzuberaumen. Mit Schreiben vom 9. Februar 2016 nahm die Beschwerdegegnerin den Antrag auf mündliche Verhandlung zurück, sofern die Angelegenheit von der Kammer an die Vorinstanz zurückverwiesen werden sollte.
IV. Anspruch 1 in der erteilten Fassung lautet:
"Verfahren zur Datenerfassung von Daten dezentral angeordneter Datenerfassungsgeräte, mit mindestens einem Datenerfassungsgerät (PGxy) und mindestens einer Zwischenstation (SGx), wobei
die Daten mittels des mindestens einen Datenerfassungsgeräts (PGxy) erfaßt und über erste Kommunikationswege (4) an die mindestens eine Zwischenstation (SGx) weitergeleitet werden, und wobei
die Daten in vorbestimmbaren Zeitabständen und während eines vorbestimmbaren Zeitfensters von dem Datenerfassungsgerät (PGxy) übertragen werden, und
daß das mindestens eine Datenerfassungsgerät (PGxy) der mindestens einen Zwischenstation (SGx) automatisch zugeordnet wird, und
daß die mindestens eine Zwischenstation (SGx) nur während des vorbestimmbaren Zeitfensters und nach dem vorbestimmbaren Zeitabstand des jeweiligen der Zwischenstation (SGx) zugeordneten Datenerfassungsgeräts (PGxy) auf Datenempfang geschaltet wird, dadurch gekennzeichnet,
daß mehrere Zwischenstationen (SG1..n) vorhanden sind,
zwischen denen bidirektionale zweite Kommunikationswege (3) bestehen, und
daß den mehreren Zwischenstationen (SG1..n) zum Aufbau eines ersten Netzwerks (N1) eine eindeutige Netzwerkadresse und eindeutige Geräteadressen zugeordnet werden."
Anspruch 1 des ersten Hilfsantrags ist bis vor "dadurch gekennzeichnet" identisch mit dem Anspruch 1 in der erteilten Fassung und lautet dann weiter:
"und daß mehrere Zwischenstationen (SG1..n) vorhanden sind,
dadurch gekennzeichnet,
daß zwischen den mehreren Zwischenstationen (SG1..n) bidirektionale zweite Kommunikationswege (3) bestehen, und
daß den mehreren Zwischenstationen (SG1..n) zum Aufbau eines ersten Netzwerks (N1) eine eindeutige Netzwerkadresse und eindeutige Geräteadressen zugeordnet werden, und
daß die Daten von den Datenerfassungsgeräten (PGxy) über erste unidirektionale drahtlose Kommunikationswege (4) gesendet werden,
daß die Zwischenstationen (SG1..n) die Empfangspegel und die Daten der Datenerfassungsgeräte (PGxy) messen bzw. empfangen und speichern,
daß die Zwischenstationen (SG1..n) die Daten und die Empfangspegel der Datenerfassungsgeräte (PGxy) über die bidirektionalen zweiten Kommunikationswege (3) untereinander austauschen, und
daß die automatische Zuordnung der jeweiligen Datenerfassungsgeräte (PGxy) zu der entsprechenden Zwischenstation (SGx) des ersten Netzwerks (N1) aufgrund der jeweiligen Empfangspegel der Datenerfassungsgeräte (PGxy) und der Anzahl von Datenerfassungsgeräten (PGxy) pro Zwischenstation (SGx) durchgeführt wird".
Anspruch 1 des zweiten Hilfsantrags unterscheidet sich von Anspruch 1 des ersten Hilfsantrags durch die folgenden, zwischen "zugeordnet werden," und "und daß die Daten von den Datenerfassungsgeräten..." eingefügten Merkmale:
wobei sich die Zwischenstationen (SG1..n) des ersten Netzwerks (N1) selbständig eine Netzwerkadresse und Geräteadressen zuordnen, indem
a) in jeder Zwischenstation (SGx) während eines Installationsmodus ein Zähler aktiviert wird,
b) eine erste Zwischenstation (SGx+1) und eine zweite Zwischenstation (SGx+2) ihre Zählerstände miteinander vergleichen und
c) die Zwischenstation mit dem höheren Zählerstand der Zwischenstation mit dem niedrigeren Zählerstand die Netzwerkadresse und eine Geräteadresse zuteilt, bis sukzessive alle Zwischenstationen (SG1..n) eines Netzwerks eine einheitliche Netzwerkadresse und eineindeutige Geräteadressen aufweisen,".
