T 1262/15 07-11-2019
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VERFAHREN UND VORRICHTUNG ZUR LASER-MIKRODISSEKTION MIT EINER KONTINUIERLICHEN VERÄNDERUNG DER SCHNITTPARAMETER
Unzulässige Verallgemeinerung (nein)
Stand der Technik - Öffentliche Zugänglichkeit einer Bedienungsanleitung (ja)
Neuheit und erfinderische Tätigkeit (ja)
I. Die Patentinhaberin und die Einsprechende richteten ihre Beschwerden gegen die Zwischenentscheidung der Einspruchsabteilung, mit der unter Berücksichtigung der von der Patentinhaberin vorgenommenen Änderungen das europäische Patent Nr. 1893971 in geänderter Form gemäß dem damals anhängigen Hilfsantrag 3 aufrechterhalten worden ist.
Mit dem Einspruch war das Streitpatent in vollem Umfang im Hinblick auf die Einspruchsgründe unzulässiger Erweiterung (Artikel 100 c) EPÜ) und mangelnder Neuheit bzw. fehlender erfinderischer Tätigkeit (Artikel 100 a) EPÜ i.V.m. Artikeln 54 und 56 EPÜ) angegriffen worden.
II. Folgende Dokumente wurden im erstinstanzlichen Verfahren herangezogen und von den Beteiligten im Beschwerdeverfahren wieder aufgegriffen:
D1: "PALM RoboSoftware - Software Manual - MicroLaser Systems Version 3.0-0604 (DE)", P. A. L. M. Microlaser Technologies, Copyright-Vermerk 2004; Seiten 1 bis 4, 11 bis 16, 89 bis 103 und 152
D1b: "Installationsprotokoll" vom 18. Mai 2005, Kunde Johannes-Gutenberg-Universität (2 Seiten) und "Benutzerunterlagen" vom 20. April 2005 (2 Seiten)
D2: DE 103 46 458 A1
D3: DE 100 43 506 C1.
III. In ihrer Entscheidung vertrat die Einspruchsabteilung u.a. die Auffassung, dass
- der Einspruchsgrund nach Artikel 100 c) EPÜ nicht der Aufrechterhaltung des Patents entgegenstünde,
- das Dokument D1 unter Berücksichtigung des Dokuments D1b zum Stand der Technik im Sinne von Artikel 54(2) EPÜ gehörte,
- der Gegenstand der erteilten unabhängigen Patentansprüche 1 und 10 gegenüber Dokument D1 nicht neu sei, und
- das geänderte Patent gemäß dem damals anhängigen Hilfsantrag 3 die Erfordernisse des EPÜ erfüllte.
IV. Mit ihrer Beschwerdebegründung vom 26. August 2015 und mit den nachfolgenden Schreiben vom 11. Januar 2016, 9. August 2017 und 7. Oktober 2019 hat die Patentinhaberin Anspruchssätze gemäß verschiedenen Hilfsanträgen eingereicht.
Während des Beschwerdeverfahrens hat die Einsprechende folgendes Dokument eingereicht:
D1c: "PALM RoboSoftware - Software Manual - MicroLaser Systems Version 3.0-0804 (EN)", P. A. L. M. Microlaser Technologies, Copyright-Vermerk 2004; Seiten 1 bis 8.
V. Es wurde am 7. November 2019 vor der Kammer mündlich verhandelt.
Die Patentinhaberin beantragte die Aufhebung der angefochtenen Entscheidung und die Aufrechterhaltung des Patents in unveränderter Form (Hauptantrag), oder die Aufrechterhaltung des Patents in geändertem Umfang auf der Grundlage der Ansprüche eines der folgenden Hilfsanträge:
- Hilfsantrag 0 eingereicht mit Schreiben vom 7. Oktober 2019,
- Hilfsantrag 1 eingereicht mit Schreiben vom 26. August 2015,
- Hilfsantrag 1a eingereicht mit Schreiben vom 7. Oktober 2019,
- Hilfsantrag 2 eingereicht mit Schreiben vom 9. August 2017,
- Hilfsantrag 2a eingereicht mit Schreiben vom 7. Oktober 2019,
- Hilfsantrag 3 eingereicht mit Schreiben vom 11. Januar 2016,
- Hilfsantrag 4 eingereicht mit Schreiben vom 26. August 2015,
- Hilfsantrag 5 eingereicht mit Schreiben vom 11. Januar 2016 oder
- Hilfsanträge 6 bis 11 eingereicht mit Schreiben vom 26. August 2015.
Die Einsprechende beantragte die Aufhebung der angefochtenen Entscheidung und den Widerruf des Patents.
Am Ende der mündlichen Verhandlung wurde die Entscheidung der Kammer verkündet.
VI. Die unabhängigen Patentansprüche 1 und 10 in der erteilten Fassung (Hauptantrag) lauten wie folgt:
"1. Laser-Mikrodissektionsverfahren, mit dem ein Dissektat aus einer biologischen Probe (4), welche auf einem planaren Träger (3) aufgebracht ist, mittels Laserpulsen eines Lasers (22) entlang einer geschlossenen Schnittlinie (70) ausgeschnitten wird, dadurch gekennzeichnet, dass in Abhängigkeit von probenabhängigen Größen die Parameter, welche die Laserpulse und die Schnittlinie (70) bestimmen, synchron zu den Laserpulsen entlang der geschlossenen Schnittlinie (70) zumindest in einem mehrere Laserpulse umfassenden Bereich (71-74) dieser Schnittlinie (70) kontinuierlich verändert werden."
