T 3002/18 12-03-2021
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Optisches Element für eine Leuchte, sowie Leuchte
ITZ Innovations- und Technologiezentrum GmbH
Siteco Beleuchtungstechnik GmbH
I. Die Beschwerden richten sich gegen die Zwischenentscheidung der Einspruchsabteilung des Europäischen Patentamts über die Aufrechterhaltung des europäischen Patents Nr. 2871411 in geändertem Umfang, zur Post gegeben am 18. Oktober 2018.
II. Die Einspruchsabteilung hat das Patent in geändertem Umfang aufrechterhalten und zwar in der Fassung des Hilfsantrags III.
Im Wesentlichen hat sie festgestellt, dass der Gegenstand von Anspruch 1 des Hauptantrags vom 27. Oktober 2017 nicht erfinderisch ist gegenüber dem Dokument
LS2 (GB 1317083).
Ausgehend von LS10 (CN 201561370 U bzw. LS10a, der computergenerierten Übersetzung der LS10) beruht der Gegenstand des Anspruchs 1 gemäß Hauptantrag auf einer erfinderischen Tätigkeit, ebenso ausgehend von D9 (DE 10 2005 042 576A1).
Der Gegenstand des Hilfsantrags III beruht auf einer erfinderischen Tätigkeit ausgehend von LS2.
Gegen diese Entscheidung haben die Patentinhaberin (Beschwerdeführerin 1) und die Einsprechenden 1 und 2 (Beschwerdeführerinnen 2 und 3) Beschwerden eingelegt.
In der Beschwerdebegründung bezieht sich die Beschwerdeführerin 2 (Einsprechende 1) auch auf Dokument LS1 (EP 0 380 663 A1).
III. Am 12. März 2021 wurde vor der Beschwerdekammer verhandelt.
Die Beschwerdeführerin 1 (Patentinhaberin) beantragte die angefochtene Entscheidung aufzuheben und das Patent in der geänderten Fassung gemäß dem Hauptantrag oder eines der Hilfsanträge I, II, IV, V, VI, VII, aufrechtzuerhalten. Des Weiteren beantragte sie die Beschwerden der Einsprechenden 1 und 2 zurückzuweisen (Hilfsantrag III), alle Anträge eingereicht mit der Beschwerdeerwiderung.
Die Beschwerdeführerinnen 2 und 3 (Einsprechenden 1 und 2) beantragten den Widerruf des Patents.
IV. Der Anspruch 1 des Hauptantrags entspricht im Wesentlichen dem der Entscheidung der Einspruchsabteilung und lautet wie folgt:
Leuchte, aufweisend
- ein optisches Element mit wenigstens einem Linsenelement (1), das aus einem ersten Material besteht und einem Halte-Element (2), das aus einem zweiten Material besteht, wobei sich das zweite Material in seinen optischen Eigenschaften von dem ersten Material unterscheidet,
wobei das wenigstens eine Linsenelement (1) und das Halte-Element (2) derart integriert gestaltet sind, dass das optische Element einteilig ist,
wobei das wenigstens eine Linsenelement (1) eine Lichteintrittsseite (15) und hierzu gegenüberliegend eine Lichtaustrittsseite (16) aufweist,
wobei das Halte-Element (2) ein Reflektor-Element ist und das optische Element dabei so gestaltet ist, dass ein über die Lichteintrittsseite (15) eintretendes Licht (LI) das wenigstens eine Linsenelement (1) über die Lichtaustrittsseite (16) verlassen kann und im Weiteren auf das Reflektor-Element auftrifft,
wobei das optische Element eine Abdeckung der Leuchte bildet,
gekennzeichnet durch
- wenigstens eine LED (3), die derart angeordnet ist, dass ein von der wenigstens einen LED (3) erzeugtes Licht in das wenigstens eine Linsenelement (I) eintritt, insbesondere ohne vorherige Wechselwirkung mit einem weiteren optischen Element,
wobei das Halte-Element (2) durch ein Umspritzcn des wenigstens einen Linsenelements (1) gebildet ist und wobei das optische Element Topf-förmiggestaltet ist.
V. Die Beschwerdeführerin/Patentinhaberin brachte im Wesentlichen die folgenden Argumente vor:
Der Gegenstand des Anspruchs 1 des Hauptantrags beruht auf einer erfinderischen Tätigkeit.
