T 1630/17 19-03-2021
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VERFAHREN ZUR MODERNISIERUNG EINER AUFZUGSANLAGE
Otis Elevator Company
thyssenkrupp Elevator AG
Neuheit - (ja)
Erfinderische Tätigkeit - (nein)
I. Die Beschwerdeführerinnen 1 und 2 (Einsprechende 1 und 2) haben Beschwerde gegen die Zwischenentscheidung der Einspruchsabteilung eingelegt, mit der entschieden wurde, dass das Europäische Patent 2 691 329 in geänderter Fassung den Erfordernissen des EPÜ genügt.
II. Der Vortrag der Parteien stützt sich unter anderem auf folgende Beweismittel:
D1 : US-A-2008/0149432,
D11: EP-A1-1 935 824,
D13: DE-A1-10 2008 018 710.
III. Die Parteien wurden zur mündlichen Verhandlung geladen. In einer Mitteilung gemäß Artikel 15 (1) VOBK 2020 im Anhang zur Ladung teilte die Kammer den Parteien ihre vorläufige Beurteilung der Sache mit.
IV. Mit Schreiben vom 19. Februar 2021 reichte die Beschwerdegegnerin einen Hilfsantrag ein.
V. Die mündliche Verhandlung vor der Beschwerdekammer fand am 19. März 2021 in Form einer Videokonferenz statt.
VI. Die Beschwerdeführerinnen beantragten die Aufhebung der angefochtenen Entscheidung und den Widerruf des Patents.
VII. Die Beschwerdegegnerin beantragte die Zurückweisung der Beschwerden, hilfsweise die Aufrechterhaltung des Patents in geänderter Fassung gemäß dem am 19. Februar 2021 eingereichten Hilfsantrag.
VIII. Der unabhängige Anspruch 1 des Patents in der von der Einspruchsabteilung für gewährbar befundenen Fassung (Hauptantrag) hat folgenden Wortlaut (Merkmalsnummerierung in eckigen Klammern durch die Kammer hinzugefügt):
"[M1] Verfahren zur Modernisierung einer Aufzugsanlage (1) mit wenigstens einem Aufzug (2) in einem Gebäude, [M2] wobei der wenigstens eine Aufzug vor der Modernisierung jeweils eine Kabine (3) mit einer darin angeordneten Eingabeeinrichtung (4)
[M3] mit Eingabetasten (5) zum Eingeben des gewünschten Stockwerks und
[M4] eine mit der Eingabeeinrichtung in Wirkverbindung stehende Steuereinrichtung (6)
[M5] zum Ansteuern der Fahrbewegung der Kabine in Abhängigkeit des eingegebenen Stockwerks umfasst,
[M6] wobei bei der Modernisierung auf wenigstens einem Stockwerk des Gebäudes ein Stockwerkterminal (8) zum Eingeben eines Ziel-Stockwerkrufs installiert wird, [M7] welches an die mit der Eingabeeinrichtung (4) verbundenen Steuereinrichtung (6) derart gekoppelt wird,
[M8] dass wenigstens in einem Standardmodus nach Eingabe des mittels des Stockwerkterminals (8) erfassten Ziel-Stockwerkrufs die Kabine (3) automatisch zum angewählten Ziel-Stockwerk fährt,
[M9] wobei eine Stockwerkwahl in der Kabine (3) durch Benützen der Eingabeeinrichtung (4) durch Deaktivierung der Eingabetasten (5) zum Eingeben des gewünschten Stockwerks nicht mehr möglich ist, und
[M10] wobei die Eingabeeinrichtung (4) aktivierbare Anzeigemittel zum Darstellen von gewählten Stockwerken aufweiset,
[M11] wobei bei der Modernisierung die Steuereinrichtung (6) derart angepasst wird, dass die Anzeigemittel nach Eingabe eines Stockwerkrufs über das Stockwerkterminal (8) aktiviert werden."
Der Hauptantrag enthält einen zweiten unabhängigen Anspruch 8, der aber für die hier zu treffende Entscheidung nicht relevant ist. Die Wiedergabe seines Wortlauts ist daher nicht erforderlich.
Der Hilfsantrag unterscheidet sich vom Hauptantrag im wesentlichen dadurch, dass Anspruch 8 gestrichen wurde. Anspruch 1 ist hingegen unverändert.