"10. Vorrichtung zur Laser-Mikrodissektion umfassend ein Mikroskop (1) mit mindestens einem eine optische Achse (10) definierenden Objektiv (9), einen gepulsten Laser (22), der einen Laserstrahl (31) aussendet, der über das Objektiv (9) entlang der optischen Achse (10) auf eine Probe (4) gerichtet ist und eine geschlossene Schnittlinie beschreibt, dadurch gekennzeichnet, dass alle in der optischen Achse (10) angeordneten Elemente, die die Parameter der Laserpulse und der Schnittlinie bestimmen, an eine zentrale Recheneinheit (16) angeschlossen sind, mit der in Abhängigkeit von probenabhängigen Größen die Parameter, welche die Laserpulse und die Schnittlinie (70) bestimmen, synchron zu den Laserpulsen entlang der geschlossenen Schnittlinie (70) zumindest in einem mehrere Laserpulse umfassenden Bereich (71-74) dieser Schnittlinie (70) kontinuierlich veränderbar sind."
Das Patent in der erteilten Fassung beinhaltet auch die abhängigen Ansprüche 2 bis 9 und 11 bis 20, die sich jeweils auf bevorzugte Ausführungsformen des Verfahrens nach Patentanspruch 1 und der Vorrichtung nach dem unabhängigen Patentanspruch 10 richten.
1. Die Beschwerde der Patentinhaberin und die Beschwerde der Einsprechenden sind zulässig.
2. Hauptantrag - Artikel 100 c) EPÜ 1973
2.1 Die Einsprechende ist der Auffassung der Einspruchsabteilung entgegengetreten, wonach das Merkmal der erteilten unabhängigen Patentansprüche 1 und 10 betreffend die Veränderung der Parameter, die die Laserpulse und die Schnittlinie bestimmen, "in Abhängigkeit von probenabhängigen Größen" keine unzulässige Verallgemeinerung darstellte. Insbesondere hat die Einsprechende geltend gemacht, dass dieses Merkmal nicht in der ursprünglich eingereichten Anmeldung wörtlich offenbart sei und dass die in der ursprünglichen Anmeldung aufgezählten Beispiele für Größen, die als Grundlage für die Bestimmung der Laserparameter dienen könnten, die Verwendung des allgemeineren Begriffs "probenabhängige Größe" in den erteilten Ansprüchen nicht rechtfertige. Zudem stellten einige der aufgezählten Beispiele, insbesondere die Krümmung bzw. Neigung des Präparats, keine "probenabhängigen Größen" dar. Außerdem sei in der ursprünglich eingereichten Anmeldung nur die Verwendung von Größen offenbart, die durch Bildverarbeitung bestimmt würden.
Die Kammer kann der Argumentation der Einsprechenden nicht folgen. Die ursprüngliche Anmeldung (vgl. Veröffentlichung WO 2006/134142 A1) bezieht sich nicht nur auf spezifische Größen bzw. Parameter der Probe, wie z.B. die Probendicke, die Textur, die Verteilung der Färbung, die Krümmung bzw. die Neigung, usw. (siehe u.a. der die Seiten 4 und 5 überbrückende Absatz und Seite 13, Zeilen 12 bis 16), sondern auch auf allgemeinere Größen der Probe, wie z.B. "die Schneideigenschaften des Probenmaterials" und "Benutzerangaben über die Art des Proben- oder Trägermaterials" (Seite 13, Zeilen 16 bis 25). Auch wenn die Krümmung und die Neigung der Probe - wie von der Einsprechenden vorgetragen - von der Anordnung des Probenträgers abhängig sein können, stellen sie auch Größen der auszuschneidenden Probe und damit probenabhängige Größen im Sinne der beanspruchten Erfindung dar (siehe z.B. "eine eventuelle Krümmung und eine allgemeine Neigung des Präparats" auf Seite 13, Zeilen 12 bis 16, und den die Seiten 13 und 14 überbrückenden Absatz).
Außerdem bezieht sich die ursprüngliche Anmeldung auf probenabhängige Größen, die durch Bildverarbeitung bestimmt werden (siehe z.B. den die Seiten 4 und 5 überbrückenden Absatz), aber - entgegen dem Vorbringen der Einsprechenden - auch auf probenabhängige Größen, die durch andere Verfahren bzw. Maßnahmen gewonnen werden können (siehe z.B. "durch Auswertung der optischen Dichte", "durch 'Eineichen' des Verfahrens auf das Probenmaterial", "Über Kontrastauswertung des Mikroskopbildes", "mit Hilfe anderer Verfahren Schätzwerte für die Schneideigenschaften des Probenmaterials", "mit Benutzerangaben über die Art des Proben- oder Trägermaterials", usw. auf Seite 13, Zeile 3 bis Seite 14, Zeile 2). Daher sind die im Patentanspruch 1 angegebenen probenabhängigen Größen in der ursprünglich eingereichten Anmeldung nicht auf Größen eingeschränkt, die durch Bildverarbeitung bestimmbar sind oder die nur unter Anwendung von Bildverarbeitungsverfahren gewonnen werden können.
Der von der Einsprechenden geltend gemachte Einwand der unzulässigen Verallgemeinerung ist daher nicht überzeugend.
2.2 Die Einsprechende ist auch der Auffassung der Einspruchsabteilung entgegengetreten, wonach das Merkmal "die Parameter [...] zumindest in einem mehrere Laserpulse umfassenden Bereich [...] dieser Schnittlinie kontinuierlich [verändert werden bzw. veränderbar sind]" der erteilten unabhängigen Patentansprüche 1 und 10 keine unzulässige Zwischenverallgemeinerung darstelle. Die Einsprechende hat geltend gemacht, dass eine kontinuierliche Veränderung der Laserparameter lediglich in einem Bereich der Schnittlinie in der ursprünglich eingereichten Anmeldung (Fig. 7 und 8) und ausschließlich in Zusammenhang mit dem gleichzeitigen Konstanthalten der Laserparameter in wenigstens einem weiteren Bereich der Schnittlinie offenbart sei und dass die erteilten Ansprüche eine Veränderung der Laserparameter entlang der gesamten Schnittlinie nicht ausschlössen.
