T 0541/14 (Filtereineheit mit konischem Gewinde/MANN+HUMMEL) 13-04-2018
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Filtereinheit mit einem konischen Gewinde
Einspruchsgründe
Neuheit - Hauptantrag (ja)
Erfinderische Tätigkeit - Hauptantrag (ja)
I. Die Beschwerde richtet sich gegen die Entscheidung der Einspruchsabteilung, den Einspruch gegen Europäische Patent Nr. 2 241 365 zurückzuweisen. Das Patent betrifft eine Filtereinheit mit konischem Gewinde.
II. Der einzige unabhängige Anspruch des erteilten Patents hat folgenden Wortlaut:
"Filtereinheit (100') mit wenigstens einem Gehäuseelement (40') und einem darin einsetzbaren, zylindrischen Filterelement (10') welches endseitig jeweils durch eine Endscheibe (14') verbunden ist, wobei ein Gehäuseboden (41') einen Absatz (42') mit einem Außengewinde (46') aufweist und das Filterelement (10') an wenigstens einer Endscheibe ein Innengewinde (16') aufweist, wobei das Innengewinde und das Außengewinde jeweils konisch ausgebildet und miteinander in Eingriff zu bringen sind."
Die abhängigen Ansprüche 2 bis 7 betreffen besondere Ausführungsformen der Filtereinheit nach Anspruch 1.
III. In ihrer Entscheidung kam die Einspruchsabteilung u.a. zu dem Schluss, dass der Gegenstand von Anspruch 1 neu sei gegenüber
D6: US 6 780 316 B2.
Die erfinderische Tätigkeit wurde von der Einspruchsabteilung bejaht, insbesondere ausgehend von D6 oder einem der folgenden Dokumente als nächstliegendem Stand der Technik:
D8: US 6 569 329 B1
D9: US 5 667 768 A.
IV. Im Verfahren vor der Einspruchsabteilung wurden noch folgende Dokumente zitiert:
D4: Deutsche Norm DIN EN 10226-1
D5: Europäische Norm EN 10226-2
D7: Amstead, B.H. et al., Manufacturing Processes, 572 bis 575
D10: EP 1 029 195 B1
D11: US 4 610 467 A
D12: US 7 077 955 B1
D13: US 5 676 719 A
D14: US 5 645 011 A.
Gegen die Entscheidung der Einspruchsabteilung legte die Einsprechende (Beschwerdeführerin) Beschwerde ein.
V. Mit ihrer Beschwerdeerwiderung reichte die Patentinhaberin (Beschwerdegegnerin) sieben Hilfsanträge ein.
VI. Mit Schreiben vom 21. Februar 2018 reichte die Beschwerdegegnerin die Hilfsanträge 2b bis 2e ein.
VII. Die Beschwerdeführerin trug im Wesentlichen wie folgt vor:
Der Gegenstand von Anspruch 1 des Patents in seiner erteilten Fassung sei nicht neu gegenüber D6. Es mangele ihm auch an einer erfinderischen Tätigkeit ausgehend von D6, D8 oder D9 in Verbindung mit einem der Dokumente D4, D5 und D7 bzw. dem dort dargestellten allgemeinen Fachwissen hinsichtlich doppeltkonischer Gewindeverbindungen oder in Verbindung mit einem der Dokumente D10 bis D14.
VIII. Die Beschwerdegegnerin trug im Wesentlichen wie folgt vor:
Der Gegenstand von Anspruch 1 sei neu gegenüber D6 und auch nicht nahegelegt ausgehend von einem der Dokumente D6, D8 oder D9. Doppeltkonische Gewinde seien dem Fachmann im Bereich von Verbindungen, welche hohen Drücken standhalten müssten, bekannt. Der Fachmann, welcher eine Gewindeverbindung in einer Trinkwasserflasche wie in D8 verbessern wollte, würde jedoch keine Lösungen im Bereich von derartigen Verbindungen suchen.
IX. Anträge
Die Beschwerdeführerin beantragte die Aufhebung der angefochtenen Entscheidung und den Widerruf des Patents.
Die Beschwerdegegnerin beantragte die Zurückweisung der Beschwerde, hilfsweise die Aufrechterhaltung des Patents auf der Grundlage eines der Hilfsanträge 1 oder 2, eingereicht mit der Beschwerdebegründung, der Hilfsanträge 2b bis 2e, eingereicht mit Schreiben vom 21. Februar 2018, oder der Hilfsanträge 3 bis 7, eingereicht mit der Beschwerdebegründung, aufrecht zu erhalten.
