T 0731/16 20-02-2020
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Gelenkanordnung
Verspätet eingereichte Entgegenhaltung - Zugelassen (nein)
Verspätet eingereichter Hilfsantrag 6 - Zugelassen (ja)
Hilfsantrag 6 - Erfinderische Tätigkeit (ja)
I. Die Patentinhaberin und die Einsprechende (Beschwerdeführerinnen 1 und 2) haben je form- und fristgerecht gegen die Zwischenentscheidung der Einspruchsabteilung, mit der das Patent Nr. 2 213 424 in geändertem Umfang aufrechterhalten wurde, Beschwerde eingelegt.
II. Mit dem Einspruch war das gesamte Patent im Hinblick auf Artikel 100 a) EPÜ (mangelnde Neuheit und mangelnde erfinderische Tätigkeit) angegriffen worden.
III. Die Einspruchsabteilung war der Auffassung, dass
- der Gegenstand des Anspruchs 1 des Patents in der erteilten Fassung nicht neu sei,
- der Gegenstand des Anspruchs 1 gemäß dem am 16. November 2015 per Telefax eingereichten Hilfsantrag 2 ebenfalls nicht neu sei, und
- der Gegenstand des Anspruchs 1 gemäß dem am 16. November 2015 per Telefax eingereichten Hilfsantrag 6 eine erfinderische Tätigkeit aufweise.
Das Patent wurde somit gemäß dem damaligen Hilfsantrag 6 aufrechterhalten.
IV. Mit ihrer Mitteilung gemäß Artikel 15 (1) VOBK 2007 vom 10. Oktober 2019 teilte die Kammer den Parteien das vorläufige Ergebnis der Beurteilung der Sach- und Rechtslage mit, derzufolge beide Beschwerden zurückzuweisen sein dürften, und zu der beide Parteien schriftsätzlich Stellung genommen hatten. Die Einsprechende reichte mit Schriftsatz vom 21. November 2019 eine neue Entgegenhaltung (D12) zur Stützung ihres Beschwerdebegehrens ein, dessen Nichtzulassung ins Verfahren die Patentinhaberin beantragte. Die Patentinhaberin ihrerseits reichte mit Schriftsatz vom 18. Februar 2020 neue Hilfsanträge 1, 2 und 6 ein.
V. Am 20. Februar 2020 fand eine mündliche Verhandlung vor der Kammer statt, an deren Ende der Tenor der vorliegenden Entscheidung verkündet wurde. Wegen der Einzelheiten deren Verlaufs, insbesondere zum Gegenstand der Erörterungen und zu den Verfahrenserklärungen der Parteien, wird auf das Protokoll Bezug genommen.
VI. Verfahrensabschließend beantragten
die Einsprechende
die Aufhebung der angefochtenen Entscheidung und
den Widerruf des Patents.
sowie die Patentinhaberin unter Rücknahme aller Anträge im Übrigen
die Aufhebung der angefochtenen Entscheidung
und
die Aufrechterhaltung des Patents in geänderter
Fassung auf der Basis des mit Schriftsatz vom
18. Februar 2020 als Hilfsantrag 6 eingereichten
Anspruchssatzes.
VII. Im Beschwerdeverfahren bezieht sich die Einsprechende auf folgende aus dem Einspruchsverfahren bekannten Entgegenhaltungen:
D1: EP 1 033 105 A2,
D4: US 2003/0009839 A1,
D5: DE 10 2005 032488 A1.
Zusammen mit ihrer Eingabe vom 21. November 2019 reichte die Einsprechende folgende Entgegenhaltung ein:
D12: Auszug aus dem Katalog GANTER-Normteile März 2008, Deckblatt, Inhaltsangaben sowie Seiten 7 und 556.
