T 0131/18 02-10-2020
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VERFAHREN ZUR REINIGUNG EINES TIEGELS SOWIE GARGERÄT MIT EINEM TIEGEL UND EINER REINIGUNGSEINRICHTUNG
Änderungen - unzulässige Erweiterung (nein)
Spät eingereichter Antrag - Änderungen nach Anberaumung der mündlichen Verhandlung
I. Die Beschwerde der Patentinhaberin richtet sich gegen die Entscheidung der Einspruchsabteilung, das Streitpatent zu widerrufen.
In dieser hat die Einspruchsabteilung u.a. festgestellt, dass der Gegenstand der unabhängigen Ansprüche 1 und 7 gemäß Hauptantrag, der bis auf den gestrichenen Anspruch 13 der erteilten Fassung entsprach, über den Inhalt der Anmeldung in der ursprünglich eingereichten Fassung hinausging, Artikel 123(2) EPÜ.
Im Einspruchsverfahren hatte die Einsprechende ferner Artikel 100 a) EPÜ (mangelnde Neuheit und mangelnde erfinderische Tätigkeit) sowie Artikel 100 b) EPÜ als Einspruchsgründe geltend gemacht.
II. In einer Mitteilung nach Artikel 15(1) VOBK 2020 schloss sich die Kammer teilweise den von der Beschwerdegegnerin (Einsprechenden) gegen Haupt- und Hilfsanträge 1 und 2 geltend gemachten Einwänden unter Artikel 123(2) EPÜ an. In den Hilfsanträgen 3 - 5 sah sie die entsprechenden Mängel als behoben an.
III. Am 2. Oktober 2020 fand eine mündliche Verhandlung in Anwesenheit aller Beteiligten statt.
IV. Die Beschwerdeführerin beantragt die Aufhebung der angefochtenen Entscheidung und die Aufrechterhaltung des Patents im Umfang des Hauptantrages, eingereicht als Hilfsantrag 6, hilfsweise im Umfang eines der Hilfsanträge 1 und 2, eingereicht als Hilfsanträge 7 und 8 mit Schriftsatz vom 3. August 2020 sowie Zurückverweisung der Sache an die Vorinstanz zur weiteren Prüfung der weiteren Einspruchsgründe.
Die Beschwerdegegnerin beantragt die Zurückweisung der Beschwerde sowie die Nicht-Zulassung aller neuen Hilfsanträge 6 - 8.
V. Die unabhängigen Ansprüche des für diese Entscheidung maßgeblichen Hilfsantrags 6 haben folgenden Wortlaut:
1. "Verfahren zum Reinigen von Verschmutzungen eines Garraums (16) eines zur Behandlung von Nahrungsmitteln geeigneten Gargeräts (1), welches einen Tiegel (10), der eine Innenwandung, vorzugsweise gebildet aus einer Vorderwand (15), einer Rückwand (12), zweier Seitenwänden (13, 14), und einen Boden (11) aufweist, wodurch ein Innenraum gebildet wird, der als Garraum (16) dient, einen Deckel (20), der zum Verschließen des Garraums (16) dient, einen Ablauf (30), der im Boden (11) des Tiegels (10) ausgebildet und verschließbar ist, zum wahlweisen Abführen, insbesondere von Flüssigkeit aus dem Garraum (16), und
eine Hochdruck-Reinigungseinrichtung (40) aufweist, die zur Reinigung des Garraums (16) des Tiegels (10) dient, wobei die Reinigungseinrichtung (40) mit einer Zufuhreinrichtung für eine Flüssigkeit zum Einbringen unter Hochdruck in den Garraum (16) verbunden ist, und eine Mehrzahl an einem drehbaren Sprühkopf (41) angeordneten Sprühdüsen (42) zum Einbringen der Flüssigkeit in den Garraum (16) aufweist,
dadurch gekennzeichnet,
dass nach Einbringen eines Reinigungsmittels (51) in den Garraum (16) und gegebenenfalls nach dessen zeitlicher Einwirkung, mittels des aus jeder Sprühdüse (42) unter Hochdruck aus dem Sprühkopf (41) der Reinigungseinrichtung (40) eingebrachten Flüssigkeitsstrahls, der ausschließlich aus Wasser gebildet ist und der das Reinigungsmittel (51) verwirbelt bzw. verspritzt, und gegebenenfalls nach weiterer zeitlicher Einwirkung des verspritzten Reinigungsmittels (51), die Verschmutzungen von dem Boden (11), den Wänden (12, 13, 14, 15) und der Innenseite des Deckels (20) mechanisch abgetragen und anschließend, zusammen mit der Waschflotte, über den Ablauf (30) aus dem Gargerät abgeführt werden,
wobei die Mehrzahl der Sprühdüsen (42) an einem Drehumfang im Wesentlichen gleichmäßig verteilt angeordnet sind und sich um eine Achse (47) drehen, die senkrecht zu einer Achse (46) verläuft, um die sich der Sprühkopf (41), der die Sprühdüsen (42) trägt, dreht."
