T 0095/15 (Automatische Auswahl eines Antriebs/SEW-EURODRIVE) 11-03-2021
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Verfahren und Anordnung zur Bestimmung und/oder Fertigung eines Antriebs oder Teilen für einen Antrieb, sowie Schnittstelle und Verfahren zur Bestimmung eines Betriebssicherheitsfaktors SB
Wittenstein AG
Lenze Drives GmbH
Zulässigkeit der Einsprüche - (ja): Einsprüche substanziiert
Patentierbare Erfindung - erteilte Fassung (nein): Verfahren für gedankliche Tätigkeiten als solches
Zulassung spät eingereichter Hilfsanträge - (nein): neuer Sachverhalt ("fresh case") bzw. nicht eindeutig gewährbar
Vorlage an die Große Beschwerdekammer - (nein): Antrag gegenstandslos
I. Gegen die Entscheidung der Einspruchsabteilung, mit der das Patent aufgrund mangelnder Technizität, unzulässiger Erweiterung, mangelnder erfinderischer Tätigkeit bzw. mangelnder Klarheit widerrufen wurde, legte die Patentinhaberin (Beschwerdeführerin) Beschwerde ein.
II. Eine mündliche Verhandlung vor der Kammer fand am 11. März 2021 statt.
- Die Beschwerdeführerin (Patentinhaberin) beantragte, die Einsprüche als unzulässig zu verwerfen oder hilfsweise, sie zurückzuweisen bzw. hilfsweise das Patent in geänderter Fassung gemäß einem der Hilfsanträge 1 bis 6, eingereicht mit dem Schriftsatz vom 15. September 2015, aufrechtzuerhalten. Hilfsweise beantragte die Beschwerdeführerin, der Großen Beschwerdekammer nach Artikel 112 (1) a) EPÜ eine Frage vorzulegen.
- Die Beschwerdegegnerinnen I und II (Einsprechende I und II) beantragten jeweils, die Beschwerde zurückzuweisen.
Am Ende der Verhandlung verkündete der Vorsitzende die Entscheidung der Kammer.
III. Anspruch 1 in der erteilten Fassung lautet (Hervorhebungen im Original):
"Verfahren zur Bestimmung und/oder Fertigung eines Antriebs oder Teilen für einen Antrieb aus einer Baureihe von Antrieben,
wobei die Baureihe mindestens eine Baugröße umfasst, wobei jede Baugröße mindestens eine Variante von Antrieben umfasst,
dadurch gekennzeichnet, dass
aus eingegebenen und/oder übermittelten Applikationsdaten und/oder Daten eines Lastkollektivs, insbesondere eines mehrere Teilkollektive umfassenden Lastkollektivs, für jede Variante der Baureihe ein Wert einer Größe zur quantitativen Erfassung der Überastfahigkeit [sic] bestimmt wird,
und nur Varianten bestimmt und/oder gefertigt werden, bei denen der Wert der Größe eine Bedingung erfüllt, insbesondere einen kritischen Wert überschreitet oder extremal ist,
wobei als GröBe [sic] ein Betriebssicherheitsfaktor SB vorgesehen ist."
IV. Anspruch 1 gemäß Hilfsantrag 1 lautet (Hervorhebungen im Original):
"Verfahren zur Bestimmung und/oder Fertigung eines Antriebs oder Teilen für einen Antrieb
aus einer Baureihe von Antrieben,
wobei die Baureihe mindestens eine Baugröße umfasst, wobei jede Baugröße mindestens eine Variante von Antrieben umfasst,
wobei eine Zahl anbietbarer Varianten unter Berücksichtigung aller Baugrößen der Baureihe sehr umfangreich ist,
dadurch gekennzeichnet, dass
aus eingegebenen [deleted: und/oder übermittelten] Applikationsdaten und/oder Daten eines Lastkollektivs, insbesondere eines mehrere Teilkollektive umfassenden Lastkollektivs, für jede Variante der Baureihe ein Wert einer Größe zur quantitativen Erfassung der Überlastfähigkeit bestimmt wird,
und nur Varianten bestimmt und/oder gefertigt werden, bei denen der Wert der Größe eine Bedingung erfüllt, insbesondere einen kritischen Wert überschreitet oder extremal ist,
wobei als Größe ein Betriebssicherheitsfaktor SB vorgesehen ist und nur Varianten bestimmt und/oder gefertigt werden, deren Betriebssicherheitsfaktor SB als Bedingung den Wert 1 überschreitet."
