T 1261/14 03-05-2019
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Sicherheitslichtgitter und entsprechendes Verfahren zur Überwachung eines Schutzbereichs
Neuheit - (ja)
Erfinderische Tätigkeit - zwei Ausgangspunkte für die Beurteilung der erfinderischen Tätigkeit
Erfinderische Tätigkeit - (ja)
I. Die Beschwerde der Einsprechenden richtet sich gegen die Entscheidung der Einspruchsabteilung, den Einspruch gegen das europäische Patent Nr. EP-B-2 180 348 zurückzuweisen (Artikel 101(2) EPÜ).
II. Der Einspruch war gegen das Patent im gesamten Umfang gerichtet und darauf gestützt, dass der Gegenstand des Patents nicht neu sei und nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit beruhe (Artikel 100 a) EPÜ in Verbindung mit Artikel 54 und 56 EPÜ).
III. Es wird auf folgende Dokumente Bezug genommen:
D1: EP 1 089 030 A,
D2: EP 1 870 734 A.
IV. In der mündlichen Verhandlung vor der Kammer beantragte die Beschwerdeführerin (Einsprechende) die Aufhebung der angefochtenen Entscheidung und den Widerruf des Europäischen Patents im vollen Umfang.
Die Beschwerdegegnerin (Patentinhaberin) beantragte als Hauptantrag die Zurückweisung der Beschwerde, d. h. die Zurückweisung des Einspruchs, hilfsweise die Aufrechterhaltung des Patents in geändertem Umfang auf der Grundlage einer der Hilfsanträge 1, 1a und 2 bis 4, eingereicht mit der Beschwerdeerwiderung vom 25. August 2014 (eingegangen am 26. August 2014), teilweise auf frühere Hilfsanträge zurückgreifend.
V. Der Wortlaut der unabhängigen Ansprüche des Hauptantrags, d. h. der Ansprüche 1 und 10 in der erteilten Fassung, lautet wie folgt (Kennzeichnung "1.1" bis "1.10" und "10.1" bis "10.5" der Merkmale des Anspruchs 1 bzw. 10 durch die Einspruchsabteilung):
1.1 |Sicherheitslichtgitter zur Überwachung eines Schutzbereiches |
1.2 |mit wenigstens zwei Sende-/Empfangsleisten (2, 2'), |
1.3 |mit wenigstens einem Lichtsender (S1.1, S1.2, S1.3, S1.4, S2.1, S2.2, S2.3, S2.4) |
1.4 |und mit wenigstens einem Lichtempfänger (E1.1, E1.2, E1.3, E1.4, E2.1, E2.2, E2.3, E2.4), |
1.5 |wobei die Sende-/Empfangsleisten (2, 2') einander gegenüberliegend angeordnet sind, und zwischen diesen durch die Lichtstrahlen der Lichtsender ein Schutzfeld (1) gebildet ist, |
1.6 |wobei jeweils wenigstens ein Lichtsender (S1.1, S1.2, S1.3, S1.4, S2.1, S2.2, S2.3, S2.4) der einen Sende-/Empfangsleiste (2; 2') und wenigstens ein Lichtempfänger (E2.1, E2.2, E2.3, E2.4, E1.1, E1.2, E1.3, E1.4) der anderen Sende-/Empfangsleiste (2, 2') ein Sende-/Empfangspaar bilden, |
1.7 |mit Mitteln zur Synchronisation der Sende-/Empfangsleisten (2, 2') und |
1.8 |mit einer Steuer- und Auswerteeinheit (6, 6'), |
1.9 |dadurch gekennzeichnet, dass wenigstens einer der Lichtsender (S1.1, S1.2, S1.3, S1.4, S2.1, S2.2, S2.3, S2.4) einer der Sende-/Empfangsleiste (2; 2') mit wenigstens einem der Lichtempfänger (E1.1, E1.2, E1.3, E1.4, E2.1, E2.2, E2.3, E2.4) derselben Sende-/Empfangsleiste (2; 2') einen Lichttaster zur Bestimmung einer Entfernung zwischen dem die Lichtstrahlunterbrechung verursachenden Objekt und der Sende-/Empfangsleiste (2, 2') bildet,|