6. "Gargerät (1) zur Behandlung von Nahrungsmitteln, mit einem Tiegel (10), der eine Innenwandung, vorzugsweise gebildet aus einer Vorderwand (15), einer Rückwand (12), zweier Seitenwänden (13, 14), und einen Boden (11) aufweist, wodurch ein Innenraum gebildet wird, der als Garraum (16) dient, einem Deckel (20), der zum Verschließen des Garraums (16) dient,
einem Ablauf (30), der im Boden (11) des Tiegels (10) ausgebildet und verschließbar ist, zum wahlweisen Abführen, insbesondere von Flüssigkeit aus dem Garraum (16), und
einer Reinigungseinrichtung (40), die zur Reinigung des Garraums (16) des Tiegels (10) dient, wobei die Reinigungseinrichtung (40) mit einer Zufuhreinrichtung für eine Flüssigkeit zum Einbringen in den Garraum (16) verbunden ist, und eine Mehrzahl von Sprühdüsen (42) zum Einbringen der Flüssigkeit in den Garraum (16) aufweist, wobei die Sprühdüsen (42) bewegbar in dem Garraum (16) ausgebildet sind,
wobei die Reinigungseinrichtung (40) eine Hochdruck-Reinigungseinrichtung ist, welche in der Lage ist, die Flüssigkeit unter Hochdruck in den Garraum (16) einzubringen, wobei die Sprühdüsen (42) an einem drehbaren Sprühkopf (41) angeordnet sind,
dadurch gekennzeichnet,
dass das Gargerät in der Lage ist, das Verfahren nach einem der Ansprüche 1 bis 5 auszuführen,
wobei die Reinigungseinrichtung (40) in der Lage ist, ein in den Garraum (16) eingebrachtes Reinigungsmittel (51) mittels der unter Hochdruck eingeführten ausschließlich aus Wasser bestehenden Flüssigkeit im Garraum (16) zu verwirbeln bzw. zu verspritzen, wobei das Einführen der Flüssigkeit durch die Mehrzahl von Sprühdüsen, die an einem Drehumfang im Wesentlichen gleichmäßig verteilt angeordnet sind und sich um eine Achse (47) drehen, die senkrecht zu einer Achse (46) verläuft, um die sich der Sprühkopf (41), der die Sprühdüsen (42) trägt, dreht, in Form eines harten Hochdruckstrahls aus jeder Sprühdüse (42) erfolgt."
VI. Das Vorbringen der Beschwerdeführerin lässt sich wie folgt zusammenfassen:
Der zuletzt als Hauptantrag eingereichte Hilfsantrag 6 behebe sämtliche von der Einspruchsabteilung, der Beschwerdegegnerin und der Kammer gerügten Offenbarungs- und Klarheitsmängel. Er sei annähernd identisch mit dem früheren Hilfsantrag 3 und im Vergleich zu diesem lediglich um redaktionelle Fehler bereinigt.
Das Vorbringen der Beschwerdegegnerin lässt sich wie folgt zusammenfassen:
Hilfsantrag 6 sei verspätet ohne hinreichende Entschuldigung vorgelegt und genüge nicht den in den Artikeln 12 und 13 VOBK 2020 festgelegten Zulassungskriterien.
Er behebe nicht nur nicht alle Mängel hinsichtlich Artikel 123(2) EPÜ, sondern gäbe Anlass zu neuen Einwänden, u.a. unter Artikel 83, 84 und 123(3) EPÜ.
1. Die Beschwerde ist zulässig.
2. Das Streitpatent befasst sich mit der Reinigung eines Gargeräts. Solche Gargeräte weisen einen wannenförmigen Garraum ("Tiegel") zur Aufnahme des Kochguts auf, der üblicherweise mit einem Deckel verschlossen werden kann.
Nach Entnahme des Kochguts muss der Garraum entweder manuell oder mittels - meist modular einsetzbarer - Reinigungseinrichtungen gesäubert werden. Durch den Einsatz eines drehbaren Sprinklerarms wird das Gargerät z.B. zu einer Art Spülmaschine umgerüstet, wobei in den Garraum Reinigigungstabs geworfen und dann dessen Boden und Wände mit Wasser aus dem Sprinklerarm besprüht werden, bevor gelöste Verschmutzungen zusammen mit der Reinigungsflüssigkeit ("Waschflotte") über einen Ablauf im Boden abgeführt werden.
3. Zulassung des neuen Hauptantrags (Hilfsantrag 6)
3.1 Hilfsantrag 6 wurde mit Schreiben vom 3. August 2020 nach Zustellung der Ladung zur mündlichen Verhandlung eingereicht, die am 30. Januar 2020 nach Inkrafttreten der revidierten Verfahrensordnung (VOBK 2020) erfolgte. Somit ist nach Artikel 25(3) VOBK 2020 Artikel 13(2) VOBK 2020 für dessen Zulassung maßgeblich.
Hilfsantrag 6 fußt aber auf dem mit Schreiben vom 27. Dezember 2020 eingereichten früheren Hilfsantrag 3. Wie weiter unten ausgeführt, ist er abgesehen von zwei Änderungen wörtlich und inhaltlich identisch mit diesem.
Hilfsantrag 3 wurde mit Schreiben vom 27. Dezember 2019 eingereicht. Mit ihrem Schreiben vom 2 September 2020 wandte sich die Beschwerdegegnerin gegen die Zulassung des Hilfsantrags 3. Somit ist zunächst zu prüfen, ob die Kammer Hilfsantrag 3 zugelassen hätte, bevor über die Zulassung des nun geltenden, auf Hilfsantrag 3 aufbauenden Hilfsantrags 6 entschieden werden kann. Hätte die Kammer nämlich den früheren Hilfsantrag 3 nicht zugelassen, dann wäre auch der diesem gegenüber nur geringfügig geänderte Hilfsantrag 6 aus den gleichen Gründen nicht zuzulassen.
3.2 Die Entscheidung über die Zulassung des nach der Beschwerdebegründung eingereichten Hilfsantrags 3 stand im Ermessen der Kammer und wäre nach Maßgabe des Artikels 13(1) der nun geltenden Verfahrensordnung VOBK 2020 erfolgt, siehe Artikel 25(1) VOBK 2020. Demzufolge hat die Beschwerdeführerin das verspätete Einreichen zu begründen, und berücksichtigt die Kammer den Stand des Verfahrens, die Eignung der Änderung zur Lösung der aufgeworfenen Fragen, ob die Änderung der Verfahrensökonomie abträglich ist, prima facie die von einem anderen Beteiligten im Beschwerdeverfahren oder von der Kammer aufgeworfenen Fragen ausräumt und keinen Anlass zu neuen Einwänden gibt.
