T 2555/16 23-01-2020
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SCHIENENFAHRZEUG MIT EINER ANTRIEBSEINRICHTUNG
Erfinderische Tätigkeit - (nein)
Erfinderische Tätigkeit - alle Anträge
I. Die Beschwerde richtet sich gegen die Entscheidung der Einspruchsabteilung des Europäischen Patentamts, die am 20. September 2016 zur Post gegeben wurde und mit der das europäische Patent Nr. 2181030 aufgrund des Artikels 101 (3) (b) EPÜ widerrufen worden ist.
II. Die Einspruchsabteilung hat entschieden, dass der Gegenstand des jeweiligen Anspruchs 1 gemäß Hauptantrag und der Hilfsanträge 1 und 2 im Hinblick auf das
Dokument DE 102 48 438 A1 (D1)
nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit beruht.
III. Gegen diese Entscheidung hat die Patentinhaberin Beschwerde eingelegt.
Am 23. Januar 2020 wurde mündlich verhandelt.
Die Beschwerdeführerin (Patentinhaberin) beantragte die Aufhebung der angefochtenen Entscheidung und die Aufrechterhaltung des Patents in geändertem Umfang auf der Grundlage des Hauptantrags oder eines der Hilfsanträge 1 bis 2, alle eingereicht mit der Beschwerdebegründung, oder auf der Grundlage des Hilfsantrags 3, eingereicht mit Schreiben vom 23. Dezember 2019.
Die Beschwerdegegnerin (Einsprechende) beantragte die Zurückweisung der Beschwerde.
IV. Der Anspruch 1 des Hauptantrags lautet wie folgt:
Schienenfahrzeug mit
- einem ersten Wagenkasten (102), der auf einer ersten Radeinheit (103.1) und einer in Längsrichtung des ersten Wagenkastens (102) beabstandeten angetriebenen zweiten Radeinheit (103.2) abgestützt ist,
- einem zweiten Wagenkasten (109), der auf einer dritten Radeinheit (110) abgestützt ist, und
- einer die zweite Radeinheit (103.2) und die dritte Radeinheit (110) antreibenden elektrischen Antriebseinrichtung (104), welche eine Transformatoreinheit (104.1) und wenigstens eine erste Stromrichtereinheit (104.2) umfasst, wobei
- die erste Radeinheit (103.1) und die zweite Radeinheit (103.2) unter dem ersten Wagenkasten (102) angeordnet sind,
- die erste Radeinheit (103.1) an einem ersten Ende des ersten Wagenkastens (102) angeordnet ist, in dessen Bereich ein Führerstand (106) für einen Fahrzeugführer angeordnet ist, und
- die Transformatoreinheit (104.1) im Bereich der ersten Radeinheit (103.1) angeordnet ist,
dadurch gekennzeichnet, dass
- die erste Radeinheit (103.1 ) als nicht angetriebene Radeinheit ausgebildet ist.
V. Der Anspruch 1 gemäß dem Hilfsantrag 1 lautet wie folgt:
Schienenfahrzeug mit
- einem ersten Wagenkasten (102), der auf einer ersten Radeinheit (103.1) und einer in Längsrichtung des ersten Wagenkastens (102) beabstandeten angetriebenen zweiten Radeinheit (103.2) abgestützt ist,
- einem zweiten Wagenkasten (109), der auf einer dritten Radeinheit (110) abgestützt ist, und
- einer die zweite Radeinheit (103.2) und die dritte Radeinheit (110) antreibenden elektrischen Antriebseinrichtung (104), welche eine Transformatoreinheit (104.1) und wenigstens eine erste Stromrichtereinheit (104.2) umfasst, wobei
- die erste Radeinheit (103.1) und die zweite Radeinheit (103.2) unter dem ersten Wagenkasten (102) angeordnet sind,
- die erste Radeinheit (103.1) an einem ersten Ende des ersten Wagenkastens (102) angeordnet ist, in dessen Bereich ein Führerstand (106) für einen Fahrzeugführer angeordnet ist, und
- die Transformatoreinheit (104.1) im Bereich der ersten Radeinheit (103.1) angeordnet ist,
dadurch gekennzeichnet, dass
- die erste Radeinheit (103.1) als nicht angetriebene Radeinheit ausgebildet ist und
- die Transformatoreinheit (104.1) die zweite Radeinheit (103.2) und die dritte Radeinheit (110) versorgt.