IX. Die Argumente der Beschwerdeführerinnen können wie folgt zusammengefasst werden:
Hauptantrag - Neuheit
Neben Merkmalen M1 bis M10 sei auch Merkmal M11 in D1 (und D11) offenbart. Der Anspruch sei nicht auf ein Verfahren eingeschränkt, das nachfolgende Schritte ausschließe oder den Endzustand einer Aufzugsanlage nach abgeschlossener Modernisierung festlege. Die in D1 während der Modernisierung zur bestehenden Gruppensteuerung 5 der Aufzugsanlage hinzugefügte Ruferfassungseinheit 40 verwirkliche in analoger Weise wie das zusätzliche Steuerungsgerät 19 in Figur 3 des Streitpatents eine Anpassung der Steuerung der Aufzugsanlage im Sinne des Merkmals. Die Einheit 40 weise einen Signalgenerator auf. Dieser sende bei einem Stockwerksruf vom neuen Stockwerk-Zielrufterminal 4 an die Gruppensteuerung 5 mittels der Signalleitungen 428 die gleichen Zielrufsignale, wie die zuvor bei der unmodernisierten Anlage abgesetzten Zielrufsignale nach Erhalt einer Stockwerkseingabe über eine Kabineneingabeeinrichtung 12 (siehe Absätze 33 und 42 der D1). D1 beschreibe weiterhin explizit nur die Kappung der Signalleitungen 128 zu den Tasten 122, 124, 126 der Eingabevorrichtung 12 in der Kabine (Absatz 43). Der Fachmann schließe daraus, dass die Signalleitungen 127 zu den Lampen 121, 123, 125 der Eingabevorrichtung in der Kabine weiterhin vorhanden sind. Weitere Modifikationen, die die Funktion zwischen Kabineneingabeeinrichtung 12 und Gruppensteuerung 5 während oder nach Abschluss der Modernisierung betreffen, seien nicht beschrieben. Es ergebe sich daher unmittelbar, dass die mit der Ruferfassungseinheit 40 ergänzte und somit angepasste Steuerung 5, die vom neuen Stockwerkterminal 4 weiterhin erzeugten Zielrufsignale notwendigerweise an die Lampen der Eingabeeinrichtungen 12 in der Kabine sendet. Damit sei Merkmal M11 offenbart.
Hauptantrag - Erfinderische Tätigkeit
Unter der Annahme, dass M11 das einzige unterscheidende Merkmal gegenüber D1 darstelle, könne eine objektive Aufgabe darin gesehen werden, (auch nach der Modernisierung) einem Fahrgast in der Kabine Informationen über ein Zielstockwerk zu übermitteln. Es sei naheliegend dafür die bereits vorhandenen Leitungen und Lampen an der nach wie vor vorhandenen und sichtbaren Kabineneingabeeinrichtung zu verwenden. In D1 gehe es nur darum, eine wiederholte Eingabe des Zielstockwerks in der Kabine zu vermeiden. Zielrufsignale werden weiterhin mittels der Ruferfassungseinheit 40 auf die gleiche Weise erzeugt, wie vor der Modernisierung. D13 belege darüber hinaus, dass es auch bei zielrufgesteuerten Aufzugsanlagen wünschenswert ist, Informationen über das anzufahrende Stockwerk durch eine Beleuchtung der entsprechenden Taster in der Kabine anzuzeigen.
X. Die Argumente der Beschwerdegegnerin können wie folgt zusammengefasst werden:
Hauptantrag - Neuheit
Merkmal M11 sei nicht offenbart. Die Steuerung der aus D1 bekannten Aufzugsanlage sei nicht im Sinne des Merkmals angepasst. Eine Anpassung erfordere im Sinne des Streitpatents eine Anpassung der Gruppensteuerung 5 die auch nach Abschluss des Modernisierungsverfahrens besteht, siehe Absätze 11, 22 und 23, und nicht die Ergänzung durch eine externe Einrichtung 40. Weiterhin entnehme der Fachmann Absatz 43, dass die Kabineneingabeeinrichtungen nicht mehr zugänglich, d.h. für einen Passagier in der Kabine nicht mehr vorhanden sind. Dass bei den unzugänglich gemachten Kabineneingabeeinrichtungen nach Eingabe eines Zielstockwerkrufs die Quittierungslampen
121, 123, 125 aktiviert werden, finde keine Offenbarung in D1. Vielmehr könne aus der Funktion der Steuerung 5, der Ruferfassungseinheit und den mit ihr verbundenen Eingabeeinrichtungen, wie sie im Zusammenhang mit den Figuren 3, 4 und 8 in Absätzen 32 bis 42 beschrieben sind, geschlossen werden, dass der Aktivierung einer Lampe immer die Aktivierung einer zugehörigen Taste vorausginge. Da aber die Tasten in den Kabineneingabeeinrichtungen im Zuge der Modernisierung nicht mehr elektrisch mit der Steuerung und der Ruferfassungseinheit verbunden sind, können auch entsprechende Aktivierungssignale für die Lampen nicht mehr erzeugt werden. Aus diesem Grund sei es auch nicht erforderlich, zusätzlich zu den Signalleitungen 128 der Tasten die Signalleitungen 127 zu den Lampen am nicht mehr zugänglichen Kabineneingabeeinrichtung 12 zu kappen.
