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T 0894/14 15-04-2015
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VERFAHREN ZUR HERSTELLUNG VON HOCHKONDENSIERTEM POLYESTERGRANULAT
Änderungen - unzulässige Erweiterungen (Hauptantrag, Hilfsanträge 1,3-18)
Änderungen - mangelnde Klarheit (Hilfsantrag 2)
I. Die Beschwerde der Patentinhaberin richtet sich gegen die am 18. Februar 2014 zur Post gegebene Entscheidung der Einspruchsabteilung, mit der das europäische Patent EP 1 742 981 (Anmeldenummer 04 739 284.0) widerrufen wurde.
II. Anspruch 1 der Anmeldung wie ursprünglich eingereicht lautete wie folgt:
"1. Polyester oder Copolyester, dessen Kristallisationsgrad durch ein Latentwärmekristallisationsverfahren eingestellt wird, dadurch gekennzeichnet, dass er einen Kristallisationsgrad von mindestens 38% aufweist."
III. Anspruch 1 des erteilten Patents lautete wie folgt:
"1. Polyester- oder Copolyester-Granulat, hergestellt aus einer Polymerschmelze, dadurch gekennzeichnet, dass das Granulat bis zum Erreichen eines Kristallisationsgrades von mindestens 38% kristallisiert wurde, wobei dies dadurch bewerkstelligt wurde, dass der Wärmeverlust des Granulats nach der Granulation bei Transport und Trocknung so niedrig gehalten wurde, dass die Kristallisation unter Nutzung der bewahrten Eigenwärme aus dem Schmelzezustand des Polymers erfolgte."
IV. Gegen das Patent wurden zwei Einsprüche erhoben. Die Einsprechenden stützten sich auf die Einwände fehlender Neuheit und mangelnder erfinderischer Tätigkeit gemäß Artikel 100 (a) EPÜ (Einsprechenden 1 und 2), mangelnder Offenbarung gemäß Artikel 100 (b) EPÜ (Einsprechenden 1 und 2), und auf den Einwand gemäß Artikel 100 (c) EPÜ (Einsprechende 1). Mit Telefax vom 20. September 2013 zog die Einsprechende 1 ihren Einspruch zurück.
V. Der angefochtenen Entscheidung lagen das Patent wie erteilt als Hauptantrag und zwei Hilfsanträge zu Grunde. Die Einspruchsabteilung entschied, die Rückkehr zur erteilten Fassung der Ansprüche als Hauptantrag ins Verfahren zuzulassen. Weiter wurde entschieden, dass der Gegenstand dieser Fassung über den Inhalt der Anmeldung in der ursprünglichen eingereichten Fassung hinausging und, dass die Hilfsanträge 1 und 2 die Voraussetzungen des Artikels 123(3) EPÜ bzw. Artikels 123(2) EPÜ nicht erfüllten.
Die Einspruchsabteilung befand unter anderem, dass es keine Basis für die Erreichung eines Kristallisationsgrades des Granulats von mindestens 38% während der Transport- und Trocknungsschritte des Verfahrens in der Anmeldung wie ursprünglich eingereicht gab.
VI. Mit ihrer am 16. Juni 2014 eingegangenen Beschwerdebegründung reichte die Beschwerdeführerin Hilfsanträge 1 bis 18 ein.
Anspruch 1 der Hilfsanträge 1 und 10 lautete wie folgt:
"1. Kugel- bis linsenförmiges Polyester- oder Copolyester-Granulat hergestellt durch Unterwassergranulation aus einer Polymerschmelze, dadurch gekennzeichnet, dass das Granulat bis zum Erreichen eines Kristallisationsgrades von mindestens 38% kristallisiert wurde, wobei dies dadurch bewerkstelligt wurde, dass der Wärmeverlust des Granulats nach der Granulation bei Transport und Trocknung so niedrig gehalten wurde, dass die Kristallisation unter Nutzung der bewahrten Eigenwärme aus dem Schmelzezustand des Polymers erfolgte,
und wobei die mit einem Lichtmikroskop im Polarisationskontrast sichtbaren Sphärolithe in der äußersten Schicht des Granulatkornes kleiner sind als im Zentrum des Granulatkornes."
Anspruch 1 der Hilfsanträge 3 und 12 lautete wie folgt:
"1. Kugel- bis linsenförmiges Polyester- oder Copolyester-Granulat hergestellt durch Unterwassergranulation aus einer Polymerschmelze, dadurch gekennzeichnet, dass der Kristallisationsgrad durch ein Latentwärmekristallisationsverfahren eingestellt wurde und das Granulat bis zum Erreichen eines Kristallisationsgrades von mindestens 38% kristallisiert wurde, wobei der Wärmeverlust des Granulats nach der Granulation bei Transport und Trocknung so niedrig gehalten wurde, dass die Kristallisation unter Nutzung der bewahrten Eigenwärme aus dem Schmelzezustand des Polymers erfolgte,
und wobei die mit einem Lichtmikroskop im Polarisationskontrast sichtbaren Sphärolidathe in der äußersten Schicht des Granulatkornes kleiner sind als im Zentrum des Granulatkornes."
Anspruch 1 der Hilfsanträge 4 und 13 lautete wie folgt:
"1. Kugel- bis linsenförmiges Polyester- oder Copolyester-Granulat hergestellt durch Unterwassergranulation aus einer Polymerschmelze erhältlich aus Terephthalsäure, Isophthalsäure, und/oder Dimethylterephthalat und einem oder mehrerer Diole, nämlich Ethylenglykol und/oder Diethylenglykol, dadurch gekennzeichnet, dass das Granulat bis zum Erreichen eines Kristallisationsgrades von mindestens 38% kristallisiert wurde, wobei dies dadurch bewerkstelligt wurde, dass der Wärmeverlust des Granulats nach der Granulation bei Transport und Trocknung so niedrig gehalten wurde, dass die Kristallisation unter Nutzung der bewahrten Eigenwärme aus dem Schmelzezustand des Polymers erfolgte,
und wobei die mit einem Lichtmikroskop im Polarisationskontrast sichtbaren Sphärolithe in der äußersten Schicht des Granulatkornes kleiner sind als im Zentrum des Granulatkornes."
Anspruch 1 der Hilfsanträge 5 und 14 lautete wie folgt:
"1. Kugel- bis linsenförmiges Polyester- oder Copolyester-Granulat hergestellt durch Unterwassergranulation aus einer Polymerschmelze erhältlich aus Terephthalsäure, Isophthalsäure, und/oder Dimethylterephthalat und einem oder mehrerer Diole, nämlich Ethylenglykol und/oder Diethylenglykol, dadurch gekennzeichnet, dass der Kristallisationsgrad durch ein Latentwärmekristallisationsverfahren eingestellt wurde und das Granulat bis zum Erreichen eines Kristallisationsgrades von mindestens 38% kristallisiert wurde, wobei dies dadurch bewerkstelligt wurde, dass der Wärmeverlust des Granulats nach der Granulation bei Transport und Trocknung so niedrig gehalten wurde, dass die Kristallisation unter Nutzung der bewahrten Eigenwärme aus dem Schmelzezustand des Polymers erfolgte,
und wobei die mit einem Lichtmikroskop im Polarisationskontrast sichtbaren Sphärolithe in der äußersten Schicht des Granulatkornes kleiner sind als im Zentrum des Granulatkornes."