VI. Der Anspruch 1 gemäß dem Hilfsantrag 2 lautet wie folgt:
Schienenfahrzeug mit
- einem ersten Wagenkasten (102), der auf einer ersten Radeinheit (103.1) und einer in Längsrichtung des ersten Wagenkastens (102) beabstandeten angetriebenen zweiten Radeinheit (103.2) abgestützt ist,
- einem zweiten Wagenkasten (109), der auf einer dritten Radeinheit (110) abgestützt ist, und
- wenigstens einer vierten Radeinheit (213) und
- einer die zweite Radeinheit ( 103.2), die dritte Radeinheit (110) und die vierte Radeinheit (213) antreibenden elektrischen Antriebseinrichtung (104), welche eine Transformatoreinheit (104.1) und wenigstens eine erste Stromrichtereinheit (104.2) umfasst, wobei
- die erste Radeinheit (103.1) und die zweite Radeinheit (103.2) unter dem ersten Wagenkasten (102) angeordnet sind,
- die erste Radeinheit ( 103.1) an einem ersten Ende des ersten Wagenkastens (102) angeordnet ist, in dessen Bereich ein Führerstand (106) für einen Fahrzeugführer angeordnet ist, und
- die Transformatoreinheit (104.1) im Bereich der ersten Radeinheit (103.1) angeordnet ist,
dadurch gekennzeichnet, dass
- die erste Radeinheit (103.1) als nicht angetriebene Radeinheit ausgebildet ist und
- die Transformatoreinheit (104.1) die zweite Radeinheit (103.2), die dritte Radeinheit (110) und die vierte Radeinheit (213) versorgt.
VII. Der Anspruch 1 gemäß dem Hilfsantrag 3 lautet wie folgt:
Schienenfahrzeug mit
- einem ersten Wagenkasten (102), der auf einer ersten Radeinheit (103.1) und einer in Längsrichtung des ersten Wagenkastens (102) beabstandeten angetriebenen zweiten Radeinheit (103.2) abgestützt ist,
- einem zweiten Wagenkasten (109), der auf einer dritten Radeinheit (110) abgestützt ist, und
- wenigstens einer vierten Radeinheit (213) und
- einer die zweite Radeinheit (103.2), die dritte Radeinheit (110) und die vierte Radeinheit (213) antreibenden elektrischen Antriebseinrichtung (104), welche eine Transformatoreinheit (104.1) und wenigstens eine erste Stromrichtereinheit (104.2) umfasst, wobei
- die Antriebseinrichtung (104) zum Antrieb der dritten Radeinheit (110) eine zweite Stromrichtereinheit (104.5) umfasst, wobei
- die zweite Stromrichtereinheit (104.5) zum Antrieb der dritten Radeinheit (110) von der Transformatoreinheit (104.1) gespeist wird,
- die Antriebseinrichtung (104) zum Antrieb der wenigstens einen vierten Radeinheit (213) wenigstens eine dritte Stromrichtereinheit (204.6) umfasst, wobei
- die dritte Stromrichtereinheit (204.6) zum Antrieb der vierten Radeinheit (213) von der Transformatoreinheit (104.1) gespeist wird,
- die erste Radeinheit (103.1) und die zweite Radeinheit (103.2) unter dem ersten Wagenkasten (102) angeordnet sind,
- die erste Radeinheit (103.1) an einem ersten Ende des ersten Wagenkastens (102) angeordnet ist, in dessen Bereich ein Führerstand (106) für einen Fahrzeugführer angeordnet ist, und
- die Transformatoreinheit (104.1) im Bereich der ersten Radeinheit (103.1) angeordnet ist,
dadurch gekennzeichnet, dass
- die erste Radeinheit (103.1) als nicht angetriebene Radeinheit ausgebildet ist und
- die Transformatoreinheit (104.1) die zweite Radeinheit (103 2), die dritte Radeinheit (110) und die vierte Radeinheit (213) versorgt.
VIII. Die Argumente der Beschwerdeführerin - soweit sie für die Entscheidung wesentlich waren - sind die folgenden:
Es würden im Wesentlichen die Gründe vorgebracht, die auch schon im Einspruchsverfahren vorgebracht worden seien.
Der Anspruch 1 des Hauptantrags beruhe auf einer erfinderischen Tätigkeit.