1. Hauptantrag - Neuheit
1.1 Nach Ansicht der Beschwerdeführerin sei das Merkmal, wonach das Innengewinde und das Außengewinde jeweils konisch ausgebildet seien, in D6 durch den Ausdruck "threaded pipe end or fitting" und die Tatsache offenbart, dass es sich bei D6 um ein druckbeaufschlagtes fluidführendes System handele. Sie verweist hierzu auf D4, D5 und D7.
Dieses Argument überzeugt nicht. Selbst wenn man das System nach D6 als druckbeaufschlagtes fluidführendes System im Sinne der Normen D4 und D5 betrachtete, so ergibt sich hieraus nicht zwingend, dass die Gewindeverbindung in D6 doppeltkonisch ausgebildet ist. So offenbaren weder D4 noch D5 noch D7, dass bei druckbeaufschlagten fluidführenden Systemen Gewindeverbindungen zwingend doppeltkonisch ausgebildet sein müssen, um die erforderliche Dichtigkeit zu erzielen. Darüber hinaus wird diese Dichtigkeit in D6 durch O-Ringe (Bezugsziffern 8 und 9 in Abbildung 1) gewährleistet, was ebenfalls gegen eine implizite Offenbarung eines doppeltkonischen Gewindes in D6 spricht.
1.2 Die Kammer ist auch der Ansicht, dass D6 das Merkmal, wonach der Gehäuseboden einen Absatz mit einem Außengewinde aufweist, nicht offenbart. So weist das Gehäuse (umfassend Grundteil 2 mit Wand 18 und Sockel 15 sowie Abdeckung 4) in D6 einen Boden (gewölbtes unteres Teil des Sockels 15) auf, der nach innen gewölbt und in der Mitte eben ist, wobei in einer Öffnung in seiner Mitte ein Anschlussstück (10,11) angebracht ist. Dieses Anschlussstück ist mit einem Trägerelement (2a) verbunden, das wiederum mit einem sich nach oben erstreckenden Verbindungsstück (5) versehen ist (vgl. Spalte 2, Zeilen 58 ff). Zwar könnte das obere Ende des Anschlussstücks (10,11) noch als "Absatz", den der Gehäuseboden aufweist, angesehen werden. Allerdings ist die Kammer nicht davon überzeugt, dass der Fachmann auch das Verbindungsstück (5) als "Absatz" in diesem Sinne ansehen würde. Allenfalls stellt dieses Verbindungsstück (5) einen Absatz im Trägerelement (2a) dar, welches jedoch nicht der Boden des Gehäuses (bzw. des Gehäusesockels (15)) ist. Insofern überzeugt das Argument der Beschwerdeführerin nicht, wonach jedes Element, welches mit dem Gehäuseboden in Abbildung 1 von D6 in Verbindung stehe, als "Absatz" im Sinne von Anspruch 1 angesehen werden könne.
1.3 D6 offenbart daher zumindest weder das Merkmal, wonach das Innen und das Außengewinde jeweils konisch ausgebildet sind, noch das Merkmal, wonach der Gehäuseboden einen Absatz mit einem Außengewinde aufweist. Der Gegenstand von Anspruch 1 ist daher neu gegenüber D6.
1.4 Die Kammer kommt daher zu dem Schluss, dass der Einspruchsgrund nach Artikel 100(a) iVm Artikel 54(1),(2) EPÜ der Aufrechterhaltung des Patents nicht entgegen steht.
2. Hauptantrag - erfinderische Tätigkeit
2.1 Die Erfindung betrifft eine Filtereinheit.
2.2 Als nächstliegenden Stand der Technik zieht die Beschwerdeführerin D6, D8 und D9 heran.
2.2.1 Es steht außer Streit, dass sich der Gegenstand von Anspruch 1 jeweils von D8 und D9 nur durch das Merkmal des doppeltkonischen Gewindes unterscheidet, wohingegen D6 darüber hinaus wenigstens das Merkmal betreffend das Außengewinde in einem Absatz des Gehäusebodens nicht offenbart (vgl. 1.2 oben). D6 ist daher weniger als nächstliegender Stand der Technik geeignet als D8 und D9.