Anspruch 1 der Hilfsanträge 6 und 15 lautete wie folgt:
"1. Kugel- bis linsenförmiges Polyester- oder Copolyester-Granulat hergestellt durch Unterwassergranulation aus einer Polymerschmelze erhältlich aus Terephthalsäure, Isophthalsäure, und/oder Dimethylterephthalat und einem oder mehrerer Diole, nämlich Ethylenglykol und/oder Diethylenglykol, dadurch gekennzeichnet, dass der Kristallisationsgrad durch ein Latentwärmekristallisationsverfahren eingestellt wurde und das Granulat bis zum Erreichen eines Kristallisationsgrades von mindestens 38% kristallisiert wurde, wobei der Wärmeverlust des Granulats nach der Granulation bei Transport und Trocknung so niedrig gehalten wurde, dass die Kristallisation unter Nutzung der bewahrten Eigenwärme aus dem Schmelzezustand des Polymers erfolgte,
und wobei die mit einem Lichtmikroskop im Polarisationskontrast sichtbaren Sphärolithe in der äußersten Schicht des Granulatkornes kleiner sind als im Zentrum des Granulatkornes."
Anspruch 1 der Hilfsanträge 7 und 16 lautete wie folgt:
"1. Kugel- bis linsenförmiges Polyester- oder Copolyester-Granulat hergestellt durch Unterwassergranulation aus einer Polymerschmelze erhältlich aus Terephthalsäure, Isophthalsäure, und/oder Dimethylterephthalat und einem oder mehrerer Diole, nämlich Ethylenglykol und/oder Diethylenglykol, dadurch gekennzeichnet, dass das Granulat bis zum Erreichen eines Kristallisationsgrades von mindestens 38% kristallisiert wurde, wobei dies dadurch bewerkstelligt wurde, dass der Wärmeverlust des Granulats nach der Granulation bei Transport und Trocknung so niedrig gehalten wurde, dass die Kristallisation unter Nutzung der bewahrten Eigenwärme aus dem Schmelzezustand des Polymers erfolgte,
wobei das Granulat eine intrinsische Viskosität von mindestens 0,53 dl/g und einen Acetaldehydgehalt zwischen 20 und 70 ppm aufweist,
und wobei die mit einem Lichtmikroskop im Polarisationskontrast sichtbaren Sphärolithe in der äußersten Schicht des Granulatkornes kleiner sind als im Zentrum des Granulatkornes."
Anspruch 1 der Hilfsanträge 8 und 17 lautete wie folgt:
"1. Kugel- bis linsenförmiges Polyester- oder Copolyester-Granulat hergestellt durch Unterwassergranulation aus einer Polymerschmelze erhältlich aus Terephthalsäure, Isophthalsäure, und/oder Dimethylterephthalat und einem oder mehrerer Diole, nämlich Ethylenglykol und/oder Diethylenglykol, dadurch gekennzeichnet, dass der Kristallisationsgrad durch ein Latentwärmekristallisationsverfahren eingestellt wurde und das Granulat bis zum Erreichen eines Kristallisationsgrades von mindestens 38% kristallisiert wurde, wobei dies dadurch bewerkstelligt wurde, dass der Wärmeverlust des Granulats nach der Granulation bei Transport und Trocknung so niedrig gehalten wurde, dass die Kristallisation unter Nutzung der bewahrten Eigenwärme aus dem Schmelzezustand des Polymers erfolgte,
wobei das Granulat eine intrinsische Viskosität von mindestens 0,53 dl/g und einen Acetaldehydgehalt zwischen 20 und 70 ppm aufweist,
und wobei die mit einem Lichtmikroskop im Polarisationskontrast sichtbaren Sphärolithe in der äußersten Schicht des Granulatkornes kleiner sind als im Zentrum des Granulatkornes."
Anspruch 1 der Hilfsanträge 9 und 18 lautete wie folgt:
"1. Kugel- bis linsenförmiges Polyester- oder Copolyester-Granulat hergestellt durch Unterwassergranulation aus einer Polymerschmelze erhältlich aus Terephthalsäure, Isophthalsäure, und/oder Dimethylterephthalat und einem oder mehrerer Diole, nämlich Ethylenglykol und/oder Diethylenglykol, dadurch gekennzeichnet, dass der Kristallisationsgrad durch ein Latentwärmekristallisationsverfahren eingestellt wurde und das Granulat bis zum Erreichen eines Kristallisationsgrades von mindestens 38% kristallisiert wurde, wobei der Wärmeverlust des Granulats nach der Granulation bei Transport und Trocknung so niedrig gehalten wurde, dass die Kristallisation unter Nutzung der bewahrten Eigenwärme aus dem Schmelzezustand des Polymers erfolgte,
wobei das Granulat eine intrinsische Viskosität von mindestens 0,53 dl/g und einen Acetaldehydgehalt zwischen 20 und 70 ppm aufweist,
und wobei die mit einem Lichtmikroskop im Polarisationskontrast sichtbaren Sphärolithe in der äußersten Schicht des Granulatkornes kleiner sind als im Zentrum des Granulatkornes."
Anspruch 1 des Hilfsantrags 11 lautete wie folgt:
"1. Kugel- bis linsenförmiges Polyester- oder Copolyester-Granulat hergestellt durch Unterwassergranulation aus einer Polymerschmelze, dadurch gekennzeichnet, dass der Kristallisationsgrad durch ein Latentwärmekristallisationsverfahren eingestellt wurde und das Granulat bis zum Erreichen eines Kristallisationsgrades von mindestens 38% kristallisiert wurde, wobei dies dadurch bewerkstelligt wurde, dass der Wärmeverlust des Granulats nach der Granulation bei Transport und Trocknung so niedrig gehalten wurde, dass die Kristallisation unter Nutzung der bewahrten Eigenwärme aus dem Schmelzezustand des Polymers erfolgte,
und wobei die mit einem Lichtmikroskop im Polarisationskontrast sichtbaren Sphärolithe in der äußersten Schicht des Granulatkornes kleiner sind als im Zentrum des Granulatkornes."
VII. Mit Brief vom 10. März 2015 brachte die Beschwerdeführerin weitere Argumente vor.
VIII. Am 15. April 2015 fand eine mündliche Verhandlung vor der Beschwerdekammer statt, in der die Beschwerdeführerin den mit Beschwerdebegründung eingereichten zweiten Hilfsantrag durch einen neuen Hilfsantrag 2 ersetzte, dessen Anspruch 1 wie folgt lautete:
"1. Polyester- oder Copolyester-Granulat, hergestellt aus einer Polymerschmelze, dadurch gekennzeichnet, dass ein Kristallisationsgrad von > 38% mittels eines Latentwärmekristallisationsverfahrens erzeugt wird, wobei der Wärmeverlust des Granulats nach der Granulation bei Transport und Trocknung so niedrig gehalten wurde, dass die Kristallisation unter ausschließlicher Nutzung der bewahrten Eigenwärme aus dem Schmelzezustand des Polymers erfolgte."
