T 1822/17 06-02-2020
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Fahrradgriff
Neuheit - (nein)
Neuheit - Hauptantrag, Hilfsantrag 3b
Berücksichtigung - (nein) - Hilfsanträge 4, 5, 6a, 7 bis 10
I. Die Beschwerden richten sich gegen die Zwischenentscheidung der Einspruchsabteilung des Europäischen Patentamts über die Aufrechterhaltung des europäischen Patents Nr. 2423088 in geändertem Umfang, zur Post gegeben am 7. Juli 2017.
II. Die Einspruchsabteilung hat entschieden, dass die offenkundige Vorbenutzung des Fahrradgriffs Velo VLG 849 AD3 mit dem Handelsnamen ,,Velo ATTUNE D3" bzw. ,,Velo ERGOGEL Bar Lock Grip" mit dem vom Modell E48 (siehe unten) ableitbaren Merkmalen ausreichend bewiesen ist und dass das Modell E48 alle Merkmale des strittigen Fahrradgriffs gemäß Anspruch 1 des Patent wie erteilt zeigt. Sie hat weiter festgestellt, dass der Gegenstand des Anspruchs 1 der in geändertem Umfang aufrechterhaltenen Fassung (seinerzeit Hilfsantrag 2) neu ist und auf einer erfinderischen Tätigkeit beruht.
Beide Parteien haben gegen diese Entscheidung Beschwerde eingelegt.
III. Diese Entscheidung nimmt im Wesentlichen auf die folgenden Dokumente Bezug sowie auf die weiteren im Verfahren genannten Beweismittel. Diese sind den Tabellen auf den Seiten 1 bis 5 der Entscheidung der Einspruchsabteilung zu entnehmen.
(E12):4 Seiten des Katalogs ,,Taiwan Bicycle Source 2008-2009
(E13):,,Bike Workshop 2010", 2. Dezember 2009, Deckblatt, Seiten 387, 392
(E20):,,Taipei Cycle Bike Show Daily", 19. März 2010, Deckblatt, Seite 26
(E22):Katalog der Fa. Messingschlager (2010), Deckblatt, Seite 159.
(E48):Modell, von der Einspruchsabteilung in Augenschein genommener Fahrradgriff mit der Bezeichung Velo ATTUNE D3, 2nd generation, aus dem Jahr 2014.
Dieser Fahrradgriff ist in den Fotos der Beweismittel (E6) und (E7) gezeigt.
IV. Am 6. Februar 2020 wurde vor der Beschwerdekammer des Europäischen Patentamts mündlich verhandelt.
Die Beschwerdeführerin I (Patentinhaberin) beantragte die angefochtene Entscheidung aufzuheben und das Patent wie erteilt aufrechtzuerhalten (Hauptantrag), hilfsweise ein Patent in geänderter Fassung auf der Grundlage eines der Hilfsanträge 3b, 4, 5, 6a und 7 bis 10 (alle eingereicht mit der Beschwerdebegründung) aufrechtzuerhalten.
Weiter beantragte die Beschwerdeführerin I (Patentinhaberin) die Zurückverweisung der Angelegenheit an die erste Instanz.
Die Beschwerdeführerin II (Einsprechende) beantragte die angefochtene Entscheidung aufzuheben und das Patent zu widerrufen.
V. Anspruch 1 wie erteilt (Hauptantrag) lautet wie folgt:
Fahrradgriff, insbesondere für Trekkingräder und Mountainbikes, mit
- einem auf ein Lenkerrohr aufsteckbaren Hauptgreifelement (10),
- einem mit dem Hauptgreifelement(10) verbundenen flügelförmigen Ansatz (12), der im montiertem Zustand entgegen einer Fahrtrichtung (14) weist und eine Handballen-Au?agefläche (22) ausbildet und
- einem einstückig mit dem Hauptgreifelement (10) ausgebildeten Haltehorn (16), dadurch gekennzeichnet, dass der flügelförmige Ansatz (12), der die Handballen-Auflagefläche (22) ausbildet, zu einer Mittellinie (18) des Haltehorns (16) einen Winkel alpha von 160° bis 120° aufweist, ein in einem Übergangsbereich (52) zwischen dem Hauptgreifelement(10) und dem Haltehorn (16) angeordnetes Klemmelement (40) und ein sich von einer Außenseite (54) des Haltehorns(16) nach innen erstreckender Klemmschlitz (48) vorgesehen ist.