2.2.2 Was D9 betrifft, so ist dieses als nächstliegender Stand der Technik weniger geeignet als D8, da der Teil des dort offenbarten Filters (siehe insbesondere Abbildung 12), welcher als Gehäuseboden angesehen werden kann (Bezugsziffer 30), nachdem das Innengewinde der Endscheibe mit dem Außengewinde verschraubt worden ist, verklebt wird (vgl. Bezugsziffer 38 und Spalte 7, Zeilen 23ff). In D9 ist es daher nicht vorgesehen, die Verbindung zwischen Gehäuse bzw. Gehäuseboden (30) und Filterelement (88,82,68) wieder zu lösen. Mit anderen Worten ist D9 auf eine Vorrichtung gerichtet, in der das Filterelement mitsamt seinem Gehäuse ausgetauscht wird (vgl. D9, Spalte 2, Zeilen 39 bis 41; Spalte 9, Zeilen 29ff). Insofern betrifft D9 einen anderen Zweck als das Streitpatent, bei dem das Filterelement zum Zwecke seiner Austauschbarkeit lösbar mit dem Gehäuse verbunden ist, und ist daher weniger als nächstliegender Stand der Technik geeignet als D8 (vgl. die Rechtsprechung der Beschwerdekammern, 8. Auflage, I.D.3.2).
2.2.3 Die Beschwerdeführerin trägt auch vor, dass es möglich sei, ausgehend von D9 eine entsprechende Aufgabe zu formulieren, die der Tatsache Rechnung trage, dass dort das Filterelement zwar mit dem Gehäuse verschraubt werde, es jedoch nicht vorgesehen sei, diese Verbindung wieder zu lösen. Denn es ergebe sich aus Anspruch 1 des Streitpatents nicht zwingend, dass auch eine leichtere Lösbarkeit bewirkt werde, da der Anspruch nicht ausschließe, dass die Verbindung zusätzlich verklebt würde (vgl. auch unten Punkt 2.3).
Dieses Argument führt jedoch ins Leere, da es unstreitig ist, dass doppeltkonische Gewindeverbindungen leichter lösbar sind als zylindrische und somit der beanspruchte Gegenstand grundsätzlich geeignet ist, diese Wirkung zu erzielen, auch wenn diese Geeignetheit theoretisch durch eine zusätzliche Maßnahme (hier: Verkleben) zunichte gemacht werden könnte.
2.2.4 Die Kammer geht daher von D8 als nächstliegendem Stand der Technik aus.
Die Beschwerdeführerin trägt vor, dass die in Abbildung 15 von D8 gezeigte Ausführungsform der vielversprechendste Ausgangspunkt sei, da sich diese weniger gut zentrieren ließe als z.B. die in Abbildung 1 gezeigte.
Die Kammer ist diesbezüglich der Ansicht, dass es dahinstehen kann, von welcher der mit Gewindegängen versehenen Ausführungsformen in D8 (vgl. insbesondere Abbildungen 1, 8 und 15) ausgegangen wird, da die Aufgabe unabhängig von dieser Frage als gelöst angesehen werden kann (vgl. 2.3 und 2.4 unten).
2.3 Gemäß dem Patent besteht die zu lösende Aufgabe darin, eine im Betrieb fest und im Wartungsfall schnell zu lösende Verbindung von Filtereinheit und Gehäuse zu schaffen (Absatz [0004]).
2.4 Gemäß Anspruch 1 des erteilten Patents (Hauptantrag) wird vorgeschlagen, diese Aufgabe durch eine Filtereinheit mit einem Gehäuseboden, welcher einen Absatz mit einem Außengewinde aufweist, und einem Filterelement, das an wenigstens einer Endscheibe ein Innengewinde aufweist, zu lösen, welche dadurch gekennzeichnet ist, dass das Innengewinde und das Außengewinde jeweils konisch ausgebildet sind.
2.5 Hinsichtlich des Erfolgs der Lösung steht außer Streit, dass ein doppeltkonisches Gewinde die genannte Aufgabe löst. Zwar trägt die Beschwerdeführerin vor, dass Anspruch 1 nicht ausschließe, dass die Gewindeverbindung zusätzlich verklebt werde und somit die Aufgabe nicht über den gesamten Bereich gelöst sei. Die Kammer kann sich dieser Ansicht, wie oben unter Punkt 2.2.3 ausgeführt, nicht anschließen. Die Kammer geht daher von der genannten Aufgabe aus. Eine Umformulierung der Aufgabe erübrigt sich somit.
2.6 Hinsichtlich des Naheliegens verwies die Beschwerdeführerin in der mündlichen Verhandlung vor der Kammer auf D4, D5 und D12. Schriftsätzlich wurde auch auf D7 und D10 bis D14 verwiesen.