Anspruch 1 des dritten Hilfsantrags unterscheidet sich von Anspruch 1 des zweiten Hilfsantrags dadurch, dass in dem Merkmal a) nach "Installationsmodus" die Worte "beim manuellen Start des Installationsmodus" eingefügt sind.
1. Der Widerruf des Patents wurde ausschließlich damit begründet, dass der Anspruch 1 des einzigen, mit Schreiben vom 23. August 2012 eingereichten Antrags (jetzt der zweite Hilfsantrag) nicht das Erfordernis der Klarheit (Artikel 84 EPÜ) erfüllt.
2. Mit dem Hauptantrag verfolgt die Beschwerdeführerin die Zurückweisung des Einspruchs, d.h. die Aufrechterhaltung des Patents in der erteilten Fassung.
Die Kammer macht im Hinblick auf den Stand des Verfahrens von ihrem Ermessen gemäß Artikel 13 (1) der Verfahrensordnung der Beschwerdekammern Gebrauch und lässt den Hauptantrag, der erst nach der Beschwerdebegründung gestellt wurde, in das Verfahren zu.
Der Artikel 84 EPÜ ist kein Einspruchsgrund, und folglich kann das Patent in der erteilten Fassung nicht auf die Erfüllung der Erfordernisse des Artikels 84 EPÜ überprüft werden. Der Grund für die angefochtene Entscheidung ist daher entfallen. Die Entscheidung ist daher aufzuheben.
3. Zurückverweisung
Die Einspruchsabteilung hat zwar in der Mitteilung zur Ladung zur mündlichen Verhandlung zu den vorgebrachten Einspruchsgründen der mangelnden Neuheit bzw. erfinderischen Tätigkeit vorläufig Stellung bezogen. Sie hat jedoch in der mündlichen Verhandlung den Parteien keine Gelegenheit gegeben, sich zu diesen Gründen zu äußern und hat auch in der angefochtenen Entscheidung sich nicht mit diesen Einspruchsgründen befasst. Daher erachtet es die Kammer als angebracht, dass die Angelegenheit an die Vorinstanz zur weiteren Entscheidung, insbesondere zur Prüfung der vorgebrachten Einspruchsgründe zurückverwiesen wird (Artikel 111 (1) EPÜ).
4. Die Kammer weist im übrigen darauf hin, dass Einwände unter Artikel 84 EPÜ im Einspruchsverfahren nur erhoben werden dürfen, insofern sie durch Änderungen, die ein Patentinhaber im Laufe des Einspruchsverfahrens vorgenommen hat, herbeigeführt wurden. Diese Prüfungspraxis ist durch G 3/14 vom 24 März 2015 als einheitliche Rechtsanwendung gesichert worden.
Der Anspruch 1 des ersten Hilfsantrags enthält die Merkmale der erteilten Ansprüche 1 und 4. Weiterhin enthält der Anspruch 1 des zweiten Hilfsantrags, welcher gleichlautend ist mit dem Anspruch 1 des Antrags, der der angefochtenen Entscheidung zu Grunde lag, alle Merkmale der erteilten Ansprüche 1, 3 und 4. Abgesehen von syntaktischen Anpassungen bei der Integration der Merkmale des erteilten Anspruchs 4 bzw. der erteilten Ansprüche 3 und 4 in den Anspruch 1 sind keine weiteren Änderungen vorgenommen worden. Folglich ist die Einspruchsabteilung nicht befugt, den jeweiligen Anspruch 1 des ersten und des zweiten Hilfsantrags hinsichtlich der Erfordernisse des Artikels 84 EPÜ zu überprüfen. Eine Befugnis zur Prüfung auf die Erfordernisse des Artikels 84 EPÜ ergibt sich nur für den dritten Hilfsantrag und nur insoweit, als eine Nichterfüllung dieser Vorschrift des EPÜ durch die vorgenommenen weiteren Änderungen (siehe oben, Punkt IV, letzter Absatz) herbeigeführt wird.
Aus diesen Gründen wird entschieden:
1. Die angefochtene Entscheidung wird aufgehoben.
2. Die Angelegenheit wird an die Vorinstanz zur weiteren Entscheidung zurückverwiesen.