IX. Die für diese Entscheidung relevanten Argumente der Beschwerdeführerin können wie folgt zusammengefasst werden:
Hauptantrag
Zulässigkeit
a) Die Überprüfung der Ermessensausübung der Einspruchsabteilung, in deren Rahmen der Hauptantrag zugelassen wurde, beruhe auf keiner Rechtsgrundlage.
Änderungen
b) Es könne den zwei ersten Sätzen der Seite 8 der ursprünglichen Anmeldung entnommen werden, dass die Minimierung des Wärmeverlusts während Transport und Trocknung bei gleichzeitiger Nutzung der Eigenwärme aus dem Schmelzezustand des Polymers zur Kristallisation als Synonym für Latentwärmekristallisationsverfahren gelte. Somit umfasse Anspruch 1 des Hauptantrags implizit ein Latentwärmekristallisationsverfahren.
Ein solches Verfahren sei weiterhin auf Seite 5 der ursprünglichen Anmeldung definiert, erstmals im Zusammenhang mit der Patentanmeldung DE 103 49 016 und weiter auf Zeilen 17 bis 20, wobei aus diesen zwei Definitionen hervor gehe, dass in einem solchen Verfahren die Kristallisation nach Granulation während Trocknung und Transport unter Nutzung der Eigenwärme aus dem Schmelzezustand des Polymers erfolge.
Somit definiere Anspruch 1, was diese Schritte offenbarten, unmittelbar und eindeutig ein solches Latentwärmekristallisationsverfahren.
c) Dass ein solches Verfahren mit einer Unterwassergranulation verknüpft sei, ergebe sich eindeutig aus der Verwendung des Begriffs "Trocknung" im Anspruch 1, was erfordere, dass das Granulat vorher im Wasser sein müsse. Dies werde von den Beispielen, in denen die Herstellung von kugel- bis linsenförmigem Granulat mittels eines Unterwassergranulators offenbart wird, bestätigt. Diesbezüglich gebe es keinen Grund zu denken, dass Beispiele 2 bis 4 nicht mit einer Unterwassergranulation verknüpft seien, wenn diese Technologie explizit im Vergleichsbeispiel 1 erwähnt werde, wobei die Textstelle auf Seite 3, Zeilen 4 bis 10 der Anmeldung die Unterwassergranulation und das Erhalten eines Granulats mit runder bis linsenförmiger Kontur deutlich im Zusammenhang darstelle.
d) Die zweite Definition der Seite 5 (Zeilen 17 bis 20) bilde lediglich eine besonders bevorzugte Ausführungsform der Erfindung und erfordere daher nicht, dass das Latentwärmekristallisationsverfahren unter ausschließlicher Nutzung der Eigenwärme aus dem Schmelzezustand des Polymers erfolge. Dies brauche somit nicht im Anspruch 1 reflektiert zu werden.
e) Aus diesen Gründen gehe der Gegenstand des Anspruchs 1 des Hauptantrags nicht über den Inhalt der Anmeldung in der ursprünglich eingereichten Fassung hinaus.
Hilfsantrag 1
Änderungen
f) Die Passage auf Seite 5, Zeilen 5 bis 16 verkuppele eindeutig ein Latentwärmekristallisationsverfahren mit einer Unterwassergranulation, dem Transport und der Trocknung des Granulats, welche Schritte auch im Anspruch 1 des ersten Hilfsantrags reflektiert seien. Somit umfasse Anspruch 1 implizit ein solches Latentwärmekristallisationsverfahren. Weiterhin würden Beispiele 2 bis 4 der ursprünglichen Anmeldung, die eine Unterwassergranulation in Verbindung mit einem Latentwärmekristallisationsverfahren zeigten, die Merkmalskombination des Anspruchs 1 des ersten Hilfsantrags stützen.
g) Kern der Erfindung sei das Erreichen des Kristallisationsgrades von mindestens 38% nach Granulation während Transport und Trocknung. Es gebe für den Fachmann keine weitere vorstellbare Stufe, in der dies geschehen könne. Der Satz auf Seite 6, Zeilen 10 bis 16 mache keinen technischen Sinn, falls er im Zusammenhang mit dem Granulator zu lesen sei. Es gehe weiterhin aus der Passage der Seite 8, Zeilen 1 bis 6 eindeutig hervor, dass ein Kristallisationsgrad von mindestens 38% ausschließlich während Trocknung und Transport geschehe, da der Begriff "bestimmten Kristallisationsgrades" auf Zeilen 2 bis 3 unmittelbar und eindeutig mit dem auf Zeile 6 offenbarten Wert von 38% verknüpft sei.
Somit basiere die Formulierung "wobei dies dadurch ... erfolgte" unmittelbar und eindeutig auf der Anmeldung wie ursprünglich eingereicht.
h) Gegenstand des Anspruchs 1 sei ein Produkt, dessen Struktur und Eigenschaften nicht von den Verfahrensmerkmalen bestimmt sein könnte. Folglich sei es irrelevant, was die Erfordernisse des Artikels 123(2) EPÜ anbelange, in welchen Verfahrensschritten der Kristallisationsgrad von mindestens 38% erreicht werde.
i) Somit erfülle Anspruch 1 des Hilfsantrags 1 die Erfordernisse des Artikels 123(2) EPÜ.
Hilfsantrag 2
Änderungen
j) Hilfsantrag 2 sei als Reaktion auf die Einwände der Kammer eingereicht, die während der mündlichen Verhandlung vorgebracht worden seien und stelle eine Einschränkung im Vergleich mit dem im Hauptantrag und ersten Hilfsantrag definierten Gegenstand dar. Somit sollte dieser Antrag zugelassen werden.
k) Ein Latentwärmekristallisationsverfahren bezeichne ein fachübliches Verfahren, das dem Fachmann bekannt sei. Der Begriff sei weiterhin in der Beschreibung klar definiert, insbesondere auf Seite 5, Zeilen 5 bis 20 und auf Seite 8, Zeilen 1 bis 5. Somit gebe es für den Leser keinen Zweifel, was mit diesem Begriff zu verstehen sei. Aus diesen Gründen sei Anspruch 1 des zweiten Hilfsantrags klar.