V. Anspruch 1 gemäß Hilfsantrag 2 entspricht Anspruch 1 gemäß Hilfsantrag 1, wobei "sehr umfangreich" durch "mehr als 10000" ersetzt worden ist.
VI. Anspruch 1 gemäß Hilfsantrag 3 entspricht Anspruch 1 gemäß Hilfsantrag 2, wobei sowohl "Bestimmung und/oder" (einmal) als auch "bestimmt und/oder" (zweimal) gestrichen worden sind.
VII. Anspruch 1 gemäß Hilfsantrag 4 lautet (Hervorhebungen im Original):
"Verfahren zur [deleted: Bestimmung und/oder] Fertigung eines Antriebs oder Teilen für einen Antrieb
aus einer Baureihe von Antrieben,
wobei die Baureihe mindestens eine Baugröße umfasst, wobei jede Baugröße mindestens eine Variante von Antrieben umfasst,
wobei eine Zahl anbietbarer Varianten unter Berücksichtigung aller Baugrößen der Baureihe mehr als 10000 ist,
dadurch gekennzeichnet, dass
aus eingegebenen [deleted: und/oder übermittelten] Applikationsdaten und/oder Daten eines Lastkollektivs, insbesondere eines mehrere Teilkollektive umfassenden Lastkollektivs, für jede Variante der Baureihe ein Wert einer Größe zur quantitativen Erfassung der Überlastfähigkeit bestimmt wird,
wobei für ein jeweiliges Teilkollektiv für jede Komponente eine Grenzbelastungskennlinie bestimmt wird und mittels dieser Grenzbelastungskennlinie und mindestens einer vorgegebenen Querkraft und/oder Axialkraft ein zulässiges äquivalentes Drehmoment bestimmt wird,
wobei mittels der Grenzbelastungskennlinie in einem Querkraft-Drehmoment-Diagramm
aus einem Wert für die Querkraft ein Wert für das zulässige äquivalente Drehmoment bestimmt wird
oder
mittels der Grenzbelastungskennlinie in einem Axialkraft-Drehmoment-Diagramm aus einem Wert für die Axialkraft ein Wert für das zulässige äquivalente Drehmoment bestimmt wird
oder
mittels der Grenzbelastungskennlinie in einem Axialkraft-Querkraft-Diagramm aus einem Wert für die Axialkraft und einem Wert für die Querkraft ein Wert für das zulässige äquivalente Drehmoment bestimmt wird,
und nur Varianten [deleted: bestimmt und/oder] gefertigt werden, bei denen der Wert der Größe eine Bedingung erfüllt, insbesondere einen kritischen Wert überschreitet oder extremal ist,
wobei als Größe ein Betriebssicherheitsfaktor SB vorgesehen ist und nur Varianten bestimmt und/oder gefertigt werden, deren Betriebssicherheitsfaktor SB als Bedingung den Wert 1 überschreitet."