Die Entscheidung der Einspruchsabteilung, dass der Fachmann die Paraffin-Leuchte aus LS2 ohne eine Veränderung mit einem LED Leuchtmittel ausstatten könne, sei falsch. So sei nämlich nicht die Frage, ob die in LS2 dargestellte Optik grundsätzlich zur Verwendung in Kombination mit einer LED Lichtquelle geeignet sei, sondern ob die Integration von LED Leuchtmitteln der Leuchte nach LS2 nahegelegt war. So wiesen LED im Vergleich zu einer Lichtquelle auf Paraffinbasis deutlich unterschiedliche Lichtabstrahleigenschaften auf. Auch sei das Licht wegen des geringeren Abstrahlwinkels einer LED gebündelter, so dass die bei der "Road Danger Lamp" vorgesehene Reflektion des Paraffinlichts an der Gehäusewand nicht vorkomme. Dies habe eine geringere Effizienz zur Folge.
LS10 sei ein völlig ungeeigneter Ausgangspunkt für die Untersuchung der erfinderischen Tätigkeit. In LS10 würden TIR (Total Internal Reflection) Linsen verwendet, bei denen eben gerade nach dem Austritt aus dem Glaskörper der Lichtstrahl bereits parallel gerichtet sei und damit keine Reflektion mehr an Aussenflächen des optischen Elements stattfände.
Auch LS1 könne den Gegenstand nicht nahelegen. Dort sei u.a. das Merkmal M8 nicht offenbart, wonach das optische Element gleichzeitig die Abdeckung der Leuchte bilde. Auch könne diese Information der Fachmann nicht der LS2 entnehmen, denn letztlich würde das bedeuten, dass die filigrane optische Struktur als Abdeckung verwendet Umwelteinflüssen ausgesetzt wäre. Dazu müsste diese Struktur in nicht naheliegender Weise verändert werden.
Auch sei die Vorrichtung nach LS1 für ein Leuchtmittel mit einer anderen Abstrahlcharakteristik als eine LED entworfen worden, welches maximal nur in einen 180 Grad Halbraum abzustrahlen in der Lage sei. Dann aber müsste aber der Fachmann wieder den Kollimator anpassen, was einer Neukonstruktion der Leuchte gleichkäme.
Auch ausgehend von D9 sei der Gegenstand des Anspruchs 1 nicht nahegelegt. Es sei völlig abwegig, dass der Fachmann eine Leuchte, bei der ein hochwertig wirkendes LED-Array mit einer Glühbirne und einer entsprechenden Optik imitiert werden soll, die Glühbirne durch ein LED Leuchtmittel ersetzt. Prinzipiell seien zwar Ersatzleuchtmittel in LED Technologie bekannt, deren Einsatz im Fahrzeugbereich war zum Prioritätszeitpunkt aber mit Problemen behaftet, wie sie auch die Einspruchsabteilung in ihrer Entscheidung angeführt habe.
VI. Die Einsprechenden / Beschwerdeführerinnen widersprachen wie folgt:
Der Gegenstand des Anspruchs 1 sei nahegelegt und zwar ausgehend von LS2, LS10, D9 und LS1.
Es sei für den Fachmann ? wie es die Einspruchsabteilung auch richtig festgestellt habe - nahegelegt, die vorhandene Road Danger Lamp gemäß LS2 umzurüsten. Dazu sei lediglich ein Akku und ein LED Leuchtmittel, etwa ein zum Prioritätszeitpunkt bekanntes Leuchtmittel mit einem Cluster aus 6 bis 8 LEDs in das vorhandene Gehäuse zu integrieren. Dies habe die selben Leuchteigenschaften wie eine Paraffinflamme. Daher müssten keine weiteren Anpassungen vorgenommen werden.
Auch ausgehend von LS10 sei der Gegenstand nahegelegt. Es handele sich hierbei zwar um eine ,,Total Reflection Lens" (TIR) aber der Fachmann erkenne sofort, dass es Situationen gebe, in denen ein Lichtstrahl im mittleren Bereich beim Austritt aus der Linse so gebrochen werde, dass er auf den Reflektor auftreffe. Derartige Lichtstrahlen würden nämlich von der Mittelachse weg nach außen gebrochen. Schließlich reiche es, wenn dies auch nur für wenige Lichtstrahlen der Fall sei.
Ebenfalls sei der Gegenstand des Anspruchs 1 nahegelegt, wenn der Fachmann mit LS1 als Startdokument heranzöge. So sei es nahegelegt, dass der Reflektor (Kollimator) aus LS1 auch als Abdeckung verwendet werden könne. Das wisse der Fachmann aus LS2. Des weiteren beruhe es nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit, das Leuchtmittel aus LS1 gegen eine LED Leuchtmittel zu ersetzen. Diese waren dem Fachmann zum Prioritätszeitpunkt wohl bekannt.