VI. Der in Fassung der Zwischenentscheidung der Einspruchsabteilung in geändertem Umfang aufrechterhaltene Anspruch 1 (entspricht Anspruch 1 gemäß Hilfsantrag 3b) weist zusätzlich noch das folgende Merkmal (1.6) auf:
wobei die Handauflagefläche (22) im montierten Zustand im Wesentlichen horizontal und das Haltehorn (16) ausgehend vom Hauptgreifelement (10) steigend angeordnet ist.
VII. Die Beschwerdeführerin I (Patentinhaberin) brachte im Wesentlichen die folgenden Argumente vor:
Das Modell E48 könne schon deshalb keine offenkundige Vorbenutzung darstellen, da dies erst 2014 käuflich erworben wurde. Dabei sei auch die Behauptung der Einsprechenden nicht nachgewiesen, dass dieses Modell identisch sei zu den Griffen Velo 849 D3 oder AD3. Die Tatsache, dass dieses Produkt dieselbe EAN Nummer aufweise, könne keinen Beweis darstellen, da die Händler selbst für die Beantragung von EAN Nummern zuständig sind. Sie könnten durchaus auch eine bereits vorhandene EAN Nummer für ein geändertes Produkt verwenden.
Da aber die EAN Nummer die einzige Verbindung zwischen den Griffen Velo 849 D3 oder AD3 und der E48 sei, könne nicht davon ausgegangen werden, dass E48 die Merkmale der Vorbenutzung Velo 849 D3 oder AD3 offenbare.
Weiterhin werde bestritten, dass das nachveröffentlichte Modell E48 dieselben Geometrien aufweise, wie der angebliche Stand der Technik gemäß Velo 849 (D3, AD3). Zum einen sei eine Bezeichnung 849 dem Muster E48 nicht zu entnehmen, andererseits sei unklar, was sich hinter dem Begriff ,,ATTUNE" verberge. Ebenfalls sei das Muster E48 mit dem Aufdruck ,,2nd generation" versehen.
Unabhängig von der Frage, ob E48 die Merkmale des Velo 848 (D3, AD3) zeige, sei nicht nachgewiesen, dass diese Griffe der Öffentlichkeit überhaupt zugänglich gemacht wurden. In den angeblichen Beweisen gebe es eine Vielzahl von unterschiedlichen Bezeichnungen (insgesamt 11) für das angeblich ein- und dasselbe Produkt. Das aber widerspräche der Lebenserfahrung. Auch seien die Darstellungen in den vorgelegten Katalogen und Prospekten unterschiedlich und zwar zum einen in Bezug auf die Produktbezeichnung, aber auch in der Darstellung. So sehe z.B. der Griff in E12 völlig anders aus, als derjenige in E13.
Auch werde bestritten, dass E48 die Merkmale des patentgemäßen Fahrradgriffs offenbaren.
Der Gegenstand des Anspruchs 1, wie ihn die Einspruchsabteilung für gewährbar erachtet, sei neu.
Es sei auch nicht korrekt, dass das hinzugefügte Merkmal (1.6) (nämlich, dass die Handauflagefläche (22) im montierten Zustand im Wesentlichen horizontal und das Haltehorn (16) ausgehend vom Hauptgreifelement (10) steigend angeordnet ist) den Gegenstand von Anspruch 1 nicht weiter einschränke. Die Handballenauflagefläche, die nunmehr im montierten Zustand eine horizontale Lage aufweisen soll, definiere zu dem Haltehorn gemäß Merkmal 1.4 einen Winkel, der dazu führe, dass ? bei waagerechter Handballenauflagefläche ? das Haltehorn steigend angeordnet ist. Damit sei der ergonomische Grundgedanke der Erfindung im Anspruch 1 klar formuliert, nämlich dass ausgehend von der Handballenauflage das Haltehorn angewinkelt vorgesehen sei. Dies sei in E48 nicht erkennbar. Wenn man es umgekehrt auf eine Tischplatte lege, sehe man, dass die Handballenauflage und das Haltehorn in derselben Ebene lägen.