VIII. Anspruch 1 gemäß Hilfsantrag 5 lautet (Hervorhebungen im Original):
"Verfahren zur [deleted: Bestimmung und/oder] Fertigung eines Antriebs oder Teilen für einen Antrieb
aus einer Baureihe von Antrieben,
wobei die Baureihe mindestens eine Baugröße umfasst, wobei jede Baugröße mindestens eine Variante von Antrieben umfasst,
wobei eine Zahl anbietbarer Varianten unter Berücksichtigung aller Baugrößen der Baureihe mehr als 10000 ist,
dadurch gekennzeichnet, dass
aus eingegebenen [deleted: und/oder übermittelten] Applikationsdaten und/oder Daten eines Lastkollektivs, insbesondere eines mehrere Teilkollektive umfassenden Lastkollektivs, für jede Variante der Baureihe ein Wert einer Größe zur quantitativen Erfassung der Überlastfähigkeit bestimmt wird,
wobei für ein jeweiliges Teilkollektiv für jede Komponente eine Grenzbelastungskennlinie bestimmt wird und mittels dieser Grenzbelastungskennlinie und mindestens einer vorgegebenen Querkraft und/oder Axialkraft ein zulässiges äquivalentes Drehmoment bestimmt wird,
wobei mittels der Grenzbelastungskennlinie in einem Querkraft-Drehmoment-Diagramm
aus einem Wert für die Querkraft ein Wert für das zulässige äquivalente Drehmoment bestimmt wird
oder
mittels der Grenzbelastungskennlinie in einem Axialkraft-Drehmoment-Diagramm aus einem Wert für die Axialkraft ein Wert für das zulässige äquivalente Drehmoment bestimmt wird
oder
mittels der Grenzbelastungskennlinie in einem Axialkraft-Querkraft-Diagramm aus einem Wert für die Axialkraft und einem Wert für die Querkraft ein Wert für das zulässige äquivalente Drehmoment bestimmt wird,
so dass die real auftretende Querkraft und/oder Axialkraft durch einen fiktiven Wert für das zulässige äquivalente Drehmoment ersetzt wird/werden und dieses zulässige äquivalente Drehmoment zusammen mit einem real auftretenden Drehmoment verarbeitet wird zur Bestimmung eines Betriebssicherheitsfaktors SB,
und nur Varianten [deleted: bestimmt und/oder] gefertigt werden, bei denen der Wert der Größe eine Bedingung erfüllt, insbesondere einen kritischen Wert überschreitet oder extremal ist,
wobei als Größe der Betriebssicherheitsfaktor SB vorgesehen ist und nur Varianten bestimmt und/oder gefertigt werden, deren Betriebssicherheitsfaktor SB als Bedingung den Wert 1 überschreitet."
IX. Anspruch 1 gemäß Hilfsantrag 6 entspricht Anspruch 1 gemäß Hilfsantrag 5, wobei der folgende Zusatz am Ende hinzugefügt worden ist (Hervorhebungen im Original):
"wobei zur Bestimmung des Betriebssicherheitsfaktors SB zumindest eine Schadensakkumulationshypothese verwendet wird."
1. Zulässigkeit der Einsprüche (Artikel 99 (1) EPÜ, Regel 76 (2) c) EPÜ)
1.1 Die Beschwerdeführerin trug vor, die Einsprüche der Einsprechenden I und II seien als unzulässig zu verwerfen, da die jeweiligen Einspruchsgründe nicht substanziiert dargelegt worden seien.
1.2 Die Kammer teilt dazu die Auffassung der Einspruchsabteilung (vgl. Punkte II.1.2 und II.1.4 der angefochtenen Entscheidung), wonach die von den beiden Einsprechenden vorgebrachten Beweismittel und Argumente ausreichend sind, um die Zulässigkeit der jeweiligen Einsprüche gemäß Artikel 99 (1) EPÜ und Regel 76 (2) c) EPÜ zu bejahen (Artikel 15 (8) VOBK 2020). In beiden Fällen wird nämlich mindestens ein Einspruchsgrund ausreichend substanziiert (siehe z.B. die Einwände zur Patentierbarkeit in Abschnitt II des Einspruchsschriftsatzes der Einsprechenden I und die Einwände zur Patentfähigkeit in Abschnitt C des Einspruchsschriftsatzes der Einsprechenden II). Ob das Vorbringen einer Einsprechenden stichhaltig bzw. überzeugend ist oder nicht, ist für die Frage der Zulässigkeit des Einspruchs hingegen irrelevant.
2. Anspruch 1 in der erteilten Fassung - Patentierbarkeit (Artikel 52 (2) c) EPÜ)
2.1 Anspruch 1 in der erteilten Fassung umfasst folgende einschränkenden Merkmale (gemäß der Merkmalsgliederung der Kammer):
a) Verfahren zur Bestimmung und/oder Fertigung eines Antriebs oder Teilen für einen Antrieb
aus einer Baureihe von Antrieben, wobei die Baureihe mindestens eine Baugröße umfasst, wobei jede Baugröße mindestens eine Variante von Antrieben umfasst,
b) wobei aus eingegebenen und/oder übermittelten Applikationsdaten und/oder Daten eines Lastkollektivs für jede Variante der Baureihe ein Wert einer Größe zur quantitativen Erfassung der Über[l]astf[ä]higkeit bestimmt wird,
c) wobei nur Varianten bestimmt und/oder gefertigt werden, bei denen der Wert der Größe eine Bedingung erfüllt, wobei als Grö[ß]e ein Betriebssicherheits-faktor SB vorgesehen ist.