1.10|wobei der Lichtsender (S1.1, S1.2, S1.3, S1.4, S2.1, S2.2, S2.3, S2.4) und der Lichtempfänger (E1.1, E1.2, E1.3, E1.4, E2.1, E2.2, E2.3, E2.4) sowohl Teil des Sende-/Empfangspaares als auch Teil des Lichttasters ist. |
10.1|Verfahren zur Überwachung eines Schutzbereiches mit |
10.2|wenigstens zwei, einander gegenüberliegend angeordneten Sende-/Empfangsleisten (2, 2') mit Lichtsendern (S1.1, S1.2, S1.3, S1.4, S2.1, S2.2, S2.3, S2.4) und Lichtempfängern (E1.1, E1.2, E1.3, E1.4, E2.1, E2.2, E2.3, E2.4) zur Bildung eines durch die Lichtstrahlen der Lichtsender (S1.1, S1.2, S1.3, S1.4, S2.1, S2.2, S2.3, S2.4) erzeugten Schutzfeldes (1) zwischen den Sende-/Empfangsleisten (2, 2'), |
10.3|wobei jeweils wenigstens ein Lichtsender (S1.1, S1.2, S1.3, S1.4, S2.1, S2.2, S2.3, S2.4) und wenigstens ein Lichtempfänger (E2.1, E2.2, E2.3, E2.4, E1.1, E1.2, E1.3, E1.4) als Sende-/Empfangspaar zusammenwirken, und bei Unterbrechung wenigstens einer der Lichtstrahlen ein Sicherheitsschaltsignal ausgegeben werden kann, |
10.4|dadurch gekennzeichnet, dass mit einem Lichttaster, gebildet aus wenigstens einem der Lichtsender (S1.1, S1.2, S1.3, S1.4, S2.1, S2.2, S2.3, S2.4) einer der Sende-/Empfangsleiste (2; 2') und wenigstens einem der Lichtempfänger (E1.1, E1.2, E1.3, E1.4, E2.1, E2.2, E2.3, E2.4) derselben Sende-/Empfangsleiste (2; 2') zusätzlich zur Lichtstrahlunterbrechung eine Entfernung zwischen dem die Lichtstrahlunterbrechung verursachenden Objekt (16) und wenigstens einer der Sende-/Empfangsleisten (2; 2') bestimmt wird,|
10.5|wobei der Lichtsender (S1.1, S1.2, S1.3, S1.4, S2.1, S2.2, S2.3, S2.4) und der Lichtempfänger (E1.1, E1.2, E1.3, E1.4, E2.1, E2.2, E2.3, E2.4) sowohl Teil des Sende-/Empfangspaares als auch Teil des Lichttasters ist. |
VI. Die Parteien haben im Wesentlichen Folgendes vorgetragen:
a) Neuheit
Die Beschwerdeführerin machte geltend, dass der Gegenstand des erteilten Anspruchs 10 gegenüber Dokument D1 nicht neu sei. Insbesondere offenbare D1 auch eine Unterbrechung der Lichtstrahlen durch ein Objekt.
Nach Ansicht der Beschwerdegegnerin offenbare Dokument D1 lediglich einen Lichttaster, aber nicht diejenigen Merkmale des erteilten Anspruchs 10, welche die Lichtstrahlunterbrechung beträfen. Der Gegenstand dieses Anspruchs sei daher neu.
b) Erfinderische Tätigkeit
Die Beschwerdeführerin war der Ansicht, dass der beanspruchte Gegenstand sowohl gegenüber Dokument D1 als nächstliegendem Stand der Technik in Kombination mit allgemeinem Fachwissen oder mit Dokument D2 als auch gegenüber Dokument D2 als nächstliegendem Stand der Technik keine erfinderische Tätigkeit aufweise.
Nach Ansicht der Beschwerdegegnerin weise der beanspruchte Gegenstand sowohl gegenüber Dokument D1 als auch gegenüber Dokument D2 als nächstliegendem Stand der Technik eine erfinderische Tätigkeit auf.
1. Neuheit
1.1 Die Beschwerdeführerin ist der Ansicht, dass der Gegenstand des erteilten Anspruchs 10 gegenüber Dokument D1 nicht neu sei.