Weiterhin bezüglich der Hilfsanträge 4, 5, 6a und 7 bis 10 argumentierte die Beschwerdeführerin I (Patentinhaberin), dass diese zu berücksichtigen seien, da die Hilfsanträge 1 bis 10 und 6a und 3b mit der Beschwerdebegründung vorgelegt wurden. Ausserdem hatten diese bereits im Einspruchsverfahren vorgelegen.
Es sei zwar korrekt, dass es im schriftlichen Verfahren keine Erörterung dieser Hilfsanträge zum behaupteten Mangel an Neuheit gegeben habe, allerdings sei die Situation technisch einfach und leicht zu verstehen.
Die Beschwerdeführerin I (Patentinhaberin) beantragte dass der Fall in die erste Instanz zurückverwiesen werden sollte.
VIII. Die Beschwerdeführerin II (Einsprechende) erwiderte die Argumente wie folgt:
Die Zusammenschau der vorgelegten Beweismittel zeige, dass der erfindungsgemäße Fahrradgriff vorveröffentlicht sei und dass das Modell E48 auch alle Merkmale des Anspruchs 1 offenbare. Es sei eine Vielzahl von Beweismitteln vorgelegt worden, die zum einen mit Bild und Beschreibung den streitgegenständlichen Griff offenbarten (diverse Kataloge und Messeprospekte) und weiterhin seien Rechnungen und Bestellvorgänge dargelegt worden, aus denen zweifelsfrei entnehmbar sei, dass der Griff Velo 849 (D3/AD3, auch ATTUNE) im Handel vertrieben worden sei.
Der Gegenstand des Anspruchs 1 sei nicht neu in Bezug auf den Griff Velo 849 (D3/AD3), dessen Merkmale durch E48 nachgewiesen seien.
Was die Neuheit des Gegenstands von Anspruch 1 gemäß der Zwischenentscheidung der Einspruchsabteilung betreffe, so sei im Anspruchswortlaut eben nicht der Winkel zwischen der Handballenauflagefläche, die im montierten Zustand horizontal ausgerichtet sein soll, und dem Haltehorn definiert, sondern der Winkel von dem Hauptgriffelement und dem Haltehorn. Dieses Hauptgriffelement weise aber gar keine Ebene auf sondern sei ein dreidimensionaler Gegenstand mit einer dreidimensionalen Fläche. Auch E48 habe eine solche Fläche, daher gäbe es auch Bereiche in dieser Fläche, die mit dem Haltehorn einen Winkel derart einschlössen, so dass dieses als ,,steigend angeordnet" betrachtet werden könne.
Was die Hilfsanträge 4, 5, 6a und 7 bis 10 betreffe so seien diese alle nicht gewährbar, teilweise auch aus formalen Gründen wie unzulässige Erweiterung oder einen Mangel an Klarheit.
Für eine Zurückverweisung in die erste Instanz sehe die Einsprechende keine Veranlassung. Die diskutierten Einwände wurden bereits in der Beschwerdebegründung dargelegt.
1. Die Einspruchsabteilung hat festgestellt, dass die offenkundige Vorbenutzung des Fahrradgriffs Velo VLG 849 AD3 mit dem Handelsnamen ,,Velo ATTUNE D3" bzw. ,,Velo ERGOGEL Bar Lock Grip" mit dem vom Modell E48 ableitbaren Merkmalen ausreichend bewiesen ist, siehe auch die Entscheidung der Einspruchsabteilung, Seite 13, 2.4 ff.
Die Kammer teilt die Auffassung der Beweiswürdigung der Einspruchsabteilung diesbezüglich in vollem Umfang.
1.1 Dabei folgt die Kammer auch der Ansicht der Einspruchsabteilung, dass Fahrradgriffe Velo VLG 849 (D3, AD3) mit der Artikelnummer 410460 und dem EAN Code 4015493410409 vor dem Prioritätstag der Öffentlichkeit zugänglich gemacht wurden.