Hauptantrag - Erfinderische Tätigkeit
Der technische Effekt von Merkmal M11 bestehe darin, den Benutzerkomfort durch eine zentrale Maßnahme mit Wirkung auf die gesamte Aufzugsanlage bei der Modernisierung zu erhalten. Daraus ergebe sich die objektive Aufgabe, mit geringem Aufwand eine Modernisierung vorzunehmen, wobei der Benutzerkomfort durch Bereitstellen von Stockwerkinformationen in der Kabine erhalten bleiben soll. Die Argumente der Beschwerdeführerinnen beruhten auf rückschauender Betrachtung. Einerseits solle die Kommunikation mit dem Passagier in D1 ausschließlich mittels der neuen Stockwerkterminale 4 erfolgen, was ein erneutes Anzeigen des Zielstockwerks in der Kabine überflüssig mache. Außerdem gebe es keinen Grund, Anzeigemittel an einer bestehenden Eingabeeinrichtung zur Anzeige weiterzuverwenden. Das Naheliegendste wäre vielmehr, sie durch eine neue Anzeigeeinrichtung zu ersetzen. Darüber hinaus führe die Weiterverwendung der bestehenden Kabineneingabeeinrichtungen zur Verwirrung der Passagiere in der Kabine. Betritt nämlich ein Passagier eine Kabine, der zuvor am neuen Stockwerkterminal 4 einen Stockwerkruf eingegeben und bestätigt bekommen hat, und sieht in der Kabine am bestehenden Kabineneingabeeinrichtung eine dem Stockwerkruf entsprechende Lampe aktiviert, bestünde die Versuchung, eine neue Stockwerkseingabe in der Kabine vorzunehmen bzw. zu korrigieren, was aber aufgrund der gekappten Leitung gar nicht mehr möglich sei. Deshalb lehre ja D1 gerade die Kabineneingabeeinrichtungen unzugänglich zu machen. Auch D13 könne dem Fachmann keine Anregung geben. Weder beziehe sich D13 auf eine Modernisierung noch auf die (Weiter-) Nutzung bestehender Kabineneingabeeinrichtungen.
Hauptantrag - Artikel 54 EPÜ
1. Das Verfahren nach Anspruch 1 ist neu gegenüber D1 und D11, da das Merkmal M11, "wobei bei der Modernisierung die Steuereinrichtung (6) derart angepasst wird, dass die Anzeigemittel nach Eingabe eines Stockwerkrufs über das Stockwerkterminal (8) aktiviert werden", diesen Dokumenten nicht unmittelbar und eindeutig zu entnehmen ist.
1.1 Die Offenbarung der Merkmale M1 bis M10 in D1 wurde von der Beschwerdegegnerin nicht bestritten und die Kammer kann auch nicht erkennen, dass eines dieser Merkmal nicht offenbart wäre. Da diese Merkmale nicht streitig sind, ist eine detaillierte Merkmalsanalyse hier nicht erforderlich.
1.2 Hinsichtlich der behaupteten Offenbarung des Merkmals M11 in D1 kann die Kammer den Argumenten der Beschwerdeführerinnen dahingehend folgen, dass in dem bekannten Verfahren auch eine Anpassung der Steuereinrichtung vorgenommen wird. Die dem widersprechende Behauptung der Beschwerdegegnerin ist dagegen unbegründet. Eine Anpassung der Steuereinrichtung ist dem Wortlaut des Anspruchs nach nämlich nicht auf die in Absätzen 11, 22 und 23 des Streitpatents beschriebenen Maßnahmen beschränkt. Unter den Anspruchswortlaut fällt auch die Hinzufügung einer zusätzlichen Steuereinrichtung zur vorhandenen Steuereinrichtung, siehe z.B. Ansprüche 4 oder 5 des Patents. Die in D1 zur vorhandenen Gruppensteuerung 5 hinzugefügte Ruferfassungseinheit 40 entspricht einer solchen zusätzlichen Steuereinrichtung. Dabei ist es auch unerheblich, ob diese nur während der eigentlichen Modernisierungsmaßnahmen oder auch nach Abschluss der Modernisierungsarbeiten vorhanden ist. Merkmal M11 verlangt nämlich nur "bei der Modernisierung", was beide Möglichkeiten umfasst, also während (bei) und nach Durchführung des Verfahrens.