Hilfsanträge 3 - 18
Änderungen
l) Analog zum Hilfsantrag 2 enthalte Anspruch 1 der Hilfsanträge 3, 5, 6, 8, 9, 11, 12, 14, 15, 17 und 18 das Merkmal "Latentwärmekristallisationsverfahren". Somit gelten für diese Hilfsanträge die gleichen Argumente wie für den Hilfsantrag 2.
m) Analog zum Hilfsantrag 1 unterscheide sich Anspruch 1 der Hilfsanträge 4, 7, 10, 13 und 16 vom Anspruch 1 wie ursprünglich eingereicht unter anderem durch das Streichen des Merkmals "Latentwärmekristallisationsverfahren" und die Hinzufügung der Formulierung "wobei dies dadurch bewerkstelligt wurde, dass der Wärmeverlust des Granulats nach der Granulation bei Transport und Trocknung so niedrig gehalten wurde, dass die Kristallisation unter Nutzung der bewahrten Eigenwärme aus dem Schmelzezustand des Polymers erfolgte". Somit gelten für diese Hilfsanträge die gleichen Argumente wie für den Hilfsantrag 1.
X. Die für diese Entscheidung relevante Argumentation der Beschwerdegegnerin kann wie folgt zusammengefasst werden:
Hauptantrag
Zulässigkeit
a) Der Zick-Zack Kurs der Pateninhaberin, die im Einspruchsverfahren mehrere Male den Anspruchssatz des Hauptantrags völlig geändert habe, bevor sie schließlich zu den Ansprüchen der erteilten Fassung zurückgekehrt sei, verstoße gegen die Verfahrensökonomie. Der Hauptantrag hätte daher nicht ins Einspruchsverfahren zugelassen werden sollen und könne hiermit nicht Gegenstand der Beschwerde sein. Es gebe keinen Grund, das Ermessen der Einspruchsabteilung von der Beschwerdekammer nicht überprüfen zu lassen.
Änderungen
b) Anspruch 1 des Hauptantrags definiere kein Latentwärmekristallisationsverfahren. Ob dies mit der, im Vergleich mit der im ursprünglichen Anspruch 1, hinzugefügten Formulierung "wobei dies dadurch ... erfolgte" synonym sei, bleibe fraglich.
c) Der Begriff "Latentwärmekristallisationsverfahren" werde im Zusammenhang mit der deutschen Anmeldung DE 103 49 016 erwähnt, die dem Fachmann am Prioritätsdatum des Streitpatents noch nicht bekannt gewesen sei. Unabhängig von der Tatsache, dass in dieser Passage nirgends von der beanspruchten Erfindung die Rede sei, würden darin sowohl eine Unterwassergranulation, als auch weitere Verfahrensschritte mit diesem Verfahren verknüpft, die jedoch im Anspruch 1 des Hauptantrags nicht offenbart seien.
d) Da ein Trocknungsschritt nicht zwangsläufig eine Unterwassergranulation impliziere, sei Anspruch 1 nicht auf eine solche Technologie eingeschränkt. Darüber hinaus gebe es keinerlei Offenbarung, dass nach dem Sprachgebrauch des Patents ein Latentwärmekristallisationsverfahren zwingend und ausschließlich nur in Verbindung mit einer Unterwassergranulation gegeben sei.
e) Das Latentwärmekristallisationsverfahren werde weiterhin auf Seite 5, Zeilen 17 bis 20 explizit mit der Durchführung der Kristallisation unter ausschließlicher Nutzung der Eigenwärme aus dem Schmelzezustand des Polymers verknüpft. Diese ausschließliche Nutzung sei jedoch im Anspruch 1 des Hauptantrags nicht definiert.
f) Aus diesen Gründen gehe der Gegenstand des Anspruchs 1 des Hauptantrags über den Inhalt der Anmeldung in der ursprünglich eingereichten Fassung hinaus.
Hilfsantrag 1
Änderungen
g) Die Beispiele könnten nicht als Stütze des geänderten Anspruchs 1 verwendet werden.
h) Selbst wenn Anspruch 1 ein Latentwärmekristallisationsverfahren bezeichnen würde, könne es der Anmeldung wie ursprünglich eingereicht nicht entnommen werden, dass ein Kristallisationsgrad von mindestens 38% ausschließlich nach der Granulation während Trocknung und Transport erreicht werde: die Passage auf Seite 8, Zeilen 1 bis 6 bezeichne die Vermeidung des Wärmeverlusts während Trocknung und Transport als "entscheidende", jedoch nicht "ausreichende" Maßnahme zur Erreichung eines bestimmten Kristallisationsgrades. Somit würde der Fachmann verstehen, dass dies in weiteren Abschnitten des Verfahrens erfolgen könnte, zum Beispiel im Granulator, worauf in der Beschreibung hingedeutet werde, was laut Formulierung im Anspruch 1 ausgeschlossen sei.
i) Somit erfülle Anspruch 1 des Hilfsantrags 1 die Erfordernisse des Artikels 123(2) EPÜ nicht.
Hilfsantrag 2
Änderungen
j) Hilfsantrag 2 sei spät vorgebracht und überwinde prima facie die für die Hauptantrag und Hilfsantrag 1 geltenden Einwände nicht, insbesondere was das Erreichen des Kristallisationsgrades von mindestens 38% mit der Transport/Trocknung Stufe anbelange. Darüber hinaus führe das Hinzufügen des Begriffs "Latentwärmekristallisationsverfahren" zu mangelnder Klarheit, wobei der Klarheitseinwand gegen diesen Begriff schon während des Prüfungsverfahrens erhoben wurde. Somit solle dieser Antrag nicht zugelassen werden.
k) Was den Begriff "Latentwärmekristallisationsverfahren" anbelange, gebe es für den Fachmann keine allgemeine Definition, auf die er sich stützen könnte, insbesondere welche Maßnahmen ein solches Verfahren tatsächlich umfasse.
l) Somit erfülle Anspruch 1 des Hilfsantrags 2 die Erfordernisse des Artikels 84 EPÜ nicht.
Hilfsanträge 3 - 18
Änderungen
m) Analog zu dem Hilfsantrag 2 enthalte Anspruch 1 der Hilfsanträge 3, 5, 6, 8, 9, 11, 12, 14, 15, 17 und 18 das Merkmal "Latentwärmekristallisationsverfahren". Somit gelten für diese Hilfsanträge die gleichen Argumente wie für den Hilfsantrag 2.
n) Analog zu dem Hilfsantrag 1 unterscheide sich Anspruch 1 der Hilfsanträge 4, 7, 10, 13 und 16 vom Anspruch 1 wie ursprünglich eingereicht unter anderem durch das Streichen des Merkmals "Latentwärmekristallisationsverfahren" und die Hinzufügung der Formulierung "wobei dies dadurch bewerkstelligt wurde, dass der Wärmeverlust des Granulats nach der Granulation bei Transport und Trocknung so niedrig gehalten wurde, dass die Kristallisation unter Nutzung der bewahrten Eigenwärme aus dem Schmelzezustand des Polymers erfolgte". Somit gelten für diese Hilfsanträge die gleichen Argumente wie für den Hilfsantrag 1.
o) Analog zu dem Hilfsantrag 1 unterscheide sich Anspruch 1 des Hilfsantrags 4, 7, 10, 13 und 16 vom Anspruch 1 wie ursprünglich eingereicht unter anderem durch das Streichen des Merkmals "Latentwärmekristallisationsverfahren" und die Hinzufügung der Formulierung "wobei dies dadurch bewerkstelligt wurde, dass der Wärmeverlust des Granulats nach der Granulation bei Transport und Trocknung so niedrig gehalten wurde, dass die Kristallisation unter Nutzung der bewahrten Eigenwärme aus dem Schmelzezustand des Polymers erfolgte". Somit gelten für diese Hilfsanträge die gleichen Argumente wie für den Hilfsantrag 1.