1.1.1 Dokument D1 offenbart (siehe Absätze [0001]-[0004], [0032]-[0034], [0040]-[0043], [0050]-[0053] und [0067]-[0069]; Figuren 1, 2 und 5) eine Vorrichtung und ein Verfahren zum Überwachen eines Schutzbereichs 1, der auf der einen Seite durch eine Sensoreinheit 2 und auf der anderen Seite durch ein Begrenzungselement 3 begrenzt wird. Die Sensoreinheit 2 besteht aus einem Gehäuse 4, in dem Sender 5 und Empfänger 6 angeordnet sind, wobei durch die Sender 5 Lichtsignale in den Schutzbereich 1 ausgesandt werden. Diese treffen im Falle eines freien Schutzbereichs 1 auf das Begrenzungselement 3, wo sie so reflektiert bzw. remittiert werden, dass die zurücklaufenden Lichtsignale von den Empfängern 6 empfangen werden. Durch die Verwendung von pulsförmigen Lichtsignalen kann die vom Aussenden bis zum Empfangen der Lichtsignale verstrichene Lichtlaufzeit ermittelt werden, die repräsentativ für die Breite L1 des Schutzbereichs 1 ist und als Maximal-Lichtlaufzeit im System abgespeichert wird.
Es können zulässige Objekte eingelernt werden, welche kein Warnsignal oder Abschaltsignal für die gesicherte Maschine auslösen. Dazu wird ein zulässiges Objekt 13 in eine zulässige Position im Schutzbereich 1 gebracht und die Lichtlaufzeit ermittelt, welche die ausgesandten Lichtsignale 7 benötigen, um den Abstand L2 zum Objekt 13 zurückzulegen, an der Seitenwand des Objekts 13 reflektiert zu werden und anschließend von den Sendern 6 wieder empfangen zu werden. Die ermittelte Lichtlaufzeit wird als weitere zulässige Lichtlaufzeit (zusätzlich zur Maximal-Lichtlaufzeit) im System abgespeichert. Dabei können die zulässigen Lichtlaufzeiten für die unterschiedlichen Sender/Empfänger-Paare auch unterschiedlich sein.
Als Kriterium für das Erzeugen eines Unterbrechungssignals kann überprüft werden, ob innerhalb eines vorgegebenen Zeitintervalls weder die Maximal-Lichtlaufzeit noch eine sonstige zulässige Lichtlaufzeit ermittelt wird. Ein solcher Fall tritt z. B. auf, wenn eine Person 16 in den Schutzbereich 1 eingedrungen ist, so dass die ausgesandten Lichtsignale 7 nicht mehr bis zu dem Begrenzungselement 3 gelangen, sondern an der Person 16 remittiert werden. Da die in diesem Fall ermittelten Lichtlaufzeiten weder der Maximal-Lichtlaufzeit noch einer zulässigen Lichtlaufzeit entsprechen, wird ein Unterbrechungssignal erzeugt und über die Alarmeinrichtung ein Alarm ausgelöst sowie ein Abschaltsignal an die Maschinensteuerung abgegeben.
Es ist möglich, die Schutzeinrichtung, wie in Fig. 5 gezeigt, zweiseitig auszubilden. Dazu ist jeweils auf beiden Seiten des Schutzbereichs 1 eine Sensoreinheit 2, 2' angeordnet. Durch die beidseitige Anordnung der Sensoreinheiten 2, 2' ist gewährleistet, dass beim Eindringen eines Objekts 13 in den Schutzbereich 1 auf beiden Seiten des Objekts 13 ein aktives Schutzfeld bestehen bleibt.
1.1.2 Es ist zwischen den Parteien unstrittig, dass die Merkmale 10.1 und 10.2 und das in Merkmal 10.4 enthaltene, den Lichttaster betreffende Teilmerkmal des erteilten Anspruchs 10 (siehe oben unter Punkt V.) im Dokument D1 offenbart sind.