Die Kammer kann auch dem Argument der Beschwerdeführerinnen folgen, wonach die Ruferfassungseinheit 40 mittels ihres Signalgenerators weiterhin die gleichen Zielrufsignale ("destination signals") bei Erhalt eines Zielrufs vom neu installierten Stockwerkterminal erzeugt wie vor der Modernisierung nach Erhalt einer Stockwerkseingabe über die Eingabetasten 122, 124, 126 an den Kabineneingabeeinrichtungen 12, 12', 12". Dies ergibt sich für den Fachmann unmittelbar und eindeutig insbesondere aus den letzten drei Sätzen des Absatzes 43 der D1.
Die Kammer ist hingegen nicht überzeugt, dass die von der Ruferfassungseinheit 40 erzeugten Zielrufsignale notwendigerweise Bestätigungssignale ("acknowledgement signals") erzeugen müssen, die weiterhin über die Signalleitungen 127 an die Rufbestätigungslampen 121, 123, 125 übertragen werden müssen und diese entsprechend aktivieren. Es ist zwar richtig, dass in Absatz 43 explizit nur die Kappung der Leitungen 128 zu den Eingabetastern 122, 124, 126 offenbart wird, also nicht die Kappung der Leitung 127 zu den Lampen. Es ist ebenso richtig, dass nirgends offenbart ist, dass die Gruppensteuerung 5 selbst in irgendeiner Weise verändert wird. Insofern ist die Annahme der Beschwerdeführerinnen kaum von der Hand zu weisen, dass ein von der Ruferfassungseinheit 40 mittels seines Signalgenerators erzeugtes Rufsignal nach einem Zielruf von einem neuen Stockwerksterminal 4, an der Gruppensteuerung 5 die gleichen Abläufe und Funktionen bewirken würde wie vor der Modernisierung. Dieses von der Einheit 40 generierte Zielrufsignal emuliert ja offenbar die zuvor von den Eingabetastern 122, 124, 126 in den Kabinen erzeugten Zielrufsignale, was der einzige technisch sinnvolle Zweck der Detektierung der Signalgröße und -form auf den Leitungen 128 der Kabineneingabetasten (offensichtlich vor ihrer Kappung) zu sein scheint, der im vorletzten Satz von Absatz 42 offenbart ist. Trotzdem kann aus diesen Umständen immer noch nicht mit der erforderlichen Unmittelbarkeit und Eindeutigkeit geschlossen werden, dass die den Eingabetastern zugehörigen Lampen in der Kabine als Bestätigung weiterverwendet werden.
Folglich ist Merkmal M11 in D1 nicht offenbart.
1.3 Die Neuheit des Gegenstands von Anspruch 1 wurde aus den gleichen Gründen auch gegenüber D11 bestritten. Da aber keine weiteren Argumente vorgetragen wurden, die einen Unterschied in der Offenbarung der D1 und D11 im Hinblick auf die Merkmale von Anspruch 1 erkennen lassen, kommt die Kammer zu dem Schluss, dass Merkmal M11 in D11 ebenfalls nicht offenbart ist.
Hauptantrag - Artikel 56 EPÜ
2. Allerdings beruht der Gegenstand von Anspruch 1 nicht auf erfinderischer Tätigkeit.
2.1 Ausgehend von dem aus D1 bekannten Modernisierungsverfahren und dem einzigen feststellbaren unterscheidenden Merkmal M11 kann, zugunsten der Beschwerdegegnerin, die von ihr formulierte Aufgabe als objektive Aufgabe angenommen werden. Die vom Fachmann zu lösende Aufgabe wäre demnach, mit geringem Aufwand eine Modernisierung der Aufzugsanlage vorzunehmen, wobei der Benutzerkomfort erhalten bleibt durch Bereitstellen der Informationen in der Kabine.