Auch diese Argumentation hält die Kammer für nicht überzeugend, weil die Tatsache, dass das Ausschneiden einer bestimmten Probe - wie z.B. der Proben der Ausführungsformen gemäß Fig. 7 und 8 der ursprünglich eingereichten Anmeldung - neben Bereichen der Schnittlinie, die eine Veränderung der Laserparameter erfordern, auch Bereiche der Schnittlinie umfasst, die keine Veränderung der Laserparameter erfordern (Seite 16, Zeilen 3 bis 5), nicht bedeutet, dass bei Proben, deren Ausschneiden eine Veränderung der Laserparameter entlang der ganzen Schnittlinie erfordert - wie dies z.B. bei der Ausführungsform gemäß Fig. 5 der ursprünglich eingereichten Anmeldung der Fall ist (vgl. Seite 12, Zeilen 10 und 11) -, die Laserparameter in zumindest einem Bereich der Schnittlinie unverändert bzw. konstant gehalten werden müssen.
Der von der Einsprechenden geltend gemachte Einwand der unzulässigen Zwischenverallgemeinerung ist daher nicht überzeugend.
2.3 Aus den vorstehenden Ausführungen folgt, dass der Einspruchsgrund nach Artikel 100 c) EPÜ 1973 dem erteilten Patent nicht entgegensteht.
3. Öffentliche Zugänglichkeit des Dokuments D1
3.1 Dokument D1 ist ein Auszug aus der deutschen Fassung der Bedienungsanleitung "PALM RoboSoftware - Software Manual - MicroLaser Systems Version 3.0-0604 (DE)" mit dem Datum des Copyright-Vermerks "2004". Dokument D1c wurde während des Beschwerdeverfahrens eingereicht und stellt eine Kopie der ersten acht Seiten der entsprechenden englischen Fassung der Bedienungsanleitung ("Version 3.0-0804 (EN)") mit dem Datum des Copyright-Vermerks "2004" und dem Ausgabedatum "First Edition August 2004" dar.
Dokument D1b beinhaltet
- ein Formular "Benutzerunterlagen" der Firma PALM Microlaser Technologies vom 20. April 2005 zur Auftrags-Nr. 05-120-0175 und Serien-Nr. MB03255 und mit der Angabe "Kunde: Johannes-Gutenberg-Univ. Mainz", wonach ein Ordner mit u.a. dem "PALM Software Manual, Version: 3.0-0604 DE" (Seite 1, Nr. 4) und einer Unterlagen-Box mit u.a. der "CD-Rom: PALM RoboSoftware Version Nr. 3.0.0.7" (Seite 2, Nr. 8.11) zusammen- bzw. fertiggestellt wurden, und
- ein "Installationsprotokoll" der Firma PALM Microlaser Technologies vom 18. Mai 2005 zur Auftrags-Nr. 05-120-0175 und Serien-Nr. MB03255, wonach u.a. die "PALM RoboSoftware Version: 3.0.0.7" am 18. Mai 2005 in der Johannes-Gutenberg-Universität (Mainz) installiert wurde und die "Handbücher für das PALM MicroLaser System, den Laser und das Mikroskop" beilagen (Seite 1).
3.2 In ihrer Entscheidung hat die Einspruchsabteilung unter Berücksichtigung des Dokuments D1b die Auffassung vertreten, dass kein Hinweis auf eine Geheimhaltung vorliege und dass mit hinreichender Sicherheit davon ausgegangen werden könne, dass das Dokument D1 zum Lieferdatum (18. Mai 2005) ausgeliefert worden sei, sodass es vor dem Prioritätstag (16. Juni 2005) der Öffentlichkeit zugänglich gemacht worden sei und Stand der Technik im Sinne von Artikel 54(2) EPÜ 1973 darstelle.
Die Patentinhaberin ist dieser Auffassung entgegengetreten und hat geltend gemacht, dass das "Installationsprotokoll" des Dokuments D1b "Handbücher für das PALM MicroLaser System", nicht aber ausdrücklich das Dokument D1 (vgl. Titel) erwähne, und dass die Softwareversionen in D1 ("3.0-0604") und in dem Formular "Benutzungsunterlagen" und in dem "Installationsprotokoll" des Dokuments D1b ("3.0.0.7") unterschiedlich seien. Außerdem sei das Formular "Benutzerunterlagen" des Dokuments D1b nicht geeignet, mit hinreichender Zuverlässigkeit zu belegen, dass das Dokument D1 und nicht eine andere Bedienungsanleitung ausgeliefert worden sei. Zudem sei die Firma Palm Microlaser Technologies seit 2004 ein Tochterunternehmen der Einsprechenden, so dass die öffentliche Zugänglichkeit des Dokuments D1 von der Einsprechenden nach strengem Standard lückenlos ("up to the hilt", vgl. Entscheidung T 2451/13) nachzuweisen sei.
3.3 Die Kammer stellt fest, dass sich in dem Installationsprotokoll des Dokuments D1b explizit der Hinweis "Handbücher für das PALM Micro-Lasersystem [...] liegen bei" findet und dass in der "Check-Liste" auf Seite 2 des Installationsprotokolls vermerkt ist, dass von dem Servicetechniker die Dokumentenliste ("Liste Dokumente") überprüft worden ist. Außerdem finden sich auf Seite 1 des Installationsprotokolls unter "Bemerkungen" mehrere handschriftliche Anmerkungen, und keine dieser Anmerkungen betrifft das Fehlen von Dokumenten bzw. Unterlagen. Unter diesen Umständen hat die Kammer keine Zweifel, dass alle Geräteunterlagen, die gemäß dem Formular "Benutzerunterlagen" des Dokuments D1b zusammengestellt und auszuliefern waren und die u.a. das "PALM Software Manual, Version 3.0-0604 DE" beinhalteten, in der Tat ausgeliefert wurden.