VIII. Anspruch 1 des einzigen von der Patentinhaberin zur Entscheidung gestellten Anspruchssatzes (Hilfsantrags 6) lautet (Änderungen gegenüber Anspruch 1 des durch die angefochtene Entscheidung aufrechterhaltenen Patents wurden von der Kammer durch Fettschrift bzw. Durchstreichung hervorgehoben):
"Gelenkanordnung (20) mit einem auf einem Bauteil (11, 12) angeordneten Kardangelenk (21), welches ein an dem Bauteil (11, 12) angebrachtes, um eine erste Schwenkachse (25) schwenkbares erstes Gelenkstück (22) und ein an dem ersten Gelenkstück (22) angebrachtes, um eine zweite Schwenkachse (26) schwenkbares zweites Gelenkstück (23) sowie eine Arretierungsvorrichtung aufweist, wobei das zweite Gelenkstück (23) an seinem dem Bauteil (11, 12) zugewandten Ende ein Arretierungsmittel (39) oder eine Rastvertiefung (41) aufweist, welche(s) im arretierten Zustand in ein an dem Bauteil (11, 12) ausgebildete Rastvertiefung (41) bzw. [deleted: oder] ein an dem Bauteil (11, 12) ausgebildetes Arretierungsmittel (39) eingreift, und wobei das an dem zweiten Gelenkstück (23) vorgesehene Arretierungsmittel (39) oder die an dem zweiten Gelenkstück (23) vorgesehene Rastvertiefung (41) das erste Gelenkstück (22) durchgreift, dadurch gekennzeichnet, dass das erste Gelenkstück (22) zwei parallel zueinander angeordnete vertikale Wandteile (27) aufweist, die mit zwei äußeren, quer zu den Wandteilen (27) liegenden Stegen (28) verbunden sind, wobei das Arretierungsmittel (39) in einen Hohlraum (36) aufgenommen ist, in den eine Hülse (38) aufgenommen ist, die als Sitz für das Arretierungsmittel (39) ausgebildet ist".
IX. Das wesentliche Vorbringen der Einsprechenden lässt sich wie folgt zusammenfassen und wird im Übrigen in den Gründen im Detail diskutiert:
D12 sei ein Zufallsfund, da Kataloge, anders als Patentliteratur, schwerer auffindbar seien. D12 solle als prima facie hochrelevanter Stand der Technik ins Verfahren zugelassen werden.
Hilfsantrag 6 solle dagegen als verspätet eingereichter Antrag nicht ins Verfahren zugelassen werden, zumal die Einführung des Begriffs "bzw." Anlass zu einem neuen Klarheitseinwand gebe.
Der Gegenstand des Anspruchs 1 des Hilfsantrags 6 weise keine erfinderische Tätigkeit gegenüber der Kombination der Lehre der D4 entweder mit der Lehre der D1 oder der D5 auf.
X. Das wesentliche Vorbringen der Patentinhaberin lässt sich wie folgt zusammenfassen und wird im Übrigen in den Gründen im Detail diskutiert:
D12 solle als verspäteter und nicht prima facie hochrelevanter Stand der Technik ins Verfahren nicht zugelassen werden.
Hilfsantrag 6 sei als Reaktion auf die Mitteilung der Kammer gemäß Artikel 15 (1) VOBK 2007 vom 10. Oktober 2019 eingereicht worden und solle als prima facie gewährbar ins Verfahren zugelassen werden.
Der Gegenstand des Anspruchs 1 des Hilfsantrags 6 sei neu gegenüber der Offenbarung der D4 und weise eine erfinderische Tätigkeit gegenüber der Kombination der Lehre der D4 sowohl mit der Lehre der D1 als auch mit der Lehre der D5 auf.
1. Überarbeitete Verfahrensordnung der Beschwerdekammern (VOBK 2020) ? Übergangsbestimmungen
Das vorliegende Verfahren unterliegt der revidierten Fassung der Verfahrensordnung, die am 1. Januar 2020 in Kraft getreten ist (Artikel 24 und 25 (1) VOBK 2020), mit Ausnahme von Artikeln 12 (4) bis (6) und 13(2) VOBK 2020, anstelle derer Artikel 12 (4) und 13 VOBK 2007 weiterhin anwendbar sind (Artikel 25 (2) und (3) VOBK 2020). Die allgemeine Anwendbarkeit der VOBK 2020 auf das vorliegende Verfahren umfasst Artikel 13 (1) VOBK 2020, unabhängig davon, dass die Ladung zur mündlichen Verhandlung vor dem 1. Januar 2020 erfolgte (vgl. T 2227/15, T 32/16, T 634/16 und T 1386/18, nicht im ABl.EPA veröffentlicht).
2. Zulassung ins Verfahren der Entgegenhaltung D12 - Artikel 13 VOBK 2007 und 13 (1) VOBK 2020
2.1 Mit Schriftsatz vom 21. November 2019 reichte die Einsprechende die Entgegenhaltung D12 ein und präsentierte eine neue Argumentationslinie betreffend mangelnde erfinderische Tätigkeit auf der Basis einer Kombination der Lehren von D4 und D12. Somit liegt eine Änderung des Vorbringens der Einsprechenden gegenüber der Begründung ihrer Beschwerde bzw. ihrer Erwiderung auf die Beschwerdebegründung der Patentinhaberin vor. Die Zulassung einer solchen Änderung ins Verfahren liegt gemäß Artikel 13 VOBK 2007 und 13 (1) VOBK 2020 im Ermessen der Kammer.