In der Tat beschreibt Dokument D1 in Bezug auf das in Figur 5 gezeigte Ausführungsbeispiel ein Verfahren zur Überwachung eines Schutzbereiches mit wenigstens zwei, einander gegenüberliegend angeordneten Sende-/Empfangsleisten (gemäß Fig. 5 an beiden Seiten des Schutzbereiches angeordnete Sensoreinheiten 2, 2') mit Lichtsendern (Sender 5) und Lichtempfängern (Empfänger 6) zur Bildung eines durch die Lichtstrahlen der Lichtsender (Sender 5) erzeugten Schutzfeldes (Schutzbereich 1) zwischen den Sende-/Empfangsleisten (Sensoreinheiten 2, 2'), wobei mit einem Lichttaster, gebildet aus wenigstens einem der Lichtsender (Sender 5) einer der Sende-/Empfangsleiste (Sensoreinheiten 2, 2') und wenigstens einem der Lichtempfänger (Empfänger 6) derselben Sende-/Empfangsleiste (Sensoreinheiten 2, 2') eine Entfernung zwischen dem Objekt (Objekt 13) und wenigstens einer der Sende-/Empfangsleisten (Sensoreinheiten 2, 2') bestimmt wird (mittels Lichtlaufzeitmessung).
1.1.3 Die Einspruchsabteilung entschied in der angefochtenen Entscheidung, dass der Gegenstand der Merkmale 10.3 und 10.5 und des in Merkmal 10.4 enthaltenen Teilmerkmals, dass mit dem Lichttaster zusätzlich zur Lichtstrahlunterbrechung eine Entfernung zwischen dem die Lichtstrahlunterbrechung verursachenden Objekt und einer Sende-/Empfangsleiste bestimmt wird, im Dokument D1 nicht offenbart und der beanspruchte Gegenstand somit neu sei (siehe Entscheidungsgründe 13.1.2-13.1.3).
Nach Ansicht der Beschwerdeführerin werde gemäß dem in D1 offenbarten Verfahren ein Signal erzeugt, wenn die Lichtstrahlen durch ein Objekt unterbrochen würden. Dabei spiele es keine Rolle, ob dieses Signal aufgrund einer Laufzeitmessung oder einer Amplitudenmessung generiert werde. Somit liefere dasselbe Sender-Empfänger-Paar sowohl ein Entfernungssignal als auch ein Unterbrechungssignal. Die Merkmale 10.3, 10.4 und 10.5 seien daher im Dokument D1 offenbart.
1.1.4 Die Kammer ist der Meinung, dass der Fachmann das in Merkmal 10.3 ausgedrückte Zusammenwirken eines Lichtsenders und eines Lichtempfängers als Sender-Empfänger-Paar und die Ausgabe eines Sicherheitsschaltsignals bei Unterbrechung der Lichtstrahlen gemäß der Beschreibung im Streitpatent (siehe insbesondere die Absätze [0015] und [0056] der Patentschrift) dahingehend verstehen würde, dass ein in den Schutzbereich eintretendes Objekt bewirkt, dass die von dem Lichtsender des Paares ausgehenden Lichtstrahlen nicht mehr zu dem zugehörigen Lichtempfänger des Paares gelangen, wodurch ein Sicherheitsschaltsignal generiert wird. Die Abwesenheit eines Signals am Lichtempfänger löst also das Sicherheitsschaltsignal aus.
Insbesondere würde der Fachmann die Detektion der Abwesenheit eines Signals am Lichtempfänger als eine von der in Merkmal 10.4 definierten Entfernungsbestimmung mittels Lichttaster verschiedene Messung verstehen, welche einfacher als die Lichttasterbestimmung ausgewertet und detektiert werden kann (siehe Absatz [0015] der Patentschrift). Dieses Verständnis ist auch im Einklang mit der Feststellung im Merkmal 10.4, dass die Lichttasterbestimmung zusätzlich zur Lichtstrahlunterbrechung ausgeführt wird, und mit der Angabe im Merkmal 10.5, dass Lichtsender und Lichtempfänger sowohl Teil des Sende-/Empfangspaares als auch Teil des Lichttasters sind.