Hinsichtlich der von der Patentinhaberin geltend gemachten Diskrepanzen zwischen den Angaben in den Dokumenten D1 und D1b ist festzustellen, dass die Bezeichnung "RoboSoftware" in dem Titel des Dokuments D1 nicht in dem Titel des im Formular "Benutzerunterlagen" (Dokument D1b) aufgeführten "PALM Software Manual, Version 3.0-0604 DE" erscheint, aber dass diese Bezeichnung der "PALM RoboSoftware Version Nr. 3.0.0.7", die sowohl in dem Formular "Benutzerunterlagen" (Seite 2, Nr. 8.11) als auch in dem "Installationsprotokoll" (Seite 1) des Dokuments D1b aufgeführt ist, entspricht. Außerdem bezeichnet die Kennzahl "0604" in dem Titel "PALM Software Manual Version 3.0-0604" - entgegen den Ausführungen der Patentinhaberin - nicht eine Version der entsprechenden Software "3.0", sondern - wie von der Einsprechenden geltend gemacht - das Datum der Version der Bedienungsanleitung selber, wie ein Vergleich zwischen der Kennzahl und dem Datum des Copyright-Vermerks bzw. dem Ausgabedatum der deutschen (Dokument D1, Seiten 1 und 2: "0604 (DE)" und "2004") und der englischen Version der Bedienungsanleitung (Dokument 1c, Seiten 1 und 2: "0804 (EN)" und "August 2004") zeigt. Zudem wird der Ordner, der nach dem Formular "Benutzerunterlagen" des Dokuments D1b zusammengestellt wurde, als "Ordner: PALM MicroBeam Geräteunterlagen" (Seite 1) bezeichnet, und die Operation des Geräts "PALM MicroBeam" wird im Dokument D1 beschrieben (Seite 89, Abschnitt 10.1, Zeilen 1 bis 3). Daher hat die Kammer im Hinblick auf die entsprechenden Ausführungen der Patentinhaberin keine Veranlassung, in Frage zu stellen, dass das im Dokument D1b zitierte "PALM Software Manual, Version 3.0-0604 DE" dem Dokument D1, d.h. dem "PALM RoboSoftware - Software Manual - MicroLaser Systems Version 3.0-0604 (DE)", entspricht.
Unter diesen Umständen bestehen nach Auffassung der Kammer keine berechtigten Zweifel, dass die Bedienungsanleitung des Dokuments D1 der Bedienungsanleitung entspricht, die mit der angesprochenen Lieferung an die Johannes-Gutenberg-Universität übergeben wurde. Somit lassen die Dokumente D1b und D1c den Schluss zu, dass das Dokument D1 nicht nur wahrscheinlich, sondern mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit vor dem Prioritätsdatum des Patents an die Johannes-Gutenberg-Universität übergeben wurde. Dabei entspricht der Beweismaßstab der "mit an Sicherheit grenzenden Wahrscheinlichkeit" dem strengen Maßstab des "lückenlosen Nachweises" (in English "up to the hilt" bzw. "beyond reasonable doubt"), der - wie von der Patentinhaberin geltend gemacht - in dem vorliegenden Fall, in dem die Beweismittel in der Sphäre des Einsprechenden liegen, anzuwenden ist (siehe die von der Patentinhaberin zitierte Entscheidung T 2451/13, Nr. 3.2 der Entscheidungsgründe, und "Rechtsprechung der Beschwerdekammern", EPA, 9. Auflage (2019), Abschnitt I.C.3.5.2, Absatz b)).
Außerdem besteht kein Anhaltspunkt dafür, dass mit der angesprochenen Lieferung an die Johannes-Gutenberg-Universität (Mainz), d.h. an eine öffentliche Einrichtung, eine Geheimhaltung verbunden war. Dies wurde von der Patentinhaberin auch nicht bestritten.
3.4 Die Kammer kommt nach Alledem zu dem Schluss, dass das Dokument D1 - wie von der Einspruchsabteilung bereits festgestellt - Stand der Technik im Sinne von Artikel 54(2) EPÜ 1973 darstellt.
4. Hauptantrag - Patentansprüche 1 bis 9 - Neuheit
4.1 Dokument D1 offenbart ein Laser-Mikrodissektionsverfahren (Seiten 89 bis 102), mit dem ein Dissektat aus einer biologischen Probe (Abbildungen auf Seite 89), welche auf dem planaren Träger eines Mikroskops aufgebracht ist (Seite 89, letzter Absatz), mittels Laserpulsen eines Lasers (Seite 101, linke Spalte, vorletzter Absatz) entlang einer geschlossenen Schnittlinie ausgeschnitten wird (Seite 89, linke Spalte, Funktion "Cut", und Seite 92, rechte Spalte, Funktion "Cut" und "Close&Cut"). Bei dem Verfahren können die Laserenergie, der Fokus des Mikroskopobjektivs, die Schnittgeschwindigkeit und die Lage des Schnittes eingestellt werden (Seite 101, linke Spalte, vorletzter Absatz, und rechte Spalte, zweite Unterabsatz, erster Satz). Diese Parameter werden während Vorversuchen (Seite 91, Abschnitt 10.2, und Seite 101, erster Absatz) mittels einer Recheneinheit durch manuelle Eingabe des Benutzers kontinuierlich während des Schneidens von Proben verändert (Seite 101). Dem Dokument D1 ist ebenfalls zu entnehmen, dass der Benutzer dabei den Schneidevorgang beobachten und die Schneidewirkung beurteilen soll, während die Parameter verändert werden, um die optimalen Einstellungen für die entsprechende Art von Proben (Seite 101, erster Absatz, und Seite 102, erster Unterabsatz) zu finden (Seite 101, linke Spalte, vorletzter Absatz, und Seite 102, rechte Spalte, letzter Absatz einschließlich der entsprechenden Unterabsätze).