Weiterhin ist es plausibel, dass der als Modell E48 vorgelegte Fahrradgriff Velo Attune D3 bis auf die Materialauswahl identisch ist zu dem offenkundig vorbenutzten Fahrradgriff Velo VLG 849 (D3, AD3).
Die Einspruchsabteilung hat hierbei den Beweismaßstab des Abwägens von Wahrscheinlichkeiten verwendet (Seite 11 der Entscheidung, 2.2.5).
Dies ist angesichts der Tatsache, dass die Beweismittel nicht ausschließlich in der Einflußsphäre der Einsprechenden liegen, ebenfalls richtig und wurde von der Patentinhaberin/Beschwerdeführerin im Beschwerdeverfahren auch nicht bestritten.
1.2 Die Kammer stützt sich in ihrer Entscheidung ausdrücklich nicht auf die von der Beschwerdeführerin II (Einsprechende) am 8.Januar 2020 vorgelegte eidesstattliche Erklärung E49.
1.3 Die Kammer stimmt der Beschwerdeführerin I (Patentinhaberin) insofern zu, dass die EAN Nummer die einzige durchgängige Verbindung zwischen dem Nachweis der öffentlichen Zugänglichmachung des Griffs Velo 849 D3, AD3 und dem nachveröffentlichten Modell E48 darstellt. Es ist ebenfalls richtig, dass Zuweisung einer EAN Nummer zu einem bestimmten Produkt des Herstellers diesem selbst überlassen ist und er insbesondere auch ein- und dieselbe EAN Nummer verwenden kann, wenn sich das Produkt in seiner Geometrie verändert.
Da vorliegend die Beweiswürdigung mit dem Maßstab des Abwägens von Wahrscheinlichkeiten vorzunehmen ist (siehe oben, 1.1) stellt sich die Frage, ob es wahrscheinlicher ist, dass das Produkt unter Beibehaltung der selben EAN Nummer in Bezug auf die erfindungsrelevanten Merkmale verändert worden ist, oder ob der Sichtweise der Einsprechenden gefolgt werden muss, die vorbringt, es sei wahrscheinlicher, dass das Produkt diesbezüglich nicht verändert wurde.
In Anbetracht der weiteren Dokumente, insbesondere E13 (Katalog, Seite 392), E20 (Messekatalog Taipei, Seite 26) und E22 (Katalog Messingschlager 2010, Seite 159) ist festzustellen, dass mit hoher Wahrscheinlichkeit die in diesen Dokumenten dargestellten Griffe in der Geometrie der des Modells E48 entsprechen.
So zeigt beispielsweise E22 eine Beschreibung und ein Foto des ,,Velo Ergogel D3 Bar" Griffs (mit der Artikelnummer 410460). Auf diesem Foto sind zwei Griffe an einer sogenannten Display Karte dargestellt, an der das Produkt zur Verkaufspräsentation in Geschäften aufgehängt werden kann. Dieses Teil, bestehend aus der Displaykarte und den beiden Griffen ist fast identisch zu dem Modell E48 (siehe E6 und E7). Die Displaykarte der E22 trägt wie die der E48 den Schriftzug ,,ATTUNE" und unterscheidet sich von der des Modells E48 lediglich durch den Hinweis ,,second generation" und ,,D3".
1.4 An dieser Einschätzung der Kammer ändert auch nicht, dass es im Vorbringen der Einsprechenden/Beschwerdeführerin ganz offensichtliche Widersprüche gibt, auf die die Beschwerdeführerin I (Patentinhaberin) ihre Argumentation stützt, dass eine Veröffentlichung des Fahrradgriffs Velo VLG 849 AD3 mit dem Handelsnamen ,,Velo ATTUNE D3" bzw. ,,Velo ERGOGEL Bar Lock Grip" nicht stattgefunden haben könne.
So soll gemäß der Beschwerdeführerin II (Einsprechende) der Katalog E12 ebenfalls einen Griff mit denselben Geometrien zeigen wie E48, denn angeblich unterscheide sich die Variante ,,D4" nur in der Verwendung der Materialien. Dies ist aber offensichtlich nicht der Fall. Dieser Griff sieht anders aus, als die Griffe in E13, E20, E22 und E48.