Im Verfahren nach Dokument D1 bilden Sender 5 und Empfänger 6 jedoch ausschließlich einen Lichttaster. In Absatz [0004] wird zwar beschrieben, dass beim Eindringen eines Objekts "einer der ausgesandten Lichtstrahlen unterbrochen wird". Damit ist aber auch hier nur das Resultat einer Lichttastermessung gemeint, wonach die Lichtstrahlen von dem eingedrungenen Objekt reflektiert oder remittiert werden. Von einer weiteren, zusätzlich zur Lichttastermessung auszuführenden (einfacheren) Messung ist im Dokument D1 hingegen keine Rede.
Außerdem gelangen in dem in D1 beschriebenen Verfahren die von dem Sender 5 ausgesendeten und von einem Objekt reflektierten bzw. remittierten Strahlen stets zu dem Empfänger 6. Dies ist aber - wie oben beschrieben - bei dem in Merkmal 10.3 beanspruchten Zusammenwirken des Lichtsenders und des Lichtempfängers nicht der Fall.
Folglich werden im Dokument D1 die Merkmale 10.3 und 10.5 und das oben unter Punkt 1.1.3 erwähnte Teilmerkmal des Merkmals 10.4 nicht offenbart.
Der Gegenstand des erteilten Anspruchs 10 ist daher neu gegenüber Dokument D1.
1.2 Gegen die Entscheidung der Einspruchsabteilung, dass der Gegenstand des erteilten Anspruchs 1 gegenüber Dokument D1 neu ist (siehe Punkt 13.3 der Entscheidungsgründe) und dass der Gegenstand der erteilten Ansprüche 1 und 10 gegenüber Dokument D2 neu ist (siehe Punkte 13.2 und 13.4 der Entscheidungsgründe) erhob die Beschwerdeführerin keinen Einwand.
1.3 Ansprüche 2 bis 9 und 11 bis 14 sind von Anspruch 1 beziehungsweise Anspruch 10 abhängig.
Folglich ist der Gegenstand der erteilten Ansprüche 1 bis 14 neu (Artikel 52 (1) und 54 EPÜ).
2. Erfinderische Tätigkeit
2.1 Nächstliegender Stand der Technik
In der angefochtenen Entscheidung ging die Einspruchsabteilung bei der Prüfung der erfinderischen Tätigkeit sowohl von Dokument D1 als auch von Dokument D2 als dem nächstliegenden Stand der Technik aus (siehe Punkte 14.1.1 und 14.1.2 der Gründe). Die Beschwerdeführerin ging ebenfalls von beiden Dokumenten als Ausgangspunkt in ihrer Argumentation bezüglich erfinderischer Tätigkeit aus.
In der Tat, beide Dokumente D1 und D2 offenbaren einen Gegenstand, der zum gleichen Zweck entwickelt wurde wie die beanspruchte Erfindung, nämlich zur Überwachung eines Schutzbereichs.
Außerdem wird gemäß der beanspruchten Erfindung die Überwachung des Schutzbereiches im Wesentlichen mittels der Kombination einer Lichtschranke und eines Lichttasters erreicht. Da die Dokumente D1 und D2 einen Lichttaster bzw. eine Lichtschranke und somit jeweils einen Teil der beanspruchten Kombination offenbaren, haben sie wichtige technische Merkmale mit der Erfindung gemein und kommen beide als Ausgangspunkt für die Beurteilung der erfinderischen Tätigkeit infrage.
Somit ist gemäß ständiger Rechsprechung die erfinderische Tätigkeit sowohl gegenüber Dokument D1 als auch gegenüber Dokument D2 als relevantem Ausgangspunkt zu prüfen (siehe Rechsprechung der Beschwerdekammern des EPA, 8. Auflage 2016, Absatz I.D.2; T 308/09, Entscheidungsgrund 1.4.1).
2.2 Unterschiedsmerkmale
2.2.1 Dokument D1
Wie oben unter Punkt 1.1 ausgeführt, unterscheidet sich der Gegenstand des erteilten Anspruchs 10 von dem aus Dokument D1 bekannten Verfahren durch die Merkmale 10.3 und 10.5 und das in Merkmal 10.4 enthaltene Teilmerkmal, dass mit dem Lichttaster zusätzlich zur Lichtstrahlunterbrechung eine Entfernung zwischen dem die Lichtstrahlunterbrechung verursachenden Objekt und einer Sende-/Empfangsleiste bestimmt wird.