XI. Die Beschwerdeführerin (Patentinhaberin) beantragte die Aufhebung der angefochtenen Entscheidung und die Aufrechterhaltung des Patents in der erteilten Fassung (Hauptantrag), hilfsweise die Aufrechterhaltung des Patents auf der Grundlage des mit Schreiben vom 16. Juni 2014 (Beschwerdebegründung) eingereichten Hilfsantrags 1, weiterhin hilfsweise auf der Grundlage des in der mündlichen Verhandlung eingereichten Hilfsantrags 2, weiterhin hilfsweise auf der Grundlage der mit Schreiben vom 16. Juni 2014 eingereichten Hilfsanträge 3 bis 18.
XII. Die Beschwerdegegnerin (Einsprechende 2) beantragte die Zurückweisung der Beschwerde.
Hauptantrag
1. Zulässigkeit
1.1 Der im Einspruchsverfahren mit Schreiben der Patentinhaberin vom 25. Oktober 2013 und somit nach Ablauf der Einspruchsfrist vorgelegte Hauptantrag (Aufrechterhaltung des Patents in der erteilten Fassung), wurde im erstinstanzlichen Verfahren von der Einspruchsabteilung für zulässig erklärt (Punkt 2.1 der Entscheidungsgründe) und gehört zum Gegenstand der angefochtenen Entscheidung. Die Zulassung dieses Hauptantrags in das Verfahren lag im Ermessen der Einspruchsabteilung, die in der angefochtenen Entscheidung Gründe angeführt hat, weshalb aus ihrer Sicht der Zulassung des Hauptantrags weder die gebotene Verfahrensökonomie noch ein insoweit behaupteter Verfahrensmissbrauch durch die Patentinhaberin entgegensteht. Die Kammer stellt weiterhin fest, dass die Ermessensentscheidung der Einspruchsabteilung nicht willkürlich erfolgte und darüber hinaus hinreichend begründet ist. Diese Bewertung lässt einen Ermessensfehlgebrauch und eine Überschreitung des Ermessensspielraums durch die Einspruchsabteilung nicht erkennen. Eine Verletzung des rechtlichen Gehörs der Einsprechenden wurde auch nicht vorgetragen. Folglich ist ein wesentlicher Verfahrensfehler, aufgrund dessen nach Artikel 11 VOBK die Angelegenheit an die erste Instanz zurückzuverweisen wäre, nicht ersichtlich.
1.2 Die Beschwerdeschrift, als auch die Beschwerdebegründung die dem Beschwerdeverfahren zugrunde liegen (Artikel 12(1) VOBK), befassen sich inhaltlich mit dem obengenannten Hauptantrag der Patentinhaberin (Artikel 12(2) VOBK). Dieses Vorbringen wird nach Artikel 12(4) VOBK von der Kammer berücksichtigt, soweit es sich auf die Beschwerdesache bezieht. Es kommt hier daher nicht darauf an, ob die Beschwerdekammer unter Abwägung der Umstände des vorliegenden Falles und unter Beachtung der von der Beschwerdegegnerin/Einsprechenden gegen die Zulassung des Hauptantrags im Einspruchsverfahren vorgebrachten Argumente, eine andere Ausübung des Ermessens vorgenommen hätte, d.h., gegebenenfalls zu einer die Zulassung des Hauptantrags verneinenden Entscheidung gelangt wäre. Auch stellt Artikel 12(4) VOBK es nicht in das Ermessen der Kammer, Tatsachen, Beweismittel oder Anträge nicht zuzulassen, die bereits im erstinstanzlichen Verfahren vorgebracht worden sind und dort zugelassen worden sind. Der Hauptantrag gehört daher zum Gegenstand des Beschwerdeverfahrens.
2. Artikel 100 c) EPÜ
2.1 Der allgemein akzeptierte Maßstab für die Beurteilung, ob eine Änderung die Bedingungen des Artikels 123(2) EPÜ erfüllt, ist, ob der Fachmann diese Änderung der ursprünglich eingereichten Fassung der Anmeldung unter Heranziehung des allgemeinen Fachwissens unmittelbar und eindeutig entnehmen würde (G 3/89, G 11/91 und G 2/10).
2.2 Anspruch 1 des Hauptantrags verlangt, dass "das Granulat bis zum Erreichen eines Kristallisationsgrades von mindestens 38% kristallisiert wurde, wobei dies dadurch bewerkstelligt wurde, dass der Wärmeverlust des Granulats nach der Granulation bei Transport und Trocknung so niedrig gehalten wurde, dass die Kristallisation unter Nutzung der bewahrten Eigenwärme aus dem Schmelzezustand des Polymers erfolgte".
2.3 Als Basis in den ursprünglich eingereichten Unterlagen für das Merkmal "dass der Wärmeverlust des Granulats nach der Granulation bei Transport und Trocknung so niedrig gehalten wurde, dass die Kristallisation unter Nutzung der bewahrten Eigenwärme aus dem Schmelzezustand des Polymers erfolgte", gab die Beschwerdeführerin die Textstelle auf Seite 8, erster Absatz an. Diese Textstelle lautet:
"Bei der Latentwärmekristallisation wird die in der Polyesterschmelze vorhandene Eigenwärme zur Kristallisation des Granulates genutzt. Zur Erzielung eines bestimmten Kristallisationsgrades ist entscheidend, dass der Wärmeverlust des in der Schmelzephase erzeugten Granulates bei Transport und Trocknung durch entsprechende Maßnahmen niedrig gehalten wird. Das erfindungsgemäße Produkt der Latentwärmekristallisation hat einen Kristallisationsgrad von mindestens 38%, bevorzugt [...]".
2.4 Aus dieser Passage ist zu entnehmen, dass das erfindungsgemäße Produkt mit einem Kristallisationsgrad von mindestens 38% das Produkt einer Latentwärmekristallisation ist, entsprechend den ursprünglichen Ansprüchen, wonach der Kristallisationsgrad von mindestens 38% durch ein Latentwärmekristallisationsverfahren eingestellt wird.
2.5 Somit wird in dieser Textstelle die Minimierung des Wärmeverlusts bei Transport und Trocknung zur Erhaltung von Granulaten mit einem Kristallisationsgrad von mindestens 38% nur in Kombination mit einer Latentwärmekristallisation offenbart. Anders formuliert, findet die Herstellung Granulate nach Anspruch 1 des Hauptantrages durch Minimierung des Wärmeverlusts des Granulats nach der Granulation bei Transport und Trocknung, aber ohne Latentwärmekristallisation keinen Niederschlag in dieser Textstelle.