In ihrer Entscheidung hat die Einspruchsabteilung die Auffassung vertreten, dass
- bei den Vorversuchen des Dokuments D1 die Veränderungen zwangsläufig in Abhängigkeit von probenabhängigen Größen erfolgten, da eine Nichtberücksichtigung von Probengrößen nicht zum gewünschten Ergebnis führen würde, und dass
- das beanspruchte Merkmal "synchron zu den Laserpulsen" im Sinne von "gleichzeitig mit den Laserpulsen" auszulegen sei, da die Veränderung der Parameter auch "kontinuierlich" stattfinden solle.
Die Einspruchsabteilung kam zu dem Schluss, dass das Verfahren gemäß dem erteilten Patentanspruch 1 nicht neu gegenüber dem Dokument D1 sei.
4.1.1 Die Patentinhaberin ist dieser Auffassung der Einspruchsabteilung entgegengetreten und hat geltend gemacht, dass das Verfahren nach dem Patentanspruch 1 auf die Gewinnung von Dissektaten gerichtet sei, aber nicht - wie es in dem Dokument D1 der Fall sei - auf Vorversuche, mit denen lediglich feste Parameter optimiert werden sollten, die anschließend beim Ausschneiden der Dissektate zu verwenden seien. Außerdem beruhe die im Dokument D1 beschriebene Veränderung von Parametern lediglich auf reinem "Herumprobieren", das nicht unter die beanspruchte Veränderung von Parametern "in Abhängigkeit von probenabhängigen Größen" fälle, weil dieses Merkmal für den Fachmann klar angebe, dass die Größen, in Abhängigkeit derer die Änderung erfolgen solle, in irgendeiner Weise erfasst bzw. vorgegeben werden und anschließend eine Beziehung zwischen diesen Größen und der Änderung definiert werde.
Die Kammer kann dieser Argumentation nicht folgen. Die oben unter Nr. 4.1 zitierten Passagen des Dokuments D1 betreffen zwar Vorversuche, mit denen optimale Parameter gefunden werden, die in einem darauffolgenden automatischen Schneidevorgang verwendet werden und dabei konstant bleiben sollen (vgl. Seite 103, Abschnitt 10.7 i.V.m. Seite 91, Nr. 10.2, erster Absatz). Das beanspruchte Verfahren schließt aber nicht aus, dass es in einem Stadium durchgeführt wird, das - entsprechend den Vorversuchen des Dokuments D1 - das Auffinden geeigneter bzw. optimaler Lasereinstellungen - gegebenenfalls durch "Herumprobieren" - betrifft. Außerdem werden die Parameter bei den Vorversuchen des Dokuments D1 von dem Benutzer während des Schneidevorgangs kontinuierlich verändert, und zwar in Abhängigkeit der Schneidewirkung (Seite 102, rechte Spalte, Zeilen 1 bis 28 von unten, und Seite 103, linke Spalte, letzte Absatz) und daher - wie von der Einsprechenden geltend gemacht - in Abhängigkeit von Größen - wie z.B. der Probendicke -, die die Schneidewirkung beeinflussen und abhängig von der Probe sind. Somit stellen diese Größen probenabhängige Größen im Sinne des Patentanspruch 1 dar (vgl. Nr. 2.1 oben, zweiter Absatz).
4.1.2 Die Patentinhaberin hat auch auf die Offenbarung der Erfindung, insbesondere auf die Absätze [0019], [0045] und [0053] und auf Fig. 9 und 10 der Patentschrift, Bezug genommen und geltend gemacht, dass das beanspruchte Merkmal "synchron zu den Laserpulsen" - entgegen der Auffassung der Einspruchsabteilung - nicht unabhängig von jeder dynamischen Betrachtung als "gleichzeitig mit den Laserpulsen" auszulegen sei, weil der Begriff "Synchronizität" ein zeitlich aufeinander abgestimmtes Ablaufen von unterschiedlichen Vorgängen bezeichne.
Die Einsprechende hat erwidert, dass im Dokument D1 die Veränderung der Parameter synchron zu den Laserpulsen erfolge, da die Parameter gerade während eines laufenden Schneidevorgangs verändert würden. Außerdem werde in der Beschreibung, und insbesondere in den Absätzen [0019] und [0053], lediglich die Verstellung von optischen Komponenten, die die Parameter bestimmten, synchron zu den Laserpulsen offenbart, nicht aber, dass eine solche Verstellung mit einer Frequenz erfolgen solle, welche der Frequenz der Laserpulse entspreche.