2.2 Die Beschwerdeführerin trug dazu vor, dass durch die Wortwahl "eingegebenen und/oder übermittelten Applikationsdaten und/oder Daten eines Lastkollektivs" gemäß Merkmal b) für die Fachperson unmittelbar verständlich sei, dass diese Eingabe und/oder Übermittlung mit einem Rechner oder Rechnersystem erfolgen solle und somit eine mündliche Übermittlung, wie von der Einspruchsabteilung angenommen, ausscheide.
2.3 Die Kammer teilt die in Punkt 3.2 der angefochtenen Entscheidung angegebene Auffassung der Einspruchsabteilung, wonach eine Ausführung des Verfahren von Anspruch 1 in der erteilten Fassung auf einem Computersystem nicht impliziert wird (Artikel 15(8) VOBK 2020). Das beanspruchte Verfahren könnte somit vollständig als reine gedankliche Tätigkeit im Sinne von Artikel 52 (2) c) EPÜ durchgeführt werden. Ein Computer oder andere technische Mittel sind dafür nicht erforderlich (siehe z.B. T 258/03, Gründe 4). Weder die "Eingabe" noch die "Übermittlung" von Applikationsdaten und/oder Daten eines Lastkollektivs impliziert notwendigerweise die Verwendung von technischen (Hilfs-)Mitteln.
2.4 In der mündlichen Verhandlung vor der Kammer verwies die Beschwerdeführerin auch auf die Richtlinien für die Prüfung in der Fassung vom November 2014, G-VII, 5.4, wonach "[e]s zulässig [ist], dass ein Anspruch eine Mischung aus technischen und 'nicht technischen' Merkmalen aufweist", wie es bei computerimplementierten Erfindungen oft der Fall sei.
Dieser Verweis überzeugt nicht, da hier ja nicht die erfinderische Tätigkeit (die "zweite Hürde" nach der Prüfungspraxis des EPA) einer sog. "Mischerfindung" in Frage gestellt wird, sondern es hier um die Frage geht, ob überhaupt technische Mittel (z.B. ein Computer) zur Durchführung des beanspruchten Verfahrens erforderlich sind (die "erste Hürde" nach Artikel 52 (2) und (3) EPÜ).
2.5 Somit ist der Gegenstand von Anspruch 1 in der erteilten Fassung als ein Verfahren für gedankliche Tätigkeiten als solches (Artikel 52 (2) c) und (3) EPÜ) und nicht als "Erfindung" im Sinne von Artikel 52 (1) EPÜ anzusehen.
3. Zulassung der Hilfsanträge 1 bis 6 in das Beschwerdeverfahren
3.1 Die Hilfsanträge 1 und 4 bis 6 wurden nach Einreichung der Beschwerdebegründung von der Beschwerdeführerin überreicht (Artikel 13(1) VOBK 2020 i.V.m. Artikel 25(1) VOBK 2020), während die Hilfsanträge 2 und 3 mit der Beschwerdebegründung eingereicht wurden (Artikel 12(4) VOBK 2007 i.V.m. Artikel 25(2) VOBK 2020).