3.2.1 Mit ihrem mit Beschwerdebegründung eingereichten Hauptantrag hat sich die Beschwerdeführerin zunächst bemüht, den unter Punkt 1.3. der angefochtenen Entscheidung aufgezeigten Verstoß gegen Artikel 123(2) EPÜ zu beheben, indem sie eine dort zitierte Passage aus der Offenlegungsschrift (Seite 5, Zeilen 18 - 21) wortwörtlich in die unabhängigen Ansprüche 1 und 7 aufgenommen hat. Mit weiteren geringfügigen Änderungen in Hilfsantrag 3 hat sie lediglich auf zusätzlich in der Beschwerdeerwiderung gegen diesen Hauptantrag unter Artikel 123(2), 83 und 84 EPÜ erhobene Einwände reagiert. Dies hat die Beschwerdeführerin unter anderem im Abschnitt 2.1 ihres Schreibens vom 27. Dezember 2019 dargelegt.
3.2.2 Somit konnte die Kammer den Hilfsantrag 3 in ihrer Mitteilung nach Artikel 15(1) VOBK 2020 behandeln und zu der vorläufigen Ansicht gelangen, dass durch die Änderungen in dessen Anspruch 1 die bekannten Probleme überwunden worden seien. Neue, durch die Änderungen hervorgerufene Probleme stellte sie nicht fest und wies lediglich darauf hin, dass die Terminologie nicht durchgängig im Anspruchssatz an die Änderungen des Anspruchs 1 angepasst worden sei.
3.2.3 Auch wurde Hilfsantrag 3 nicht so spät eingereicht, dass die Beschwerdegegnerin nicht darauf hätte reagieren können; mit Schreiben vom 2. September 2020 hat sie ausführlich zu Hilfsantrag 3 Stellung genommen.
Die darin von der Beschwerdegegnerin als nicht behoben erkannten Probleme beziehen sich auf Merkmale des ehemaligen Hauptantrags im Beschwerdeverfahren. Ihre diesbezüglichen Argumente hatte die Kammer in ihrer Mitteilung nach Artikel 15(1) VOBK 2020 bereits berücksichtigt, ohne ihnen jedoch zu folgen, siehe hierzu Punkt 4 unten.
Ferner nannte die Beschwerdegegnerin darin neue Einwände, die ihrer Ansicht nach durch Änderungen gegenüber dem ehemaligen Hauptantrag hinsichtlich der Merkmale "Flüssigkeitsstrahl aus jeder Sprühdüse" und "Kopf" (des Sprühkopfes) entstanden waren. Solche hatte die Kammer jedoch nicht erkannt und folglich nicht in ihrer Mitteilung darauf hingewiesen, siehe nachstehende Punkte 4.1.4 und 4.1.5.
Daher hatte die Kammer den früheren Hilfsantrag 3 bereits als prima facie gewährbar im Sinne von Art 13(1) VOBK 2020 angesehen.
3.2.4 Da sie somit die für eine Zulassung maßgeblichen Kriterien als erfüllt erachtet, hätte die Kammer Hilfsantrag 3 in Ausübung ihres Ermessens nach Artikel 13(1) VOBK 2020 zum Verfahren zugelassen.
3.3 Nach Artikel 13(2) VOBK 2020 ist das Ermessen der Kammer so auszuüben, dass "Änderungen des Beschwerdevorbringens eines Beteiligten nach Zustellung der Ladung zur mündlichen Verhandlung grundsätzlich unberücksichtigt bleiben, es sei denn, der betreffende Beteiligte hat stichhaltige Gründe dafür aufgezeigt, dass außergewöhnliche Umstände vorliegen".
3.3.1 Gegenüber dem ehemaligen Hilfsantrag 3 ist der vorliegende Hilfsantrag 6 durch folgende Änderungen (durch die Kammer hervorgehoben) geändert worden:
- Anspruch 2, Merkmal i) "Abtragen der angelösten Verschmutzung mittels [deleted: des Flüssigkeitsstrahls] der Flüssigkeitsstrahlen (45) aus dem Sprühkopf"
- Vorrichtungsanspruch 6, Oberbegriff :".... um die sich der [deleted: Kopf des Sprühkopfes] Sprühkopf (41), der die Sprühdüsen trägt, dreht ..."
In Abschnitt 1.2.2 ihrer Mitteilung nach Artikel 15(1) VOBK 2020 hatte die Kammer einzig den (singulären) Flüssigkeitsstrahl im Wortlaut des Anspruchs 1 des damaligen Hauptantrags als Verstoß gegen Artikel 123(2) EPÜ gewertet. Dieser Einwand wurde durch die Änderung im Anspruch 1 des Hilfsantrags 3 ausgeräumt; jedoch wurde der entsprechende Wortlaut im abhängigen Anspruch 2 beibehalten. Die Kammer stellt fest, dass, wie von der Beschwerdeführerin vorgetragen, durch die obige Änderung im Merkmal i) des Anspruchs 2 des Hilfsantrags 6 das Merkmal nun entsprechend an den Wortlaut des Anspruchs 1 angepasst ist.
In Abschnitt 2.2 ihrer Mitteilung hatte die Kammer geäußert, dass der ehemalige Hilfsantrag 3 etwaige Mängel unter Artikel 123(2) EPÜ behebe sowie dass der nicht ganze klare Ausdruck "Kopf des Sprühkopfes" nur in Anspruch 1 ersetzt, im Verfahrensanspruch 6 aber beibehalten worden wäre. Wie von der Beschwerdeführerin ausgeführt, räumt die Änderung im Anspruch 6 des Hilfsantrags 6 diesen weiteren Einwand aus.
Weiterhin stellt die Kammer fest, dass der Hilfsantrag 6 ansonsten mit dem bisherigen Hilfsantrag 3 wörtlich und inhaltlich identisch ist, wie die Beschwerdeführerin angibt.