Die Kammer stellt fest, dass Patentanspruch 1 bereits erfordert, dass die Parameter zumindest in einem mehrere Laserpulse umfassenden Bereich der Schnittlinie kontinuierlich verändert werden. Daraus folgt, dass die Parameter in diesem Bereich gleichzeitig mit den Laserpulsen verändert werden. Patentanspruch 1 erfordert aber auch, dass die kontinuierliche Veränderung der Parameter "synchron zu den Laserpulsen" erfolgen muss, und in diesem technischen Kontext würde der zuständige Fachmann dieses Merkmal nach Auffassung der Kammer nicht lediglich als "gleichzeitig mit den Laserpulsen" auslegen, sondern im Sinne einer Synchronizität der Veränderung der Parameter mit den Laserpulsen selber, d.h. im Sinne einer Abstimmung der Veränderung der Parameter auf die Laserpulse, z.B. in dem Sinne, dass - wie von der Patentinhaberin während der mündlichen Verhandlung vorgetragen - die Änderung der Parameter mit einer Frequenz erfolgt, die der Frequenz der Laserpulse entspricht. Diese Auslegung wird überdies von der Beschreibung gestützt, insbesondere durch die Offenbarung betreffend die kontinuierliche stufenweise Veränderung der Intensität durch eine auf die Laserpulse abgestimmte bzw. getaktete Variation der Apertur und des Abschwächers (Fig. 9 und 10 und die entsprechende Beschreibung, insbesondere Spalte 14, Zeilen 3 bis 31 und Zeilen 53 bis 58) und die Abstimmung der Positionierung der optischen Komponenten (Apertureinheit, Abschwächeinheit, Fokuseinheit, usw.), die die Parameter bestimmen, auf die Laserfrequenz bzw. auf die Auslösung des Lasertriggers (Absatz [0053]).
Eine solche Synchronizität zwischen der Veränderung der Parameter und den Laserpulsen ist dem Dokument D1 nicht zu entnehmen. Insbesondere werden die Parameter in den dargestellten Vorversuchen manuell mit Tastenbefehlen verändert (Seite 101, linke Spalte, vorletzter Absatz, und rechte Spalte, zweiter Unterabsatz), und mit einer solchen manuellen Operation allein kann eine Veränderung der Parameter synchron zu den mit einer relativ hohen Frequenz ausgelösten Laserpulsen - wie von der Patentinhaberin vorgetragen - nicht ohne Weiteres erreicht werden. Darüber hinaus ist dem Dokument D1 kein Hinweis darauf zu entnehmen, dass bei der manuell einstellbaren Veränderung der Parameter die Steuerung der entsprechenden Komponenten derart erfolgt, dass deren Verstellung auf die Laserpulse abgestimmt bzw. mit diesen synchronisiert ist.
4.1.3 Daraus folgt, dass sich das Verfahren gemäß Patentanspruch 1 von dem Verfahren des Dokuments D1 dadurch unterscheidet, dass die beanspruchte Veränderung der Parameter synchron zu den Laserpulsen erfolgt.
4.2 Der Einspruchsgrund der mangelnden Neuheit wurde in Bezug auf den Patentanspruch 1 nur gegenüber dem Dokument D1 geltend gemacht. Daher ist das Verfahren gemäß dem erteilten Patentanspruch 1 neu (Artikel 54(1) EPÜ 1973). Gleiches gilt auch für die darauf rückbezogenen abhängigen Ansprüche 2 bis 9.
5. Hauptantrag - Patentansprüche 10 bis 20 - Neuheit
5.1 Der unabhängige Patentanspruch 10 ist auf eine Vorrichtung zur Laser-Mikrodissektion gerichtet, die u.a. ein Mikroskop und einen gepulsten Laser aufweist, wobei der Laserstrahl auf eine Probe gerichtet ist und eine geschlossene Schnittlinie beschreibt. Außerdem sind die Komponenten, die die Parameter der Laserpulse und der Schnittlinie bestimmen, an eine zentrale Recheneinheit angeschlossen, deren funktionelle Merkmale im Wesentlichen den Schritten des Verfahrens nach Anspruch 1 entsprechen.
5.1.1 Wie oben unter Nr. 4.1 bereits ausgeführt, offenbart das Dokument D1 eine Vorrichtung zur Laser-Mikrodissektion mit einem Mikroskop und einem gepulsten Laser. Dem Dokument D1 ist aber keine Recheneinheit zu entnehmen, mit der die Parameter synchron zu den Laserpulsen verändert werden könnten, siehe Nr. 4.1.2 oben.
Die Einsprechende hat die Auffassung vertreten, dass alle strukturellen Mittel der Vorrichtung des unabhängigen Anspruchs 10 im Dokument D1 bereits offenbart seien und der beanspruchte Gegenstand nicht auf die synchrone Veränderung der Parameter beschränkt sei, da eine solche Veränderung nur eine mögliche Funktion der beanspruchten Vorrichtung darstelle.
Dieser Auffassung kann die Kammer nicht folgen, weil Patentanspruch 10 eine Recheneinheit erfordert, "mit der [...] die Parameter [...] synchron zu den Laserpulsen [...] kontinuierlich veränderbar sind", und dem Dokument D1 keine Recheneinheit zu entnehmen ist, mit der die Parameter wie beansprucht verändert werden können.
5.1.2 Während der mündlichen Verhandlung wurde von der Einsprechenden beantragt, die Videoaufnahmen einer CD-ROM zu berücksichtigen, die während des erstinstanzlichen Verfahrens mit dem Schreiben vom 25. Februar 2015 eingereicht wurde. Die Videoaufnahmen sollten die Funktionsweise der "PALM RoboSoftware", Version 3.0, des Dokuments D1 zeigen.
Die Vorführung dieser Videoaufnahmen wurde während des erstinstanzlichen mündlichen Verhandlung von der Einspruchsabteilung zwar formell zugelassen (angefochtene Entscheidung, Teil "Sachverhalt und Anträge", Nr. 1.8), dem Protokoll der mündlichen Verhandlung und der angefochtenen Entscheidung ist aber nicht zu entnehmen, dass die Videoaufnahmen während der mündlichen Verhandlung vorgeführt oder von der Einspruchsabteilung berücksichtigt worden wären. Außerdem wurden die Videoaufnahmen im Rahmen des Beschwerdeverfahrens erstmals im Laufe der mündlichen Verhandlung vor der Kammer erwähnt. Unter diesen Umständen hielt es die Kammer für geboten, in Ausübung ihres Ermessens gemäß Artikel 13(1) VOBK die von der Einsprechenden erst in der mündlichen Verhandlung beantragte Vorführung der Videoaufnahmen nicht zuzulassen.