3.2 Anspruch 1 der Hilfsanträge 1 bis 6 unterscheidet sich von Anspruch 1 in der erteilten Fassung darin, dass der Ausdruck "und/oder übermittelten" in Merkmal b) (Hilfsanträge 1 bis 6) bzw. "Bestimmung und/oder" in Merkmal a) und "bestimmt und/oder" in Merkmal c) und e) (Hilfsanträge 3 bis 6) gestrichen wurden und der Anspruch zusätzlich umfasst, dass
d) eine Zahl anbietbarer Varianten unter Berücksichtigung aller Baugrößen der Baureihe sehr umfangreich ist (Hilfsantrag 1);
e) nur Varianten bestimmt/gefertigt werden, deren Betriebssicherheitsfaktor SB als Bedingung den Wert 1 überschreitet (Hilfsanträge 1 bis 6);
f) eine Zahl anbietbarer Varianten unter Berücksichtigung aller Baugrößen der Baureihe mehr als 10000 ist (Hilfsanträge 2 bis 6);
g) für ein jeweiliges Teilkollektiv für jede Komponente eine Grenzbelastungskennlinie bestimmt wird und mittels dieser Grenzbelastungskennlinie und mindestens einer vorgegebenen Querkraft
und/oder Axialkraft ein zulässiges äquivalentes Drehmoment bestimmt wird und mittels der Grenzbelastungskennlinie in einem
Querkraft-Drehmoment-Diagramm aus einem Wert für die Querkraft ein Wert für das zulässige äquivalente Drehmoment bestimmt wird oder mittels der Grenzbelastungskennlinie in einem
Axialkraft-Drehmoment-Diagramm aus einem Wert für die Axialkraft ein Wert für das zulässige äquivalente Drehmoment bestimmt wird oder mittels der Grenzbelastungskennlinie in einem
Axialkraft-Querkraft-Diagramm aus einem Wert für die Axialkraft und einem Wert für die Querkraft ein Wert für das zulässige äquivalente Drehmoment bestimmt wird (Hilfsanträge 4 bis 6);
h) die real auftretende Querkraft und/oder Axialkraft durch einen fiktiven Wert für das zulässige äquivalente Drehmoment ersetzt wird/werden und dieses zulässige äquivalente Drehmoment zur Bestimmung eines Betriebssicherheitsfaktors SB zusammen mit einem real auftretenden Drehmoment verarbeitet wird (Hilfsanträge 5 und 6);
i) zur Bestimmung des Betriebssicherheitsfaktors SB zumindest eine Schadensakkumulationshypothese verwendet wird (Hilfsantrag 6).
3.3 Artikel 12 (4) VOBK 2007 stellt es in das Ermessen der Kammer, Tatsachen, Beweismittel oder Anträge nicht zuzulassen, die bereits im erstinstanzlichen Verfahren hätten vorgebracht werden können.
Nach Artikel 13 (1) VOBK 2020 steht es im Ermessen der Kammer, Änderungen des Beschwerdevorbringens eines Beteiligten nach Einreichung seiner Beschwerde-begründung zuzulassen, wobei bei der Ausübung des Ermessens z.B. die Verfahrensökonomie bzw. die Eignung der Änderung eines Patents zur Ausräumung der aufgeworfenen Fragen, ohne zu neuen Einwänden Anlass zu geben, zu berücksichtigen sind.
3.4 Die Beschwerdeführerin argumentierte dazu, dass
- die Einreichung des Hilfsantrags 1 in Reaktion auf eine überraschende Schlussfolgerung der Einspruchsabteilung erfolge, da die in der angefochtenen Entscheidung festgestellte unzulässige Erweiterung bezüglich der Hilfsanträge 1 bis 3 ein Merkmal (d.h. Merkmal c)) betreffe, das bereits in der erteilten Fassung so vorhanden gewesen sei,
- der Hilfsantrag 2 in Reaktion auf die überraschende Auffassung der Einspruchsabteilung (Punkt 3.2 der Entscheidungsbegründung) eingereicht worden sei, nach der die Formulierung in Anspruch 1 gemäß Merkmal c) auch den Fall einer "Baugröße" mit einer "Variante" und somit auch einen einzigen Antrieb umfasse,
- die Änderung gemäß Hilfsantrag 3 (d.h. ausschließliche "Fertigung" statt "Bestimmung" von Antriebsvarianten) in Reaktion auf die überraschende, nicht aus dem Ladungszusatz hervorgehende Ansicht der Einspruchsabteilung (Punkt 3.2 der Entscheidungsbegründung) geschehen sei, dass eine Bestimmung auch durch bloße Überlegungen, realistischerweise unter Zuhilfenahme von Papier, Bleistift und einschlägigen Tabellen bewerkstelligbar sei,
- der Hilfsantrag 4 dem Hilfsantrag 5 des Einspruchsverfahrens in der Fassung vom 22. Mai 2014 mit den Änderungen der vorangehenden Hilfsanträge 1 bis 3 entspreche,
- im Hilfsantrag 5 zur Vermeidung der von der Einspruchsabteilung erstmals in der mündlichen Verhandlung erhobenen Beanstandung in Bezug auf die Klarheit des Hilfsantrags 5b (vom Nachmittag des 22. Mai 2014) der Begriff der "real auftretenden Größen" durch die genauere Spezifizierung "Querkraft und/oder Axialkraft" gemäß Merkmal h) ersetzt werde,
- der neue Anspruch 1 mit Merkmal i) des Hilfsantrags 6 gegenüber Hilfsantrag 5 zusätzlich seine Grundlage im ursprünglichen Anspruch 17 finde.