2.2.2 Dokument D2
Dokument D2 offenbart (siehe Absatz [0029]; Figur 1) ein Sicherheitslichtgitter 1, bestehend aus zwei Sende-Empfangsleisten 2 und 4. Die Sende-Empfangsleisten 2 und 4 sind identisch ausgebildet und zueinander gegenüberliegend angeordnet. Die Sendeelemente S1.1 bis S1.3 der ersten Sende-Empfangsleiste 2 senden dabei Licht aus, welches von den Empfangselementen E2.1 bis E2.3 der zweiten Sende-Empfangsleiste 4 empfangen wird, dargestellt durch die optischen Lichtwege 18. Umgekehrt wird ausgehendes Licht von den Sendeelementen S2.1 bis S2.3 der zweiten Sende-Empfangsleiste 4 durch Empfangselemente E1.1 bis E1.3 der ersten Sende-Empfangsleiste 2 empfangen. Dadurch wird zwischen den Sende-Empfangsleisten 2 und 4 ein Schutzfeld 7 gebildet. Ein solches Sicherheitslichtgitter 1 findet beispielsweise Anwendung an Maschinen zur Absicherung von gefahrbringenden Bewegungen für Personen. Greift eine Person unerlaubt in das Schutzfeld 7 ein, wird wenigstens ein Lichtweg 18 unterbrochen. Das führt über einen sicheren Ausgang 6.1 und/oder 6.2 zur Ausgabe eines Signals an eine Maschinensteuerung 10, um die gefahrbringende Bewegung zum Schutz der Person zu stoppen.
Die Ansicht der Einspruchsabteilung, wonach das Dokument D2 die Merkmale 10.1, 10.2 und 10.3 offenbart und sich das beanspruchte Verfahren von dem in D2 beschriebene Verfahren durch die Merkmale 10.4 und 10.5 unterscheidet wurde von beiden Parteien geteilt.
In der Tat, Dokument D2 offenbart, unter Verwendung des Wortlauts des erteilten Anspruchs 10, ein Verfahren zur Überwachung eines Schutzbereiches (Schutzfeld 7) mit wenigstens zwei, einander gegenüberliegend angeordneten Sende-/Empfangsleisten (Sende-Empfangsleisten 2 und 4) mit Lichtsendern (Sendeelemente S1.1 bis S1.3 und S2.1 bis S2.3) und Lichtempfängern (Empfangselemente E1.1 bis E1.3 und E2.1 bis E2.3) zur Bildung eines durch die Lichtstrahlen der Lichtsender erzeugten Schutzfeldes (Schutzfeld 7) zwischen den Sende-/Empfangsleisten (Sende-Empfangsleisten 2 und 4), wobei jeweils wenigstens ein Lichtsender (Sendeelemente S1.1 bis S1.3 und S2.1 bis S2.3) und wenigstens ein Lichtempfänger (Empfangselemente E1.1 bis E1.3 und E2.1 bis E2.3) als Sende-/Empfangspaar zusammenwirken, und bei Unterbrechung wenigstens einer der Lichtstrahlen (Lichtwege 18) ein Sicherheitsschaltsignal (Signal an eine Maschinensteuerung 10) ausgegeben werden kann.
Dokument D2 offenbart jedoch keinen Lichttaster, so dass sich der Gegenstand des erteilten Anspruchs 10 durch die entsprechenden Merkmale 10.4 und 10.5 von dem aus Dokument D2 bekannten Verfahren unterscheidet.
2.3 Objektive technische Aufgabe
2.3.1 Dokument D1 als Ausgangspunkt
In der angefochtenen Entscheidung war die Einspruchsabteilung der Ansicht, dass es - von Dokument D1 ausgehend - die objektive technische Aufgabe der Erfindung sei, die Ansprechzeit des Verfahrens zum Überwachen eines Schutzbereichs zu reduzieren (siehe Punkt 14.1.1, Absatz 2 der Entscheidungsgründe).
Tatsächlich wird durch die genannten Unterschiedsmerkmale (siehe oben Punkt 2.2.1) erreicht, die Anwesenheit eines Objekts im Schutzbereich ohne aufwändige Berechnungen zu detektieren. Die Kammer stimmt daher der oben genannten, von der Einspruchsabteilung formulierten Aufgabenstellung zu.