Letztlich bekäme der Fachmann auch durch D9 die Anregung den Erfindungsgegenstand in naheliegender Weise zu entwickeln. Es könne dahingestellt bleiben, ob der Fachmann, wie es die Einspruchsabteilung ausgeführt hat, die Leuchte nach D9 so umkonstruieren würde, dass sie mit einem LED Leuchtmittel betrieben würde. Auf jeden Fall sei bekannt, dass es zum Prioritätszeitpunkt für Kraftfahrzeuge Ersatzleuchtmittel gegeben habe, die auf der LED Technologie beruhten und die als Ersatz für konventionelle Glühfadenleuchtmittel gedacht waren. Ein solches Leuchtmittel sei beispielsweise in D11 offenbart.
Es sei damit für den Fachmann nahegelegt, ein derartiges LED Leuchtmittel als Ersatz für eine defekte Glühbirne einzusetzen. Dies habe nämlich in der Regel auch eine längere Lebensdauer.
1. Der Gegenstand des Anspruchs 1 gemäß Hauptantrag beruht auf einer erfinderischen Tätigkeit, Artikel 56 EPÜ.
1.1 Die Einsprechenden behaupten, dass ausgehend von Dokument LS10 der Gegenstand des strittigen Anspruchs 1 nahegelegt sei.
Hier folgt die Kammer uneingeschränkt der Auffassung der Einspruchsabteilung, vgl. Entscheidung, Punkt 2.3.3.
Hierbei ist die Kammer überzeugt, dass das grundsätzliche optische Prinzip, das dem optischen Element der LS10 zugrunde liegt, gänzlich anders funktioniert, als im Streitpatent. Das optische Element in LS10 ist eine sogenannte TIR Linse (Total Internal Reflection, Total Reflection Lens), die eben kein zusätzliches Reflektorelement im Sinne des Streitpatents aufweist, an dem der Lichtstrahl nach Austreten der Linse reflektiert wird. Linse und Reflektorelement sind hier ein einziges funktionales Teil: Lichtreflektionen finden nur an der Innenseite des Linsenkörpers statt. Für die Behauptung der Einsprechende, dass es dort Lichtstrahlen gebe, die nach Verlassen der Linse von außen wieder auf den Reflektor auftreten, gibt es keinen Anhaltspunkt in der Beschreibung. Von daher ist LS10 kein geeigneter Ausgangspunkt für die Evaluation der erfinderischen Tätigkeit der erfindungsgemäßen Leuchte.
1.2 Auch bezüglich der Argumentationslinie der Einsprechenden ausgehend von D9 sei die strittige Erfindung nahegelegt, folgt die Kammer der Einspruchsabteilung in ihrer Entscheidung, vgl. dort Punkt 2.3.4.
1.2.1 Zum Zeitpunkt der Entwicklung der Leuchte gemäß D9 waren der Einsatz von Leuchteneinheiten mit LED-Leuchtmitteln im Kraftfahrzeug sehr kostenintensiv und damit hochpreisigen Fahrzeugen vorbehalten. Die Leuchte gemäß D9 sollte den hochwertigen Eindruck einer LED Rückleuchte mit einem konventionellen Leuchtmittel und einem optischen Element, welches einen Eindruck eines LED-Arrays vermitteln soll, erreichen.
1.2.2 Somit ist nicht erkennbar, warum der Fachmann die Leuchte gemäß D9, zum Prioritätszeitpunkt des Streitpatents - als LED Leuchtmittel bereits viel günstiger waren - umkonstruieren solle, um sie dann mit einem LED Leuchtmittel zu betreiben, anstatt eine Leuchte zu entwickeln, die die weiteren Vorteile der LED Technik, wie etwa die freie Flächengestaltbarkeit zu nutzen kann.
1.2.3 An dieser Auffassung ändert auch nichts, dass dem Fachmann zum Prioritätszeitpunkt des Streitpatents Austauschleuchtmittel in LED Technik zum Ersatz konventioneller ,,Glühbirnen" grundsätzlich bekannt waren (zum Beispiel DE 603 14 970 T2 (D11)), denn sie waren eben nur grundsätzlich bekannt, nicht aber für die spezielle Leuchte nach D9.
Dass nämlich exakt für diese Leuchte ein passendes Austauschleuchtmittel in LED Technik vorgelegen hat ist nicht bekannt und wurde auch nicht vorgetragen.
Damit aber stellt sich die Frage nach dem Vorliegen der erfinderischen Tätigkeit wie folgt:
Würde der Fachmann ein zu der Leuchte gemäß D9 passendes Retrofit-Leuchtmittel entwickeln, dazu Bauform, Sockel, Spannung, Strom, Leuchtstärke und ?farbe anpassen; Haltbarkeit und Festigkeit für den Einsatz im Straßenverkehr erproben und letztlich für die Verwendung in Kraftfahrzeugen einem Zulassungsprozess unterziehen?