2.6 Ein Latentwärmekristallisationsverfahren (LWK-Verfahren) wird in Anspruch 1 des Hauptantrags im Unterschied zum ursprünglichen Anspruch 1 nicht erwähnt. Die Beschwerdeführerin machte aber geltend, dass sich das Merkmal Latentwärmekristallisation (LWK) aus den anderen Merkmalen des Anspruchs 1 ergäbe, und somit implizit im vorliegenden Anspruch 1 definiert sei. Um zu entscheiden, ob ein LKW dennoch implizit im Anspruch 1 definiert ist, muss zuerst die Frage nach der Bedeutung dieses Begriffs im einschlägigen Stand der Technik beantwortet werden. Mangels sowohl einer Angabe der Beschwerdeführerin für eine allgemein erkannte Bedeutung dieses Begriffes und von Dokumenten, die auf eine solche übliche Bedeutung hinweisen würden, stellt sich die Frage, ob dem Begriff LWK in der Anmeldung wie ursprünglich eingereicht eine Bedeutung zugewiesen wird.
2.7 Im oben genannten ersten Absatz der Seite 8 befindet sich die Information, dass die in der Polyesterschmelze vorhandene Eigenwärme bei der Latentwärmekristallisation zur Kristallisation des Granulates genutzt wird.
2.8 Ein weiterer Hinweis auf die Bedeutung des Ausdruckes LWK ist lediglich in den ersten zwei Absätzen der Seite 5 der Anmeldungsunterlagen zu finden. In dem ersten Absatz wird ein Verfahren zur Herstellung von Kunststoffgranulaten zusammengefasst, wie es in der am Anmeldetag des Streitpatents noch nicht veröffentlichten deutschen Patentanmeldung DE 103 49 016 offenbart sein soll. In diesem Verfahren sollen direkt nach einer Unterwassergranulation die gerade hergestellten Pellets sehr schnell vom Wasser befreit und unter Nutzung der Eigenwärme getrocknet und kristallisiert werden. Um ein Verkleben der Chips zu vermeiden, werden die Pellets unmittelbar nach dem Abschleudern des Wassers über einen Vibrations- oder Schwingförderer nach einer ausreichenden Verweildauer zu einer nachgeschalteten Abfüllanlage oder einer Weiterverarbeitungsanlage gefördert. Mit dieser Technologie soll der Kristallisationsvorgang von innen nach außen im Pellet erfolgen, womit eine gleichmäßigere Kristallisation über den Durchmesser des Granulates erreicht wird.
2.9 Auf der Seite 5, Zeilen 16-17 wird weiter angegeben: "Ein solches Verfahren wird im Folgenden als Latentwärmekristallisationsverfahren bezeichnet."
2.10 Welche Merkmale ein "Latentwärmekristallisationsverfahren" gemäß dieser ersten Definition charakterisieren, ist nicht eindeutig. Insbesondere ist es nicht klar, ob ein Verfahren gemeint ist, dass alle in dieser Zusammenfassung der DE 103 49 016 genannten Schritte enthält, bzw. ein Verfahren gemeint ist, das in der nicht veröffentlichen DE 103 49 016 in eingehender Weise beschrieben wird, aber am Anmeldetag dem Fachmann dennoch nicht zugänglich war. Diese erste Textstelle allein betrachtet, ist jedoch eindeutig offenbart, dass ein LWK-Verfahren zumindest eine Unterwassergranulation und eine schnelle Befreiung des Kühlmittels Wasser voraussetzt, so dass die Eigenwärme für die Kristallisation genutzt wird, im Einklang mit der auf der Seite 8 stehenden Passage. Dies entspricht dem Argument der Beschwerdeführerin auf Seite 7 der Beschwerdebegründung, wonach unter einem LWK-Verfahren eindeutig zu verstehen sei, dass die durch Unterwassergranulation hergestellten Pellets schnell vom Wasser befreit werden und unter Nutzung der Eigenwärme getrocknet und kristallisiert werden. Dennoch ist festzustellen, dass das Merkmal einer Unterwassergranulation zumindest im Anspruch 1 des Streitpatents nicht aufgenommen wurde.
2.11 Ab Zeile 17 der Seite 5 (zweiten Absatz) werden aber auch als LWK-Verfahren "alle übrigen Verfahren verstanden, bei denen die Kristallisation ausschließlich unter Nutzung der Eigenwärme aus dem Schmelzezustand des Polymers erfolgt. Dies bedeutet, dass den Pellets zwischen der Granulation und der nachgeschalteten Abfüllanlage oder Weiterverarbeitungsanlage keine Wärme von außen zugeführt wird". Nach dieser zweiten Definition eines LWK-Verfahrens ist zwingend bei diesem Verfahren, dass die Kristallisation ausschließlich unter Nutzung der Eigenwärme aus dem Schmelzezustand des Polymers erfolgt. Dieses Merkmal, wurde im Anspruch 1 des Streitpatents ebenfalls nicht aufgenommen.
2.12 Auf Grund der Ausdrucksweise "alle übrigen Verfahren verstanden, bei denen die Kristallisation ausschließlich unter Nutzung der Eigenwärme aus dem Schmelzezustand des Polymers erfolgt" ist es im Lichte dieser zweiten Textstelle so zu verstehen, dass die erste Definition der Latentwärmekristallisation auf Seite 5 ebenfalls implizit definiert, dass die Kristallisation ausschließlich unter Nutzung der Eigenwärme aus dem Schmelzezustand des Polymers erfolgen soll.
2.13 Es wurde nicht gezeigt, dass die Minimierung des Wärmeverlusts bei Transport und Trocknung, die im Anspruch 1 definiert wird, im Kontext dieses Anspruchs bedeutet, dass die Kristallisation ausschließlich unter Nutzung der Eigenwärme aus dem Schmelzezustand des Polymers, d.h. ohne Zufuhr von Wärme von außen, erfolgt. Der Ausdruck "unter Nutzung der Eigenwärme" bedeutet "unter der Verwendung der Eigenwärme" bzw. "mit Hilfe der Eigenwärme", aber nicht ausschließlich unter Nutzung der Eigenwärme wie aus dieser zweiten Definition auf Seite 5 der Beschreibung verlangt wird. Ein Wärmezufuhr mittels eines Mediums, das wärmer als die Temperatur an der Oberfläche der Pellets ist und somit dazu beiträgt, den Wärmeverlust bei Transport und Trocknung niedrig zu halten, ist zum Beispiel vom Wortlaut des Anspruchs 1 nicht ausgeschlossen.