3.5 Die Hilfsanträge 1 bis 6 waren aus den folgenden Gründen nicht in das Beschwerdeverfahren zuzulassen:
3.5.1 In Bezug auf Hilfsantrag 1 befindet die Kammer, dass weder das Hinzufügen von Merkmal d) noch das Streichen des Ausdrucks "und/oder übermittelten" in Merkmal c) als eine angemessene Reaktion auf eine verspätet beanstandete unzulässige Erweiterung angesehen werden kann. Vielmehr sollen diese Änderungen offenbar die Technizität des Gegenstands von Anspruch 1 (nach der Streichung des Ausdrucks "unter Verwendung wenigstens eines Rechnersystems" in den im Einspruchsverfahren vorgelegten Hilfsanträgen) herstellen. Diese Problematik wurde jedoch ausführlich in der mündlichen Verhandlung vor der Einspruchsabteilung diskutiert und die Beschwerdeführerin bekam dort schon zahlreiche Möglichkeiten, darauf zu reagieren, wie auch das Einreichen der Hilfsanträge 4b, 5, 5b und 6 bis 13 nach dieser Diskussion in der mündlichen Verhandlung belegt. Somit ist es ersichtlich, dass ein solcher Antrag bereits im Einspruchsverfahren hätte vorgebracht werden können und auch müssen.
3.5.2 Ferner scheinen diese Änderungen nicht das Problem der mangelnden Technizität zu lösen, weil, zum einen, die vermeintliche Komplexität der beanspruchten Lösung ("sehr umfangreich") für sich genommen eine gedankliche Tätigkeit als solche nicht ausschließen kann (siehe z.B. T 914/02, Gründe 2.3.4; T 1820/16, Gründe 3.2) und, zum anderen, der Ausdruck "eingegebenen" nicht zwangsläufig die Präsenz eines Computers oder eines anderen technischen Mittels impliziert, da die "Eingabe" von Daten weder linguistisch noch technisch die ausschließliche Verwendung von technischen Mitteln wie z.B. eine Computer-Schnittstelle umfasst. Die benötigten Daten könnten nämlich sehr wohl mündlich bzw. schriftlich (vorab) "eingegeben" worden sein. Darüber hinaus verursacht Merkmal d) neue Klarheitsprobleme, da der Begriff "sehr umfangreich" keine eindeutige Definition aufweist.
Hierzu verwies die Beschwerdeführerin in der mündlichen Verhandlung vor der Kammer auf die Argumente der Beschwerdegegnerin I mit Bezug auf D29 (siehe Seite 20, erster Absatz der Beschwerdeerwiderung):
"In D29 wird ausdrücklich auf 'Eingabedaten' hingewiesen (D29, S. E2l, Bild 40). Damit ist auch klar, dass der Fachmann implizit mitliest, dass sich das Verfahren am besten auf einem Rechensystem durchführen lässt. Dies ergibt sich andererseits auch aus den schieren Datenmengen."
3.5.3 Dies vermag auch nicht zu überzeugen. Einerseits beziehen sich die Argumente der Beschwerdegegnerin I auf die Analyse von D29 im Zusammenhang mit einer spezifischen Diskussion über erfinderische Tätigkeit (Artikel 56 EPÜ) und nicht über die Technizität (Artikel 52 (2) und (3) EPÜ). Andererseits, kann - wie oben ausgeführt - die bloße, vermeintliche Komplexität der Lösung nicht zwangsläufig den Einsatz von technischen Mitteln implizieren.