Demnach schließt sich die Kammer der Darlegung der Beschwerdeführerin an, dass die beiden Änderungen im Hilfsantrag 6 gegenüber dem früheren Hilfsantrag 3 redaktionelle Anpassungen sind, damit die Ansprüche des Hilfsantrags 6 nun in sich stimmig und widerspruchsfrei sind. Insbesondere gilt für diese Änderungen die oben unter Punkt 3.2.3 für die entsprechenden Änderungen in Anspruch 1 des früheren Hilfsantrags 3 getroffene Feststellung, dass sie keine weiteren Fragen aufwerfen.
3.3.2 Dass die Änderungen im Hilfsantrag 6 gegenüber dem bisherigen Hilfsantrag 3, wie die Beschwerdeführerin begründet dargelegt hat, nur redaktionelle Anpassungen und hauptsächlich durch die Mitteilung der Kammer veranlasst sind, wertet die Kammer als außergewöhnliche Umstände im Sinne des Artikels 13(2) VOBK 2020.
3.3.3 Die Beschwerdegegnerin wendet ein, eine Zulassung stünde im Widerspruch zur ratio legis, dem in den Erläuterungen zur revidierten Verfahrensordnung erkennbaren Willen des Gesetzgebers, Verfahrensverzögerungen durch wiederholte Nachbesserungsversuche zu unterbinden, die jeweils immer nur einen Teil der ihnen innewohnenden Mängel behöben. Von einer Patentinhaberin sei deshalb eine gewisse Sorgfalt und vorausschauende Eigeninitiative zu erwarten, die solche Nachbesserungen überflüssig machten. Ansonsten stünde die Annahme im Raum, sie belasse absichtlich Unterschiede in den unabhängigen Ansprüche, um den Schutzumfang in unzulässiger Weise breit zu halten. Dass die Patentinhaberin vorliegend ihren Pflichten nicht nachgekommen sei, sei ursächlich für die verspätete Vorlage des Hilfsantrags 6, weshalb dieser nicht zuzulassen sei.
Die Beschwerdeführerin hat nach Meinung der Kammer stets auf sämtliche im Raume stehenden Fragen reagiert. Als Reaktion auf die positive Meinung zu Hilfsantrag 3 in der Mitteilung nach Artikel 15(1) VOBK 2020 hat sie nicht nur den dort erwähnten Anspruch 6 korrigiert, sondern von sich aus eine verbleibende (und von der Kammer übersehene) Unstimmigkeit im Wortlaut des Anspruchs 2 beseitigt. Die Kammer kann deshalb weder verfahrensmissbräuchliche Absichten im Verhalten der Beschwerdeführerin erkennen, noch eine Verletzung ihrer prozessualen Sorgfaltspflicht.
Nach Ansicht der Kammer ist mit Artikel 13(2) VOBK 2020 auch nicht beabsichtigt worden, geringfügige Anpassungen wie die Behebung offensichtlicher Unstimmigkeiten oder grammatikalischer Fehler, die z.B. unter Regel 139 EPÜ zulässig wären, nach Ladung zur mündlichen Verhandlung grundsätzlich zu verhindern.
3.3.4 Aus den vorstehenden Gründen entschied die Kammer, Hilfsantrag 6 in Ausübung ihre Ermessens nach Artikel 13(2) VOBK 2020 zum Verfahren zuzulassen.
4. Hilfsantrag 6: Unzulässige Erweiterung
Der Verfahrensanspruch 1 und der Vorrichtungsanspruch 6 gehen auf die ursprünglichen Ansprüche 1 und 10 zurück, wobei zum einen der Merkmalskomplex Sprühkopf/Sprühdüse/Flüssigkeitsstrahl durch weitere Merkmale eingeschränkt wurde und zum anderen ein weiterer Verfahrensschritt der Reinigung aufgenommen wurde.
4.1 Im fünften Absatz auf Seite 5 der internationalen Offenlegungsschrift wird ein Orbitalkopf als vorteilhafte Ausbildung des Sprühkopfes präsentiert und als Zielstrahlkopf definiert, bei dem zwei sich überlagernde Drehbewegungen erzeugt werden. In der in den Zeilen 18 - 21 folgenden Beschreibung einer bevorzugten strukturellen Ausgestaltung des Orbitalkopfes/Zielstrahlkopfes, die im wesentlichen in die Ansprüche 1 und 6 Eingang gefunden hat, wird ein "Kopf des Sprühkopfes, der die Sprühdüsen trägt" erwähnt.
Die Beschwerdegegnerin erkennt eine unzulässige Zwischenverallgemeinerung des Verfahrens nach Anspruch 1 und des Gargeräts nach Anspruch 6, da die in unmittelbarem Zusammenhang mit den aufgenommenen Sprühkopf-Markmalen offenbarten Merkmale "Zielstrahlkopf", "sich überlagernde Drehbewegungen" und "Kopf des Sprühkopfes" in den unabhängigen Ansprüchen weggelassen worden seien.
Zudem sieht sie keine Offenbarungsgrundlage für die vorgenommene Einschränkung des Merkmals "Flüssigkeitsstrahl" durch den Ausdruck "aus jeder Sprühdüse".
4.1.1 Unter einem Zielstrahlkopf versteht die Kammer einen Sprühkopf mit einer Sprühdüse zur Abgabe eines Flüssigkeitsstrahls, der auf ein vom Sprühkopf entferntes Ziel trifft, im Gegensatz zur Abgabe z.B. eines Sprühnebels oder Sprinklerstrahls.
Da es sich bei den beanspruchten Flüssigkeitsstrahlen um Hochdruckstrahlen handelt, fällt der Sprühkopf aus Anspruch 1 und 6 zwangsläufig unter diese Definition eines Zielstrahlkopfes. Mit anderen Worten beinhalten die Ansprüche 1 und 6 zwar nicht wörtlich den Begriff "Zielstrahlkopf", aber inhärent die technischen Merkmale eines als Zielstrahlkopf ausgebildeten Sprühkopfes.