Auch ist völlig unklar geblieben, was die verschieden Produktbezeichnungen ("D3", "D4", "Attune","AD3" ...) bedeuten und worin sich diese verschieden bezeichneten Griffe unterscheiden sollen. Insbesondere hier ist das Argument der Einsprechenden, das ein- und dasselbe Produkt könne eben unterschiedliche Bezeichnungen haben, nicht plausibel.
Die Kammer betont in diesem Zusammenhang weiter, dass zwar ? wie von der Beschwerdeführerin I (Patentinhaberin) vorgebracht ? der Katalog E22 kein Veröffentlichungsdatum sondern nur auf dem Cover die Jahreszahl 2010 trägt, dass es aber sehr wahrscheinlich ist, dass ein Katalog 2010 nicht erst Anfang September 2010 (Prioritätsdatum der Anmeldung des Streitpatents: 30. August 2010) veröffentlicht wurde, sondern ? wie von der Beschwerdeführerin II (Einsprechende) erörtert ? Anfang September 2009, etwa zur Messe ,,Eurobike", veröffentlicht wurde. Im Übrigen ist die Darstellung des Fahrradgriffs aus E22 konsistent zu dem in E20 und E13 gezeigten Griff.
2. Der Gegenstand des erteilten Anspruchs 1 ist nicht neu gegenüber der offenkundigen Vorbenutzung Velo VLG 849 (D3, AD3), nachgewiesen durch das Modell E48, Artikel 54 EPÜ.
Auch hier teilt die Kammer uneingeschränkt die Auffassung der Einspruchsabteilung (siehe die Begründung in Punkt 3 der angefochtenen Entscheidung) und hat dem nichts weiter hinzuzufügen (Artikel 15(8) VOBK 2020 i.V.m. Artikel 25(1) VOBK 2020). Die diesbezügliche Argumentation der Beschwerdeführerin I (Patentinhaberin) entspricht nämlich im wesentlichen der Argumentation, die bereits erstinstanzlich vorgetragen wurde.
3. Der Gegenstand des Anspruchs 1 gemäß dem Hilfsantrag 3b (entspricht dem Hilfsantrag 2 aus dem Einspruchsverfahren und ist Grundlage für die Aufrechterhaltung in geändertem Umfang durch die Einspruchsabteilung) ist nicht neu gegenüber der offenkundigen Vorbenutzung Velo VLG 849 (D3, AD3), nachgewiesen durch das Modell E48, Artikel 54 EPÜ.
3.1 Anspruch 1 dieses Hilfsantrags weist zusätzlich das Merkmal (1.6) auf, dass die Handauflagefläche (22) im montierten Zustand im Wesentlichen horizontal und das Haltehorn (16) ausgehend vom Hauptgreifelement (10) steigend angeordnet ist.
3.2 Die Beschwerdeführerin I (Patentinhaberin) trägt zu diesem Merkmal vor, dass damit ein Winkel zwischen der Handballenauflagefläche und dem Haltehorn angeordnet ist, wie dies in der Figur 2 des Streitpatents dargestellt sei. In dem Bezugssystem des Fahrrads sei, wenn die Handballenauflagefläche horizontal ausgerichtet sei, das Haltehorn davon ausgehend steigend.
Dazu stellt die Kammer folgendes fest:
Das zusätzliche Merkmal definiert zum einen eine horizontale Ausrichtung der Handauflagefläche im montierten Zustand am Fahrrad. Da das Fahrrad selbst aber nicht Teil der beanspruchten Erfindung ist, kann auch die sich am Fahrrad ergebende Ausrichtung des Griffs alleine nicht zur Erfindung beitragen.
Zum anderen definiert das Merkmal 1.6, dass das Haltehorn ausgehend vom Hauptgreifelement - und eben nicht von der Handballenauflagefläche - steigend angeordnet ist. Gemäß dem Streitpatent (siehe insbesondere Fig. 2) ist das Hauptgreifelement (10) keine ebene Fläche sondern weist vor allem in den Randbereichen erhebliche Rundungen auf. Dies ist auch im Modell E48 der Fall, so dass es dort ebenfalls mehrere Punkte auf dem Handgreifelement gibt, zu denen das Haltehorn einen Winkel einschließt, so dass es in Bezug auf das Handgreifelement als steigend angeordnet angesehen werden kann.