2.2 Nach der ständigen Rechtsprechung der Beschwerdekammern ist neben eines die Änderung des Vorbringens objektiv rechtfertigenden Grundes ein entscheidendes Kriterium für die Zulassung von verspätet eingereichten Entgegenhaltungen deren prima facie-Relevanz. Derartige Unterlagen sollen prima facie so hoch relevant sein, als sie mit gutem Grund eine Änderung des Verfahrensausgangs erwarten lassen, also höchstwahrscheinlich der Aufrechterhaltung des europäischen Patents entgegenstehen, siehe Rechtsprechung der Beschwerdekammern, 9. Auflage 2019, V.A.4.13.2.
2.3 Die Einsprechende argumentiert, dass der Gegenstand des Anspruchs 1 des Hilfsantrags 6 durch die Kombination der Lehre der D4 mit der Lehre der D12 nahegelegt werde, da sich der Einsatz eines in D12 offenbarten federnden Druckstücks der D12 bei der Konstruktion des Gelenksstücks der D4 durch die Lehre der D12 dem Fachmann förmlich aufdränge. Aufgrund deren vermeintlichen Hochrelevanz solle daher D12 ins Verfahren zugelassen werden.
2.4 Die Kammer merkt an, dass es sich bei der D12 um einen Auszug aus einem Normteile-Katalog der Firma Ganter aus dem Jahre 2008 handelt, in dem zum Einpressen geeignete federnde Druckstücke in Form von hülsengelagerten Kugeln dargestellt sind. Ein solcher Katalog stellt eine Liste von Gegenständen, im vorliegenden Fall von federnden Druckstücken, dar, ohne jeglichen Hinweis auf deren Einsatz in spezifischen Konstruktionen, geschweige denn deren Einsatz in die aus der D4 bekannten spezifische Gelenkanordnung.
2.5 Beim Fehlen jeglichen Hinweises in der D12 auf einen Einsatz eines darin abgebildeten federnden Druckstücks in die aus der D4 bekannten spezifischen Gelenkanordnung kann von einer für den Fachmann selbstverständlichen Kombination der Lehre der D4 mit der Lehre der D12 nicht die Rede sein. Daher ist die D12 kein hoch relevanter Stand der Technik.
2.6 Die Kammer erachtet außerdem die Tatsache, dass D12 ein zufällig aufgefundener Katalog ist und es nicht zum "Standardprogramm" einer Einspruchsrecherche gehöre, in diese auch solche Kataloge einzubeziehen, nicht als eine stichhaltige Begründung für die Zulassung der verspätet eingereichten D12 ins Verfahren, da eine Recherche immer den gesamten Stand der Technik, und nicht nur die vorhandene Patentliteratur in Betracht ziehen soll.
2.7 Aus diesen Gründen übt die Kammer ihr Ermessen gemäß Artikel 13 VOBK 2007 und 13 (1) VOBK 2020 dahin aus, D12 nicht ins Verfahren zuzulassen.
3. Zulassung ins Verfahren von Hilfsantrag 6 - Artikel 13 VOBK 2007 und 13 (1) VOBK 2020
3.1 Die Patentinhaberin reichte mit Schriftsatz vom 18. Februar 2020 einen neuen Hilfsantrag 6 ein, dessen Anspruch 1 sich vom Anspruch 1 der von der Einspruchsabteilung aufrechterhaltenen Fassung des Patents dadurch unterscheidet, dass das zweite "oder" des Anspruchs 1 durch den Begriff "bzw." ersetzt ist.
3.2 Die Einsprechende argumentiert, dass durch diese im ohnehin verspätet eingereichten Antrag vorgenommene Änderung der Gegenstand des Anspruchs 1 unklar geworden sei und somit Anlass zu einem neuen Einwand gebe und deshalb nicht ins Verfahren zugelassen werden solle.