2.6.1 D4 und D5 betreffen "druckdichte" (vgl. jeweils "1 Scope": "pressure-tight") Verbindungen, was dahingehend zu verstehen ist, dass sie für druckbeaufschlagte Fluide geeignet sein sollen, wobei der Druck sich wesentlich vom Umgebungsdruck unterscheidet. Ausgehend vom nächstliegenden Stand der Technik D8, welcher eine Trinkwasserflasche betrifft, hätte der Fachmann daher diese Dokumente bzw. das dort dargestellte Fachwissen nicht in Betracht gezogen, um die o.a. Aufgabe zu lösen. Es kann daher dahinstehen, ob der Fachmann, wenn er diese Dokumente in Betracht gezogen hätte, die Vorteile hinsichtlich Lösbarkeit und Festigkeit der Verbindung erkannt hätte. D4 und D5 können daher die vorgeschlagene Lösung nicht nahelegen.
2.6.2 D7 betrifft ebenso wie D4 und D5 Rohrverbindungen für druckbeaufschlagte Fluide (vgl. Seite 575, erster vollständiger Absatz) und kann daher ebenso wie D4 und D5 den Gegenstand von Anspruch 1 nicht nahelegen.
2.6.3 Es steht außer Streit, dass in der Beschreibung von D12 kein doppeltkonisches Gewinde offenbart ist. Die Beschwerdeführerin verweist hierzu vielmehr auf Abbildung 8 von D12. Aus dieser geht jedoch nicht hervor, dass die Verbindung zwischen äußerem Teil des Filterelements und dem Gehäuseelement 1 eine Gewindeverbindung ist. Ebenso könnte diese, wie von der Beschwerdegegnerin vorgetragen, eine Steckverbindung sein. Dadurch, dass D12 keine doppeltkonische Gewindeverbindung offenbart, kann es auch keine Lehre enthalten, eine solche in D8 vorzusehen.
2.6.4 Auch die weiteren Dokumente, auf die seitens der Beschwerdeführerin schriftsätzlich verwiesen wurde, können den Gegenstand von Anspruch 1 nicht nahelegen. So betrifft D10 gasförmige Medien unter Druck (vgl. die Ausführungen zu D4, D5 und D7 oben) und offenbart ein konisches Innengewinde, um Ventile mit genormten kegeligen Außengewinden aufnehmen zu können (vgl. Absatz [0020]). D11 betrifft Rohrverbindungen für Erdölplattformen mit großen Abmessungen und behandelt die Schwierigkeiten bei der Montage bei starkem Seegang (Spalte 1, Zeilen 30ff). D13 betrifft insbesondere das Problem des Einschraubens eines Ventils bei unterschiedlichen Durchmessern der aufnehmenden Öffnung (Spalte 5, Zeilen 23ff), wobei wenigstens nicht eindeutig offenbart ist, dass auch die Öffnung ein konisches Gewinde aufweist. D14 betrifft eine Zapfsäulenpistole (Spalte 3, Zeilen 50ff). Der Fachmann, welcher vor die Aufgabe gestellt ist, die Trinkwasserflasche aus D8 zu verbessern, hätte daher diese Dokumente nicht in Betracht gezogen.
2.6.5 Aus diesen Gründen kommt die Kammer zu dem Schluss, dass sich der Gegenstand von Anspruch 1 für den Fachmann nicht in naheliegender Weise aus dem zitierten Stand der Technik ergibt.
2.6.6 Der Vollständigkeit halber sei noch erwähnt, dass auch ausgehend von D6 der Gegenstand von Anspruch 1 sich nicht in naheliegender Weise ergibt, insbesondere da der Fachmann, selbst wenn er in D6 eine doppeltkonische Gewindeverbindung vorgesehen hätte, nicht zu einer Filtereinheit gelangt wäre, bei dem der Gehäuseboden einen Absatz mit Außengewinde aufweist (vgl. oben Punkt 1.2).
2.6.7 Die Beschwerdeführerin verweist hinsichtlich des Naheliegens auf die Entscheidungen T 214/01 und T 190/03, wonach das Vorhandensein anderer Ausgestaltungen ein Naheliegen der Lösung nicht ausschließe, solange die gewählte Lösung naheliege.
Da, wie ausgeführt, die gewählte Lösung nicht nahelag, erübrigen sich diesbezüglich weitere Ausführungen.
2.7 Das Erfordernis der erfinderischen Tätigkeit nach Artikel 56 EPÜ ist daher für den einzigen unabhängigen Anspruch 1 erfüllt. Dies trifft auch auf die abhängigen Ansprüche 2 bis 7 zu.
3. Der Einspruchsgrund nach Artikel 100(a) iVm Artikel 56 EPÜ steht daher der Aufrechterhaltung des Patents nicht entgegen.
Aus diesen Gründen wird entschieden:
Die Beschwerde wird zurückgewiesen.