Die Beschwerdegegnerin hatte zwar im schriftlichen Verfahren auch argumentiert, dass die Aufgabe keinen Hinweis auf bereitzustellende Informationen in der Kabine enthalten dürfe. Dies würde auf rückschauender Betrachtung beruhen. Auch wenn dieses Argument in der mündlichen Verhandlung nicht mehr vertreten wurde, stellt die Kammer trotzdem fest, dass der Bezug auf Informationsbereitstellung in der Kabine keinen Hinweis auf die Lösung darstellt. Einerseits beschränkt sich der technische Effekt, der mit Merkmal M11 erzielt wird, konkret auf die Kabine. Andererseits erlaubt die Aufgabe auch andere Lösungen, wie zum Beispiel zusätzliche oder Austauschdisplays oder akustische Mittel.
2.2 D1 offenbart nichts hinsichtlich der dem Fahrgast in der Kabine zur übermittelnden Informationen während oder nach Abschluss der Modernisierungsmaßnahmen. Dass ein erneutes Anzeigen des Zielstockwerks in der Kabine einer zielrufgesteuerten Aufzugsanlage nicht notwendig wäre, weil diese ja schon am Zielruf-Stockwerksterminal unmittelbar nach dem Ruf dem Passagier angezeigt werde, wie von der Beschwerdegegnerin vorgetragen, überzeugt die Kammer nicht. Es wird vielmehr auch bei solchen Anlagen hilfreich sein, dem Fahrgast diese Informationen auch in der Kabine anzubieten. Insbesondere auch dann, wenn die Anlage mehrere Fahrgäste in einer Kabine mit unterschiedlichen Fahrzielen transportieren soll, was laut Anspruch 1 nicht ausgeschlossen ist. Dem Fachmann ist in der Tat bekannt, dass auch bei zielrufgesteuerten Aufzugsanlagen Informationen zu Stockwerken auf einem Bedienfeld in einer Kabine angezeigt werden. Dies zeigt zum Beispiel D13. Beispielsweise wird dort in Absatz 19 offenbart, dass während eines zielrufgesteuerten Betriebszustands in der Kabine Angaben zum Etagenstand, der aktuellen Fahrtrichtung und der nächsten Fahrziele angezeigt werden.
2.3 Die Kammer kommt zu dem Schluss, dass die in Anspruch 1 definierte Lösung der Aufgabe, die gemäß Merkmal M11 im wesentlichen in der Weiterverwendung der bereits in der Kabine vor der Modernisierung vorhandenen Anzeigemittel besteht, für den Fachmann naheliegend ist. Der Fachmann wird immer prüfen, welche Komponenten einer Anlage gegebenenfalls bei einer Modernisierung weiter verwendet werden können. Dass er dabei auch vorhandene Anzeigemittel berücksichtigt, bedarf keiner erfinderischen Tätigkeit. Technische Überlegungen, die über das normale fachmännische Handeln hinausgehen könnten, muss der Fachmann dabei nicht anstellen. Wie bereits oben im Rahmen der Neuheitsdiskussion erörtert, entsprechen die von der Ruferfassungseinheit 40 nach einem Stockwerksruf an einem der neu installierten Stockwerkterminale 4 erzeugten Rufsignale in ihrer Form und Größe den vor der Modernisierung von den Kabineneingabeeinrichtungen 12 abgesetzten Rufsignalen (vorletzter Satz in Absatz 43 der D1). Der Fachmann erkennt also, dass die Gruppensteuerung 5 diese von der Ruferfassungseinheit 40 ausgesendeten (nachgebildeten) Rufsignale genauso wie vor der Modernisierung weiterverarbeiten kann. Die bereits mittels der Ruferfassungseinheit 40 angepasste Gruppensteuerung 5 wird also weiter entsprechende Bestätigungssignale an die Anzeigenlampen der Kabineneingabeeinrichtungen schicken können und damit eine Anzeige über die anzufahrenden Stockwerke dem Fahrgast in der Kabine an den Anzeigenmitteln (121, 123, 125) der bereits vorhandenen Eingabeeinrichtungen weiter bereitstellen können. Ein geringerer Aufwand für die Lösung der objektiven Aufgabe ist nicht zu realisieren.
2.4 Es ist unerheblich, ob es auch andere naheliegende Lösungen gibt, wie z.B. den Austausch der alten Kabineneingabeeinrichtungen gegen ein neues Display, wie von der Beschwerdegegnerin vorgetragen wurde. Dadurch wird eine naheliegende Lösung jedenfalls nicht zu einer erfinderischen Lösung.