2.3.2 Dokument D2 als Ausgangspunkt
Gemäß Streitpatent (siehe Absatz [0017]) erlauben die den Lichttaster betreffenden Unterschiedsmerkmale 10.4 und 10.5 (gegenüber Dokument D2), die Objektkontur eines im Schutzbereich befindlichen Objekts zu bestimmen und das Objekt aufgrund dieser Daten als zulässiges oder unzulässiges Objekt einzustufen.
Somit wird es - von Dokument D2 ausgehend - als die objektive technische Aufgabe der Erfindung angesehen, zulässige und unzulässige Objekte zuverlässig voneinander zu unterscheiden.
2.4 Naheliegen
2.4.1 Dokument D1 als Ausgangspunkt
Die Einspruchsabteilung war der Ansicht, dass es für den Fachmann nicht naheliegend sei, den aus Dokument D1 bekannten Lichttaster strukturell mit einer Lichtschranke zu kombinieren (siehe Punkt 14.1.1, letzter Absatz der Entscheidungsgründe).
Die Beschwerdeführerin machte geltend, dass der Fachmann im Verfahren gemäß Dokument D1 eine aus seinem Fachwissen oder Dokument D2 bekannte Amplitudenmessung verwenden und somit eine Reflex-Lichtschranke realisieren würde. Alternativ würde er eine aus D2 bekannte gegenüberliegende Ausführung einer Lichtschranke dadurch erreichen, dass er in der Ausführungsform nach Figur 5 des Dokuments D1 die Reflektoren durch Lichtempfänger ersetzen würde.
Die Kammer stellt zunächst fest, dass der Fachmann nach ihrer Ansicht zur Lösung der gestellten Aufgabe die im Verfahren von Dokument D1 verwendete Lichtlaufzeitmessung nicht durch eine Amplitudenmessung ersetzen würde. Dann wäre nämlich die auf der Lichtlaufzeitmessung beruhende Unterscheidung zwischen zulässigen und unzulässigen Objekten nicht mehr möglich. Eine solche Unterscheidung ist jedoch das im Dokument D1 ausdrücklich verfolgte Ziel (siehe D1, Absatz [0006]). Aus demselben Grund würde der Fachmann auch nicht in dem in Figur 5 des Dokuments D1 gezeigten Ausführungsbeispiel die Reflektorelemente 23, 23' durch Lichtempfänger zur Amplitudenmessung ersetzen.
Vielmehr würde der Fachmann zur Lösung der gestellten Aufgabe, die Ansprechzeit des Verfahrens zum Überwachen eines Schutzbereichs zu reduzieren, die in Dokument D1 selbst beschriebenen Lösungsansätze zu genau dieser Aufgabe erwägen. Es wird nämlich in Bezug auf die in den Figuren 3 und 4 gezeigten Ausführungsbeispiele beschrieben (siehe Absätze [0054]-[0066]), dass dazu Hilfssensoren 17 und 18 verwendet werden können, welche als Lichtschranke ausgebildet sein können. Durch die von diesen Sensoren erzeugten Signale kann das Umschalten der Vergleichswerte der Lichtlaufzeit von der Maximal-Lichtlaufzeit auf die weitere zulässige Lichtlaufzeit bzw. das umgekehrte Umschalten initiiert werden. Außerdem kann mit Hilfe dieser Signale die Anzahl der zu einer Auswertung führenden Lichtlaufzeitmessungen eingestellt werden. Dadurch kann jeweils die Gesamtansprechzeit des Verfahrens verringert werden.
Der Fachmann würde daher die Verwendung von solchen Hilfssensoren 17 und 18 und entsprechenden, von diesen Sensoren erzeugten Signalen auch in dem Verfahren gemäß Figur 5 des Dokuments D1 (Ausgangspunkt zur Prüfung der erfinderischen Tätigkeit) in Erwägung ziehen. Dabei würde er jedoch - wie auch in den Ausführungsbeispielen der Figuren 3 und 4 - zusätzliche Sensoren verwenden, welche von den, die Lichttaster bildenden Sender-Empfänger-Paaren (Sender 5 / Empfänger 6) verschieden sind. Eine Kombination der Komponenten des Lichttasters und der Hilfssensoren, deren Messungen auf unterschiedlichen Prinzipien beruhen, ist dem Fachmann nach Ansicht der Kammer weder durch die Lehre der Dokument D1 oder D2 noch durch sein Fachwissen nahegelegt. Somit würde er nicht zu dem beanspruchten Gegenstand gelangen.