3.3 Die Kammer folgt diesbezüglich der Argumentation der Patentinhaberin, wonach die verspätete Einreichung des Hilfsantrags 6 darauf zurückzuführen ist, dass eine etwaige Auslegung des der angefochtenen Entscheidung zugrundeliegenden Anspruchs 1 des Hilfsantrags 6, wonach die "oder"-Alternativen zu insgesamt vier Kombinationsmöglichkeiten führen können, wobei eine dieser Kombinationsmöglichkeiten keine Rastvertiefunq umfasst, erstmals in der Mitteilung der Kammer gemäß Artikel 15 (1) VOBK 2007 aufgegriffen wurde. Als Reaktion hierauf wurde Anspruch 1 dahingehend geändert, das zweite "oder" im Anspruch 1 durch ein "bzw." zu ersetzen. Unter den Anspruch 1 fallen somit nur noch zwei Kombinationsmöglichkeiten, die jeweils ein Arretierungsmittel und eine Rastvertiefung umfassen. Diese Änderung ist außerdem durch Absatz [0008] des Streitpatents gestützt. Es komme noch hinzu, dass die vorgenommene Änderung eine sprachliche Präzisierung des beanspruchten Gegenstands betrifft, mit welcher sich sowohl die Kammer als auch die Einsprechende ohne großen Aufwand und ohne jegliche Verzögerung des Verfahrens auseinander setzen konnten.
3.4 Die Einreichung des Hilfsantrags 6 ist daher als eine angemessene Reaktion der Patentinhaberin auf die in der in der Mitteilung der Kammer gemäß Artikel 15 (1) VOBK 2007 erstmals vorgetragene Auslegung des Anspruchs 1 zu bewerten.
3.5 Was die seitens der Einsprechenden behaupteten Generierung eines neuen, die Klarheit betreffenden Einwandes betrifft, merkt die Kammer an, dass die Einsprechende selbst während der mündlichen Verhandlung die Begriffe "oder" und "bzw." als gleichbedeutende Begriffe bezeichnete bzw. erachtete. Der vorgenommene Austausch des Begriffs "oder" durch den bedeutungsgleichen Begriff "bzw." kann daher auch nach dem eigenen Vortrag der Einsprechenden keine Unklarheit hervorrufen und gibt daher auch keinen Anlass zu einem neuen Einwand.
3.6 Zudem erfüllt Hilfsantrag 6, wie unter Punkt 4 unten dargelegt, das Erfordernis der prima facie Gewährbarkeit.
3.7 Die Kammer lässt daher in Ausübung ihres Ermessens gemäß Artikel 13 VOBK 2007 und 13 (1) VOBK 2020 den Hilfsantrag 6 ins Verfahren zu.
4. Neuheit und erfinderische Tätigkeit des Gegenstandes von Anspruch 1 gemäß dem Hilfsantrag 6 - Artikel 56 EPÜ
4.1 Es ist unstreitig, dass der Gegenstand des Anspruchs 1 sich von der in den Figuren 23 und 24 der D4 abgebildeten Gelenkanordnung (nächstliegender Stand der Technik) dadurch neuheitsbegründend unterscheidet, dass
"... in den (Hohlraum (36)) eine Hülse (38) aufgenommen ist, die als Sitz für das Arretierungsmittel (39) ausgebildet ist".
4.2 Dieses Merkmal bewirkt, dass die Hülse aus einem verschleißfesteren Werkstoff als das zweite Gelenkstück bzw. das Bauteil hergestellt sein kann, um die Verschleißfestigkeit und somit die Lebensdauer der Gelenkanordnung zu erhöhen, siehe Absatz [0013], Sätze 3 und 4, der Streitpatentschrift.
4.3 Ausgehend von der aus der D4 bekannten Gelenkanordnung besteht die objektive Aufgabe darin, die Verschleißfestigkeit des ersten Gelenkstücks im Bereich des das Arretierungsmittel aufnehmenden Hohlraums zu verbessern, siehe hierzu auch Punkt 3 der Beschwerdebegründung der Einsprechenden.
4.4 Kombination der Lehren der D4 und D1
4.4.1 Die Einsprechende argumentiert, dass bei der besonderen Ausgestaltung der Figuren 6 bis 9 der D1 das Reinigungsgerät einen Grundkörper 40 mit Hohlraum 39 sowie eine in den Hohlraum 39 eingeschobene Hülse (Endkörper 41) umfasse, die als Sitz für ein Arretierungsmittel (Nasenstück 52) ausgebildet sei und damit verschleißmindern wirke. Der Fachmann erhalte daher aus der D1 die unmittelbare Anregung, in die in den Figuren 23 und 24 der D4 abgebildeten Gelenkanordnung eine Hülse einzusetzen. Hierbei sei unbeachtlich, dass das Arretierungsmittel 52 in Figur 8 der D1 mit einer Feder beaufschlagt wird, da auch das Arretierungsmittel der D4 ebenfalls federbelastet sein könne, siehe Seite 6, linke Spalte, Zeilen 50 bis 52.