Damit ist das Merkmal 1.6 ebenfalls in E48 offenbart.
4. Die Hilfsanträge 4, 5, 6a und 7 bis 10, vorgelegt mit der Beschwerdebegründung werden im Beschwerdeverfahren nicht berücksichtigt gemäß Artikel 12(2) und (4) VOBK 2007.
Dieser Artikel ist gemäß Artikel 25(2) VOBK 2020 weiter auf den vorliegenden Fall anwendbar.
4.1 Gemäß Artikel 12(2) VOBK 2007 müssen die Beschwerdebegründung und die Erwiderung den vollständigen Sachvortrag eines Beteiligten enthalten. Insbesondere ist anzugeben, aus welchen Gründen die angefochtene Entscheidung zu bestätigen, abzuändern oder aufzuheben ist und dabei sollen ausdrücklich und spezifisch alle Tatsachen, Argumente und Beweismittel angeführt werden. Gemäß Artikel 12(4) VOBK 2007 wird das gesamte Vorbringen der Beteiligten nach Absatz 1 von der Kammer berücksichtigt, wenn und insoweit es sich auf die Beschwerdesache bezieht und die Erfordernisse nach Absatz 2 erfüllt.
4.2 Dieser Pflicht ist jedoch die Beschwerdeführerin I (Patentinhaberin) vorliegend nicht nachgekommen.
Insbesondere nimmt die Beschwerdeführerin I (Patentinhaberin) weder in der Beschwerdebegründung noch in der Beschwerdeerwiderung zu den Hilfsanträgen derart Stellung, dass für die Kammer und die andere Partei erkennbar wird, mit welchen Änderungen der gegen einen Hilfsantrag vorgebrachte Einwand behoben werden soll.
In der Beschwerdebegründung werden die Hilfsanträge überhaupt nur soweit erwähnt, als dass vermerkt wird, dass sie ,,der vorliegenden Beschwerdebegründung beigefügt" sind (vgl. Seite 2 der Beschwerdebegründung der Patentinhaberin, oben).
In der Beschwerdeerwiderung der Patentinhaberin (dort Seite 12) wird zu den Hilfsanträgen ausgeführt, dass Hilfsantrag 6a als Reaktion auf das Schreiben der Einsprechenden vom 5. April 2017 vorgelegt werde, in welchem der ursprünglich eingereichte Hilfsantrag 6 als unzulässig erweitert beanstandet sei.
Zu den Hilfsanträgen 8 bis 10 führt die Beschwerdeführerin I (Patentinhaberin) dort aus, dass diese auf dem erteilten Anspruch 13 basierten und daher Klarheit gemäß der Entscheidung G 3/14 nicht erneut zu prüfen sei.
Mehr ist zu den Hilfsanträgen den Schreiben der Patentinhaberin nicht zu entnehmen.
4.3 Vor allem aber wird nirgends dargelegt, wie die in den Hilfsanträgen vorgenommenen Änderungen den vorgebrachten Mangel an Neuheit zu beheben in der Lage sein sollen.
Die Kammer ist der Auffassung, dass eine erstmalige Diskussion inwieweit die Hilfsanträge die mit der Beschwerdebegründung der Einsprechenden vorgebrachten Einwände beheben können in der mündlichen Verhandlung zu spät ist und somit aus verfahrensökonomischen Gründen ein Vorbringen dazu in der mündlichen Verhandlung nicht zuzulassen ist.
Dabei ist es auch unerheblich, ob es zutrifft, dass die Änderungen leicht verständlich und technisch einfach einzuordnen seien.
4.4 Da die Beschwerdeführerin I (Patentinhaberin) im Beschwerdeverfahren ausreichend Möglichkeiten gehabt hat ihren Fall darzutun und da sich der Sachverhalt im Rahmen der im Beschwerdeverfahren geführten Diskussion nicht verändert hat, sieht die Kammer auch keine Veranlassung, den Fall an die erste Instanz zurückzuverweisen.
Aus diesen Gründen wird entschieden:
1. Die angefochtene Entscheidung wird aufgehoben.
2. Das Patent wird widerrufen.