Eine Einschränkung der Lehre der D1 dahingehend, dass eine Aktivierung von Anzeigelampen zur Anzeige eines anzufahrenden Stockwerks nur als Bestätigung für eine Betätigung der zur Lampe gehörigen Taste an der selben Eingabeeinrichtung durchzuführen ist, kann die Kammer nicht erkennen. Die von der Beschwerdegegnerin in diesem Zusammenhang detailliert erörterten Signalverläufe in D1 stellen für den Fachmann keinen Grund dar, eine Weiternutzung der Anzeigelampen an den bestehenden Kabineneingabeeinrichtungen im Rahmen der Modernisierung gänzlich auszuschließen.
Entgegen der Meinung der Beschwerdegegnerin steht die Erhaltung der Kabineneingabeeinrichtungen auch im Rahmen der Maßnahmen, die in der D1 als Ergebnis der Modernisierung angestrebt werden. Es ist zwar richtig, dass die alten Stockwerkterminale 2 oder die Kabinen-eingabeeinrichtungen 12 unzugänglich gemacht werden sollen (siehe z.B. "made inaccessible" am Ende von Absatz 5). Dabei geht es aber nur darum, wie auch die Beschwerdeführerinnen vorgetragen haben, die wiederholte Eingabe eines Stockwerkzielrufs in der Kabine zu unterbinden (siehe z.B. Absatz 13, "...are made inaccessible. This also avoids a multiple input of a call,..."). Neben die Alternative, die Eingabeeinrichtungen physisch unerreichbar zu machen, wird in Absatz 43 explizit die Kappung der Leitungen zu den Tasten gestellt, was gegebenenfalls mit einem angebrachtem Hinweis zu begleiten ist, dass die Eingabe eines Stockwerkzielrufs deaktiviert ist. Diese Aussage in Absatz 43 deutet die Möglichkeit an, dass die alten Anzeigemittel der Eingabeeinrichtungen zumindest noch mit dem Auge erkennbar, also erhalten sein können.
Aufbauend auf diesen Überlegungen kann die Kammer dann auch dem Argument der Beschwerdegegnerin nicht folgen, wonach beleuchtete, aber in ihrer Funktion deaktivierte Eingabetasten an weiterhin vorhandenen Kabineneingagbeeinrichtungen 12 Verwirrung bei Fahrgästen hervorrufen würden. Einerseits widerlegt dieses Argument schon nicht die Tatsache, dass die technische Lösung der objektiven Aufgabe für den Fachmann naheliegend ist. Es betrifft nämlich nur sekundäre Erwägungen, die der Fachmann gewöhnlicher Weise gegenüber den zu erwartenden Vorteilen der technischen Lösung abwägt (z.B. Einfachheit, Wirtschaftlichkeit). Auf der anderen Seite schlägt D1 aber auch vor, wie eben schon angedeutet, bei den deaktivierten Ruftasten 22, 24 der alten Stockwerkeingabeeinrichtungen 2 Hinweise anzubringen ("and to place an item of user information"), die den Benutzer darüber informieren, dass diese Einrichtungen für die Rufeingabe deaktiviert sind (vorletzter Satz in Absatz 43). Diese Maßnahme soll somit der Illusion begegnen, über beleuchtete aber deaktivierte Tasten einen Ruf in der Kabine absetzen zu können. Ähnliche Hinweise würden offensichtlich auch an den Kabineneingabeeinrichtungen 12 angebracht werden, wenn Bedarf dafür besteht. Auch dieses Argument bildet also keinen Grund, schon gar keinen technischen, die Anzeigemittel an den erhaltenen Kabineneingabeeinrichtungen nicht weiter zu verwenden.
2.5 Der Gegenstand von Anspruch 1 beruht daher nicht auf erfinderischer Tätigkeit (Artikel 56 EPÜ).
Hilfsantrag
3. Anspruch 1 des Hilfsantrags ist identisch mit Anspruch 1 des Hauptantrags. Die Schlussfolgerung der Kammer unter 2.5 trifft daher in gleicher Weise für seinen Gegenstand zu.
4. Da keine Fassung des Patents vorliegt, die alle Erfordernisse des EPÜ erfüllt, muss das angegriffene Patent widerrufen werden (Artikel 101(3)(b) EPÜ).
Aus diesen Gründen wird entschieden:
1. Die angefochtene Entscheidung wird aufgehoben.
2. Das Patent wird widerrufen.