2.14 Aus keiner dieser zwei Definitionen eines LWK-Verfahrens in den ursprünglichen Unterlagen ergibt sich daher eine implizite Offenbarung dieses Begriffes im Anspruch 1 des Hauptantrags. Als "implizite Offenbarung" ist nur etwas anzusehen, was zwar nicht ausdrücklich erwähnt wird, sich aber für den Fachmann eindeutig aus den ausdrücklichen Aussagen ergibt. Aus den oben angegebenen Gründen wurde im vorliegenden Fall aber nicht gezeigt, dass der geänderte Anspruch 1 als implizites Merkmal eindeutig ein LWK-Verfahren im Sinne der ursprünglichen Unterlagen definiert.
2.15 Zusammenfassend wird Anspruch 1 des Hauptantrags anhand eines Merkmals charakterisiert (die Minimierung des Wärmeverlusts), das in der Anmeldungsunterlagen nur in Verbindung mit der Durchführung eines LWK-Verfahrens offenbart ist. Ein LWK-Verfahren wird in Anspruch 1 nicht erwähnt und auch die Merkmale, mit denen ein solches LWK-Verfahren laut Anmeldungsunterlagen implizit definiert wird, sind im Anspruch 1 des Streitpatents nicht enthalten. Somit ist Anspruch 1 des Hauptantrags nicht auf ein LWK-Verfahren beschränkt, entgegen der Offenbarung der ursprünglichen Anmeldungsunterlagen. Aus diesem Grund geht der Gegenstand des Anspruchs 1 des Hauptantrags über den Inhalt der Anmeldung in der ursprünglich eingereichten Fassung hinaus (Artikel 100(c) EPÜ).
Hilfsantrag 1
3. Artikel 123(2) EPÜ
3.1 Der Gegenstand des Anspruchs 1 des ersten Hilfsantrags unterscheidet sich vom Anspruch 1 wie ursprünglich eingereicht durch die Hinzufügung der Merkmale "Kugel- bis linsenförmiges" die die Form des Granulats weiter charakterisieren, "hergestellt durch Unterwassergranulation" und die Formulierung "das Granulat bis zum Erreichen eines Kristallisationsgrades von mindestens 38% kristallisiert wurde, wobei dies dadurch bewerkstelligt wurde, dass der Wärmeverlust des Granulats nach der Granulation bei Transport und Trocknung so niedrig gehalten wurde, dass die Kristallisation unter Nutzung der bewahrten Eigenwärme aus dem Schmelzezustand des Polymers erfolgte und wobei die mit einem Lichtmikroskop im Polarisationskontrast sichtbaren Sphärolithe in der äußersten Schicht des Granulatkornes kleiner sind als im Zentrum des Granulatkornes." Ein LWK-Verfahren ist in Anspruch 1 des Hilfsantrags 1 nicht erwähnt.
3.2 Genau wie für den Hauptantrag stellt sich die Frage, ob aus dem Wortlaut des Anspruchs 1 eine implizite Definition eines LWK-Verfahrens zu entnehmen ist. Analog zu dem Anspruch 1 des Hauptantrages wäre ein LWK-Verfahren in Anspruch 1 des Hilfsantrags 1 nur dann implizit offenbart, wenn ein Fachmann im Anspruch 1 alle Merkmale eines LWK-Verfahrens gemäß der in den ursprünglichen Unterlagen angegebenen Definition eindeutig finden würde.
3.3 Der Verzicht auf eine Wärmezufuhr bzw. die ausschließliche Nutzung der Eigenwärme aus dem Schmelzezustand des Polymers für die Kristallisation ist im Anspruch 1 weder explizit noch durch die anderen Merkmale des Anspruchs 1 implizit definiert, auch nicht im Hinblick auf die nun im Anspruch 1 enthaltene Definition der Morphologie der Granulate.
3.4 Anspruch 1 des Hilfsantrags 1 definiert die Kontur der Granulate (Kugel bis linsenförmig), die Anwesenheit von Sphärolithe in der äußersten Schicht des Granulatkornes und die Herstellung der Granulate mittels Unterwassergranulation. Diese Merkmale charakterisieren aber laut Anmeldungsunterlagen nicht zwangsläufig ein LWK-Verfahren.
3.5 Die kugel- bis linsenförmige Kontur der Granulate wird im ersten Absatz der Seite 3 als Merkmal der Unterwassergranulation beschrieben, jedoch ohne Angabe über eine Vermeidung der Wärmezufuhr von außen bzw. ausschließliche Nutzung der Eigenwärme aus dem Schmelzezustand des Polymers für die Kristallisation. Die Größe der Sphärolithe wird in Verbindung mit dem LWK-Verfahren auf Zeilen 10 bis 20 der Seite 7 der Anmeldung erwähnt. Darin wird aber lediglich offenbart, dass sich Latentwärmekristallisierte Granulate für alle genannten Weiterverarbeitungsverfahren besonders gut eignen, wenn die an einem Lichtmikroskop im Polarisationskontrast sichtbaren Sphärolithe in der äußersten Schicht der Teilchen deutlich kleiner sind als in der Probenmitte. Dies bedeutet jedoch nicht, dass Granulate, die diese Größenverteilung der Sphärolithe aufweisen, wie jetzt im vorliegenden Anspruch 1 definiert, zwangsläufig mit einem LWK-Verfahren im Sinne der Definition auf Seite 5 der ursprünglichen Unterlagen (d.h. ohne Wärmezufuhr von außen bzw. ausschließliche Nutzung der Eigenwärme aus dem Schmelzezustand) produziert wurden. Die Kammer ist nicht überzeugt, dass eine weitere Kristallisation, die durch Wärmezufuhr von außen verursacht wird, zwangsläufig zu sichtbaren Sphärolithen in der äußersten Schicht der Teilchen führt, die nicht deutlich kleiner sind als in der Probenmitte. Dies hängt selbstverständlich von den verwendeten Kristallisationsbedingungen (Dauer, Änderung des Kristallisationsgrad) ab.
3.6 Somit ist Anspruch 1 des ersten Hilfsantrags nicht auf ein LWK-Verfahren eingeschränkt, entgegen der Offenbarung der ursprünglichen Anmeldungsunterlagen.
3.7 Das Argument der Beschwerdeführerin, nach dem der Gegenstand des Anspruchs 1 ein Produkt betreffe, dessen Struktur und Eigenschaften nicht von den Verfahrensmerkmalen bestimmt sein könnten, mit der Folge, dass es irrelevant sei, was die Erfordernisse des Artikels 123(2) EPÜ anbelange, in welchen Verfahrensschritten der Kristallisationsgrad von mindestens 38% erreicht werde, kann nicht gefolgt werden. Bei der Prüfung der Frage, ob eine Änderung mit Artikel 123(2) EPÜ in Einklang steht, ist nach der Rechtsprechung der Beschwerdekammer zu untersuchen, ob durch diese Änderung dem Fachmann tatsächlich zusätzliche, technisch relevante Informationen zur Verfügung gestellt wurden, die in den ursprünglich eingereichten Unterlagen nicht enthalten waren. In diesem Fall stellt die nicht zwingend ausschließliche Nutzung der Eigenwärme aus dem Schmelzezustand des Polymers für die Kristallisation eine technische Information dar, die in der ursprünglichen Unterlagen keine unmittelbare und eindeutige Basis findet.