3.5.4 Betreffend Hilfsantrag 2 soll sowohl das Hinzufügen von Merkmal f) als auch das Streichen des Ausdrucks
"und/oder übermittelten" in Merkmal c) offenbar erneut die Technizität des Gegenstands von Anspruch 1 herstellen. Ein solcher Antrag hätte mithin aus den oben genannten Gründen bereits im Einspruchsverfahren eingereicht werden können und müssen (vgl. Punkt 3.5.1 oben).
3.5.5 Die Hilfsanträge 3 bis 6 erzeugen wiederum aufgrund des unvermittelten Streichens des Ausdrucks "Bestimmung des Antriebs" einen völlig neuen Sachverhalt (sog. "fresh case"), so dass jetzt zum ersten Mal während des gesamten Verfahrens die "Fertigung des Antriebs" bzw. der Umstand, dass "Varianten gefertigt werden", in den Vordergrund gestellt wird und somit eine Schwerpunktverlagerung des Prüfungsstoffs stattfinden würde. Auch wenn eine "Fertigung" wohl in der Tat den Einsatz von technischen Mitteln bedingt (Artikel 52 (2) EPÜ), hätte die Zulassung dieser Hilfsanträge negative Auswirkungen auf die gebotene Verfahrensökonomie (Artikel 13 (1) VOBK 2020). Die Kammer wäre dann nämlich gezwungen, entweder die erstmalige Prüfung dieses Gegenstands selbst vorzunehmen - entgegen dem vorrangigen Ziel des Beschwerdeverfahrens, die angefochtene Entscheidung gerichtlich zu überprüfen (Artikel 12 (2) VOBK 2020) - oder die Angelegenheit an die Einspruchsabteilung zurückzuverweisen, ohne dass hier besondere Gründe erkennbar wären (Artikel 11 VOBK 2020).
Zudem sind weitere Merkmale wie Merkmal g) (Hilfsanträge 4 bis 6), Merkmal h) (Hilfsanträge 5 und 6) und Merkmal i) (Hilfsantrag 6) hinzugefügt worden. Solche substanziellen Änderungen hätten daher umso mehr schon im Einspruchsverfahren vorgenommen werden sollen (Artikel 12 (4) VOBK 2007).
4. Da keine der vorliegenden Anspruchssätze zulässig bzw. gewährbar ist, ist die Beschwerde zurückzuweisen.
5. Antrag auf Vorlage (Artikel 112 (1) a) EPÜ)
5.1 Mit dem Schriftsatz vom 15. September 2015 beantragte die Beschwerdeführerin zudem für den Fall, dass die Kammer die Ansicht vertreten sollte, dass die erfindungsgemäße Verwendung einer Grenzbelastungs-kennlinie im Sinne der Hilfsanträge 4 bis 6 nicht bei der Prüfung auf erfinderische Tätigkeit zu berücksichtigen sei, die Große Beschwerdekammer nach Artikel 112 (1) a) EPÜ zu befassen, um folgende Frage zu klären (Hervorhebung durch die Kammer):
"Ist ein Merkmal eines Anspruchs, das auf einem technischen Verständnis des Betriebs eines zugrunde liegenden Systems beruht und zu dessen Entwicklung weder ein Wirtschaftsexperte noch ein Verwaltungsexperte, sondern nur ein technischer
Fachmann auf dem Gebiet des Systems qualifiziert oder in der Lage ist, bei der Prüfung auf erfinderische Tätigkeit zu berücksichtigen?"
5.2 Hilfsanträge 4 bis 6 wurden nicht in das Beschwerdeverfahren zugelassen (vgl. Punkt 3.5.5 oben). Demzufolge war auch keine Prüfung dieser Hilfsanträge auf erfinderische Tätigkeit (Artikel 56 EPÜ) erforderlich.
5.3 Folglich ist der Antrag auf Vorlage gegenstandslos (d.h. nicht erforderlich für die Entscheidung über diesen Fall im Sinne von Artikel 112 (1) a) EPÜ) und deshalb zurückzuweisen.
Aus diesen Gründen wird entschieden:
1. Der Antrag auf Vorlage an die Große Beschwerdekammer wird zurückgewiesen.
2. Die Beschwerde wird zurückgewiesen.