4.4.2 Die Kammer folgt diesbezüglich der Argumentation der Patentinhaberin, wonach die Aufgabenstellung und die Funktionsweise der in den Figuren 23 und 24 der D4 abgebildeten Gelenkanordnung ganz anders ist, als diejenige des Geräts der D1. Während die Zielsetzung bei dem Gerät der D1 darin besteht, den Stiel sowohl beim Abstellen bzw. Nichtgebrauch als auch beim Wechsel vom Wischkörpern auf einfacher Weise zu fixieren, siehe Absatz [0005] der D1, ist in der in den Figuren 23 und 24 der D4 abgebildeten Gelenkanordnung ein aus dem Stiel herausschiebbarer Stab zur Arretierung in einer (geneigten) Arbeitsstellung beschrieben, siehe Absätze [0007] und [0090] der D4. Dabei wird die unter Punkt 4.3 oben genannte zulösende Aufgabe betreffend die Erhöhung der Verschleißfestigkeit des Hohlraumes in der D1 nicht angesprochen. Es ist weiterhin diesbezüglich anzumerken, dass die von der Einsprechenden zitierte Passage auf Seite 6 der D4 die Möglichkeit einer Federbeaufschlagung eines anderen Ausführungsbeispiels und nicht des in den Figuren 23 und 24 der D4 abgebildeten Ausführungsbeispiels betrifft.
4.4.3 In D1 ist ein in den hohl ausgebildeten Grundkörper des Stiels eingesetzter Endkörper mit kegelstumpfförmigen Ende vorgesehen, in dem ein federbelastetes Nasenstück angeordnet ist, das aufgrund der Federvorspannung durch eine Öffnung in dem kegelstumpfförmigen Ende ragt und in Eingriff mit einer dazu vorgesehene Rastvertiefung bringbar ist. Im Gegensatz dazu findet in D4 der Arretierungsvorgang in der in den Figuren 23 und 24 der D4 abgebildeten Gelenkanordnung mittels einer durchgreifenden Stange statt. Die aus D1 bekannte Konstruktion weicht daher derart von der Konstruktion des Reinigungsgeräts der Figuren 23 und 24 der D4 ab, dass nicht ersichtlich ist, warum der Fachmann ausgehend von der D4 ohne erfinderisches Zutun eine aus der D1 bekannte Anordnung in dem Gelenk der D4 vorsehen sollte, da die Funktionsweisen der beiden in Frage stehenden Gelenkanordnungen derart voneinander abweichen, dass der Fachmann zur Überzeugung der Kammer eine Kombination dieser Entgegenhaltungen nicht in Betracht zöge.
4.5 Kombination der Lehren der D4 und D5
4.5.1 Die Einsprechende argumentiert, dass der Fachmann aus D5 eine unmittelbare Anregung erhalte, einen Hohlraum, in dem sich das Arretiermittel 79 befinde, durch eine zusätzliche Hülse (Aufnahmeteil 77) auszukleiden, um die Verschleißfestigkeit des Hohlraumes zu erhöhen, siehe Absatz [0023] der D5. Da das Aufnahmeteil lediglich eine Erhöhung der Verschleißfestigkeit im Bereich des Arretierungsmittels bei der D5 gewährleiste, komme es nicht darauf an, dass die sonstige Konstruktion des Reinigungsgeräts der D5 unterschiedlich zu der von D4 sei. Der Fachmann erkenne zweifelsohne den Vorteil dieses Detailmerkmals und übertrage es problemlos unmittelbar auf die zu verbessernde Konstruktion gemäß der D4. Dabei gelange er zu der unten abgebildeten Konstruktion, ohne dabei erfinderisch tätig zu werden.
FORMEL/TABELLE/GRAPHIK
(während der mündlichen Verhandlung von der Einsprechenden eingereichte Skizze)
4.5.2 Die Kammer ist von dieser Argumentation der Einsprechenden nicht überzeugt.
4.5.3 Die Kammer folgt vielmehr den unter Punkt 4.2.3 der angefochtenen Entscheidung sowie unter Punkt 2.2 der Beschwerdeerwiderung der Patentinhaberin vorgetragenen Argumenten, wonach es bei einer eventuellen Kombination der Lehren der D4 und D5 darauf ankommt, wie unterschiedlich die Konstruktionen von D4 und D5 sind, damit die Übertragbarkeit der Lehre, bzw. eines bestimmten Teils der Lehre der D5 auf die Konstruktion der D4 für den Fachmann sinnvoll erscheint.