5.1.3 Aus den vorstehenden Erwägungen folgt, dass sich die beanspruchte Vorrichtung von der Vorrichtung des Dokuments D1 durch die beanspruchte synchrone Veränderbarkeit der Parameter unterscheidet und dass die Vorrichtung gemäß dem unabhängigen Patentanspruch 10 neu gegenüber dem Dokument D1 ist.
5.2 Der Einspruchsgrund der mangelnden Neuheit wurde in Bezug auf den unabhängigen Patentanspruch 10 auch gegenüber der Druckschrift D2 und der Druckschrift D3 geltend gemacht.
5.2.1 Die Druckschriften D2 und D3 offenbaren jeweils ein Laser-Mikrodissektionsmikroskop (siehe die entsprechende Zusammenfassung), mit dem ein Laserstrahl auf eine Probe gerichtet wird und eine geschlossene Schnittlinie beschrieben wird (D2, Fig. 1 bis 3 und die entsprechende Beschreibung; und D3, Fig. 1 und 2 und die entsprechende Beschreibung). Die entsprechenden Mikroskope weisen Komponenten auf, die die Parameter der Laserpulse und der Schnittlinie bestimmen, und dabei insbesondere eine Varioblende bzw. eine Irisblende, die die Schnittbreite des Laserstrahls bestimmt (D2, Absatz [0049]; und D3, Absatz [0032]).
5.2.2 In der Druckschrift D2 wird ebenfalls offenbart, dass die Schnittbreite des Laserstrahls während des gesamten Schnitts konstant gehalten wird (Absatz [0023]), aber - wie von der Einsprechenden geltend gemacht - dass sie während des Schneideprozesses, beispielweise vor dem letzten Puls, durch entsprechende Steuerung von Komponenten des Mikroskops mittels einer Steuerungseinheit (Absatz [0034] und [0060]) auch geändert werden kann (Absatz [0022]). Der Druckschrift D2 ist aber - entgegen dem Vorbringen der Einsprechenden - nicht entnehmbar, dass diese Steuerungseinheit - wie beansprucht - einen solchen Parameter zumindest in einem mehrere Laserpulse umfassenden Bereich kontinuierlich ändern kann, geschweige denn, dass sie den Parameter in Abhängigkeit von probenabhängigen Größen und synchron zu den Laserpulsen ändern kann.
In der Druckschrift D3 wird dem Mikroskop ein Rechner zur Steuerung einer Steuereinheit zugeordnet, die zur Steuerung der Betriebsparameter des Lasers, insbesondere der Laser-Apertur und daher der Laser-Schnittbreite, dient (Absatz [0016] und [0017]). Der Druckschrift D3 ist aber - entgegen dem Vorbringen der Einsprechenden - nicht entnehmbar, dass der Rechner bzw. die Steuereinheit dazu geeignet ist, einen solchen Parameter zumindest in einem mehreren Laserpulse umfassenden Bereich kontinuierlich zu ändern, geschweige denn eine solche Veränderung des Parameters in Abhängigkeit von probenabhängigen Größen und synchron zu den Laserpulsen zu steuern.
Daraus folgt, dass die beanspruchte Vorrichtung neu gegenüber den Laser-Mikrodissektionsmikroskopen der Druckschriften D2 und D3 ist.
5.3 Die Vorrichtung gemäß dem erteilten unabhängigen Patentanspruch 10 ist somit neu (Artikel 54(1) EPÜ 1973). Gleiches gilt auch für die darauf rückbezogenen abhängigen Ansprüche 11 bis 20.
6. Hauptantrag - Erfinderische Tätigkeit
6.1 Patentansprüche 1 bis 9
6.1.1 In der mündlichen Verhandlung waren sich die Beteiligten einig, dass das Dokument D1 den nächstkommenden Stand der Technik darstellt.
Wie oben bereits ausgeführt (vgl. Nr. 4.1.3 oben) unterscheidet sich das Verfahren gemäß dem Patentanspruch 1 von dem Verfahren nach dem Dokument D1 nur dadurch, dass die beanspruchte Veränderung der Parameter synchron zu den Laserpulsen erfolgt.
6.1.2 Die Einsprechende hat vorgebracht, dass laut der Beschreibung der Patentschrift (Absatz [0019], [0053] und [0058]) der technische Effekt der synchron zu den Laserpulsen erfolgten Veränderung der Parameter darin bestehe, dass eine höhere Schnittgeschwindigkeit erzielt werde, aber dass dieser technische Effekt nicht durch das erwähnte Merkmal erzielt sei.
Die Patentinhaberin hat geltend gemacht, dass das beanspruchte Verfahren einen verbesserten Schnitt ermögliche, ohne dabei die Schnittgeschwindigkeit zu beeinträchtigen.
Die Kammer ist der Auffassung, dass bei einer Veränderung der Parameter, die synchron zu den Laserpulsen erfolgt, die Schnittgeschwindigkeit zu berücksichtigen ist, aber dass die synchrone Veränderung der Parameter allein nicht zu einer höheren Schnittgeschwindigkeit führen kann. Somit stimmt die Kammer mit der Einsprechenden insoweit überein, dass die beanspruchte synchrone Veränderung der Parameter nicht zu einer höheren Schnittgeschwindigkeit führt. Mit der beanspruchten synchron zu den Laserpulsen erfolgten Veränderung der Parameter werden aber die Parameter, die die Schnittlinie bestimmen, abgestimmt auf die Laserpulse, in Abhängigkeit von probenabhängigen Größen kontinuierlich verändert. Damit wird der Schnitt besser an die Probe angepasst.