Es sei klar, dass der Fachmann in der Lage sei, die komplexe Dimensionierung mit den Parametern Antriebsleistung, Traktion, Stromversorgung sowie Gewicht und Platzbedarf ohne erfinderisches Zutun zu lösen. Allerdings benötige er einen Hinweis darauf, dass ausgerechnet das vorderste Drehgestell des Motorwagens als ein nicht angetriebenes Drehgestell ausgeführt werden könne. Schließlich habe er verschiedene Möglichkeiten und es sei nicht erkennbar, warum er ausgerechnet diejenige wählen sollte, die das Streitpatent realisiert hat. Insbesondere gebe es dafür in D1 keinen Hinweis. Hierbei sei es von besonderer Bedeutung, dass durch das Weglassen des Antriebs am vordersten Drehgestell sich vor allem die Achslast verringere und dadurch ein größerer Transformator eingebaut werden könne, der dann an anderer Stelle im Zug angetriebene Drehgestelle mit Energie versorge. Somit werde mit der Erfindung die Aufgabe gelöst, die Flexibilität des Schienenverkehrsmittel durch eine einfache Skalierbarkeit der Antriebsleistung zu erhöhen.
Die Hilfsanträge 1 bis 3 machten lediglich die Ausgestaltung der Erfindung klarer, beinhalteten aber keine weiteren Merkmale, die zusätzlich zur erfinderischen Tätigkeit beitrügen.
IX. Die Beschwerdegegnerin begegnete diesen Argumenten wie folgt:
Sowohl in Paragraph [0022] der D1 als auch durch das Ausführungsbeispiel der Figur 6 werde der Fachmann auf das Problem der hohen Achslasten hingewiesen und ebenfalls auf die Lösung, ggf. einen Antrieb vorzusehen oder eben auch nicht. Dies sei exemplarisch am Beispiel des Mittelwagens offenbart, der in den Figuren 3a bis c ohne angetriebenes Drehgestell gezeigt werde und in der Figur 4 einen Antrieb aufweise. Damit sei dann der Gegenstand der strittigen Ansprüche 1 nahegelegt.
1. Der Gegenstand des jeweiligen Anspruchs 1 des Hauptantrags und der Hilfsanträge 1 bis 3 beruht nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit, ausgehend von Dokument D1, Artikel 56 EPÜ.
1.1 Die Kammer schließt sich hinsichtlich der Frage der erfinderischen Tätigkeit in Bezug auf Haupt- und Hilfsanträge 1 und 3, die den der angefochtenen Entscheidung zugrundeliegenden Haupt- und Hilfsanträgen 1 und 2 entsprechen, vollumfänglich den Feststellungen der Einspruchsabteilung sowie der Begründung in der angefochtenen Entscheidung an (siehe dort Punkte 8 bis 10 und 12). Die Einspruchsabteilung hat sich bereits mit allen im Beschwerdeverfahren nochmals erörterten Punkten befasst und ist zu überzeugenden Ergebnissen gekommen. Die Beschwerdeführerin hat erklärt, demgegenüber keine neuen Argumente vorgebracht zu haben, die in der Entscheidung abgehandelt werden müssten. Unter diesen Umständen erübrigen sich hier weitere Ausführungen hinsichtlich des Hauptantrags und der Hilfsanträge 1 und 3 (Artikel 15(8) VOBK 2020).
1.2 In Bezug auf den vorliegenden Hilfsantrag 2, über den die Einspruchsabteilung in Bezug auf erfinderische Tätigkeit keine Entscheidung getroffen hat, stellt die Kammer fest, dass dessen Anspruch 1 gegenüber dem Anspruchs 1 des Hilfsantrags 3 (in der Entscheidung der Einspruchsabteilung ist das der Hilfsantrag 2) keine weiteren Merkmale enthält, so dass schon deshalb das Ergebnis in Bezug auf das Vorliegen einer erfinderischen Tätigkeit dasselbe sein muss, wie für den Anspruch 1 des Hilfsantrags 3.
Dies hat die Beschwerdeführerin auch zugestanden.
2. Aus den genannten Gründen kann es dahin gestellt bleiben, ob auch eine Nichtzulassung der Hilfsanträge 2 und 3 in das Verfahren gemäß Artikel 12(4) bzw. 13(1) VOBK 2007 in Betracht gekommen wäre.
Aus diesen Gründen wird entschieden:
Die Beschwerde wird zurückgewiesen.