4.1.2 Eine zusätzliche Aufnahme des Merkmals "zwei sich überlagernde Drehbewegungen" in die Ansprüche 1 und 6 würde zu keiner weiteren Einschränkung des dort beanspruchten Verfahrens oder Gargeräts führen. Nach dem Anspruchswortlaut müssen bereits jetzt zwei gleichzeitige, sich überlagernde Drehbewegungen erfolgen, nämlich die der Sprühdüsen und die des Sprühkopfs. Der entsprechende Anspruchwortlaut im Präsens "wobei sich die Mehrzahl der Sprühdüsen ... sich um eine Achse drehen, ... zu einer Achse ... , um die sich der Sprühkopf .... dreht" lässt in vernünftiger Lesart keine andere Auslegung zu. Die in den Ansprüchen 1 und 6 definierte Drehbewegung der Sprühdüsen um zwei aufeinander senkrecht stehende Drehachsen stellt sogar einen Sonderfall zweier sich allgemein überlagernder Drehbewegungen der Sprühdüsen dar.
Im übrigen käme durch die zusätzliche Aufnahme des Merkmals "zwei sich überlagernde Drehbewegungen" auch nicht besser zum Ausdruck, dass stets zwei sich überlagernde Drehbewegungen ausgeführt werden müssen (und nicht etwa manchmal auch nur eine einachsige ausgeführt werden kann), wovon die Beschwerdegegnerin ausgeht. Abgesehen davon kann die Kammer der ursprünglichen Offenbarung ohnehin kein derartiges Verbot einer vorübergehenden Blockade einer der beiden konstruktiv vorgesehenen Drehachsen entnehmen.
4.1.3 Dies ist auch einer der Gründe, warum das folgende von der Beschwerdegegnerin vorgetragene Hilfsargument ins Leere geht: Für den Fall, dass das Verfahren nach Anspruch 1 bereits inhärent "zwei sich überlagernde Drehbewegungen" aufwiese, sei die beanspruchte Kombination mit den Merkmalen des Anspruchs 5 nicht ursprünglich offenbart und das Verfahren nach Anspruch 5 entgegen Artikel 83 EPÜ nicht ausführbar. Denn das in Anspruch 5 geforderte wellenartige Anheben der Waschflotte könne nicht mit einer zweiachsigen Drehbewegung der Sprühdüsen erzielt werden, sondern nur mit einer einachsigen.
Wie oben dargelegt, teilt die Kammer nicht die Ansicht, dass die vorübergehende Durchführung einer solchen einachsigen Drehbewegung durch den Wortlaut des Anspruchs 1 notwendigerweise ausgeschlossen ist.
Genauso wenig erscheint ihr das Anheben der Waschflotte in Form einer beliebigen Welle durch eine zweifach überlagerte Drehbewegung grundsätzlich undurchführbar zu sein. Die diesbezügliche Behauptung der Beschwerdegegnerin scheint auf einer sehr eingeschränkten Auslegung des Begriffs "wellenartig" zu fußen. In Ermangelung konkreter Anhaltspunkte, geschweige denn Beweismittel, die die Behauptung einer mangelnden Ausführbarkeit des Verfahrens nach Anspruch 5 plausibel machen, hegt die Kammer prima facie keine Zweifel an dessen Ausführbarkeit.
Was die ursprüngliche Offenbarung bzw. unzulässige Erweiterung angeht, so entspricht Anspruch 5 dem ursprünglichen Anspruch 14, der auf den ursprünglichen Verfahrensanspruch 10 rückbezogen war. Letzterer wiederum bildet die Grundlage für den derzeitigen unabhängigen Anspruch 1.
Es gibt keinen Hinweis in der Offenlegungsschrift, dass das Verfahren des ursprünglichen Anspruchs 14 nicht mit dem bevorzugten Ausführungsbeispiel auszuführen wäre, das einen Orbitalkopf als Sprühkopf aufweist (siehe Seite 11, Zeilen 18 - 21, Fig. 1, 3). In dem Anspruch 14 gewidmeten zweiten Absatz auf Seite 7 der Offenlegungsschrift wird als maßgeblicher Faktor für die Erzeugung der wellenartigen Bewegung der erhebliche Druck der Flüssigkeitsstrahlen genannt. Entsprechend ist der Sprühkopf des bevorzugten Ausführungsbeispiels "in der Lage Hochdruckstrahl-Flüssigkeitsstrahlen 45 auszusenden" (Seite 11, Zeilen 21/22) und weist Anspruch 1 des Hilfsantrags 6 das Merkmal "unter Hochdruck" auf.
Deshalb geht das Verfahren des Anspruchs 5, das die Merkmale des Anspruchs 1 mit einem wellenartigen Anheben der Waschflotte kombiniert, nicht über den Inhalt der ursprünglichen Offenbarung hinaus.
4.1.4 Der Ausdruck "der Kopf des Sprühkopfes" taucht in der ursprünglichen Offenbarung trotz des bestimmten Artikels "der" nur einmal in den Zeilen 20/21 auf Seite 5 der Beschreibung auf. Ansonsten ist ein "Kopf" lediglich auf Seite 13, Zeilen 23 und 24 erwähnt und dort mit dem gleichen Bezugszeichen 41 wie der Sprühkopf versehen. In der übrigen Beschreibung und in den übrigen Ansprüchen wird der Begriff "Kopf" nur in zusammengesetzten Wörtern wie Sprühkopf, Orbitalkopf, Zielstrahlkopf und dort konsequent mit dem gleichen Bezugszeichen 41 verwendet. Die Kammer schließt hieraus, dass der Ausdruck "Kopf des Sprühkopfes" fehlerhaft, zumindest aber missverständlich ist. Aus dem Gesamtzusammenhang kann der verständige Leser eindeutig und unmittelbar ableiten, dass damit der "Sprühkopf" gemeint sein soll.