4.5.4 Die Aufgabenstellung und die Funktionsweise der in den Figuren 23 und 24 der D4 abgebildeten Gelenkanordnung scheinen ganz anders zu sein, als diejenige des Geräts der D5. Während die Zielsetzung bei dem Gerät der D5 darin besteht, den Stielhalter in einer (senkrechten) Ruhelage zuverlässig zu arretieren und durch beliebiges Verschwenken des Stielhalters aus der Ruhelage um eine der beiden Schwenkachsen die Arretierung des Stielhalters bezüglich beider Schwenkachsen aufzuheben, siehe Absatz [0005] der D5, ist in der Gelenkanordnung der Figuren 23 und 24 der D4 ein aus dem Stiel herausschiebbarer Stab zur Arretierung in einer (geneigten) Arbeitsstellung beschrieben, siehe Absätze [0007] und [0090] der D4.
4.5.5 Dabei weist die Konstruktion der D5 mehrere kugelförmige Rastmittel anstatt einer durchgreifenden Stange als Arretierungsmittel auf, wie es bei D4 der Fall ist. Die aus D5 bekannte Konstruktion weicht daher derart von der Konstruktion des Reinigungsgeräts der Figuren 23 und 24 der D4 ab, dass es nicht ersichtlich ist, warum der Fachmann ohne erfinderisches Zutun die Arretierung der Gelenkanordnung der D4 durch nur dieses Merkmal, welches für eine gänzlich andere Arretierungsart vorgesehen ist, ergänzen sollte.
4.5.6 Es ist weiterhin anzumerken, dass die von der Einsprechenden angegebene zu lösende Aufgabe betreffend die Erhöhung der Verschleißfestigkeit des Hohlraumes in der D5, in dem von der Einsprechenden erwähnten Absatz [0023], nicht angesprochen ist. Selbst wenn die o.g. Aufgabe der D5 zu entnehmen wäre, ist das Vorsehen einer Hülse nur in Kombination mit kugelförmigen Rastmitteln und nicht mit einem herausschiebbaren Stab vorgesehen.
4.5.7 Die Kombination der Lehren der D4 und D5 legt daher dem Fachmann den Gegenstand des Anspruchs 1 nicht nahe.
4.6 Folglich kann weder die Kombination der Lehren der D4 und D1 noch die Kombination der Lehren der D4 und D5 die erfinderische Tätigkeit des Gegenstands des Anspruchs 1 in Frage stellen (Artikel 56 EPÜ).
5. Da die Einsprechende keine weiteren Einwände gegen die Fassung des Patents gemäß dem Hilfsantrag 6 erhoben hat (siehe Seite 4 des Protokolls der mündlichen Verhandlung) und die Beschreibung, einschließlich der Zeichnungen, wie von beiden Parteien während der mündlichen Verhandlung bestätigt (siehe Seite 4 des Protokolls), keiner weiterer Anpassung gegenüber der Fassung, die Gegenstand des Entscheidungsausspruches der angefochtenen Entscheidung war, bedarf, befindet die Kammer, dass die auf den vollständigen Widerruf des Patents gerichtete Beschwerde der Einsprechenden unbegründet ist, das Patent vielmehr auf der Basis des einzigen Beschwerdeantrages der Patentinhaberin aufrechterhalten werden kann.
Aus diesen Gründen wird entschieden:
1. Die angefochtene Entscheidung wird aufgehoben.
2. Die Angelegenheit wird an die Einspruchsabteilung mit der Anordnung zurückverwiesen, das Patent in geändertem Umfang mit folgender Fassung aufrechtzuerhalten:
Beschreibung
Seite 2 eingereicht in der mündlichen Verhandlung vor der Einspruchsabteilung am 16. Dezember 2015 (Anlage zur angefochtenen Entscheidung)
Seiten 3 und 4 der Patentschrift
Ansprüche
1 bis 12 eingereicht mit Schriftsatz vom 18. Februar 2020 als Hilfsantrag 6
Zeichnungen
Blätter 7 bis 10 der Patentschrift