3.8 Aus diesem Grund geht der Gegenstand des Anspruchs 1 des ersten Hilfsantrags ebenfalls über den Inhalt der Anmeldung in der ursprünglich eingereichten Fassung hinaus (Artikel 123(2) EPÜ).
Hilfsantrag 2
4. Zulässigkeit
4.1 Die Zulassung des zweiten Hilfsantrags ins Beschwerdeverfahren, der von der Beschwerdeführerin während der mündlichen Verhandlung eingereicht wurde, steht im Ermessen der Kammer (Artikel 13(1) VOBK).
4.2 Dieser Hilfsantrag kann als Reaktion auf den während der mündlichen Verhandlung diskutierten Einwand angesehen werden, gemäß dem die fehlende Definition im Anspruch 1 entgegen der Angabe auf Seite 5, Zeilen 16-19 der ursprünglich eingereichten Unterlagen, dass die Kristallisation ausschließlich unter Nutzung der Eigenwärme aus dem Schmelzezustand des Polymers erfolgt, als Erweiterung des Inhalts der ursprünglich eingereichten Anmeldung angesehen werden konnte.
4.3 Aus diesen Gründen übt die Kammer ihr durch Artikel 13(1) VOBK eingeräumtes Ermessen dahingehend aus, den zweiten Hilfsantrag ins Verfahren zuzulassen.
5. Klarheit
5.1 Der Gegenstand des Anspruchs 1 des zweiten Hilfsantrags unterscheidet sich vom Anspruch 1 des erteilten Patents unter anderem durch die Hinzufügung des Merkmals "Latentwärmekristallisationsverfahren", das in den erteilten Ansprüchen nicht enthalten war. Der Einwand, dass diese Änderung eine Verletzung des Artikels 84 EPÜ darstellt, kann daher im Rahmen der Prüfung gemäß Artikel 101(3) EPÜ geprüft werden (G 3/14 von 24. März 2015, noch nicht im Amtsblatt veröffentlicht, Punkt 85 der Entscheidungsgründe).
5.2 Gemäß der Rechtsprechung der Beschwerdekammer sollen die Ansprüche in sich deutlich sein, wenn sie mit normalem Sachverstand betrachtet werden, ohne dass es für den Fachmann erforderlich sei, die Beschreibung heranzuziehen. Wie im obigen Punkt 2.6 angegeben, wurde von der Beschwerdeführerin nicht gezeigt, dass der Begriff LWK-Verfahren im einschlägigen Stand der Technik eine allgemein erkannte Bedeutung besitzt. Stattdessen hat sie auf die Beschreibung verwiesen, die ihrer Meinung nach eine klare Definition dieses Begriffs angeben soll.
5.3 In Entscheidungen der Beschwerdekammer (Rechtsprechung, 7. Auflage, 2013, II-A-6.3.3) wurde darauf hingewiesen, dass ein Patentdokument sein eigenes Wörterbuch darstellen kann, so dass ein Wort in einem Anspruch in bestimmten Situationen eine in der Beschreibung zugewiesene Bedeutung haben soll. Selbst, wenn die Kammer eine solche Ausnahme im vorliegenden Fall erkennen würde, wäre für den Fachmann keine eindeutige Bedeutung aus der Beschreibung für den Terminus LWK-Verfahren ersichtlich.
5.4 Das Argument der Beschwerdeführerin, nach dem der Begriff "LWK-Verfahren" ein Synonym der im Anspruch 1 offenbarten Formulierung "wobei der Wärmeverlust des Granulats nach der Granulation ...erfolgte" darstellen soll, kann nicht gefolgt werden, weil der Anspruch 1 keine Angabe macht, ob die beide Merkmale als austauschbar anzusehen sind. Im Gegenteil erweckt die Nebeneinanderstellung dieser zwei unterschiedlichen Formulierungen den Eindruck, dass es sich um zwei Merkmale handelt, die nötig sind, um den beanspruchten Gegenstand zu definieren, und somit unterschiedliche Bedeutungen haben.
5.5 Wie oben dargestellt, geben die ursprünglichen Unterlagen zwei Definitionen eines LWKs, wobei die Bedeutung der ersten in Anbetracht der zweiten näher definiert wird. Nach der ersten Definition kann aber nicht genau definiert werden, welche Merkmale außer einer Unterwassergranulation, einer schnellen Befreiung vom Wasser und der ausschließlichen Nutzung der Eigenwärme aus dem Schmelzezustand des Polymers für die Kristallisation, ein solches Verfahren kennzeichnen (siehe 2.8 bis 2.10).
5.6 Ob mit der zweiten Definition alle übrigen Verfahren gemeint sind, die eine Unterwassergranulation oder eine andere Granulationsmethode betreffen ist nicht ersichtlich. Welche weiteren Maßnahmen ein solches LWK-Verfahren tatsächlich umfassen kann, ist darüber hinaus nicht angegeben.
5.7 Dies bedeutet, dass dem Terminus LWK-Verfahren, der keine allgemeine bekannte Bedeutung hat, auch keine eindeutige Definition in Lichte der Beschreibung der ursprünglichen Unterlagen zugewiesen werden könnte.
5.8 Somit erfüllt der Gegenstand des Anspruchs 1 des vorliegenden Hilfsantrags 2 die Erfordernisse des Artikels 84 EPÜ nicht.
Weitere Hilfsanträge 3 bis 18
6. Analog dem zweiten Hilfsantrag unterscheidet sich Anspruch 1 der Hilfsanträge 3, 5, 6, 8, 9, 11, 12, 14, 15, 17 und 18 vom Anspruch 1 des erteilten Patents unter anderem durch die Hinzufügung des in der Beschreibung offenbarten Merkmals LWK-Verfahren, das in den erteilten Ansprüchen nicht anwesend war und erfüllt daher aus den gleichen Gründen die Erfordernisse des Artikels 84 EPÜ nicht.
7. Analog dem ersten Hilfsantrag bezieht sich Anspruch 1 der Hilfsanträge 4, 7, 10, 13 und 16 nicht auf ein LWK-Verfahren im Sinne der ursprünglichen Unterlagen. Aus den gleichen Gründen wie für den ersten Hilfsantrag angegeben, erfüllen die Ansprüche 1 dieser Anträge daher nicht die Erfordernisse des Artikels 123(2) EPÜ.
8. Zusammenfassend erfüllen der Hauptantrag und die Hilfsanträge 1, 4, 7, 10, 13 und 16 die Erfordernisse des Artikels 100(c), bzw. des Artikels 123(2) EPÜ nicht. Die Hilfsanträge 2, 3, 5, 6, 8, 9, 11, 12, 14, 15, 17 und 18 erfüllen die Erfordernisse des Artikels 84 EPÜ nicht.
Aus diesen Gründen wird entschieden:
Die Beschwerde wird zurückgewiesen.