Der Gegenstand des erteilten Anspruchs 10 weist daher gegenüber Dokument D1 als Ausgangspunkt eine erfinderische Tätigkeit auf.
2.4.2 Dokument D2 als Ausgangspunkt
Die Einspruchsabteilung entschied, dass - von Dokument D2 als nächstliegendem Stand der Technik ausgehend - der Gegenstand des Anspruchs 10 auf einer erfinderischen Tätigkeit beruhe. Insbesondere würde der Fachmann den aus D1 bekannten Lichttaster als separate Einheit in das Lichtgitter nach D2 einbauen (siehe Punkt 14.1.2 der Entscheidungsgründe).
Nach Ansicht der Beschwerdeführerin werde im Dokument D2 in Bezug auf das in Figur 3 gezeigte Ausführungsbeispiel eine Triangulationsanordnung zur Entfernungsmessung offenbart. Die dort beschriebene Methode sei jedoch mit der beanspruchten Methode der Entfernungsmessung gleichwirkend, da beide auf dem Prinzip der Triangulation beruhten.
Die Kammer hält zunächst fest, dass Dokument D2 in Bezug auf Figur 3 lediglich eine Möglichkeit zur Steuerung und Auswertung der Sende- und Empfangselemente S1.1 bis S2.2 und E1.1 bis E2.2 beschreibt, wonach einzelne Empfangselemente E1.1 und E2.1 nacheinander von unterschiedlichen Sendeelementen S1.1 bis S2.2 Lichtimpulse empfangen. Dadurch wird gegenüber der Abtastung in Figur 1 eine höhere Auflösung erreicht (siehe D2, Absätze [0040]-[0041]). Die Kammer sieht aber keinen Anhaltspunkt dafür, dass sich daraus eine Entfernung zu einem Objekt mittels Triangulation bestimmen lassen könnte. Auf die in Absatz [0041] erwähnte Position eines Objekts scheint sich lediglich durch Unterbrechung der entsprechenden Lichtwege 18 schließen zu lassen.
Da es ferner für den Fachmann aus den unter Punkt 2.4.1 genannten Gründen nicht naheliegend wäre, die Komponenten eines Lichtgitters mit denjenigen eines Lichttasters zu kombinieren, sieht die Kammer keinen Grund, von der oben genannten Einschätzung der Einspruchsabteilung abzuweichen, wonach selbst die Kombination der Dokumente D2 und D1 nicht zum beanspruchten Gegenstand führen würde.
Daher weist der Gegenstand des erteilten Anspruchs 10 gegenüber Dokument D2 als Ausgangspunkt eine erfinderische Tätigkeit auf.
2.4.3 Fazit
In Anbetracht des Vorstehenden weist der Gegenstand des erteilten Anspruchs 10 eine erfinderische Tätigkeit auf.
Der Vorrichtungsanspruch 1 entspricht im Wesentlichen dem Verfahrensanspruch 10. Ansprüche 2 bis 9 und 11 bis 14 sind von Anspruch 1 beziehungsweise Anspruch 10 abhängig.
Folglich weist der Gegenstand der erteilten Ansprüche 1 bis 14 eine erfinderische Tätigkeit auf (Artikel 52(1) und 56 EPÜ).
3. Schlussfolgerung
Da kein von der Beschwerdeführerin angeführter Einspruchsgrund der Aufrechterhaltung des europäischen Patents in der erteilten Fassung entgegensteht, ist gemäß Hauptantrag der Beschwerdegegnerin die Beschwerde gegen die Zurückweisung des Einspruchs zurückzuweisen (Artikel 101(2) und 111(1) EPÜ). Die Prüfung der Hilfsanträge ist daher nicht notwendig.
Aus diesen Gründen wird entschieden:
Die Beschwerde wird zurückgewiesen.