Aus der Offenbarung auf Seite 5, Zeilen 20/21 geht entgegen der im Schreiben vom 2. September 2020 geäußerten Ansicht der Beschwerdegegnerin auch nicht eindeutig hervor, dass der Kopf der (in Fig. 4 zylindrisch dargestellte) Teil des Sprühkopfes 41 ist, "der die Sprühdosen [42] trägt". Dieser nachgestellte Relativsatz könnte sich genauso gut auf den Sprühkopf selbst beziehen. So heißt es in diesem Sinne z.B. auf Seite 12, Zeilen 21 - 23, dass der Sprühkopf 41 die Sprühdüsen 42 aufweist.
Deshalb schließt sich die Kammer den Ausführungen der Beschwerdegegnerin unter den Punkten A.2.2.1, A.2.2.2 und A.3.3.1 ihres früheren Schreibens vom 3. August 2018 an. Danach ist nicht ersichtlich, wie denn zwischen einem Kopf des Sprühkopfes 41 und dem Sprühkopf 41 zu unterscheiden ist, weshalb der Ausdruck "Kopf des Sprühkopfes" unklar sei. Zum anderen ist ein möglicherweise als separater Teil des Sprühkopfes beanspruchter Kopf nicht eindeutig der ursprünglichen Offenbarung entnehmbar, weshalb ein derartiges Anspruchsmerkmal als unzulässige Erweiterung des Verfahrens nach Anspruch 1 und des Gargeräts nach Anspruch 6 angesehen werden könnte.
Folglich wird durch die Abänderung des in der von Seite 5, Zeilen 18 - 21 der Offenlegungsschrift in die Ansprüche 1 und 6 übernommenen Passage enthaltenen Ausdrucks "Kopf des Sprühkopfes" in "Sprühkopf" lediglich eine Klarstellung der Ansprüche bewirkt und eine mögliche unzulässige Erweiterung vermieden.
4.1.5 Das Verfahren und das Gargerät der Ansprüche 1 und 6 sind im Zusammenhang mit den aufgenommenen Orbitalkopfmerkmalen gegenüber der erteilten Fassung von mindestens einer auf eine Mehrzahl von Sprühdüsen zum Einbringen der Flüssigkeit eingeschränkt worden. Demnach wird nicht nur ein, sondern eine entsprechende Mehrzahl von Flüssigkeitsstrahlen aus den Sprühdüsen eingebracht, siehe Offenlegungsschrift
- Seite 5, Zeilen 1/2: "Der an der/den Sprühdüsen austretende Flüssigkeitsstrahl",
- Seite 7, Zeile 8: "Durch den Hochdruckstahl aus den Sprühdüsen",
- Seite 15, Zeile 28: "Der Strahl aus den Sprühdüsen",
- Seite 15, Zeilen 33/34: "bei der ein Strahl... die Sprühdüsen 42 verlässt".
Die vorstehenden Zitate können in technisch sinnvoller Weise nicht so verstanden werden, dass nur ein einziger Flüssigkeitsstrahl alle Sprühdüsen verlässt, sondern nur so wie nunmehr beansprucht, dass aus jeder Sprühdüse ein Flüssigkeitsstrahl eingebracht wird. Eine wie auch immer geartete, für einzelne Sprühdüsen individuell regelbare Flüssigkeitszufuhr wird nirgends in der ursprünglichen Offenbarung in Betracht gezogen.
Die Kammer ist nicht überzeugt vom Argument der Beschwerdegegnerin , dass ein Flüssigkeitsstrahl aus jeder Sprühdüse nicht ursprünglich offenbart sei, weil in Fig. 1 der Offenlegungsschrift sieben Flüssigkeitsstrahlen zu sehen seien, in Fig. 2 aber neun. Erstens handelt es sich um sehr schematische Darstellungen. Zweitens zeigt Fig. 1 eine Draufsicht und Fig. 2 einen Aufriss eines Gargeräts, so dass die Zahl der in beiden Ansichten jeweils sichtbaren Flüssigkeitsstrahlen nicht zwangsläufig identisch sein muss.
4.1.6 Inwiefern die oben angesprochene Einschränkung des Schutzbereichs der erteilten Ansprüche 1 und 7 von "mindestens einer Sprühdüse" auf "eine Mehrzahl von Sprühdüsen" in den Ansprüchen 1 und 6 einen Verstoß gegen Artikel 123(3) EPÜ darstellen soll, kann die Kammer nicht nachvollziehen.
Der Ausdruck "Kopf des Sprühkopfes" ist, wie weiter oben dargelegt, lediglich einmal in der Beschreibung erwähnt, nicht in den erteilten Ansprüchen. Deshalb kann der Schutzbereich des Patents auch nicht durch das Fehlen des "Kopfes" in den Ansprüchen 1 und 6 erweitert worden sein.
4.2 Als weiterer Verfahrensschritt der Reinigung wurde in Anspruch 1 ergänzt, dass nach mechanischem Abtragen von Verschmutzungen durch die Flüssigkeitsstrahlen ("anschließend") diese "zusammen mit der Waschflotte, über den Ablauf (30) aus dem Gargerät abgeführt werden".
4.2.1 Die Beschwerdegegnerin bemängelt, es bliebe in Anspruch 1 offen, wann genau die Waschflotte gebildet werde und wann sie abgelassen werde.
Nach Ansicht der Kammer entnimmt der Fachmann, dem der Begriff "Waschflotte" im Zusammenhang mit der Reinigung von Gargeräten geläufig ist, Anspruch 1 durchaus, dass durch das anfängliche Verwirbeln und Verspritzen des Reinigungsmittels mittels der Flüssigkeitsstrahlen eine Waschflotte gebildet wird.