Die Tatsache, dass es verschiedentlich für Kraftfahrzeug-Leuchten zugelassene LED-Austauschleuchtmittel gegeben hat, beweist lediglich, dass der Fachmann ein derartiges Retrofit Leuchtmittel hätte entwickeln können. Die Kammer hält es aber ebenfalls aus dem o.g. Grund (siehe 1.2.2) nicht für überzeugend, dass sich ein Fachmann in diesem Fall dieser Aufgabe gewidmet hat.
Damit ist D9 nicht in der Lage, den strittigen Gegenstand nahezulegen.
Insofern folgt auch hier die Kammer der Entscheidung der Einspruchsabteilung, Seite 14, Merkmal M9.
1.3 Ausgehend von LS1 in Kombination mit LS2 ist der Gegenstand des Anspruchs 1 ebenfalls nicht nahegelegt.
Die Kammer ist der Auffassung, dass der Fachmann nicht ohne weiteres in die Umgebung des Kollimators ein LED Leuchtmittel integrieren würde, da die optischen Eigenschaften von Leuchtdioden im Vergleich zu konventionellen Leuchtmitteln derart unterschiedlich sind und bereits bei deren Fertigung auf die künftige Anwendung optimiert werden.
Somit beruht diese Argumentationslinie der Einsprechenden auf einer rückschauenden Betrachtungsweise.
Insofern kann dahinstehen, ob der Fachmann dem Dokument LS 2 überhaupt das Merkmal M8, wonach das optische Element die Abdeckung der Leuchte bilden soll, entnehmen kann, um es in die Leuchte gemäß LS1 zu integrieren. Dazu müsste der Reflektor des Kollimators in LS1 als Abdeckung dienen. Eine derart filigrane Strukur, wie sie beispielsweise in Figur 6 der LS 1 dargestellt ist, kann aber nicht ohne erfinderisch tätig zu werden als Abdeckung dienen.
1.4 Ebenfalls ist für die Kammer nicht erkennbar, wie der Fachmann ausgehend von LS2, einer Paraffin Leuchte für die Sicherung von Baustellen im Straßenverkehr (,,Road Danger Lamp"), zum Gegenstand des Anspruchs 1 gelangen sollte. Das optische Element ist für die Lichtquelle ? ein Paraffin-Brenner ? optimiert worden, d.h. die komplette Leuchte, insbesondere aber die Linsen und Reflektoren sind darauf optimiert, eine Lichtquelle im Ausmaß und mit der Richtcharakteristik einer Paraffinflamme zur Geltung zu bringen.
Die vorliegende Frage ist nach Ansicht der Kammer nämlich nicht, ob ein findiger Bastler es zum Prioritätszeitpunkt schaffen könnte, eine alte Leuchte gemäß LS2 mit LED Leuchtmittel und einem Akku auszustatten, um sie zeitgemäß funktionsfähig zu haben, sondern ob ein Fachmann, mit der Aufgabe betraut, eine Gefahrenleuchte für Baustellen zu entwickeln, die Konstruktion von LS2 seiner Leuchte zugrundelegen würde.
Dass er dies tun könnte mag unstrittig sein, allerdings führt eine einfache Installation einer LED mit einem Akku nicht zum einem Ergebnis, der eine (zulassungsfähige) ,,Road Danger Lamp" zum Ergebnis hätte.
Die Kammer widerspricht hier der Entscheidung der Einspruchsabteilung insofern, dass der Fachmann sich also im Detail mit der Anpassung der Linsen und Reflektoren beschäftigen müsste, um die Lichtausbeute der wenigstens einen LED zu optimieren. Dies aber würde der Fachmann nicht tun, sondern sich gleich mit der Konstruktion einer Leuchte auseinandersetzen, die die technologischen Vorteile von LED Leuchtmitteln zu nutzen in der Lage ist.
So beruht auch diese Argumentationslinie auf einer rückschauenden Betrachtungsweise.
Aus diesen Gründen wird entschieden:
1. Die angefochtene Entscheidung wird aufgehoben.
2. Die Angelegenheit wird an die erste Instanz mit der Anordnung zurückverwiesen, das Patent in der folgenden geänderten Fassung aufrechtzuerhalten:
Ansprüche: 1-8 gemäß Hauptantrag, eingereicht mit der Beschwerdeerwiderung vom 10. Juli 2019
Beschreibung:
Spalten 1-8 der Patentschrift, eingereicht während der mündlichen Verhandlung
Zeichnungsblätter wie erteilt Fig. 1-3.