Somit sieht die Kammer die durch das genannte Unterscheidungsmerkmal zu lösende objektive technische Aufgabe darin, die Anpassung des Schnitts an die Probe zu verbessern.
6.1.3 Die Druckschrift D2 offenbart die Veränderung der Schnittbreite des Laserstrahls während des Schneideprozesses (Absatz [0022]), nicht aber eine kontinuierliche Veränderung dieses Parameters, geschweige denn, dass die kontinuierliche Veränderung synchron zu den Laserpulsen erfolgen soll (vgl. Nr. 5.2.2 oben, erster Absatz). Außerdem wird in der Druckschrift D2 vorgeschlagen, eine Änderung der Schnittbreite des Laserstrahls "vor dem letzten Puls" vorzunehmen (Absatz [0022], letzter Satz), um z.B. - wie von der Einsprechenden vorgetragen - die Probe zu katapultieren (vgl. Druckschrift D3, Absatz [0004]). Eine solche Änderung setzt voraus, dass die Veränderung des Parameters zwischen dem vorletzten und dem letzten Puls und daher synchron mit dem Zeitintervall zwischen den zwei letzten Pulsen erfolgt. Eine solche Synchronizität wird aber nur in Bezug auf eine punktuelle Veränderung des Parameters in einem bestimmte Stadium des Schneidevorgangs erzielt, und der entsprechenden Textstelle der Druckschrift ist kein Hinweis darauf zu entnehmen, den Parameter zumindest in einem mehrere Laserpulse umfassenden Bereich kontinuierlich - geschweige denn synchron mit den Laserpulsen - zu ändern.
Ähnliche Überlegungen gelten auch für die Druckschrift D3 (vgl. Nr. 5.2.2 oben, zweiter Absatz).
6.1.4 Die Einsprechende hat während der mündlichen Verhandlung vor der Kammer auch geltend gemacht, dass Patentanspruch 1 nicht spezifiziere, ob bei der beanspruchten synchronen Veränderung die Parameter vor, während oder nach jedem Puls verändert würden, und dass bei den Vorversuchen des Dokuments D1 die Komponenten, die die Parameter bestimmten, kontinuierlich verstellt würden, sodass es für den Fachmann naheliegend sei, bei solchen Vorversuchen die Parameter wie beansprucht zu ändern.
Dieser Argumentation kann die Kammer nicht folgen, u.a. weil sie voraussetzt, dass die erwähnten Komponenten stufenweise bzw. getaktet verstellt werden. In Dokument D1 findet sich aber keine Stütze für eine solche Annahme.
6.1.5 Während des schriftlichen Verfahrens wurde von der Einsprechenden auch geltend gemacht, dass das Verfahren des Patentanspruchs 1 weder gegenüber der Druckschrift D2 noch gegenüber der Druckschrift D3 auf einer erfinderischen Tätigkeit beruhe.
Wie oben unter Nr. 5.2 und 6.1.3 aber bereits dargelegt, wird das beanspruchte Merkmal, wonach die Parameter synchron zu den Laserpulsen zumindest in einem mehrere Laserpulse umfassenden Bereich der Schnittlinie kontinuierlich verändert werden, weder in der Druckschrift D2 noch in der Druckschrift D3 offenbart oder nahegelegt. Außerdem ist kein diesbezügliches Fachwissen vorgetragen worden.
6.1.6 Aus den vorstehenden Ausführungen folgt, dass sich das Verfahren gemäß dem erteilten Patentanspruch 1 nicht in naheliegender Weise aus dem vorliegenden Stand der Technik ggf. unter Berücksichtigung des Fachwissens ergibt (Artikel 56 EPÜ 1973). Gleiches gilt für die darauf rückbezogenen abhängigen Ansprüche 2 bis 9.
6.2 Patentansprüche 10 bis 20
Für die Vorrichtung gemäß dem Patentanspruch 10, die im Wesentlichen dem Verfahren des Patentanspruchs 1 entsprechende Vorrichtungsmerkmale enthält (vgl. Nr. 5.1 oben), gelten für die Frage der erfinderischen Tätigkeit die gleichen Überlegungen und Schlussfolgerungen wie für das Verfahren gemäß dem Patentanspruch 1, vgl. Nr. 6.1 oben. Insbesondere wird das Merkmal der Vorrichtung des Patentanspruchs 10, wonach die zentrale Recheneinheit dazu eingerichtet ist, die Parameter synchron zu den Laserpulsen zumindest in einem mehrere Laserpulse umfassenden Bereich der Schnittlinie kontinuierlich zu verändern, weder im Dokument D1 noch in der Druckschrift D2 bzw. D3 offenbart noch von diesen Druckschriften nahegelegt. Somit ergibt sich die Vorrichtung nach dem Patentanspruch 10 auch nicht in naheliegender Weise aus dem vorhandenen Stand der Technik ggf. unter Berücksichtigung des Fachwissens (Artikel 56 EPÜ 1973). Gleiches gilt für die darauf rückbezogenen abhängigen Ansprüche 11 bis 20.
7. Aufgrund der vorstehenden Ausführungen ist die Kammer zu der Auffassung gelangt, dass keiner der von der Einsprechenden geltend gemachten Einspruchsgründe der Artikel 100 a) und c) EPÜ 1973 der Aufrechterhaltung des Patents im Umfang der erteilten Patentansprüche entgegensteht.
Aus diesen Gründen wird entschieden:
1. Die angefochtene Entscheidung wird aufgehoben.
2. Das Patent wird in unveränderter Form aufrechterhalten.