Ab welchem Zeitpunkt genau sie abgeführt wird, d.h. wann der Ablauf geöffnet wird, wird in der Tat nicht in Anspruch 1 angegeben. Warum dies nötig wäre, wird weder von der Beschwerdegegnerin näher begründet, noch kann die Kammer Gründe hierfür erkennen. Das hinzugefügte Merkmal bezieht sich in erster Linie nicht auf die Waschflotte, sondern präzisiert, wie mit den abgetragenen Verschmutzungen weiter verfahren wird. Es knüpft also an den Schritt des Abtragens an, mit dem der ursprüngliche Verfahrensanspruch 10 "endet", und fügt als offensichtlichen abschließenden Verfahrensschritt für die abgetragenen Verschmutzungen deren Abführen aus dem Gargerät an. Dass dies irgendwann im Anschluss an das Abtragen geschehen muss, ist zum einen so selbstverständlich, dass durch diesen abschließenden Verfahrensschritt dem Verfahren des ursprünglichen Anspruchs 10 nicht wirklich etwas hinzufügt wird. Zum anderen dient der vierte Absatz auf Seite 15 der Offenlegungsschrift für ihn als Offenbarungsgrundlage, wo es heißt "Mit diesem Schritt werden dann die angelösten Verschmutzungen bzw. Verunreinigungen endgültig effektiv abgetragen und über den Ablauf 30 aus dem Garraum 16 hinausgespült."
4.2.2 Die Beschwerdegegnerin hat ferner schriftlich vorgetragen, dem hinzugefügten Verfahrensschritt fehle es an einer Grundlage in der ursprünglichen Offenbarung, weil er in offenem Widerspruch zu dieser stünde. Erst nach Öffnen des Abflusses 30 (Schritt 73 in Fig. 5) und somit des Abfließens der Waschflotte werde nämlich mit der Abtragung (Schritt 74 in Fig. 5) begonnen, wie auch ursprünglich in Anspruch 11 beansprucht.
Wie bereits unter Punkt 1.2.3 ihrer Mitteilung nach Artikel 15(1) VOBK 2020 dargelegt, kann die Kammer keinen Widerspruch zwischen Anspruch 1 und der ursprünglichen Offenbarung erkennen, der zu einer unzulässigen Erweiterung führen würde:
"Ausweislich Seite 8, Zeilen 4 - 9 der Offenlegungsschrift erfolgt ein erstes mechanisches Abtragen von Verschmutzungen bereits vor Öffnung des Ablaufs. Deshalb spricht die oben zitierte Passage der Seite 15 konsequenterweise auch von "endgültig effektiv abgetragen". Zum Zeitpunkt des Öffnens des Ablaufs enthält die Waschflotte im Garraum somit bereits abgetragene Verschmutzungen, die zusammen mit ihr abgeführt werden. Auch scheint es plausibel, dass das Ablaufen der Waschflotte eine gewisse Zeit in Anspruch nimmt, während derer sie weitere, erst nach Öffnung des Ablaufs abgetragene Verschmutzungen aufnimmt, die zusammen mit ihr abfließen."
4.3 In ihrem schriftlichen Vorbringen hat die Beschwerdegegnerin auch Einwände hinsichtlich der Merkmale "Rückstoßprinzip" und "ausschließlich aus Wasser gebildet" erhoben. Ersteres fehle in den unabhängigen Ansprüchen 1 und 6, was zu einer unzulässigen Zwischenverallgemeinerung führe, letzteres gehe nicht eindeutig aus der ursprünglichen Offenbarung hervor.
Da die Beschwerdegegnerin diese Einwände in der mündlichen Verhandlung nicht mehr explizit aufgegriffen hat - "Rückstoßprinzip" war wohl nur im Zusammenhang mit "Kopf" (des Sprühkopfes) relevant - sieht die Kammer keine Veranlassung, von ihrer diesbezüglich in der Mitteilung nach Artikel 15(1) VOBK 2020 geäußerten vorläufigen Meinung abzuweichen, die nachfolgend wiedergegeben ist.
4.3.1 "Auf Seite 13, Zeilen 25 - 30 der Offenlegungsschrift scheint auch kein wesentlicher, geschweige denn ausschließlicher funktionaler Zusammenhang zwischen dem Begriff "Kopf" und einem "Rückstoßprinzip" beschrieben zu sein, so dass beide Merkmale untrennbar gemeinsam offenbart wären. Die Kammer kann obiger Passage lediglich eine Alternative für den im vorhergehenden Absatz beschriebenen mechanischen Antrieb des Sprühkopfes 41 in einem bestimmten Ausführungsbeispiel entnehmen."
4.3.2 Für das den Flüssigkeitsstrahlen hinzugefügte Merkmal "ausschließlich aus Wasser gebildet" wurde auf folgende Passage der Offenlegungsschrift verwiesen:
"Seite 4, Zeilen 9 - 32
"die über den Sprühkopf der Reinigungseinrichtung eingeführte Flüssigkeit ist vorzugsweise Wasser, das sich für die Hochdruck-Reinigung besonders eignet, wohingegen Reinigungsmittel...nicht geeignet sind...Durch das Vermeiden des Zusetzens des Reinigungsmittels zur strömenden Hochdruckflüssigkeit....Flüssigkeit, also insbesondere Wasser...durch Hochdruckbesprühung mittels Wasser".
Durch diese Offenbarungsgrundlage scheint der Kammer das Anspruchsmerkmal "ausschließlich Wasser" hinreichend gedeckt. Auch wenn der Begriff "ausschließlich" nicht wortwörtlich offenbart ist, scheint er sich eindeutig aus dem Gesamtverständnis obiger Passage zu ergeben (siehe auch Seite 8, Zeile 5: "Wasserstrahlen")."
Mit ihrem Schriftsatz vom 2. September 2020 ergänzt die Beschwerdegegnerin ihren Einwand gegen das Merkmal "ausschließlich aus Wasser gebildet" mit dem Argument, es führe zu einer unzulässigen Zwischenverallgemeinerung in Anspruch 1. In der oben zitierten Passage sei es nur im Zusammenhang mit einer "Hochdruck-Reinigung" offenbart, die wiederum einen "harten Hochdruckstrahl" von bis zu 160 bar erfordere, Seite 15, Zeilen 32 - 34 der Offenlegungsschrift.
Da der beanspruchte "gewöhnliche" Hochdruck bereits in diesem Druckbereich definiert wird, siehe Absatz [0027] der Patentschrift, kann die Kammer keinen Unterschied zu "hartem" Hochdruck ausmachen. Folglich sieht sie im Hinblick auf die entsprechende Offenbarung in dem die Seiten 4 und 5 der Offenlegungsschrift überbrückenden Satz keine Notwendigkeit, den relativen Begriff "hart" auch in Anspruch 1 aufzunehmen.
4.4 Die Beschwerdegegnerin macht abschließend geltend, das Verfahren des Anspruchs 1 und das Gargerät des Anspruchs 6 gingen über den Inhalt der ursprünglichen Offenbarung hinaus, da kein Ausführungsbeispiel sämtliche Merkmale dieser Ansprüche aufwiese.
Nach Ansicht der Kammer fallen das in den Fig. 1 - 5 gezeigte und auf den Seiten 11 - 17 der Offenlegungsschrift beschriebene Gargerät und mit diesem durchgeführte Reinigungsverfahren durchaus in den Umfang der Ansprüche 1 und 6 und weisen auch sämtliche Merkmale dieser Ansprüche auf, siehe obige Begründungen. Dass diese Merkmale teilweise bereits im einleitenden Teil der Anmeldung näher definiert sind, wie z.B. der Orbitalkopf, und bei der Beschreibung des Ausführungsbeispiels lediglich Bezug auf sie genommen wird, tut dem keinen Abbruch. Im übrigen kann der gesamte Inhalt der Anmeldung als Offenbarungsgrundlage dienen, nicht nur das einzige Ausführungsbeispiel, siehe RSBK 2019, II.E.1.2.1.
4.5 Zusammenfassend schließt die Kammer deshalb, dass das Verfahren nach Anspruch 1 und das Gargerät nach Anspruch 6 nicht über den Inhalt der Anmeldung in ihrer ursprünglichen Fassung hinausgehen, Artikel 123(2) EPÜ. Die in Hilfsantrag 6 gegenüber der erteilten Fassung vorgenommenen Änderungen begründen auch nicht die weiter vorgebrachten Einwände unter Artikel 83, 84 und 123(3) EPC.
5. Hilfsantrag 6 - Mangelnde Ausführbarkeit
Außer im Zusammenhang mit dem zu dem Einwand unter Artikel 123(2) EPÜ von der Beschwerdegegnerin vorgetragenen Hilfsargument zu Anspruch 5 (siehe oben Punkt 4.1.3) ist die Frage der ausreichenden Offenbarung und der entsprechende Einspruchsgrund nach Artikel 100b) bzw. 83 EPÜ im Beschwerdeverfahren nicht explizit von der Kammer aufgegriffen worden.
5.1 Die Kammer stellt jedoch fest, dass die Änderungen in Hilfsantrag 6 einen Großteil der von der Beschwerdegegnerin diesbezüglich im Beschwerdeverfahren vorgebrachten Einwände offensichtlich ausräumen:
- durch Streichung des erteilten Verfahrensanspruchs 6;
- durch konsequente Anpassung des Wortlauts an eine Mehrzahl von Sprühdüsen/Flüssigkeitsstrahlen;
- durch Streichung des Begriffs "Kopf" in "Kopf des Sprühkopfes".
5.2 Im Hinblick auf die von der Beschwerdegegnerin in diesem Zusammenhang ferner angeführten Schritte und Merkmale "Bildung/Abfluss der Waschflotte" in Anspruch 1 und "harter Hochdruckstrahl" in Anspruch 6 geht aus den Ausführungen der Kammer zur ursprünglichen Offenbarung der entsprechenden Anspruchsmerkmale (siehe oben Punkte 4.2 und 4.3.2) unmittelbar hervor, dass und wie der Fachmann auf Grundlage dieser Offenbarung ein Verfahren bzw. ein Gargerät mit diesen Schritten und Merkmalen ausführen kann.
6. Zurückverweisung
Die Beschwerdeführerin beantragt die Zurückverweisung der Sache an der Einspruchsabteilung.
Zweck des Beschwerdeverfahrens ist in erster Linie die Überprüfung der erstinstanzlichen Entscheidung, RSBK 2019, V.A.1.1. Da die Einspruchsabteilung noch nicht über die weiteren vorgebrachten Einspruchsgründe nach Artikel 100a) und 100b) EPÜ entscheiden konnte, kann eine diesbezügliche Überprüfung ihrer Entscheidung nicht im Beschwerdeverfahren stattfinden. Zudem sind die noch zu behandelnden Fragen vorliegend zu komplex, als dass sie von der Kammer mit angemessenem Aufwand von Grund auf geklärt werden könnten. Dies sieht die Kammer als besondere Gründe, die eine Zurückverweisung der Sache an die Einspruchabteilung zur weiteren Entscheidung nach Artikel 11 VOBK 2020 rechtfertigen.
Die Beschwerdegegnerin erhebt keine Einwände gegen eine solche Zurückverweisung.
7. Mit ihrem Hilfsantrag 6, den die Kammer in Ausübung ihres Ermessens nach Artikel 13(2) VOBK 2020 zum Verfahren zulässt, behebt die Beschwerdeführerin die von der Einspruchsabteilung erkannten Mängel nach Artikel 123(2) EPÜ, die erstinstanzlich zum Widerruf des Patents geführt haben.
Ihrer Beschwerde gegen die entsprechende Entscheidung der Einspruchsabteilung ist deshalb stattzugeben.
Aus diesen Gründen wird entschieden:
1. Die angefochtene Entscheidung wird aufgehoben.
2. Die Angelegenheit wird an die Einspruchsabteilung mit der Maßgabe zurückverwiesen, über die weiteren Einspruchsgründe zu entscheiden.